TE Vfgh Erkenntnis 2013/3/13 U2185/12

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Veröffentlicht am 13.03.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

AsylG 2005 §8, §10
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch eine willkürlich abweisende Entscheidung des Asylgerichtshofes hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen; Fehlen jeglicher Auseinandersetzung mit entscheidungsrelevanten Aspekten, insbesondere der Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers in Afghanistan

Spruch

I.              Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II.              Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 21. Jänner 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2010 gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 135/2009 (im Folgenden: AsylG 2005), ab, gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 leg.cit. nicht zuerkannt und dieser gemäß §10 Abs1 Z2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde – mit Eingabe vom 2. Dezember 2011 zogen die bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zurück – wurde mit oben bezeichneter Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 2. Oktober 2012 abgewiesen.

3. Die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet der Asylgerichtshof im Wesentlichen wie folgt:

"Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem erwerbsfähigen Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und dadurch die Schwelle des Artikels 3 EMRK überschritten wäre, zumal im gesamten Verfahren keine Hinweise hervorgekommen sind, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Kabul nicht möglich und zumutbar sein sollte.

Trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage in Afghanistan erscheint aufgrund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan im Hinblick auf die regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche[…] Sicherheitslage nicht grundsätzlich als ausgeschlossen und auf Grund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch als zumutbar. Die Lage im Raum Kabul ist im regionalen Vergleich als zufriedenstellend zu bezeichnen:

Dem landesweiten Trend folgend verübte die Aufstandsbewegung seit Januar 2011 auch in der Hauptstadt Kabul mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge gegen nicht-militärische Ziele (Anschlag auf ein Einkaufszentrum und auf einen insbesondere von Ausländern frequentierten Supermarkt, Angriff auf das ANA-Krankenhaus, Anschlag auf das Inter[…]continental Hotel, Anschläge auf das Botschaftsviertel, Ermordung Ex-Präsident Rabbani). Damit endete in Kabul eine praktisch anschlagsfreie Zeit von fast 18 Monaten.

Dessen ungeachtet ist die Sicherheitslage in Kabul jedoch unverändert stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind auch zukünftig nicht auszuschließen (Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, 10.01.2012). Insgesamt lässt sich feststellen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung durch die internationalen Truppen die Stadt Kabul weitgehend kontrollieren. Den verschiedenen aufständischen Gruppen gelingt es jedoch immer wieder spektakuläre Anschläge zu verüben. Die Ziele dieser Anschläge sind neben Regierungsgebäuden und -vertretern internationale militärische und zivile Organisationen. Da diese aber immer besser vor diesen Anschlägen geschützt werden, sind die meisten Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung zu beklagen. Ist die Stadt weitgehend unter Kontrolle der afghanischen Regierung, so ist der Einfluss der aufständischen Gruppen außerhalb der Stadt Kabul ungleich größer.

Im ersten Quartal 2012 ist es in Afghanistan gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres zu einer deutlichen Verringerung von Angriffen bewaffneter oppositioneller Gruppen sowie zu einem Rückgang der kriminellen Aktivitäten gekommen (Afghanistan NGO Safety Office, ANSO Quarterly Data Report Q.1 2012, März 2012).

[…]

