TE AsylGH Beschluss 2013/05/02 D4 430872-2/2013

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Veröffentlicht am 02.05.2013
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Spruch

D4 430872-2/2013/2E

 

BESCHLUSS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über den Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens hinsichtlich des mit Erkenntnis vom 23.01.2013 unter der GZ. D4 430872-1/2010/8E, des Asylgerichtshofes rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens desXXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Die Wiederaufnahmeantrag vom 07.03.2013 des mit Erkenntnis vom 23.01.2013, GZ. D4 430872-1/2010/8E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013 abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

Verfahrensgang:

 

Der Wiederaufnahmewerber ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an, war in seinem Heimatland zuletzt in Samaschki in der Republik Tschetschenien wohnhaft, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.06.2012 unter Vorlage eines unverfälschten russischen Inlandspasses einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Rahmen der Erstbefragung gab der Wiederaufnahmewerber vor der Polizeiinspektion an, sein Bruder XXXX geb. ca. 1981 sei österreichischer Staatsbürger, er kenne seine Adresse jedoch nicht. Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte er vor, in der Heimat wegen seines Bruders, welcher im Krieg gekämpft habe und nach Österreich geflüchtet sei, regelmäßig von einem Spezialkommando des russischen Militärs aufgesucht worden zu sein. Er sei ein paar Mal festgenommen und geschlagen worden - anfänglich auf Grund einer Verwechslung mit seinem Bruder. Nach einer Klarstellung hätten sie ihn und seinen anderen Bruder ständig unter Druck gesetzt. Die Bedrohung habe 2006 begonnen und habe bis zu seiner Ausreise angedauert. Er sei etwa einmal monatlich vom Militär aufgesucht und belästigt worden. Im Fall der Rückkehr befürchte er, verhaftet und gefoltert zu werden, weil sein Bruder ein aktiver Kämpfer im Krieg gewesen sei und auf der "schwarzen Liste" des Militärs stehe.

 

