TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/08 D13 414777-1/2010

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Veröffentlicht am 08.07.2013
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Spruch

D13 414777-1/2010/14E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.07.2010, FZ. 09 13.811-BAT, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 09.10.2012 und 18.04.2013 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 07.11.2009 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern XXXX (Zl. D13 414779-1/2010) und XXXX (Zl. D13 414778-1/2010) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz (in weiterer Folge auch als Asylantrag bezeichnet).

 

Hierzu wurde sie am 09.11.2009 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab im Wesentlichen an, dass sie über XXXX nach Wien geflogen sei. Sie habe ihren Herkunftsstaat verlassen, da sie dort seit sechs Jahren Probleme habe. Ihr Mann habe am Krieg teilgenommen und für die Tschetschenen gekämpft. Das habe sie nicht gewusst. Die Russen suchen ihren Mann. Er verstecke sich. Seit die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn schwanger gewesen sei, habe sie ihren Mann nicht mehr gesehen. Die Russen und die Tschetschenen seien zu ihr nach Hause gekommen und haben nach dem Aufenthaltsort des Mannes gefragt. Die Beschwerdeführerin sei auch geschlagen worden. Ihren Kindern haben sie die Pistole an den Kopf gehalten und diese mit dem Umbringen bedroht. Die Beschwerdeführerin habe dieses Leben nicht mehr ausgehalten und habe daher beschlossen die Heimat zu verlassen. Im Falle ihrer Rückkehr befürchte sie umgebracht zu werden.

 

Am 11.01.2010 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die tschetschenische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen Folgendes an:

Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder seien gesund und brauchen keine ständige ärztliche Betreuung. In Österreich leben eine Cousine und ein Cousin väterlicherseits der Beschwerdeführerin. Im Herkunftsstaat leben die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder der Beschwerdeführerin.

 

Die Beschwerdeführerin sei am 07.11.2009 nach Österreich gekommen und habe im Rahmen der Erstbefragung angegeben, dass ihr Mann noch am Leben sei. Er sei aber am 07.11.2009 getötet worden. Dies habe sie erst nach der Erstbefragung erfahren. Die Beschwerdeführerin sei ausgereist, um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder zu retten. Sie habe ihren Ehemann am 22.06.2003 geheiratet. Die Ehe sei von ihrem Cousin arrangiert worden. Nach der Hochzeit habe sie erfahren, dass ihr Ehemann früher Probleme gehabt habe. Ihren Ehemann habe sie das letzte Mal gesehen, als sie mit ihrem Sohn schwanger gewesen sei. Immer wieder seien maskierte und uniformierte Leute zur Beschwerdeführerin nach Hause gekommen und haben gefragt, wo sich ihr Mann aufhalte. Ihr sei auch vorgeworfen worden, dass sie ihren Mann unterstütze. Wann diese Leute zuletzt bei ihr gewesen seien wisse sei nicht mehr. Es müsse ungefähr im Oktober gewesen sein, als sie sich bei ihrer Tante in XXXX versteckt habe. Die Beschwerdeführerin habe auch eine Zeit lang in XXXX, Inguschetien, gelebt. Sie habe mehrmals ihre Unterkunft gewechselt, sobald sie sich beobachtet gefühlt habe. Die bewaffneten Leute haben der Beschwerdeführerin gedroht, dass sie sie auch im Ausland finden werden. Sie haben sogar die Waffe auf ihre Tochter gerichtet. Die Tochter müsse immer noch Beruhigungsmittel nehmen. Die Tochter sei von einem der Männer gepackt und nach vorne gestoßen worden. Sie habe eine offene Wunde davon getragen, die stark geblutet habe. Seither habe sie Probleme mit dem Herzen. Sie habe auch eine ärztliche Überweisung für ein Spital in Wien.

 

Weiters befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Ehemann noch im ersten Krieg gekämpft habe. Seit 2002 werde er föderationsweit gesucht. Die Beschwerdeführerin habe heute eine CD mit, auf der er tot zu sehen sei. Die Fotos seien aus dem Internet. Sie habe auch einen englischen Internettext. Darin werde ihr Ehemann, XXXX bezeichnet.

 

Die Schwiegereltern der Beschwerdeführerin leben seit etwa vier Jahren in XXXX, Aserbaidschan. Sie habe heute ein Schreiben ihrer Schwiegereltern mit, in dem diese für die Beschwerdeführerin sprechen. Zu ihren Schwiegereltern habe sie nicht reisen können, da man sie möglicherweise auch in XXXX finden würde. Als die Beschwerdeführerin noch in Tschetschenien gewesen sei, habe sie keinen Kontakt zu ihren Schwiegereltern gehabt. Die Beschwerdeführerin habe gehört, dass der Bruder ihres Ehemannes, XXXX, auch in Österreich sei.

 

Auf Vorhalt, dass ihr Ehemann nun nicht mehr am Leben sei und daher nicht mehr die Gefahr bestehe, dass sie nach dem Aufenthaltsort ihres Ehemannes gefragt werde, entgegnete die Beschwerdeführerin, es sei sogar auf der Aufnahme zu hören, dass alle seine Verwandten, die mit ihm Kontakt gehabt haben, umgebracht werden würden. Diese Leute würden ihr die Unterstützung ihres Mannes unterstellen.

 

Persönliche Fotos, auf denen sie gemeinsam mit ihrem Ehemann abgebildet sei, gebe es keine. Dies wäre für sie zu gefährlich gewesen.

 

Mit E-Mail vom 24.02.2010 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Foto, welches ihrer Aussage zufolge sie selbst und XXXX zeige, sowie einen Befund des XXXX, wonach bei XXXX lediglich ein harmloses Herzgeräusch ohne Krankheitswert vorliege und eine kardiale Therapie derzeit nicht erforderlich sei.

 

Mit Bescheid vom 26.07.2010, Zahl: 09 13.811-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (= Spruchpunkt I.) und erkannte der Beschwerdeführerin den Status des Asylberechtigten nicht zu. Weiters erkannte das Bundesasylamt der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zu (= Spruchpunkt II.) und wies diese gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (= Spruchpunkt III.).