Soweit der Beschwerdeführervertreter im Schreiben vom 24.07.2012 releviert hat, die meisten der ins Verfahren eingebrachten Berichte würden mit 2011 bzw. Anfang 2012 datieren und seien somit bereits mehrere Monate alt und im Hinblick auf die sich ständig ändernde Situation in Afghanistan nicht mehr aktuell, ist darauf hinzuweisen, dass viele Länderberichte (beispielsweise die Berichte des Auswärtigen Amtes, des US Department of State und des UK Home Office) nur einmal jährlich erscheinen und demgemäß nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt tagesaktuell vorliegen. Der Asylgerichtshof beobachtet allerdings darüber hinaus laufend die aktuelle Medienberichterstattung zu Afghanistan und vergewissert sich so von der Aktualität und Gültigkeit der allenfalls bereits ein paar Monate alten Berichte. Im Juli 2012 bezüglich des Berichtes des deutschen Auswärtigen Amtes vom 10.01.2012 von einem 'veralteten Bericht' zu sprechen, ist allerdings jedenfalls überzogen, zumal die wesentlichen Aussagen dieses Länderberichts trotz einzelner zwischenzeitlicher Änderungen auch weiterhin Gültigkeit haben. Auch der Beschwerdeführervertreter selbst hat sich in seinen Ausführungen auf diesen Bericht gestützt, die Relevanz der daraus zitierten Aussage, dass Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren würden, auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer stoßen würden, die in Familienverbänden geflüchtet seien oder in einen solchen zurückkehren würden, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen würden, kann für das gegenständliche Verfahren allerdings nur sehr eingeschränkt erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer in Afghanistan – wenn auch nicht direkt in Kabul – über ein soziales bzw. familiäres Netz verfügt und ihn seine Verwandten auch aus anderen Provinzen bzw. aus Österreich bei einer Neuansiedlung in Kabul finanziell unterstützen können.

[…]

Im gegenständlichen Fall sind hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr nach Afghanistan auch sonst keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, wonach es dem jungen, gesunden Beschwerdeführer nicht möglich oder zumutbar wäre, nach Afghanistan zurückzukehren, sich in Kabul niederzulassen und dort erwerbstätig zu werden, zumal der Beschwerdeführer zwar lediglich eine Koranschule besucht hat, aber jedenfalls kein Analphabet ist und mittlerweile sogar über Fremdsprachenkenntnisse verfügt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits für seine Reise nach Österreich einen hohen Geldbetrag von seinem – nach eigenen Angaben vor dem Bundesasylamt – sehr wohlhabenden bzw. sogar 'reichen' Schwager erhalten hat und auch im Falle einer Rückkehr von einer Unterstützung durch diesen sowie auch durch seinen in Österreich lebenden Bruder auszugehen ist.

Aufgrund der dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§8 Abs3a iVm 9 Abs2 AsylG idF FrÄG 2009.

Soweit vom Beschwerdeführervertreter die zeugenschaftliche Einvernahme seines Bruders sowie mit Schreiben vom 24.07.2012 beantragt wurde, 'aktuelle, individuelle und unparteiische Ermittlungen' zu den Fragen durchzuführen, ob dem Beschwerdeführer eine interne Neuansiedlung zumutbar sei, es ihm möglich sei, ein 'risikofreies Gebiet' sicher zu erreichen, ihm dort ein 'relativ normales Leben' möglich sei und ob dem Beschwerdeführer 'ein anderer schwerer Schaden drohe', ist festzuhalten, dass es im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt, dass weitere Beweisaufnahmen dann unterbleiben können, wenn sich der Gerichtshof auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte (vgl. VwGH vom 18.01.1990, Zl. 89/09/0114; 19.03.1992, Zl. 91/09/0187)." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144a Abs1 B-VG erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und gemäß Art8 EMRK geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der Entscheidung beantragt. Begründend wird unter anderem ausgeführt, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zwar zugestehe, dass Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland nach Afghanistan zurückkehren würden, auf größere Schwierigkeiten stoßen würden als jene Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet seien oder in einen solchen zurückkehren würden, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen würden, jedoch – ohne diesbezügliche Erhebungen – vermeine, dieser Umstand habe für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung, da der Beschwerdeführer – wenn auch nicht direkt in Kabul – über ein soziales bzw. familiäres Netz verfüge und ihn seine Verwandten auch aus anderen Provinzen bzw. aus Österreich bei einer Neuansiedlung in Kabul finanziell unterstützen könnten.

5. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der den Beschwerdebehauptungen wie folgt entgegengetreten wird:

"[…]

Im gegenständlichen Asylverfahren hat am 10.07.2[0]12 eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher der Beschwerdeführer eingehend befragt wurde. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist nicht erschienen.