Am 09.10.2012 erfolgte eine Einvernahme des Wiederaufnahmewerbers durch das Bundesasylamt, wobei er auf Russisch angab, dass die Dolmetscherin bei der Erstbefragung sehr schlecht Russisch gesprochen habe, aber alles richtig protokolliert worden sei und er die Wahrheit gesagt habe. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er sei gesund und könne keine weiteren Dokumente vorlegen. Er habe einen Führerschein besessen und eine Geburtsurkunde, diese befinde sich zu Hause. Einen Auslandsreisepass habe er nicht besessen. In der Heimat sei er kein Mitglied einer politischen Organisation oder eines politischen Vereins gewesen. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und Moslem. Er sei nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und sei nun das erste Mal außerhalb der Russischen Föderation. Er sei schlepperunterstützt gereist. Innerhalb der Russischen Föderation habe er sich mit seinem Inlandspass frei bewegen können und sei nicht angehalten worden. Im Heimatland habe er im Bezirk XXXX im Dorf XXXX in der XXXXgelebt, die Hausnummer habe sich öfter geändert, das Haus sei jedoch immer dasselbe gewesen. Er habe sich ausschließlich dort aufgehalten. Die zweistöckige Wohnung sei Eigentum seiner Eltern. Seine Eltern und sein Bruder hätten noch im Dorf gelebt, seine Schwester lebe im selben Bezirk im Dorf XXXX. Ein Bruder seines Vaters lebe in Grosny, sein Großvater väterlicherseits lebe in XXXX. Er habe Kontakt zu den Verwandten und es bestehe ein gutes Verhältnis. Weitere Verwandte gebe es nicht. Er persönlich habe keinen Besitz im Herkunftsstaat. Er habe auf Baustellen gearbeitet, er sei Hilfsarbeiter gewesen und habe auch Erdölwesen in Grosny studiert. Das Studium habe er 2012 abgeschlossen und das Diplom am 15.05.2012 erhalten. Er habe zu unterschiedlichen Zeiten auf der Baustelle gearbeitet, wenn es Arbeit gegeben habe. Er habe noch telefonischen Kontakt mit seiner Mutter. Probleme würden am Telefon nicht besprochen werden. Am 13.06.2012 habe er sein Heimatland verlassen und etwa 1.500.- ¿ für den Schlepper bezahlt. Er selbst habe keine eigenen Probleme gehabt, er sei wegen der Probleme seines Bruders gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Die Behörde habe seinen Bruder seit 2002/2003 gesucht. Im Jahr 2006 sei er im Hof vor ihrem Haus verletzt worden und habe das Heimatland verlassen. Danach sei er selbst viele Male mitgenommen worden. Die Behörden hätten geglaubt, dass sein Bruder in den Bergen kämpfte und hätten verlangt, dass dieser ihn auslöse. Dieser sei damals längst in Österreich gewesen, was die Behörde aber nicht geglaubt habe. Man habe ihm gesagt, dass er ihm ähnlich sehe und er weiter sitzen bliebe, wenn dieser nicht komme. Die Probleme seien durch seinen Bruder entstanden. Meist sei er von tschetschenischen Polizisten mitgenommen worden, von der Bezirksabteilung. Sie hätten von ihm selbst gar nichts konkret gewollt, sie hätten seinen Bruder haben wollen. Als er lange Haare gehabt habe, hätte er seinem Bruder sehr ähnlich gesehen. Vor etwa zwei Wochen habe seine Mutter angedeutet, dass nach seiner Ausreise Leute von der Bezirksabteilung für Innere Angelegenheiten bei ihnen gewesen seien und gesagt hätten, dass er schon in den Bergen sei. Zum Vorhalt, dass er vorhin angegeben habe, mit seiner Mutter nicht über Fluchtgründe gesprochen zu haben, führte er aus, sie habe es nicht konkret gesagt, sondern nur, dass Gäste bei ihnen gewesen seien. Dies sei bei ihnen allgemein verständlich. Auf die Frage, warum er dies nicht zu Beginn der Einvernahme gesagt habe, brachte er vor, dies jetzt gesagt zu haben. Die Polizei habe ihn in die Räumlichkeiten der Bezirksabteilung für Innere Angelegenheiten mitgenommen und er sei verhört worden. Dann sei er nicht stark, aber doch - eher um ihn einzuschüchtern - geschlagen worden. Dann sei er wieder freigelassen worden. Auf die Frage, wer sonst zu ihnen gekommen sei, wenn es nicht die Polizei gewesen sei, gab er an, bei ihnen gebe es verschiedene Behörden und Einheiten - einige seien rein tschetschenisch, manche tschetschenisch und russisch gemischt. Auf die wiederholte Frage, gab er an, die sechste Abteilung. Das sei eine Abteilung, die direkt dem russischen Präsidenten unterstellt sei und sich mit Terrorismus beschäftige. Zur Frage, wie oft diese Abteilung bei ihm gewesen sei, gab er an, dies könne er nicht sagen, es seien verschiedene Einheiten gekommen, es habe sich immer abgewechselt. Auf den Vorhalt, dass er doch sagen können müsse, wer bei ihm war, gab er an, er wisse es nicht. An seiner Person habe seit 2006, nachdem sein Bruder die Heimat verlassen habe, Interesse bestanden. Auf die Frage, warum an seiner Person Interesse bestehe, gab er an, damit sein Bruder zurückkomme. Dieser solle sich stellen. Sein Bruder in Tschetschenien habe auch Probleme, dieser wohne nicht im Elternhaus, sondern bei Verwandten seiner Frau unter anderen Adressen. Sein Bruder habe früher gekämpft, er wisse nicht, was dieser getan habe, er sei ja nicht dabei gewesen. Fakt sei, dass er in Tschetschenien gesucht werde, was er getan habe wisse er nicht, dieser habe ihm das nicht gesagt. Zu seinem Bruder in Österreich habe er Kontakt. Die Frage, ob er ihn das nicht gefragt habe, verneinte er und brachte vor, dies sei bei ihnen nicht üblich. Dieser sei sein älterer Bruder, er dürfe so etwas nicht fragen. Zur Frage, wieso er nicht früher ausgereist sei, wenn schon seit sechs Jahren Interesse an seiner Person bestehe, brachte er, weil sich die Situation jetzt verschlechtert habe und die Behörden einen wegen nichts verfolgen würden. 