 

Begründend führte das Bundesasylamt in diesem Bescheid im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gewesen sei, da Widersprüche in ihren Ausführungen festzustellen seien. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass sie davon berichtet habe, dass sie mit ihren Schwiegereltern, welche in XXXX leben, aus Angst keinen Kontakt gehabt habe. Am 11.01.2010 habe sie dann aber plötzlich ein Schreiben der Schwiegereltern vorgelegt. Weiters habe sie eine CD mit Fotos von getöteten Personen vorgelegt. Diesem Beweismaterial sei aber nur geringe Bedeutung beizumessen, da es sich größtenteils um Fotos aus dem Internet handle. Originalfotos habe sie nicht vorgebracht. Einerseits habe sie bei der Befragung am 11.01.2010 auf ausdrückliche Nachfrage der Organwalterin gemeint, sie besitze überhaupt keine persönlichen Fotos, da dies zu gefährlich sei. Andererseits habe sie am 24.02.2010 ein Foto geschickt, auf dem sie plötzlich mit ihrem angeblichen Ehemann zu sehen sei. Die Beschwerdeführerin habe geschildert, dass ihr Ehemann fast nie zu Hause gewesen sei. Dies könne aber nicht richtig sein, da sie immerhin zwei kleine Kinder mit ihrem Mann habe. Es vermöge möglicherweise einem Kern der Wahrheit zu entsprechen, dass die Beschwerdeführerin von Uniformierten in ihrem Herkunftsstaat zum Aufenthaltsort ihres Ehemannes befragt worden sei, jedoch seien an den Vorgängen der Befragungen doch starke Zweifel zu erheben. Die Beschwerdeführerin behaupte, dass ihre Tochter so unsanft behandelt worden sei, dass sie sich an der Stirn verletzt habe. Es sei durchaus möglich, dass die Kleine bei einem Stoß verletzt worden sei, aber wahrscheinlich nicht in der Form, wie die Beschwerdeführerin es der erkennenden Behörde glaubhaft machen zu versuche. Laut Aussage der Beschwerdeführerin habe sie ihren Ehemann zuletzt im Sommer 2005 gesehen. Für die Behörde stelle sich daher die Frage, wieso die Beschwerdeführerin bis zum November 2009, also vier Jahre, in dieser unsicheren Lebenslage weiter im Heimatland aufhältig geblieben sei, anstelle bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt das Land zu verlassen. Immerhin soll nach dem Ehemann bereits seit dem Jahr 2002 föderationsweit gefahndet worden sein. Wenn sie nun auch berichte, ihr Mann sei - ausgerechnet an jenem Tag, als die Beschwerdeführerin in Österreich eingereist sei - ermordet worden, so stelle sich die Frage, warum die russischen oder tschetschenischen Einheiten die Beschwerdeführerin noch weiter belästigen sollten, so doch der Hauptgrund für die Befragungen und Diskriminierungen somit "eliminiert" worden sei. Die Beschwerdeführerin habe einen Internetbericht über die Ermordung eines XXXX, vorgelegt. Dass ihr Mann eine nicht unbedeutende Position bei den Widerstandskämpfern gehabt hätte, habe sie aber bei keiner ihrer Einvernahmen auch nur ansatzweise erörtert. Zu den angeblichen Besuchen der Uniformierten habe die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt konkrete Angaben machen können. Wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich derart im Visier der heimatlichen Einheiten gestanden wäre, wäre es ihr sicherlich nicht möglich gewesen, das Land vom Flughafen XXXX aus in Richtung XXXX zu verlassen, noch dazu unter Mitnahme eines auf ihre richtigen Personalien ausgestellten russischen Auslandsreisepasses. Für die Ausreise habe sie angeblich mit Hilfe ihrer Mutter 3.000,-- US-Dollar aufbringen können. Es wäre nachvollziehbar gewesen, wenn die Mutter sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt finanziell unterstützt hätte. Es sei somit festzustellen, dass die Beschwerdeführerin aktuell in der Russischen Föderation keinen Verfolgungshandlungen und keinen Gefährdungen ausgesetzt sei. Sie habe als aktuellen Fluchtgrund lediglich unsubstantiierte Spekulationen angegeben, welchen kein Glauben geschenkt worden sei.

 

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 06.08.2010 fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes und gab bekannt, dass sie eine Mitarbeiterin von "XXXX" mit ihrer Vertretung beauftragt habe. Die Beschwerdeführerin bemängelte, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft und unschlüssig sei und entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes keine Widersprüche vorliegen. Dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Erstbefragung nicht angegeben habe, welche Position ihr Mann bei den Kämpfern inne gehabt habe, liege daran, dass ja nach den Flucht auslösenden Ereignissen, nicht nach den Hintergründen, wozu die Position des Mannes zähle, befragt worden sei. Es handle sich hier also nicht um ein Austauschen des Vorbringens, sondern um eine Präzisierung des Vorbringens. Hinsichtlich des Schreibens der Eltern des verstorbenen Gatten sei anzumerken, dass dies wegen des geringen Beweiswertes nicht von so zentraler Bedeutung sei, das aufgrund dessen die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin so drastisch geschmälert würde, dass dem gesamten Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzuerkennen wäre. Vielmehr wäre es sinnvoll, sich mit jenen Beweismitteln näher auseinanderzusetzen, die das Vorbringen der Beschwerdeführerin untermauern, so etwa den vorgelegten Fotos und Berichten über den Ehemann, dessen Aktivitäten und dessen Tod. Aus der Gesamtschau gehe dabei hervor, dass der Ehemann als Kämpfer in höherer Position getötet worden sei und der Öffentlichkeit als Kämpfer präsentiert worden sei, wobei auch gleichzeitig angedroht worden sei, seine Angehörigen als seine Unterstützer zu verfolgen. Das private Foto habe die Beschwerdeführerin erst später zur Verfügung stellen können, nachdem sie erfahren habe, dass der Bruder ihres Mannes, XXXX, dieses Foto habe. Sie stelle daher den Antrag, den Bruder ihres Mannes als Zeugen zum in der Vergangenheit bestandenen Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und dem XXXX zu vernehmen. Diesem sei bereits wegen der Probleme, die er wegen seines Bruders gehabt habe, der Status als Flüchtling zuerkannt worden. Der bloße Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Mann zwei Kinder habe, könne nicht bedeuten, dass der Mann nicht dennoch fast nie zu Hause und zumeist in den Wäldern aufhältig gewesen sei. Die Zeugung eines Kindes erfordere nicht eine so lange Zeit, dass er sich hierfür besonders lange zu Hause aufhalten hätte müssen. Vielmehr bedeute die Existenz der Kinder, dass die Beschwerdeführerin eben aus diesem Grund mit besonderer Verfolgung zu rechnen habe. Den von der belangten Behörde behaupteten, unverhältnismäßigen Aufwand, den die Behörden betrieben haben, um den Ehemann der Beschwerdeführerin zu finden, sei kennzeichnend für den im Kaukasus betriebenen Antiterrorkampf. Dazu verweise sie auf eine Entscheidung des VwGH. Es komme in Tschetschenien auch häufig zu unrechtmäßigen Gerichtsverfahren, in denen mutmaßlichen Kämpfern und deren Angehörigen ein Delikt unterschoben werde. Also auch durch den Tod des Mannes der Beschwerdeführerin, durch welchen die tschetschenischen Behörden nunmehr Gewissheit über seine Position bei den Kämpfern erlangt haben, sei die Beschwerdeführerin keineswegs sicher vor weiterer Verfolgung, sondern müsse vielmehr mit weiteren Sanktionen wegen angeblicher Unterstützung ihres Mannes rechnen. Nach der Judikatur sei es schließlich für die Beurteilung der maßgeblichen Verfolgungsgefahr auch völlig unerheblich, ob man ungehindert mit dem eigenen Reisepass legal ausreise. Hinzu trete im konkreten Fall, dass für die Pässe bezahlt worden sei, deren Legalität sich also eher im Graubereich finde. Ebenso wenig tue die von der belangten Behörde als ungewöhnlich bezeichnete Reiseroute etwas zur Sache. Der Reiseweg sei nicht ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit des Vorbringens. Jedenfalls seien die von der Beschwerdeführerin berichteten Handlungen des Staates vom Ausmaß als auch von der Art her als asylrelevant einzustufen. Die Gründe für die Gewährung von subsidiärem Schutz stützen sich auf die oben geltend gemachten Fluchtgründe und die allgemein verschlechterte Sicherheitslage in Tschetschenien, sowie den Umstand, dass die Beschwerdeführerin nach dem Tod des Mannes nunmehr alleinerziehende Mutter sei.