Im Rahmen dieser Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer unter anderem ausgeführt, dass in Afghanistan eine Schwägerin mit ihren Kindern im Elternhaus des Beschwerdeführers sowie eine Schwester mit ihrer Familie in der Nähe (1,5 bis 2 Std. entfernt) des Heimatdorfes des Beschwerdeführers leben. Der Ehegatte dieser Schwester hat dem Beschwerdeführer die Ausreise aus Afghanistan ermöglicht, indem er ihm mindestens 8.000,-- US-Dollar zur Verfügung stellte.

Dieser Familienbezug und eine bereits erfolgte finanzielle Unterstützung wurde vom Beschwerdeführer weder in der Stellungnahme vom 24.07.2012 noch in gegenständlicher Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bestritten. Auch wurde nicht vorgebracht, aus welchem Grund eine weitere Unterstützung des Beschwerdeführers nicht möglich sein sollte.

[…]"

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat .

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solches willkürliches Verhalten ist dem belangten Asylgerichtshof vorzuwerfen:

2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Neben der politischen Lage bzw. Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit einer Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art3 EMRK relevant sein (vgl. VfSlg 19.602/2011 mwN).

2.2. Basierend auf den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan hält der Asylgerichtshof fest, dass die insgesamt als prekär zu bezeichnende Sicherheitslage regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedlich sei; die Lage im Raum Kabul sei im regionalen Vergleich als zufriedenstellend zu bezeichnen. Feststellungen zur Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, der im Osten von Afghanistan liegenden Provinz Ghazni, geschweige denn zur Sicherheitslage in dessen Heimatbezirk Jaghori, trifft der Asylgerichtshof hingegen nicht.

2.3. Soweit der Asylgerichtshof die Situation in Kabul schildert, kommt diesen Ausführungen kein hinreichender Begründungswert zu, weil sich der Beschwerdeführer vor seiner Flucht weder in Kabul aufgehalten hat noch über irgendwelche sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte in Kabul verfügt (vgl. VfGH 21.9.2012, U 883/12). Den in der Entscheidung wiedergegebenen Länderberichten ist zu entnehmen, dass unterschiedliche Faktoren, etwa persönliche Ressourcen und Anknüpfungspunkte in der Stadt bzw. Chancen einer Erwerbstätigkeit, für die Möglichkeit der Niederlassung einer Person in Kabul ausschlaggebend seien und eine Ansiedelung in Kabul allgemein nur unter großen Schwierigkeiten möglich sei, wenn die betreffende Person dort weder Familie noch Verwandte habe, um sie zu unterstützen (vgl. dazu auch VfGH 11.10.2012, U 677/12). Das Bestehen eines familiären oder sonstigen sozialen Netzes des Beschwerdeführers in Kabul hat der Asylgerichtshof nicht festgestellt. Allein aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits einmal finanziell vom wohlhabenden Ehegatten seiner (in der Nähe seines Heimatdorfes lebenden) Schwester unterstützt worden sei, indem ihm dieser "mindestens 8.000,-- US-Dollar" zur Ermöglichung seiner Ausreise aus Afghanistan zur Verfügung gestellt habe, kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass es dem Schwager des Beschwerdeführers möglich sein wird, dem Beschwerdeführer in Kabul eine Existenz aufzubauen bzw. eine solche auch über einen längeren Zeitraum hindurch zu sichern. Die Ausführungen des Asylgerichtshofes hinsichtlich des Bestehens eines familiären Netzes in der Heimatregion des Beschwerdeführers sind für sich genommen nicht von ausreichender Relevanz, weil er keinerlei Äußerungen zur Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers trifft und folglich gerade nicht davon auszugehen scheint, dass dieser sich dort niederlassen könne.

3. Der Asylgerichtshof hat daher, indem er jegliche Auseinandersetzung mit diesen, für die Begründung seiner Entscheidung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wesentlichen, Aspekten vermissen lässt, seine Entscheidung mit Willkür behaftet.

III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Beschwerdeführer ist somit in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Da die Ausweisung aus dem Bundesgebiet die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten voraussetzt, ist die bekämpfte Entscheidung, auch soweit damit die Beschwerde gegen die verfügte Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan abgewiesen wird, aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U2185.2012

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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