TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/21 2000/11/0183

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Veröffentlicht am 21.11.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
43/01 Wehrrecht allgemein;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

11992E048 EGV Art48;
B-VG Art50 Abs2;
B-VG Art9a Abs3;
EURallg;
StaatsangehörigkeitÜbk Eur;
Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs1;
Übk Mehrfache Staatsangehörigkeit Verminderung Militärdienstpflicht Art6 Abs2;
WehrG 1990 §15;
WehrG 1990 §16;
WehrG 1990 §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. R, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Militärkommandos Vorarlberg vom 25. Mai 2000, Zl. W/66/01/02/24, betreffend Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 99/11/0309, verwiesen, mit dem eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Militärkommandos Vorarlberg vom 22. September 1999, mit dem der Beschwerdeführer gemäß § 35 des Wehrgesetzes 1990 (WG) mit Wirkung vom 2. November 1999 zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes einberufen worden war, abgewiesen wurde.

Mit Bescheid des Militärkommandos Vorarlberg vom 25. Mai 2000 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG mit Wirkung vom 4. September 2000 zur Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes in der Dauer von 7 Monaten und 28 Tagen einberufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der (am 2. November 1966 geborene) Beschwerdeführer Staatsbürger der Republik Österreich sowie der italienischen Republik ist, im Jahr 1992 in Österreich für tauglich befunden wurde (vgl. das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0169), bisher aber seinen Militärdienst weder in Österreich (zur Gänze) noch in Italien abgeleistet hat (bezogen auf Italien hat der Beschwerdeführer nie behauptet, Militärdienst geleistet zu haben). Strittig ist neuerlich, ob der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz (im Folgenden jeweils: Im Sinne des Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Österreich hatte, oder wie der Beschwerdeführer vorbringt, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hatte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem erwähnten Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 99/11/0309, auf dessen Begründung gemäß Art. 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht von der Beantwortung dieser Frage ab. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass auch im Falle der bereits erfolgten Verlegung seines ordentlichen Wohnsitzes in die Bundesrepublik Deutschland für den Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters zum Ausdruck gebracht, dass er die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, das in Art. 6 Abs. 2 des erwähnten Übereinkommens vorgesehene Wahlrecht würde dem Betreffenden die - unbefristete - Möglichkeit der Abgabe einer Erklärung einräumen, in welchem Staat er den Militärdienst ableisten wolle, und er vor Abgabe einer solchen Erklärung von keinem der in Betracht kommenden Staaten zur Leistung des Militärdienstes einberufen werden dürfe, nicht teilt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch im vorliegenden Beschwerdefall nicht veranlasst, von der im erwähnten Erkenntnis vom 11. April 2000 vertretenen Rechtsauffassung abzugehen.

Da auch für die Rechtmäßigkeit des nunmehr angefochtenen Bescheides die behauptete Verlegung des Wohnsitzes von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ohne Belang ist, bedurfte es auch keiner Ermittlungen der belangten Behörde in dieser Frage. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht auch im vorliegenden Fall keinen Grund, die Anregung des Beschwerdeführers aufzugreifen, ein Ersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften um Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV zu richten. Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1996, Zl. 96/11/0270, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, ist die Unterwerfung unter die Wehrpflicht beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts eine unmittelbar mit der Staatsangehörigkeit verbundene Angelegenheit und fällt somit nicht in dessen Anwendungsbereich (vgl. Punkt 41 der Schlussanträge des Generalanwaltes vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-315/94, Peter de Vos gegen Stadt Bielefeld). Die Frage ob und wie lange die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Militärdienst herangezogen werden dürfen, wird demnach im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt, insbesondere auch nicht in Art. 48 EGV. Kernstück des im Art. 48 statuierten Rechts auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist das in Abs. 2 enthaltene Diskriminierungsverbot, d.h. das Recht aller Arbeitnehmer, die Staatsbürger eines Mitgliedstaates sind, in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen wie Inländer behandelt zu werden. Dadurch wird das Recht eines Staates, seine wehrpflichtigen Staatsbürger zum Militärdienst heranzuziehen, nicht berührt. Es ist, wie nunmehr der Beschwerdeführer selbst einräumt, auch nicht ersichtlich, dass das in Rede stehende Übereinkommen mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar wäre. Liegt eine derartige Unvereinbarkeit aber nicht vor, so ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine "mobilitätsfreundliche" Auslegung des Übereinkommens, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt, erforderlich sein sollte. Eine solche wird im Übrigen auch nicht durch die von ihm erwähnten Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Februar 1979 (RS 115/78, J. Knoors), vom 6. Oktober 1981 (RS 246/80, C. Broekmeulen), vom 22. November 1995 (RS C-443/93, Ioannis Vougioukas) und vom 30. November 1995 (RS C-55/95, Reinhard Gebhard) indiziert.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich auf das Europäische Übereinkommen über Staatsangehörigkeit, BGBl. III Nr. 39/2000, hinweist, ist für ihn schon allein deswegen nichts zu gewinnen, weil der Nationalrat anlässlich der Genehmigung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG beschlossen hat, dass dieser Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen sei. Das Europäische Übereinkommen über Staatsangehörigkeit ist demnach vom Verwaltungsgerichtshof für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides nicht heranzuziehen. Es erübrigt sich daher, auf das umfangreiche diesbezügliche Beschwerdevorbringen einzugehen.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am 21. November 2000

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht kein innerstaatlicher Anwendungsbereich EURallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000110183.X00

Im RIS seit

08.02.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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