 

Mit Schreiben vom 19.09.2011 legte die Beschwerdeführerin ein Foto ihres verstorbenen Ehemannes, welches ihn als Kämpfer zeige, sowie ein Foto, welches die Beschwerdeführerin und ihren Mann zeige, vor. Weiters übermittelte sie einen Befund von XXXX vom 27.07.2011, wonach sie an einer Anpassungsstörung (früher: reaktive Depression) mit dissoziativen Bewusstlosigkeitsanfälle leide.

 

Mit Stellungnahme vom 05.10.2012 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass am XXXX die Tochter der Beschwerdeführerin, XXXX (Zl. D13 430606-1/2012) geboren wurde. Vater des Kindes sei XXXX (D15 409819-1/2009), der nach wie vor Asylwerber sei. Er habe in seinem Asylverfahren vorgebracht, verfolgt zu sein, da er in Tschetschenien Kämpfer gewesen sei. Hierzu sei anzuführen, dass zum einem die Ausweisungsentscheidung nicht getrennt voneinander erfolgen dürfe, zum anderen aber auch, dass aufgrund der für die Beschwerdeführerin wie auch den Vater ihres Kindes anwendbaren Rechtslage durch die Geburt des Kindes ein Familienverfahren nach § 34 AsylG vorliege und somit - im Falle einer beabsichtigten Abweisung des Antrages - der Verfahrensausgang des Kindesvaters auch zu berücksichtigen sei. Schließlich sei auch nicht zu vernachlässigen, dass die Beschwerdeführerin überdies durch ihre nunmehrige Ehe mit einem ehemaligen tschetschenischen Kämpfer wiederum Verfolgungshandlungen ausgesetzt sein könne. Diesbezüglich verweise sie auf die aktuellen Länderberichte, aus denen dies schlüssig hervorgehe. In Österreich befinden sich zahlreiche Angehörige ihres verstorbenen Mannes, denen allesamt - ebenfalls nach dem Tod des Mannes - bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei. Es handle sich dabei um den Bruder, den Vater und die Mutter des verstorbenen Ehemannes. Die Beschwerdeführerin legte bezüglich ihrer Tochter die Geburtsurkunde, den Auszug aus dem Geburteneintrag, den Meldezettel, sowie die Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft vor.

 

Am 09.10.2012 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, deren rechtsfreundlicher Vertreter und eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 7Z). Das Bundesasylamt teilte mit Schreiben vom 17.09.2012 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, beantragte jedoch aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

 

In dieser Verhandlung legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor (vgl. Beilagen 1 und 2 zum o.a. Verhandlungsprotokoll):

 

Zwei Schreiben in russischer Sprache (Beilagen 1 und 2).

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung waren:

 

(...)

 

Möchten Sie zu den im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Berufungsschrift vorgebrachten Fluchtgründen bzw. Umständen Ihrer Flucht von sich aus eine Erklärung abgeben bzw. Richtigstellungen oder Ergänzungen vornehmen?

 

BF: Nachgefragt gebe ich an, dass ich am XXXX Mutter eines weiteren Mädchens geworden bin. Für das Mädchen habe ich bisher noch keinen Asylantrag gestellt. Ich beabsichtige jedoch in den kommenden Tagen beim BAA einen diesbezüglichen Antrag zu stellen. Hinsichtlich meines erstinstanzlichen Verfahrens möchte ich angeben, dass ich eine Ausbesserung vornehmen möchte: Bei der Einvernahme wurde protokolliert, "als ich in Inguschetien gewohnt habe, mietete ich eine Wohnung." Dabei wurde erwähnt, dass ich meinem Vermieter die ganze Wahrheit über meine Probleme erzählt habe, weswegen er mir diese Wohnung vermietet hat. Das stimmt aber nicht. Ich habe natürlich über meine Probleme nicht erzählt, ansonsten hätte er mir keine Wohnung vermietet. Ansonsten waren meine Ausführungen vollständig und richtig.

 

VR: Können Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf schildern bis zum Zeitpunkt der Hochzeit?

 

BF: Ich bin XXXX geboren, dann habe ich die 7 oder 8 Jahre ungefähr die Schule besucht. Dann ist der Krieg ausgebrochen, und deswegen konnte ich meine weitere Ausbildung nicht fortsetzen. Im 17. Lebensjahr habe ich schon geheiratet. Meine Eltern haben wie gewöhnliche Leute gearbeitet, meine Mutter in einem Geschäft. Dann konnte sie nicht mehr im Geschäft arbeiten, sondern hat am Markt selbständig gearbeitet. Wir haben nicht so schlecht gelebt. Mein Vater hat als Kraftfahrer gearbeitet.

 

VR: Bitte schildern Sie mir die Umstände Ihrer Eheschließung.

 

BF: Mein Mann war mit meinem Cousin befreundet. Er hat mir vorgeschlagen, dass ich seinen Freund heiraten kann. So habe ich ihn geheiratet, da sie befreundet waren. Beide sind sie jetzt verstorben, mein Cousin und mein Mann. Wir haben am XXXX geheiratet, wir haben nicht standesamtlich unsere Ehe geschlossen, sondern traditionell, nach muslimischem Recht. Ich habe damals überhaupt nicht gewusst, dass er gekämpft hat. Nach der Heirat habe ich das erfahren. Ich habe erfahren, dass er seit 2002 auf der Fahndungsliste steht.

 

VR: Können Sie mir etwas näher schildern, wie Sie Ihren Mann kennen gelernt haben? Wie war die Reaktion Ihrer Eltern auf die geplante Eheschließung und wo hat die Eheschließung räumlich stattgefunden?

 

BF: Meine Eltern waren mit der Familie des zukünftigen Bräutigams nicht bekannt. Wir hatten keine Hochzeit oder Feierlichkeiten gehabt. Wir haben unsere Ehe traditionell geschlossen.

 

VR: Wie hat die stattgefunden?

 

BF: Das ist nicht so wie beim Standesamt, wenn es protokolliert wird, wer mit wem geheiratet hat. Es kommt ein Geistlicher, und dann hat er mich gefragt, ob ich einverstanden bin, diesen Mann zu heiraten, und ich habe ja gesagt. Das hat in XXXX in Tschetschenien stattgefunden.