2006/2007 sei es insofern besser gewesen als Kadyrov nicht alles tun habe können, was er gewollt habe. Jetzt aber sei es so, dass er mache, was er wolle. Dies betreffe die allgemeine Lage. Die offizielle Politik in Tschetschenien sei jetzt seit 2011 so, dass wenn jemand von einer Familie etwas verbrochen habe (etwa Kämpfer unterstützt habe), die ganze Familie darunter leiden müsse, nicht nur diese Person werde zur Verantwortung gezogen. Dies sei vor 2011 nicht so gewesen. Auf die Frage, wieso man ihn seit 2006 belästige, antwortet er, dass nicht nur er, sondern auch seinen Bruder und seinen Vater belästigt würden. Zum Vorhalt, dass er soeben selbst angegeben habe, dass seit 2011 die Familien darunter leiden müssten, davor sei es anders gewesen, brachte er vor, dass nach seinem Bruder seit 2006 gefahndet werde, aus diesem Grund seien sie immer wieder mitgenommen worden. Zum wiederholten Vorhalt führte er aus, dass es zwar so gewesen sei, dass die Familienmitglieder immer wieder mitgenommen worden seien, das habe aber immer nur die männlichen Familienmitglieder betroffen. Nun sei es so, dass sogar Frauen mitgenommen würden. Seit 2011 sei es außerdem offiziell. Zum Vorhalt, wieso er nicht schon früher geflüchtet sei, wenn es ihn seit 2006 betroffen habe, brachte er vor, früher nicht volljährig gewesen zu sein und seine Mutter habe es nicht zugelassen. Auf den Vorhalt, dass er seit sechs Jahren volljährig sei, antwortete er, er wisse das. Auf die erneute Frage, wieso er nicht schon viel früher ausgereist sei, wenn es ihn seit 2006 betroffen habe, antwortete er, seine Eltern hätten ihn nicht gehen lassen, diese hätten gemeint, dass es vorbei gehen werde. Auf die Frage, welche Behörden konkret bei ihm zu Hause gewesen seien, gab er zur Antwort, er hätte diese nicht danach gefragt. Auf die wiederholte Frage, brachte er vor, dass diese Leute nicht höflich kämen - sie würden kommen und einen mitnehmen. Zum Vorhalt, dass er doch angeben können müsse, wer ihn mitgenommen habe, führte er aus, dass es bei ihnen etwa 15 Sicherheitsbehörden gebe. Er (wisse) z.B. wie man Vertreter des Innenministeriums erkenne, aber sonst kenne sich ja keiner aus. Zur Aufforderung, er solle zu seinen Angaben in der Erstbefragung, dass es sich bei den "Besuchern" um eine Spezialeinheit des russischen Militärs gehandelt habe, Stellung nehmen, gab er an, für ihn seien die russischen und die tschetschenischen Behörden dasselbe. Manchmal sei er von den gemischten Gruppen mitgenommen worden, manchmal seien es nur Tschetschenen gewesen. Zum Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung lediglich das russische Militär erwähnt habe, und er nun die Bezirksabteilung für Innere Angelegenheiten anführe, er solle dazu Stellung nehmen, brachte er vor, er sei in der ersten Einvernahme gefragt worden, ob er mitgenommen worden sei, was er bejaht habe, und danach sei er gefragt worden, wer ihn mitgenommen habe und er hätte gesagt, dass es das russische Militär gewesen sei. Für ihn seien aber alle russisch. Auf den Vorhalt, dass Polizei und Militär etwas anderes sei, entgegnete er, bei ihnen gebe es viele Abteilungen, für ihn seien alles russisch. Zur Frage, warum er einmal die Polizei und einmal Militär angebe, auch wenn es für ihn dasselbe sei, da doch zu erwarten sei, dass er immer dieselben Angaben machen würde, antwortete er, er sei bei der Erstbefragung nur nach seinem Reiseweg befragt worden. Auf die nochmalige Frage, gab er an, dass es keinen Unterschied mache. Zum Vorhalt, dass es doch ein Unterschied sei, ob man von einer Spezialeinheit des Militärs oder von der Bezirkspolizei gesucht werde, brachte er vor, dass dies hier vielleicht so sei, aber nicht bei ihnen. Wenn man von der Bezirkspolizei gesucht werde, werde man von anderen Behörden gesucht. Zur Frage, warum er mit seinem Inlandspass ausgereist sei, zumal doch die Gefahr bestanden habe, dass man ihn kontrolliere, antwortete er, man habe sie nicht angehalten. Offiziell werde er nicht gesucht, er habe keine Probleme, er werde nicht gesucht. Auf die Frage, wie oft er von den Behörden belästigt worden sei, antwortet er, das nicht zu wissen - etwa ein bis zwei Mal im Monat. Er wolle sein Vorbringen nicht ergänzen. Er sei niemals in Strafhaft gewesen. Es bestehe kein offizieller Haftbefehl im Heimatland gegen ihn. Im Fall der Rückkehr erwarte ihn möglicherweise das Gefängnis, möglicherweise werde er auch getötet. Auf die Frage, weshalb, antwortete er, das nicht zu wissen - dies sei eine Vorahnung. Zur Frage, ob er schon einmal erwogen habe, sich anderswo im Herkunftsstaat niederzulassen, um sich den Schwierigkeiten zu entziehen, antwortete er, er habe sonst keine Verwandten, welche ihn unterstützen könnten. Er habe ja gewusst, dass sein Bruder hier sei und sei deshalb hergekommen. Auf die Frage, wie oft er festgenommen worden sei, gab er an, er könne das nicht genau angeben. Zur Aufforderung, dies ungefähr anzugeben, brachte er vor, dass er das nicht angeben könne. Zur Frage, wie oft er geschlagen worden sei, gab er an, dass er nicht stark geschlagen worden sei, sondern dies der Einschüchterung gedient habe. Auf Nachfrage gab er an, er sei in den Bauch und am Kopf geschlagen worden. Auf nochmalige Frage, wie oft er geschlagen worden sei, gab er an, manchmal gar nicht geschlagen worden zu sein. Er könne das so nicht sagen. Die Frage, ob er auch nach Aufklärung der Verwechslung geschlagen worden sei, bejahte er. Zum Vorhalt, dass er in der Erstbefragung angegeben habe, geschlagen worden zu sein, ihnen erklärt hätte, der Falsche zu sein, weshalb er und sein Bruder unter Druck gesetzt worden seien, brachte er vor, dass er sei ursprünglich geschlagen worden sei, weil man ihn mit seinem Bruder XXXX verwechselt habe, auch danach sei er geschlagen worden. Auf die Frage, wieso er in der Erstbefragung angegeben habe, danach unter Druck gesetzt worden zu sein und nicht angegeben habe, geschlagen worden zu sein, antwortete er, er habe in der Erstbefragung dasselbe angegeben wie nun. Mit behördlichen Ermittlungen zu seinem Vorbringen erklärte er sich einverstanden. Er könne sein Vorbringen nicht mit Beweismitteln untermauern. Sodann wurden ihm Länderberichte zur Russischen Föderation zur Stellungnahme binnen einer Woche ausgehändigt. In Österreich sei er nicht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden. Sein Bruder lebe hier. Er selbst werde vom Staat versorgt, es bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis zur seinem Bruder, aber er besuche diesen regelmäßig. Vor seiner Ankunft in Österreich hätten sie regelmäßig telefoniert. Sonstige Bindungen (Vereinstätigkeit oder Mitgliedschaft in einer Organisation) gebe es nicht.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Zl. 12 07.468-BAT, vom 17.10.2012 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Wiederaufnahmewerbers vom 19.06.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Hinblick auf die Russische Föderation abgewiesen und dieser aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Grundlage dafür war die Unglaubwürdigkeit des Wiederaufnahmewerbers.

 

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde rügte der Wiederaufnahmewerber die Beweiswürdigung des Bescheides des Bundesasylamtes.

 

Dem Bruder des Wiederaufnahmewerbers, XXXX, geb. XXXX, wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX, der Status des Asylberechtigten zuerkannt, weil er nach seinem Vorbringen 2003 mehrmals verhaftet und misshandelt und zuletzt am 16.10.2003 angeschossen wurde und sodann nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt und Aufenthalt bei Verwandten am 22.12.2005 ausreiste und schließlich am 21.03.2006 im Bundesgebiet internationalen Schutz beantragte. Er befürchtete, trotz der bereits erfolgten Amnestie wegen der von ihm unterschriebenen Dokumente im Fall der Rückkehr weiter verfolgt zu werden, sodass davon ausgegangen wurde, dass diesem wegen der unterstellten antirussischen Gesinnung sowie mangels innerstaatlicher Fluchtalternative Verfolgung wegen einer politischen Gesinnung im Herkunftsstaat droht.

 

Im Rahmen der Verhandlung führte der Wiederaufnahmewerber Folgendes aus:

 

Er sei Tschetschene und Moslem und sei am 11.11.XXXX geboren. Im Jahr 2008 sei er nach Grosny gezogen und habe dort im Zuge seines Studiums eine Wohnung gemietet, danach sei er wieder nach XXXX zurückgekehrt und dann sei er ausgereist. Er habe sich nicht länger als einige Wochen außerhalb Tschetscheniens in der Russischen Föderation aufgehalten. Nach elf Jahren Mittelschule habe er am Erdölinstitut studiert und dieses Studium nach vier Jahren abgeschlossen. Seinen Lebensunterhalt habe er durch diverse private Bauarbeiten bestritten. In Tschetschenien habe er sich nicht politisch betätigt. Er habe in keinem der beiden Tschetschenienkriege gekämpft, er sei zu jung. Die Frage, ob nahe Verwandte von ihm aktive Kämpfer seien, könne er nicht beantworten, weil er nicht wisse, wer was mache. Er wisse es nicht. Zum Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, dass sein Bruder gekämpft habe, führte er aus, dies habe er nicht gesagt, er habe nur gesagt, dass dieser in der Suchliste sei. Er habe auch einen anderen Dolmetscher haben wollen, er habe deutlich gesagt, dass sein Bruder auf der Suchliste stehe. Er habe bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt gesagt, dass er sich mit der ersten Dolmetscherin nicht verstanden habe. Auf die Bemerkung der Vorsitzenden Richterin, dass dies stimme, er aber am 09.10.2012 in Traiskirchen auf die Frage, wieso ein derartiges Interesse an seinem Bruder bestehen solle, geantwortet, dass sein Bruder gekämpft habe, antwortete er, dies hätte er nicht gesagt. Er selbst habe keine Kämpfer unterstützt. Zur Aufforderung, zu schildern, warum er geflohen sei, brachte er vor, im Jahre 2002 oder 2003 sei sein Bruder bei einem Vorfall verletzt worden. Dieser sei damals nicht mitgenommen worden, sondern sei geflohen. Im Jahre 2006 sei sein Bruder ausgereist, seither habe seine Familie Probleme. Die Russen seien fast jeden Tag gekommen und hätten nach seinem Bruder gefragt. Sie seien aufgefordert worden, den Bruder zurückzuholen und hätten behauptet, dass sich dieser im Wald bei den Widerstandskämpfern befinde. Er selbst sei auch einmal vermutlich wegen seiner Frisur mitgenommen worden. Er habe lange Haare gehabt und habe seinem Bruder stark ähnlich gesehen. Möglicherweise sei er deswegen mitgenommen worden. Zum Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung gesagt habe, dass er regelmäßig von einem Spezialkommando der Russen aufgesucht worden sei und dass er ein paar Mal festgenommen und geschlagen worden sei, führte er aus, ein paar Mal sei wenig gesagt, er sei mehrmals mitgenommen worden. Das habe er nicht zu Ende erzählt. Er sei nur einmal wegen seiner Frisur mitgenommen worden, drei bis vier Mal im Monat habe er zur Polizei in Tschetschenien müssen, manchmal sei er auch zum Verhör mitgenommen worden. Zur Frage, ob das heiße, dass er sich von 2006 bis 2012 in Tschetschenien aufgehalten habe, obwohl er drei bis vier Mal monatlich Probleme dort gehabt habe, gab er an, dass er sich dort aufgehalten habe, weil seine Eltern gegen seine Ausreise gewesen seien und gemeint hätten, dass dies nur vorübergehend so sei und bald enden werde. Er habe es nicht länger aushalten können und dann das Land verlassen. Zum Vorhalt, ob seine Eltern also sechs Jahre lang geglaubt hätten, dass diese Vorfälle aufhören würden, antwortete er, es nicht zu wissen. Er vermute, dass sie ihn bei sich hätten haben wollen und auf Besserung gehofft hätten. Zum Vorhalt, dass er nicht mehr bei seinen Eltern gewohnt hätte, gab er an, sich nicht ständig in Grosny aufgehalten zu haben. Zu den Fragen, wie oft er mitgenommen worden sei, wie oft er von allein habe hingehen müssen bzw. wie oft er vorgeladen wurde, brachte er vor, er hätte keine Ladungen erhalten, er hätte einen Zettel mit genauen Terminen gehabt, welche bei seinem Erscheinen abgestempelt worden seien, dies alles wegen seines Bruders. Seine Familie habe bis jetzt noch Probleme deswegen. Zur konkreten Frage, wie oft er mitgenommen worden sei, gab er an, er wolle nicht lügen, werde es aber nicht genau sagen können, aber ungefähr drei bis vier Mal im Monat oder ein bis zwei Mal im Monat. Die Frage, ob er mitgenommen worden sei und noch zusätzlich die Behörden habe aufsuchen müssen, bejahte er und gab an, die Behörden in Grosny hätten ihn mitgenommen, zB. ROWD. Er sei öfter gewesen, einmal in der Woche sei er zur Bezirkspolizei in XXXX gegangen. Wenn er mitgenommen worden sei, sei er ein bis zwei Tage angehalten worden, einer sei in der Nacht gekommen und habe ihn verhört, ein anderer habe ihn gefoltert und dann hätten sie ihn gefragt, ob er den Aufenthaltsort seines Bruders kenne. Auf die Frage, was er mit "foltern" meine, gab er an, sie hätten ich geschlagen, sie hätten ein Buch auf seinen Kopf gelegt und mit dem Schlagstock darauf geschlagen. Zum Vorhalt, dass er am 09.10.2012 gesagt habe, nicht geschlagen worden zu sein, sondern dass dies nur zur Drohung gedient habe, führte er aus, dass es Folter unterschiedlicher Art gebe, er habe dort auch gesagt, am Kopf und am Bauch geschlagen worden zu sein. Das Buch hätten sie verwendet, damit man keine blauen Flecken sehe. Zur Frage, welche Behörden ihn in Grosny mitgenommen hätten, und aufgefordert diese genau zu schildern, führte er aus, dass es mehrere Strukturen in Tschetschenien gebe. Manche seien Anhänger Putins und andere Kadyrovs. Diese hätten sich nicht vorgestellt. Manchmal hätten ihn Mitarbeiter des ROWD mitgenommen, welche er an der Uniform erkannt habe. Die anderen von der 6. Abteilung in Grosny seien immer Zivil gekleidet. Diese hätten sich auch nicht vorgestellt und daher könne er das nicht sagen. Zum Vorhalt, dass er vor dem Bundesasylamt gesagt habe, dass es einmal die Polizei und das andere Mal das Militär gewesen sei, brachte er vor, keine Unterschied zu sehe, es seien alle bewaffnet. Auf den Vorhalt, dass der Asylgerichtshof schon einen Unterschied sehe, beharrte er darauf, dass es für ihn keiner sei, jeder der ihn mitgenommen habe, sei bewaffnet gewesen, es sei nie etwas Gutes zu erwarten gewesen. Zum Vorhalt, dass seine Eltern gegen seine Ausreise gewesen seien, er (aber) seit 2006 volljährig sei, brachte er vor, dass er das nicht erklären könne, damit es verständlich sei. Es sei in Tschetschenien nicht üblich gegen den Willen der Eltern zu sein. Keine Eltern würden wollen, dass ihr Kind in ein fremdes Land ausreise. Er könne das nicht erklären. Auf den weiteren Vorhalt, dass es Tatsache sei und höchst eigenartig wirke, dass er kurz nach Beendigung seines Studiums das Land verlassen habe