 

VR: In welcher Lokalität?

 

BF: Das war in einer Wohnung. Es war die Wohnung eines Freundes meines Mannes. Als wir schon verheiratet waren, haben wir auch in einer Wohnung gelebt.

 

VR: Ist es nicht ungewöhnlich, dass die Eltern einer tschetschenischen Braut, die Familie des Mannes nicht kennenlernen?

 

BF: Ja, das ist eigentlich nicht gut, aber es ist bei uns auch manchmal so etwas passiert, wenn die Eheleute heimlich heiraten, und ich habe damals einfach gesagt, dass ich heiraten werde.

 

VR: Das heißt, Sie haben ohne Zustimmung Ihrer Eltern geheiratet?

 

BF: Sie waren nicht einverstanden. Sie haben mich gefragt, warum ich nicht jemand anderen heiraten möchte und gerade ihn. Meinen Eltern erschien das seltsam.

 

VR: Das erscheint auch mir seltsam: Warum haben Sie nicht den Bräutigam bzw. seine Familie Ihren Eltern vorgestellt? Das wäre doch das normale Procedere gewesen. Da muss es doch einen Grund geben.

 

BF: Das ist bei uns ein bisschen anders. Die Eltern werden mit dem Bräutigam später nach der Hochzeit bekannt, aber nicht vorher.

 

VR: Das heißt, Sie sagen mir, es ist in Tschetschenien ungewöhnlich, dass die Eltern der Braut den Bräutigam vor der Eheschließung kennen lernen?

 

BF: Ja, nach der Hochzeit sammeln sich alle Verwandten und ganz offiziell werden die Eltern mit dem Bräutigam bekannt.

 

VR: Ich frage Sie konkret: Habe ich Sie richtig verstanden, dass tschetschenische Eltern die Familie bzw. den zukünftigen Ehemann nach den Traditionen nicht vor der Eheschließung kennen lernen?

 

BF: Ja, Sie haben mich richtig verstanden.

 

VR: Ist das nicht verwunderlich für eine Gesellschaft, von der es heißt, dass ein traditionelles Gesellschaftsmodell vorherrscht? Selbst in Europa ist es sehr ungewöhnlich, dass die Brauteltern den zukünftigen Ehemann und dessen Familie nicht kennen, umso mehr in der muslimischen Gesellschaft.

 

BF: Bei uns darf sogar der Bräutigam vor der Hochzeit mit der zukünftigen Ehefrau nicht reden. Es ist bei uns nur üblich, dass die Eltern die Familie des Bräutigams vor der Hochzeit kennenlernen.

 

VR: Darum frage ich Sie, warum haben die Eltern nicht mit der Familie des Bräutigams Kontakt aufgenommen?

 

BF: Meine Eltern wollten schon Kontakt mit den Eltern meines zukünftigen Mannes aufnehmen, aber mein Mann sagte, dass seine Eltern nicht Zuhause leben sondern in XXXX. Nur hier in Österreich habe ich seine Eltern kennengelernt. Jetzt haben wir Kontakt und meine Kinder kommen zu ihnen zu Besuch.

 

VR: Warum haben Sie mir diesen Grund nicht vorher gesagt? Ich habe Sie gefragt, warum Ihre Eltern mit den Eltern des Bräutigams keinen Kontakt haben, und Sie haben das mit tschetschenischen Traditionen begründet.

 

BF: Vielleicht habe ich Ihrer Frage nicht ganz gefolgt.

 

VR: Ich habe aber, um Missverständnisse auszuschließen, genau diese Frage noch einmal nachgefragt.

 

BF: Sie haben mich aber gefragt nach meinem Ehegatten, warum er nicht mit meinen Eltern bekannt wurde.

 

VR: Ich habe ausdrücklich auch auf die Familie hingewiesen.

 

BF: Aha.

 

VR: Haben Ihre Eltern Erkundigungen über Ihren Bräutigam eingeholt?

 

BF: Sie haben nur mich gefragt, als ich geheiratet habe, über meinen Mann und seine Familie. Ich habe gesagt, dass die Eltern des Bräutigams in XXXX sind, und ich daher keinen Kontakt mit ihnen habe.

 

VR: Das heißt, Ihre Eltern haben sich mit der Information abgefunden, dass die Eltern Ihres Bräutigams in XXXX sind?

 

BF: Ja, nach der Hochzeit, was sollten sie machen?

 

VR: Das heißt, vor der Hochzeit haben Sie weder von Ihrem Bräutigam noch von der Familie des Bräutigams etwas gewusst, außer dass sie in XXXX sind?

 

BF: Vor der Hochzeit haben sie nicht gewusst, dass sie in XXXX sind.

Ich werde das erklären: Ich habe einen Fehlergemacht. Sie haben schon gewusst, dass die Eltern in XXXX sind. Das ist bei uns auch ein Brauch, dass die Eltern vom Bräutigam zu den Eltern der Braut kommen und um das Einverständnis zu bitten. Meine Eltern habe diese Möglichkeit nicht gehabt. Deswegen haben sie sich seltsam gefühlt. Es ist dann zum Gespräch gekommen, und ich habe dann erfahren, dass die Eltern nach XXXX ausgereist sind. Sie waren damit nicht einverstanden und nicht sehr glücklich, aber ich habe ihnen gesagt, dass der Cousin uns verkuppelt hat und ich diesen Mann heiraten will. Nachgefragt gebe ich an, dass dieses Gespräch in der Wohnung in XXXX in der Wohnung meines Cousins stattgefunden hat. Dieser Cousin hat uns bekannt gemacht, und ich habe meinen Mann gefragt, warum seine Eltern nicht zu meinen Eltern gekommen sind, um um meine Hand zu bitten. Das Gespräch hat in Anwesenheit der Mutter meines Cousins stattgefunden. Die Mutter meines Cousins befindet sich jetzt auch in Österreich. Damals habe ich erfahren, dass seine Eltern nach XXXX ausgereist sind. Das Gespräch hat einen Tag vor der Hochzeit stattgefunden. Am nächsten Tag, am XXXX haben wir geheiratet.

 

VR: Haben Sie Ihren Bräutigam vor diesem Gespräch gesehen?

 

BF: Nein.

 

VR: Was hat Ihr Cousin Ihnen von Ihrem zukünftigen Ehemann erzählt?

 

BF: Mein Cousin hat gesagt, dass der zukünftige Mann ein sehr guter Freund von ihm ist, und als ich ihn gesehen habe, hat er mir gefallen.

 

VR: Sie haben doch vorher gesagt, Sie haben ihn nicht gesehen. Wir haben vorher von einem Gespräch gesprochen, dass in XXXX am XXXX stattgefunden hat. Ich habe Sie dann gefragt, ob Sie vor diesem Gespräch Ihren Bräutigam schon einmal gesehen haben. Das haben Sie verneint.