und hierher geflohen sei, brachte er vor, er habe sein Studium nicht abbrechen wollen, auch wenn er hier in Österreich sei, habe er nicht vor, ewig hier zu bleiben. Sobald sich zu Haus alles beruhige, werde er wieder zurückkehren. Er habe ein Diplom und eine Einstellungszusage in Tschetschenien, damit könne er bei seiner Rückkehr eine Arbeit finden. Falls er in Österreich bleiben dürfe, werde er das Diplom übersetzen lassen und hier weiter studieren. Zum Vorhalt, dass er vor dem Bundesasylamt angegeben habe, die Telefonate mit seiner Mutter seien nur privaten Inhalts gewesen, und dass er kurze Zeit später angegeben habe, seine Mutter habe ihm gesagt, dass weiterhin Leute nach Hause gekommen seien und ihn suchen würden, was sich widerspreche, führte er aus, dass sie nicht direkt übers Telefon darüber gesprochen hätten, seine Mutter habe gesagt, dass die "Gäste" zu ihnen gekommen seien, dies habe er verstanden, weil man die Behörden bei ihnen "Gäste" nenne. Auf den Vorhalt, dass dies aber - obwohl er es so bezeichne - kein privates Gespräch sei, gab er an, dies sei einmal am Ende des Gespräches gewesen, da habe sie ihm das erzählt. Er habe nicht gefragt, wann und wo. Auf die Frage, wieso sein Vater und sein Bruder weiterhin in Tschetschenien leben könnten, gab er an, dass sein Vater alt sei - er glaube nicht, dass dieser Probleme haben werde - und sein Bruder sich nicht zu Hause aufhalte und sich überall verstecke. Die Frage, ob die beiden jemals mitgenommen worden seien, bejahte er. Sein Bruder sei 2004 mitgenommen worden, er sei in XXXX stark verprügelt gefunden worden, nach seiner Ausreise sei dieser nicht mehr mitgenommen worden. Auf die Frage, woher er das wisse, wenn er nur private Gespräche führe, antwortete er, dass er mit seinem Bruder über Internet Kontakt habe und dieser gesagt habe, dass es keine Nachrichten gebe. Zum Vorhalt, dass sein in Österreich aufhältiger Bruder gesagt habe, dass der gemeinsame Bruder im Jahr 2003 mitgenommen worden sei und XXXX nie erwähnt habe, räumte er ein, er könne das Jahr verwechselt haben und möglicherweise habe sein Bruder nicht alles detailliert erzählt. Wenn er nun detailliert alles sage, könne ihm das vielleicht auch passieren, dass er bei der Abschiebung in Moskau festgenommen werde, wie es den anderen passiert sei. Er sei sicher, dass ihm im Fall der Abschiebung dasselbe passiere wie Salman. Der Wiederaufnahmewerber verwies auf den medial bekannten Vorfall im Dezember 2012 im Zuge einer Charterabschiebung von Wien nach Moskau. Auf den Vorhalt, dass er ausdrücklich gesagt habe, dass es gegen ihn keinen Haftbefehl gebe, es jedoch bei Salman offensichtlich einen Haftbefehl gegeben habe, brachte er vor, er wisse nicht, wie sein Fall entschieden werden würden, genauso wenig, wie sich die russischen Behörden verhalten würden - ob sie ihn festnehmen würden oder nicht. Befragt, was auf dem handschriftlich beschriebenen Zettel stehe, welcher seit Beginn der Verhandlung vor ihm liege, übergab er den Zettel der Dolmetscherin, welche angab, dass es sich um Namen von Festgenommenen handle. Der Wiederaufnahmewerber gab dazu an, dass vier davon Mitschüler und die anderen Nachbarn und Bekannte seien. Der erste sei sein Mitschüler, weil dessen Bruder auf der Suchliste war. Der andere, weil er einen Bart getragen habe, der andere sei mitgenommen worden, weil er mit diesem befreundet gewesen sei. Ein Angehöriger ihres Taips namens Solsbek stammte aus ihrem Dorf und habe nach seiner Abschiebung aus Österreich nach Grosny mit einer Handgranate Selbstmord begangen als er von den Behörden hätte mitgenommen werden sollen. Salman sei nach der Abschiebung festgenommen worden, zwei Brüder von Solsbek seien auch festgenommen worden und seien in Haft, weil sich dieser umgebracht habe. Die Frage des beisitzenden Richters, ob es richtig sei, dass das College, welches er in Grosny abgeschlossen habe, eine staatliche Einrichtung sei, bejahte er. Die Frage, ob er bei der Ausbildung Probleme gehabt habe, verneinte er, er habe Glück gehabt. Auf die Frage, warum er über Moskau ausgereist sei, gab er an, er sei nie außerhalb Tschetscheniens gewesen und sein Onkel habe ihn bis dorthin begleitet. Auf die Frage, wieso er in "die Höhle des Löwen" gefahren sei, wenn er aktuell verfolgt werde, führte er aus, dass er mit dem PKW seines Onkels gereist sei und dieser habe sich bei Kontrollen ausgewiesen, er selbst habe sich nie ausweisen müssen. Auf die Frage, ob er mit einem tschetschenischen PKW mit einem tschetschenischen Kennzeichen von Tschetschenien nach Moskau gefahren sei, verneinte er dies und gab an, mit einem russischen Kennzeichen. Es seien gleiche Kennzeichen, aber es stehe die Region darauf. In Moskau werde nie kontrolliert. Man könne in Moskau mit einem tschetschenischen Kennzeichen fahren ohne kontrolliert zu werde, die Hälfte der Bewohner Moskaus seien Tschetschenen. Es gebe viele tschetschenische Studenten, welche in Moskau mit einem tschetschenischen Kennzeichen unterwegs seien. Auf die Frage, warum er nicht in Moskau geblieben sei, gab er an, er habe keine Chance gehabt, in Moskau zu bleiben. Falls sie nach ihm suchten, würden sie ihn leicht in Moskau finden und er würde nach Tschetschenien gebracht werden. Für die tschetschenischen Behörden gehöre er zu den Widerstandskämpfern. Zum Vorhalt des besitzenden Richters, dass es ihn wundere, dass der Wiederaufnahmewerber ein ganzes Studium der Erdölwissenschaften habe abschließen können, ohne nachhaltig und länger bzw. dauerhaft festgenommen worden zu sein und seine Furcht erst in dem Zeitpunkt entstanden sei, als er sein Studium abgeschlossen habe, gab der Wiederaufnahmewerber an, gemeint zu haben, dass sie (ihn) nach seiner Ausreise als Widerstandskämpfer sehen würden, davor nicht. Vorher habe er ja die Probleme wegen seines Bruders gehabt, das habe er gemeint. Auf die Frage der vorsitzenden Richterin, ob das heiße, dass sein Bruder und Vater zu Hause in Tschetschenien auch Probleme seinetwegen hätten, antwortete er, wie er gesagt habe, verstecke sich sein Bruder, dieser sei noch nicht erwischt worden. Sein Vater habe keine Probleme mit den Behörden, die zwar immer wieder kommen würden. Auf die Frage, ob er meine, dass sein Vater noch nie Probleme gehabt habe, antwortete er, er meine nach seiner Ausreise. Gesundheitliche Probleme habe er nicht. Auf die Frage, ob er schon Deutsch spreche, gab er an, im Alltag die Sachen selbst erledigen zu können. Er sei aufgeregt und glaube, dass es keinen Sinn mache, jetzt Deutsch zu sprechen. In Österreich habe er um einen Deutschkurs angesucht, aber ohne Papiere gehe das nicht. Arbeiten dürfe er auch nicht, aber solange er Papiere habe, werde er hier studieren. Meistens sei er zu Hause und lerne Deutsch mit dem Wörterbuch, abends gehe er spazieren. Er stehe mit seinem Bruder in Kontakt, dieser lebe in Wien. Er habe keine Verwandten in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens. Er könne auf keinen Fall zurückkehren, weil er sicher sei, dass er festgenommen oder getötet werden würde. Könnte er zurückkehren, würde er das tun. Er bitte um Verständnis, weil er auf keinen Fall zurückkehren könne. Sofern in seinem Fall negativ entschieden werde, solle man ihm das schon heute sagen, dann werde er in einem anderen Land um Asyl ansuchen und sich in Sicherheit bringen.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 23.01.2013, D4 430872-1/2010/8E, wurde der Beschwerde gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 keine Folge gegeben und der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Beweiswürdigend wurde Folgendes ausgeführt:

 

"Der Beschwerdeführer machte bei seiner Einvernahme am 09.10.2012 zunächst wenig detaillierte Angaben zu seinen Fluchtgründen, sondern brachte diese vage bzw. ohne Details vor, antwortete ausweichend und es kam auch zu Widersprüchen. Diese versuchte er zwar anlässlich der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof aufzuklären, jedoch bleibt der Eindruck bestehen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor nicht detailliert über seine Fluchtgründe berichten kann und er sein Vorbringen sogar noch zu steigern suchte. Im Übrigen ist es nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer bei tatsächlicher Verfolgung durch die russischen Behörden seit 2006 erst im Jahr 2012 unmittelbar nach Abschluss seines Studiums geflüchtet ist. Die von ihm dafür angeführten Gründe sind jedenfalls nicht plausibel bzw. treffen offensichtlich nicht zu. Es ist dabei im Fall des Beschwerdeführers entgegen seinem Beschwerdevorbringen jedoch nicht relevant, ob er emotional über seine Fluchtgründe berichten konnte, sondern ob er überhaupt Details dazu angeben konnte, was aber trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht der Fall war.

 

Er brachte zwar anlässlich seiner Einvernahme am 09.10.2012 vor, die Dolmetscherin bei der Erstbefragung am 19.06.2012 habe sehr schlecht Russisch gesprochen, fügte aber hinzu, dass alles richtig protokolliert worden sei und er die Wahrheit gesagt habe. Hingegen bestritt er vor dem Asylgerichtshof über entsprechende Vorhalte zum Teil seine Angaben anlässlich der Erstbefragung.