 

BF: Ich habe die Frage nicht verstanden. Am XXXX habe ich ihn gesehen. Das war das erste Mal, dass ich meinen Mann gesehen habe, während dieses Gespräches.

 

VR: Was hat Ihnen Ihr Cousin über diesen Mann erzählt?

 

BF: Er hat mir geraten, ihn zu heiraten und hat gesagt, dass er ein guter Kerl ist. Er raucht nicht, nimmt keinen Alkohol zu sich und ist ganz brav.

 

VR: Was hat er Ihnen über die Lebensumstände Ihres Mannes was erzählt?

 

BF: Nein, darüber hat er mir nichts erzählt.

 

VR: Hat es Sie nicht interessiert, was für einen Beruf Ihr zukünftiger Mann nachgeht, was für eine Ausbildung er hat, wo er wohnt? Hat das Ihre Eltern auch nicht interessiert?

 

BF: Mein Cousin hat ihn mir empfohlen, und bei uns ist das normal, wenn er ihn kennt, und dass er brav ist, dass wir ein gutes Leben führen. Meine Eltern haben schon gefragt, womit er sich beschäftigt, und ich habe gesagt, ich weiß es nicht.

 

VR: Was hat Ihr Cousin gesagt?

 

BF: Mein Cousin hat mir auch gesagt, dass er ein normales Leben führt.

 

VR: War Ihr Cousin ein enger Freund dieses Mannes?

 

BF: Ja.

 

VR: Aus heutiger Perspektive, seit wann hat Ihr Mann gekämpft?

 

BF: Seit dem 1. Tschetschenienkrieg. Mein Cousin hat auch während dem ersten Tschetschenienkrieg gekämpft. Sie waren zusammen.

 

VR: Hat Ihr Mann jemals einen zivilen Beruf ausgeübt?

 

BF: Nach dem ersten Tschetschenienkrieg hat er dann Jura studiert, soviel ich weiß, ist dann, in seinem dritten Jahr des Studiums der Tschetschenienkrieg ausgebrochen und hat er mit dem Studium aufgehört.

 

VR: Das war in welchem Jahr?

 

BF: Ich kann mich nicht erinnern, wann der zweite Tschetschenienkrieg begonnen hat.

 

VR: War Ihr Mann war seit dem Beginn des Tschetschenienkrieges 1999 an Kampfhandlungen beteiligt und hatte er keinen zivilen Beruf?

 

BF: Ich weiß es nicht genau, aber ich weiß, dass er am ersten Tschetschenienkrieg teilgenommen hat.

 

VR: Zumindest war er vor Ihrer Hochzeit in jahrelange Kampfhandlungen verstrickt. VR erklärt noch einmal die Frage.

 

BF: Ich weiß nur von ihm, dass er im ersten Tschetschenienkrieg gekämpft hat und vielleicht sogar bis Ende des Krieges, aber während des zweiten Tschetschenienkrieges weiß ich, dass viele Tschetschenen, die im ersten Krieg teilgenommen haben auch im zweiten Krieg teilgenommen haben und dann verfolgt wurden. Später habe ich im Fernsehen gesehen, dass er gesucht wurde. und er hat es mir auch gesagt. Er hat mir gesagt, dass wegen ihm auch gesucht werde und hat mir den Vorschlag gemacht, auszureisen.

 

VR: Können Sie mir mit Bestimmtheit sagen, ob Ihr Mann im zweiten Tschetschenienkrieg gekämpft hat?

 

BF: Ich weiß, dass er mit der Waffe gegangen ist.

 

VR: War er nun Kämpfer im 2. Tschetschenienkrieg oder nicht?

 

BF: Er hat gegen Russen gekämpft. Ich habe gesehen, wie die Russen im Fernsehen erzählt haben, dass sie nach ihm suchen. Er war Kämpfer im zweiten Tschetschenienkrieg. Er hat sich auch versteckt. Er konnte nicht in Ruhe leben: Als sie ihn gefunden haben, haben sie ihn auch ermordet. Sogar wenn er sich ergeben würde, würden sie ihn nicht leben lassen.

 

VR: Wissen Sie, seit wann Ihr Mann im zweiten Tschetschenienkrieg gekämpft hat?

 

BF: Als ich meinen Mann geheiratet habe, habe ich erfahren, dass ich auch schon Probleme habe wegen meines Mannes und dass er gesucht wurde.

 

VR: Hat der Cousin Ihnen oder Ihrer Familie etwas über diese Probleme erzählt?

 

BF: Nein. Er hat gewusst, dass ich mich überhaupt nicht auskenne und Angst habe.

 

VR: Müsste er davon gewusst haben als bester Freund?

 

BF: Er hat das sicher alles gewusst über ihn.

 

VR: Dann frage ich Sie, warum hat Ihr Cousin Ihnen und Ihrer Familie dieses wichtige Faktum verschwiegen?

 

BF: Er hat es verschwiegen, weil er sicher gewusst hat, dass ich ihn sonst nicht heiraten würde und meine Familie auch nicht damit einverstanden wäre.

 

VR: Wie hat Ihre Familie auf dieses vorsätzliche Unterlassen, Sie über diesen Umstand aufzuklären, reagiert?

 

BF: Für meinen Cousin war das nicht so schlimm, weil er selbst an diesem 1. Tschetschenienkrieg teilgenommen hat. Er hat offensichtlich sehr viel von ihm gehalten und wünschte mir alles Gute. Er hat gemeint, dass ich nicht unglücklich werde, und wenn er mir die ganze Wahrheit erzählt hätte, wäre es vielleicht gar nicht zur Hochzeit gekommen.

 

VR: Wie hat Ihre Familie darauf reagiert?

 

BF: Meine Eltern haben mir damals, als sie die Wahrheit erfahren haben, vorgeschlagen, dass ich nach Hause zurückkehre, aber mein Mann hat gesagt, dass mir niemand glauben wird, selbst wenn ich ihn verlassen würde.

 

VR: Haben Ihre Eltern Ihren Cousin zur Rede gestellt?

 

BF: Ja, es gab ein Gespräch zwischen meinem Eltern und dem Cousin. Die Eltern haben ihm das vorgeworfen, dass er es verschwiegen, hat und er hat gesagt, er sei genauso wie sie, er hat auch am Tschetschenienkrieg teilgenommen. Und er ist kein schlechter Mensch.

 

VR: Ihre Eltern haben das so zur Kenntnis genommen?

 

BF: Mein Vater war mit den Nerven total fertig, weil er danach einen Herzinfarkt erlitten hat. Damals haben meine Eltern in XXXX/Russland gewohnt und wohnen auch jetzt dort. Meinem Vater wurde dann gesagt von Kadyrow-Leuten, dass entweder ich oder mein Vater sterben werde, daher solle mein Vater zurückkommen. Dies hat er auch getan. Sie haben ihn mitgenommen und ihm gesagt: "Wir wissen, wo deine Tochter ist." Sie haben gesagt: "Deine Tochter muss zurückkehren, und sie war mit einem solchen Mann verheiratet." Dann wurde er entlassen. Dann hatte er zum zweiten Mal einen Herzinfarkt bekommen und am XXXX vor einem Jahr ist er verstorben. Die Mutter vom Cousin, der umgebracht wurde, ist zurück nach Tschetschenien gekehrt. Sie erzählte mir, ich werde noch immer gesucht, und sie fragen ständig nach mir. Ihre drei Söhne wurden in Tschetschenien ermordet und vor einem Monat ist sie nach Österreich eingereist.

 

VR: Wo haben Sie vor Ihrer Eheschließung gewohnt?

 

BF: In XXXX und in XXXX.

 

VR: Wieso haben Sie zwei Wohnsitze gehabt oder sind Sie gependelt?

 

BF: Als der Krieg ausgebrochen ist, sind wir nach XXXX gezogen. Ich war in XXXX angemeldet und habe auch dort gewohnt und dann sind wir nach XXXX gezogen. Zuerst sind meine Eltern nach XXXX gezogen und dann ich. Nach der Hochzeit sind meine Eltern nach XXXX ausgereist.

 

VR: Wo haben Sie vor Ihrer Eheschließung gelebt?

 

BF: In XXXX.

 

VR: Das heißt, Sie haben vor der Eheschließung getrennt von Ihren Eltern gelebt.

 

BF: Ich habe mit ihnen gelebt.

 

VR: Wann sind Ihre Eltern nach XXXX gezogen?

 

BF: Als wir geheiratet haben, sind meine Eltern nach Russland ausgezogen.

 

Der BFV befragt die BF ob sie Kommunikationsprobleme mit der Dolmetscherin habe. Die BF gibt dazu an, dass sie keine sprachlichen Probleme habe, jedoch die Fragen falsch verstanden habe.

 

VR: Warum sind Ihre Eltern nach Russland übersiedelt?

 

BF: Das tun bei uns sehr viele Landsleute, dass sie nach Russland wegfahren, und ich habe meine Eltern niemals darum gebeten, dass sie besser aus Tschetschenien ausreisen. Alles was mit meinem Vater passiert ist, ist wegen mir passiert, dass er verstorben ist.

 

VR: Was ist mit der elterlichen Wohnung in XXXX passiert?

 

BF: Das war die Wohnung von meinem Vater in XXXX und diese Wohnung gibt es nach wie vor.

 

VR: Warum haben Sie die Verfolgung Ihres Vaters nicht bereits im erstinstanzlichen Verfahren geschildert?

 

BF: Was mit meinem Vater passiert ist, ist erst letzte Zeit passiert. Er wurde vor einem Jahr festgenommen und ist verstorben. Am XXXX wird es ein Jahr, seitdem mein Vater verstorben ist.

 

VR: Wann wurde Ihr Vater erstmals bedroht?

 

BF: Das ist vor einem Jahr passiert bevor er verstorben ist.

 

VR: Zurzeit, als Sie noch in der Russischen Föderation waren, wurde er nicht bedroht?

 

BF: Er war in XXXX. Er wurde zu dieser Zeit nicht festgenommen.

 

VR: Wurde er verfolgt?

 

BF: Nein, er wurde auch nicht bedroht, als ich Zuhause war.

 

VR: Warum sollten die russischen Behörden 3 Jahre nach dem Tod Ihres Ehemannes seinen Schwiegervater bedrohen? Immerhin hat man auch Sie nur deswegen bedroht, um Ihres Mannes habhaft zu werden.

 

BF: Es ist nicht erst drei Jahren nach dem Tod meines Mannes dieses Problem entstanden, sondern die Mutter des Cousins hat schon vorher gesagt, dass die Behörden nach mir gefragt haben.

 

VR: Warum haben die Behörden nach Ihnen gefragt?

 

BF: Sie haben vermutet, dass ich meinem Mann während seiner vorigen Tätigkeit auch geholfen habe und dass ich dazu gehöre.

 

VR: War Ihr Vater in XXXX gemeldet?

 

BF: Ja.

 

VR: Dann frage ich Sie etwas: Sie haben vorher angegeben, dass Ihr Vater vor einem Jahr erstmals bedroht wurde. Ihr Vater war seit dem Zeitpunkt Ihrer Eheschließung in XXXX, und wie Sie selber sagen auch offiziell in XXXX gemeldet. Ihr Mann ist 2009 gestorben. Warum sollten die russischen Behörden erst zwei Jahre nach dem Tod Ihres Mannes auf Ihren Vater aufmerksam werden?

 

BF: Es war ein vorläufiger Meldezettel. Nachgefragt gebe ich an, dass die russischen Behörden allerdings wussten, wo sich mein Vater aufhält. Sie haben nach mir gesucht und mein Vater war nur ein Mittel zu mir zu kommen. Sie haben ihm ein Ultimatum gestellt.

 

VR: Warum haben die sich so lange Zeit gelassen?

 

BF: Bevor sie meinen Vater in XXXX bedroht haben, haben sie in Tschetschenien andere meiner Verwandten ständig belästigt und sie gefragt, wo ich bin und sind dann zu meinem Vater gegangen. Auf der Videoaufnahme wurde auch gesagt, dass sogar unsere Kinder nicht in Ruhe gelassen werden.

 

VR: Auf welcher Videoaufnahme?

 

BF: Ich war zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich, als mein Mann ums Leben gekommen ist, und ich habe der Referentin in Traiskirchen die Videokassette übergeben, wo mein Mann tot ist, und Kadyrow hat gesagt, dass er diese Operation leitet und dass sie ihn umgebracht haben. Dann hat er gesagt, dass alle Leute, die auf der Seite meines Mannes gestanden sind darunter leiden werden, auch die Kinder.

 

VR: Was befürchten Sie, dass Ihnen die russischen Behörden antun würden?

 

BF: Ich werde ermordet, genauso meine Kinder. Wenn sie mich vergessen hätten, würden sie nicht nach mir suchen und nach mir fragen.

 

VR: Hätten die Behörden von 2003 bis 2009 nicht genug Zeit gehabt, Ihrer habhaft zu werden. Im erstinstanzlichen Verfahren erweckten Sie den Eindruck, dass die Behörden lediglich durch Sie den Aufenthaltsort Ihres Mannes in Erfahrung bringen wollten.

 

Der BFV verweist diesbezüglich auf Seite 7 des erstinstanzlichen Bescheides.

 

VR: Trotzdem hätten die Behörden, wenn dies allein zur Strafverfolgung ausreichen würde, genügend Zeit gehabt, der BF habhaft zu werden. Nach meinem Eindruck war der zentrale Moment laut Aussage für die russischen Behörden, den Aufenthaltsort Ihres Mannes in Erfahrung zu bringen.

 

BF: Sie haben mir damals vielmals gesagt, dass sie mich nur deswegen am Leben lassen, um

 

durch mich meinen Mann zu finden.