 

So gab er vor dem Asylgerichtshof im Gegensatz zu seinem Beschwerdevorbringen an, er wisse nicht, ob nahe Verwandte aktive Kämpfer seien, und auf den Vorhalt, dass er in der Erstbefragung angegeben habe, sein Bruder habe gekämpft, brachte er vor, dies nicht gesagt zu haben, er hätte nur gesagt, dass dieser in der Suchliste sei. Er hätte auch einen anderen Dolmetscher haben wollen und deutlich gesagt, dass sein Bruder auf der Suchliste stehe. Er habe bei der Einvernahme beim Bundesasylamt gesagt, dass er sich mit der ersten Dolmetscherin nicht verstanden habe. Auch zur Bemerkung der vorsitzenden Richterin, dass dies stimme, er aber vor dem Bundesasylamt am 09.10.2012 er auf die Frage, wieso ein derartiges Interesse an seinem Bruder bestehen solle, geantwortet habe, dass sein Bruder gekämpft habe, brachte er abermals vor, er hätte dies nicht gesagt. Da seine inhaltsgleichen Angaben vom 19.06.2012 und vom 09.10.2012 in russischer Sprache jeweils durch unterschiedliche Dolmetscher übersetzt wurden, ist dabei auch vor dem Hintergrund der Ausbildung des Beschwerdeführers nicht von sprachlichen Missverständnissen, sondern vielmehr von tatsächlich widersprüchlichen Angaben auszugehen, weshalb seine diesbezüglichen Vorbringen nicht glaubwürdig sind.

 

Es ist aber auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer seit der Ausreise seines Bruders im Jahr 2006 deswegen bis zur eigenen Ausreise im Jahr 2012 fortlaufend verfolgt worden ist, zumal es sehr unplausibel ist, dass er dann nicht schon viel früher geflüchtet wäre. Sein Vorbringen vor dem Bundesasylamt am 09.10.2012 dazu, früher nicht volljährig gewesen zu sein, wurde durch den Vorhalt, dass er bereits seit sechs Jahren (also seit 2006) volljährig sei, entkräftet. Zur erneuten Frage, wieso er nicht schon viel früher geflüchtet sei, brachte er sodann vor, seine Eltern hätten ihn nicht gehen lassen und gemeint, es werde vorbeigehen, was aber nach Auffassung des Asylgerichtshofes ebenfalls nicht plausibel nachvollziehbar ist. Schließlich gab er vor dem Asylgerichtshof als Grund für seine späte Ausreise an, er habe sein vierjähriges Studium nicht abbrechen wollen, obwohl er dieses offenbar erst im Jahr 2008, also zwei Jahre nach dem angeblichen Beginn seiner Verfolgung durch die Behörden, begonnen hat, was nach Auffassung des Asylgerichtshofes ebenfalls nicht für das Vorliegen einer aktuellen Verfolgung entsprechender Intensität spricht.

 

Zudem konnte der Beschwerdeführer nicht angeben, welche Behörden ihn wann verhaftet und geschlagen haben, und konnte nicht angeben, wie oft er mitgenommen wurde. Dazu gab er anlässlich der Erstbefragung an, er sei einmal monatlich vom Militär aufgesucht und belästigt worden, am 09.10.2012 gab er beim Bundesasylamt dazu an, er sei etwa ein bis zwei Mal im Monat von den Behörden belästigt worden, und beim Asylgerichtshof gab er dazu an, er sei ungefähr drei bis vier Mal im Monat oder ein bis zwei Mal im Monat mitgenommen worden und hätte sich zusätzlich bei den Behörden melden müssen, womit er sein Vorbringen zudem in nicht glaubwürdiger Weise steigert. Auch seine Ausführungen darüber, dass er geschlagen worden sei, wozu er vor dem Bundesasylamt vorbrachte, dies hätte mehr der Einschüchterung dienen sollen, stellte er vor dem Asylgerichtshof als Folter dar, wobei er auf Nachfrage wieder angab, am Kopf und am Bauch geschlagen worden zu sein, wobei blaue Flecken vermieden worden wären. Hingegen konnte er nicht angeben, von welchen Behörden er wann mitgenommen worden sei, sprach abwechselnd vom Militär und der Polizei und gab dazu an, dies mache für ihn keinen Unterschied, weil alle bewaffnet gewesen seien, hatte jedoch vor dem Bundesasylamt ausdrücklich angegeben, dass gegen ihn kein Haftbefehl vorliege, sodass sein Vorbringen über eine Verfolgung durch irgendwelche Behörden in Tschetschenien vage geblieben und letztlich nicht plausibel nachvollziehbar ist.

 

Ferner machte er am 09.10.2012 widersprüchliche Angaben darüber, dass 2011 in der Situation in Tschetschenien insofern eine Änderung eingetreten sei, als in Tschetschenien die ganze Familie darunter leiden müsse, wenn jemand etwas verbrochen habe, hatte jedoch davor angegeben, bereits seit 2006 wegen seines Bruders immer wieder mitgenommen worden zu sein. Seine Erklärung auf den wiederholten Vorhalt dazu, dass früher immer nur die männlichen Familienmitglieder betroffen gewesen seien, nun würden auch Frauen mitgenommen werden, ist jedoch in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht plausibel nachvollziehbar."

 

Mit Schriftsatz vom 07.03.2013 stellte der Wiederaufnahmewerber gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG einen Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Asylverfahrens.

 

Die Familie des Wiederaufnahmewerbers hätte im Jänner 2013 ein Schreiben des Innenministeriums der Russischen Föderation, Tschetschenische Republik, Extremismus-Abwehrbekämpfung erhalten, in welchem dem Wiederaufnahmewerber illegale Aktivitäten vorgeworfen worden seien.