 

VR: Ihre Vertretung hat am 19.09.2011 zwei Fotos an den Asylgerichtshof gesendet. Ein Foto mit zwei Uniformierten, ein anderes, das Sie und Ihren Ehemann darstellen soll. Wo wurde dieses Foto aufgenommen?

 

BF: Dieses Foto wurde im Dorf XXXX gemacht, das ist das gleiche Dorf, wo er auch ermordet wurde. Ich weiß, dass auch in diesem Dorf in XXXX, der Mann, der meinem Mann die Wohnung vermietet hat auch später festgenommen wurde. Was weiter mit ihm passiert ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben sie ihn umgebracht.

 

VR: Wie wurde dieses Foto nach Österreich gebracht?

 

BF: Dieses Foto war im Handy gespeichert und mit dem Handy gemacht. Der Bruder meines Mannes hat in XXXX dieses Foto bekommen. Jemand hat ihm dieses Foto aufs Handy geschickt und ich habe von ihm in Österreich dieses Foto bekommen. Zuhause hatte ich Angst gehabt, Fotos meines Mannes bei mir zu haben.

 

VR: Wer hat dieses Foto aufgenommen?

 

BF: Wir haben uns selber mit dem Handy fotografiert. Ich und mein Mann.

 

VR: Wie ist das Foto auf das Handy Ihres Schwagers gekommen?

 

BF: Dieser Mann, bei dem mein Mann gelebt hat, hat dieses Foto gehabt. Das war nicht mein Handy. Ich weiß nicht, wem damals das Handy gehört hat, entweder dem Besitzer der Wohnung oder meinem Mann. Ich weiß es nicht genau. Der Besitzer der Wohnung, wo mein Mann wohnte, hat das Foto nach XXXX zum Bruder meines Mannes weitergeschickt. Er hat damals kein Problem gehabt. Niemand hat gewusst, dass wir zu ihm gegangen sind.

 

VR: Wissen Sie, wer das Foto bearbeitet hat, ich nehme an, dass der Rand und das Herz in der Mitte bearbeitet wurden.

 

BF: Das ist mit der Handyfunktion gemacht worden. Das hat vielleicht mein Mann gemacht, sicherlich nicht ich.

 

VR: Haben Sie die Dolmetscherin sprachlich gut verstanden?

 

BF: Natürlich, nur ein paar Mal musste ich auf Russisch den richtigen Ausdruck finden, aber eigentlich haben wir uns gut verstanden. Nachgefragt gebe ich an, dass es keine Übersetzungsprobleme gegeben hätte.

 

Der VR erteilt eine Belehrung über den weiteren Verfahrensgang.

 

Beigebracht werden zwei handschriftliche Schreiben in russischer Sprache, die als Beilage 1 und 2 im Original zum Akt genommen werden.

 

Die Verhandlung wird aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit vertagt.

 

Der BF wird das Verhandlungsprotokoll rückübersetzt.

 

Mit E-Mail vom 15.04.2013 legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor:

 

Artikel der Jamestown Foundation bezüglich des Todes von XXXX gewesen sei;

 

EGMR- Urteil I.K. gegen Österreich vom 28.03.2013. Der darin zitierte Fall sei mit jenem der Beschwerdeführerin und ihres Schwagers, XXXX, zu vergleichen. Familienmitglieder von Kämpfern werden verfolgt, auch nach deren Tod.

 

ACCORD- Anfragebeantwortung zur Lage von Frauen, die sich nach strengen muslimischen Kleidervorschriften richten. Aus diesem Bericht ergebe sich eine massive Verfolgung dieser Frauen, sowohl in Tschetschenien, als auch im Rest Russlands. Bereits in der Verhandlung im Oktober sei die Beschwerdeführerin in eben solcher Kleidung erschienen (außer Handschuhe). Auch dies würde eine Verfolgung nach sich ziehen.

 

Am 18.04.2013 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine weitere öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, deren rechtsfreundliche Vertreterin, XXXX (Z1) und XXXX (Z2) als Zeugen und eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 12Z). Das Bundesasylamt teilte mit Schreiben vom 21.03.2013 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, beantragte jedoch aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

 

In dieser Verhandlung legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor (vgl. Beilagen zum o.a. Verhandlungsprotokoll):

 

Kopie des Mutter- Kind- Passes;

 

Kopie der Niederschrift des XXXX.

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung waren:

 

(...)

 

Der VR wiederholt die Themen der letzten Einvernahme.

 

VR: Bitte schildern Sie mir lückenlos in der chronologisch richtigen Reihenfolge Ihre Wohnsitze.

 

BF: Ich wurde in XXXX in Tschetschenien geboren und habe dort auch bis zum zweiten Tschetschenienkrieg gewohnt. Als der zweite Tschetschenienkrieg ausgebrochen ist, haben wir Tschetschenien verlassen und sind nach XXXX ausgesiedelt. In XXXX wohnt nach wie vor meine Mutter. Mein Vater ist zwischenzeitig verstorben. Als wir in XXXX waren, sind wir immer wieder nach Tschetschenien gefahren. Nachgefragt bestätige ich, dass meine Mutter seit vierzehn Jahren in XXXX lebt. Sie hat den russischen Pass und eine vorläufige Registrierung, die regelmäßig verlängert wird. Ich habe auch eine vorläufige Registrierung gehabt. Eigentlich ist das kein Problem, weil wir die russische Staatsbürgerschaft haben.

 

VR: Wie oft und für wie lange sind Sie nach Tschetschenien zurückgefahren?

 

BF: Manchmal blieb ich ca. zwei Wochen bei meinem Onkel. Meine Familie hat damals keine Probleme gehabt, aber es herrschte Krieg. Während der intensiven Kriegshandlungen sind wir natürlich in XXXX geblieben. Als sich die Lage stabilisiert hat, sind wir immer wieder zurückgekehrt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau angeben kann, wann ich das erste Mal zurückgekehrt bin, jedenfalls vor meiner Hochzeit.

 

VR: Aber Sie müssen mir doch sagen können, wann Sie das erste Mal in Ihre Heimat zurückkonnten.

 

BF: Ich war damals noch ein Kind, und ich kann mich erinnern, dass wir ca. zwei Mal im Jahr nach Tschetschenien gefahren sind.

 

VR: Die Frage lautete: Wann sind Sie das erste Mal nach Tschetschenien zurückgekommen?

 

BF: Ich kann mich nicht erinnern. Das ist schwer zu sagen.

 

VR: Sie können mir auch nicht sagen, ob das ein Jahr oder vier Jahre waren, dass Sie nicht in die Heimat konnten?

 

BF: Ich weiß nur, dass es dann keine Bombardierungen mehr gab. Nochmals nachgefragt kann ich nicht angeben, ob es sich um ein Jahr oder um vier Jahre gehandelt hat, die ich nicht regelmäßig in die Schule gehen konnte.

 

BFV: Sind Sie in XXXX in die Schule gegangen?

 

BF: Ja, zwei Jahre.

 

BFV: Als Sie das erste Mal zurückfuhren, in welcher Klasse waren Sie damals?

 

BF: Für mich ist die Schule kein Orientierungspunkt. Ich bin nur zeitweise in die Schule gegangen. Nochmals von meiner Vertretung befragt, gebe ich an, dass es ungefähr in der 6. oder 7. Klasse gewesen ist.

 

VR: Wann waren Sie in der 6. oder 7. Klasse? Gingen Sie unmittelbar nach Ihrer Ankunft in XXXX in die Schule oder gab es einige Monate oder Jahre, in denen Sie nicht die Schule besucht haben?

 

BF: Ich weiß, dass, als wir nach XXXX gekommen sind, hat die Schule längst angefangen. Ich bin ungefähr in der Mitte des Schuljahres wieder in die Schule eingestiegen.

 

VR: Kommen wir zurück zur eigentlichen Frage: Bitte fahren Sie mit der Aufzählung Ihrer Wohnsitze fort. Bis wann lebten Sie in XXXX?

 

BF: Ich bin im Jahre 2003 von XXXX nach Tschetschenien gefahren. Nachgefragt gebe ich an, dass ich im Jahr 2003 mit der Intention nach Tschetschenien gefahren bin, um meinen Onkel, so wie in den Jahren zuvor zu besuchen, nicht um nach XXXX zurückzukehren. Mein Vater machte sich Sorgen, darum musste ich nach XXXX zurückkehren.

 

VR: Bitte fahren Sie mit der Aufzählung Ihrer Wohnsitze fort.

 

BF: Ich wohnte in XXXX bis im Jahr 2003. Dann bin ich zu meinem Onkel zu Besuch gefahren und bin dort geblieben, weil ich meinen Mann kennen gelernt habe. Dann habe ich meinen Mann geheiratet, und dann wie gesagt, sind diese Probleme aufgetreten.

 

VR: Wo war nach der Hochzeit Ihr nächster Wohnsitz?

 

BF: Dann haben wir in XXXX mit meinem Mann in einer Wohnung gewohnt. Ich glaube, diese Wohnung hat einem Freund von ihm gehört. Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Wohnung gewohnt haben. Dann haben wir ständig die Wohnsitze gewechselt.

 

VR: Bitte führen Sie das konkret aus.

 

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

 

VR: Das heißt, Sie können sich nicht erinnern, wie lange Sie in dieser Wohnung gewohnt haben und auch nicht wie lange Sie in welchen Wohnungen gewohnt haben?

 

BF: Wir haben verschiedene Wohnungen gemietet. Ich habe zwei kleine Kinder gehabt. Unter anderem habe ich auch in XXXX gewohnt. Ich habe auch in Dagestan gewohnt, an verschiedenen Orten.

 

BFV: Wann haben Sie geheiratet?

 

BF: Im Sommer 2003.

 

BFV: Wie Sie von dort (XXXX) weggezogen sind, haben Sie da schon Kinder gehabt?

 

BF: Ich war sofort schwanger, meine Tochter habe ich schon in einer anderen Wohnung bekommen.

 

BFV: Hatten Sie schon einen großen Bauch, als Sie die Wohnung wechselten oder wissen Sie gar, in welchem Monat Sie schwanger waren?

 

BF: Ich weiß das nicht.

 

BFV: In welchem Stadium Ihrer Schwangerschaft waren Sie, als Sie Ihre Wohnung wechseln mussten?

 

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

 

VR: Können Sie mir zumindest vollständig alle Wohnsitze aufzählen ohne auf die zeitliche Abfolge Rücksicht zu nehmen?

 

BF: In Tschetschenien haben wir verschiedene Wohnadressen gewechselt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die Adressen nicht nennen kann. Ich weiß, dass ich in XXXX einen Monat verbracht habe. Dann war ich auch in XXXX. In dieser Ortschaft wurde mein Mann umgebracht.

 

VR: Die Frage lautete: Bitte zählen Sie mir Ihre Wohnsitze auf. Sie sagten in Tschetschenien und ich hätte gerne gewusst, an welchen Orten in Tschetschenien Sie gewohnt haben.

 

BF: Ich war in XXXX zusammen mit meinem Mann, obwohl wir nicht zusammenleben konnten. In Tschetschenien habe ich in den Ortschaften XXXX. Nachgefragt gebe ich an, dass diese Aufzählung abschließend ist.

 

VR: In welchen anderen Regionen der Russischen Föderation haben Sie wohnt?

 

BF: In XXXX (Inguschetien), dann in XXXX (Dagestan).

 

VR: In XXXX nicht?

 

BF: Nein.

 

VR: Das heißt, ab 2003 haben Sie nicht mehr in XXXX gelebt?

 

BF: Nein, seit 2003 war ich nicht mehr dort wohnhaft.

 

VR: Sie schilderten anfangs, dass Sie die ersten Monate in XXXX verbrachten. Bitte schildern Sie mir Ihr Familienleben in dieser Zeit.

 

BF: Seit dem Jahr 2002 wurde mein Ehemann auf föderaler Ebene gesucht. Aus diesem Grund hat er die Wohnung nicht oft verlassen und wenn nur in der Nacht. Aus diesem Grund konnte er nicht arbeiten gehen und blieb immer Zuhause. Tschetschenien ist nur ein sehr kleines Land und es ist sehr leicht jemanden zu finden. Daher musste er immer Zuhause bleiben.

 

VR: Wann hat er Ihnen zum ersten Mal gesagt, dass er sich verstecken muss?

 

BF: Nach unserer Heirat hat er mir gesagt, dass er nicht wirklich ein normales Leben führen könnte, weil er gesucht wird. Nachgefragt gebe ich an, dass ich erst nach einiger Zeit erfahren habe, dass mein Mann gesucht wird.

 

VR: Es muss doch sehr einprägsam gewesen sein, diese Information zu bekommen.

 

BF: Für mich sind Daten nicht wichtig. Ich weiß nicht einmal, wie alt meine Kinder sind.

 

VR: Wie liefen die Tage unmittelbar nach Ihrer Hochzeit ab?

 

BF: Normal.

 

VR: Sind Sie und Ihr Mann einkaufen gegangen?

 

BF: Nein.

 

VR: Bitte beschreiben Sie, was Sie unter einem normalen Tagesablauf verstehen.

 

BF: Wir waren Zuhause. Ungefähr nach einer Woche hat mir Mann gesagt, dass er sich verstecken muss. Mein Mann verbrachte diese Woche mit mir Zuhause.

 

VR: Wie war Ihr Leben in dieser Woche?

 

BF: Wir hatten nicht wirklich eine normale Hochzeit. Unsere Verwandten waren gar nicht anwesend, nur mein Cousin hat über die Hochzeit Bescheid gewusst und seine Mutter.

 

VR: Die Frage war: Wie war diese Woche?

 

BF: Wir haben viel geredet. Wir haben nichts Besonderes gemacht.

 

VR: Zusammenfassend kann ich festhalten, dass Ihnen in dieser Woche absolut nichts aufgefallen ist. Stimmt das?

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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