 

Hintergrund scheine eine Einschüchterungsmaßnahme gegen die Familie bzw. den Wiederaufnahmewerber zu sein. Die Eltern hätten dem Wiederaufnahmewerber zunächst nichts davon mitgeteilt, da sie ihn nicht zusätzlcih - neben den traumatischen Erlebnissen siener Flucht - mit der Angst um das Wohlergehen der Familie und damit einhergehenden Schuldgefühlen belasten wollen.

 

Das Schreiben sei mit 15.01.2013 datiert, sei somit vor Erlass des rechtskräftigen Erkenntnisses von den russischen Behörden verfasst worden. Nachdem der Wiederaufnahmewerber seinen Eltern mitgeteilt hätte, dass er zurückkehren müsse, hätten diese ihm in Sorge um die Gefahren bei einer Rückkehr von dem Erhalt des Schreibens mitgeteilt.

 

Wie das Schreiben klar nachweise, werde der Wiederaufnahmewerber in der Russischen Föderation verfolgt und sei zur Fahndung ausgeschrieben. Da der Wiederaufnahmewerber aufgrund seiner (vermeintlichen) politischen Gesinnung und Tätigkeit von Verhaftung und auch Folter in den Gefängnissen bedroht sei, sei ebenso der Tatbestand der GFK als erfüllt anzusehen. (...)

 

Wie der Wiederaufnahmewerber mehrfach angegeben hätte, sei in Zusammenhang mit der eigenen Familiengeschichte davon auszugehen, dass die Verfolgung im klaren Zusammenhang mit seiner Verwandtschaft zu seinem älteren Bruder XXXX stehe, dem in Österreich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei. Seine Fluchtgründe seien sohin als glaubwürdig anzusehen.

 

Nach Wiedergabe des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG wurde darauf verwiesen, dass es nicht im Verschulden des Wiederaufnahmewerber gelegen sei, dass er das Schreiben nicht schon vor dem Erlass des Erkenntnisses vom 23.01.2013 vorgelegt hätte, da er erst im Nachhinein davon erfahren hätte. Es könne sohin jedenfalls nicht von einem Verschulde gesprochen werden. Das Beweismittel sei zu einem Datum entstanden, zu dem das Verfahren noch anhängig gewesen sei.

 

Der Antrag sei fristgerecht eingebracht, da der Wiederaufnahmewerber erst mit Erhalt des Schreibens des Innenministeriums in Österreich davon Kenntnis erlangt hätte. Er hätte es am 22.03.2013 (gemeint wohl 22.02.2013) erhalten, die Frist würde sohin am 08.03.2013 enden und der Antrag sei sohin fristgerecht eingebracht.

 

Dem Schreiben angeschlossen war die Kopie eines Fahndungsbefehls des Innenministeriums der Russischen Föderation für die Tschetschenische Republik (Bescheinigung) vom XXXXNr. XXXX zu Nr. XXXX vom XXXX. Laut dem Fahndungsbefehl sei der Wiederaufnahmewerber der Mittäterschaft an ungesetzlichen bewaffneten Formationen im Gebiet der Tschetschenischen Republik Im Zeitraum von 2010 bis 2012 verdächtig. Das Extremismusabwehrzentrum des Innenministeriums für die Tschetschenische Republik verfüge über Informationen, dass der Wiederaufnahmewerber derzeit die Grenzen Russlands verlassen hätte und im Ausland lebe.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes, BGBl. I Nr. 4/2008 idgF (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gem. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens dann stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

 

Neu hervorgekommen ist eine Tatsache oder ein Beweismittel dann, wenn diese bzw. dieses bereits zur Zeit des noch offenen Verwaltungsverfahrens bestanden hat, jedoch erst nach Abschluss des Verfahrens geltend gemacht werden kann. Hingegen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstanden sind, nicht neu hervorgekommen im Sinne dieser Bestimmung.

 

Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("Nova Reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt ("Nova Causa Superveniens") (VwGH 7.4.2000, 96/19/2240, 20.6.2001, 95/08/0036 ua).

 

Im Wiederaufnahmeverfahren maßgebliches Beweisthema ist die Frage, ob die vom Beschwerdeführer vorgelegte Urkunde, wäre sie im wiederaufzunehmenden Verfahren bereits der Behörde bekannt gewesen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

 

Bei dem vorgelegten Fahndungsbefehl handelt es sich um eine Kopie eines angeblichen Fahndungsbefehles. Dies ist an einer dunklen diagonalen Linie an der oberen linken Seite des Schriftstückes erkennbar, da dieses Schriftstück offensichtlich mit einem anderen mit einer Heftklammer verbunden war, und diese während des Kopiervorganges nicht entfernt, sondern nur umgeknickt worden war.

 

Der Wiederaufnahmewerber behauptet, dass der angebliche Fahndungsauftrag seinen Eltern zugegangen sei. Warum dem Wiederaufnahmewerber der angebliche Fahndungsauftrag von seinen Eltern in seiner derzeitigen Situation nicht im Original übermittelt wurde, ist nicht nachvollziehbar und lässt nur den Schluss zu, dass es sich bei dem angeblichen Fahndungsauftrag um ein gefälschtes Schreiben handelt.

 

Der Vollständigkeit halber wird auch darauf hingewiesen, dass gerade das Datum des Fahndungsbefehls - pikanterweise konkret eine Woche bzw. drei Tage vor dem 23.01.2013 - nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit beiträgt.

 

Damit erweist sich aber auch der gezogene Schluss, auch bei Vorliegen dieser Urkunde im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren wäre ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautender Bescheid nicht ergangen, als zutreffend.

Schlagworte
gefälschtes Beweismittel, Wiederaufnahme
Zuletzt aktualisiert am
06.05.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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