TE UVS Burgenland 2013/02/13 107/02/12007

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Veröffentlicht am 13.02.2013
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch seinen Präsidenten Mag. Grauszer über die erkennbar auf Art. 129a Abs 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde vom 16.10.2012 in der Fassung des Verbesserungsschriftsatzes vom 29.11.2012 des Herrn K.F.L. (in der Folge als Beschwerdeführer kurz ?BF? genannt), geboren am ***, wohnhaft in ***, ***, vertreten durch H.-P.W., Rechtsanwalt in ***, wegen seiner Festnahme am 1.10.2012, 19.15 Uhr, und anschließenden Anhaltung (bis 2.10.2012, 11 Uhr) zwecks Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen durch die Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung (kurz ?BH? genannt) im Polizeianhaltezentrum Eisenstadt (PAZ) der damaligen Bundespolizeidirektion Eisenstadt und jetzigen Landespolizeidirektion Burgenland (kurz ?PB? genannt) zu Recht erkannt:

 

Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird die oben genannte Maßnahme für rechtswidrig erklärt.

 

Gemäß § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 hat das Land Burgenland dem BF Kosten für Schriftsatzaufwand von 737,60 Euro binnen zwei Wochen zu bezahlen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Text

1.1. Der BF bringt zusammengefasst vor, dass gegen ihn zahlreiche Verwaltungsstrafen nach dem Wiener Parkometergesetz verhängt worden seien und er nach entsprechender Aufforderung zum Strafantritt 42 Tage Ersatzfreiheitsstrafe bis Anfang Feber 2012 in der PB verbüßt habe. Der weitere Vollzug sei dann für sechs Monate aufgeschoben worden. Er sei am 1.10.2012 um 19 Uhr 15 einfach zwecks Vorführung zum Strafantritt verhaftet und danach angehalten worden. Eine Aufforderung zum 2. Strafantritt sei unterblieben, weshalb eine Voraussetzung für die Gesetzmäßigkeit des Vollzugs fehle. Bei einer Akteneinsicht am 8.10.2012 habe er 30 ?Original-Schreiben? vom 3.9.2012 der BH (gemeint sind die ihn betreffende Anordnung seiner Vorführung zum Strafantritt) gesehen, die er nie erhalten habe. Er beantragte, ?die Anhaltung ................ durch die LPD Burgenland vom 1.10.2012 ..... und die anschließende Haft? für rechtswidrig zu erklären. Kosten für Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand wurden verzeichnet.

 

1.2. Die BH verweist in ihrer Stellungnahme vom 14.12.2012 darauf, dass der BF Aufforderungen zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen am 19.8.2011 übernommen habe, setzte sich mit der Beschwerde aber rechtlich nicht auseinander und stellte keine Anträge.

 

1.3. Die PB führte aus, dass die BH die Vorführung zum Strafantritt verfügt habe. Die Ersatzfreiheitsstrafe sei im PAZ vollzogen worden, weil die BH über keine Hafträume verfüge. Für den Strafvollzug sei gemäß § 53a letzter Satz VStG die PB zuständig gewesen. Sie habe dem BF auch drei Haftunterbrechungen gewährt. Im Anlassfall sei ihr der Vollzug nicht gemäß § 29a VStG abgetreten worden. Sie betrachte sich im Maßnahmenbeschwerdeverfahren nicht als belangte Behörde.

 

2. Folgender Sachverhalt wird als erwiesen festgestellt:

 

Der Magistrat der Stadt Wien übertrug der BH gemäß § 29a VStG mit gleichlautenden Schreiben vom 22.7.2011 den Vollzug zahlreicher Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen des BF nach dem Parkometergesetz. Die BH forderte den BF mit gleichlautenden Schreiben zu ihren einzelnen Strafaktzahlen vom 1.8.2011 auf, die Ersatzfreiheitsstrafe bei der PB unverzüglich anzutreten. Er übernahm diese Schreiben am 19.8.2011. Sie enthalten den Hinweis, dass bei Nichtbefolgung die zwangsweise Vorführung zum Strafantritt drohe. Der Vollzug könne durch die Bezahlung des Betrages der jeweils genannten verhängten Geldstrafe abgewendet werden.

 

Mit Bescheid der PB vom 8.2.2012 zur Zahl E1/82/2012 wurde dem BF eine sechsmonatige Unterbrechung seiner seit 3.1.2012 andauernden Haft gewährt. Der Beginn und das Ende der Unterbrechung sind im Bescheid nicht genannt. Er wurde darin auch nicht aufgefordert, sich nach der gewährten Unterbrechung zwecks weiteren Vollzugs bei der PB einzufinden. Eine undatierte Übernahme dieses Bescheides ist aktenkundig. Nach dem PAZ - Bericht vom 9.2.2012 wurde dem BF an diesem Tag der Bescheid ausgefolgt. Laut PAZ - Bericht vom 14.2.2012 wurde er an diesem Tag um 18.00 Uhr aus der Haft entlassen.

 

Mit gleichlautenden Schreiben der BH vom 3.9.2012 wurde die zwangsweise Vorführung des BF zum Strafvollzug bei der PB angeordnet und davon - nach dem Wortlaut - der als Adressat dieses Schreibens genannte BF verständigt. Eine Zustellung/Ausfolgung dieses Schreibens an den BF ist nicht aktenkundig, er behauptet, davon erst bei einer Akteneinsicht erfahren zu haben. Der BF wurde am 1.10.2012 um 19 Uhr 15 von Organen der PI *** im Auftrag der BH festgenommen und zum Vollzug ins PAZ eingeliefert, wo er aktenkundig bis zum 2.10.2012, 11 Uhr, dem Beginn einer bewilligten Haftunterbrechung, angehalten wurde. Danach war er vom 3. bis 13.10. und vom 14.10. bis 25.11.2012 in Haft.

 

Dies ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen und dem damit im Wesentlichen übereinstimmenden Vorbringen des BF.

 

3. Rechtliche Überlegungen:

 

3.1. Bei einer Maßnahmenbeschwerde bestimmt der BF den Gegenstand (Umfang) der rechtlichen Überprüfung durch den UVS. Im Anlassfall wird ausdrücklich die Rechtswidrigerklärung der ?Anhaltung vom 1.12.2012 ................ und die anschließende Haft? bekämpft (siehe Verbesserungsschriftsatz vom 29.11.2012). Daraus ergibt sich die Dauer seiner hier insgesamt bekämpften Anhaltung, mag der BF auch irren, wenn er von zwei Akten unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ausgeht. Die freiheitsbeschränkende Anhaltung beginnt mit seiner Festnahme zwecks Vorführung am 1.10.2012 um 19 Uhr 15 und endet mit seiner Haftentlassung am 2.10.2012 um 11 Uhr. Nur insoweit liegt eine ?anschließende? Anhaltung vor. Die gewährte Haftunterbrechung beendet insoweit den ?Anschluss?. Den Eingaben ist auch sonst nicht zu entnehmen, dass der Vollzug von Ersatzfreiheitstrafen vom 3. bis 13.10.2012 und vom 14.10. bis 25.11.2012 (ohne Vorführung nach der jeweiligen Unterbrechung) angefochten wird. Diese Haftzeiten werden deshalb im Rahmen dieses Verfahrens rechtlich nicht beurteilt.

 

3.2. Die Vorführung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe ist wie ihr Vollzug eine beim UVS mit Beschwerde nach § 67c AVG bekämpfbare Maßnahme. Jede Festnahme geht in eine Anhaltung über und bildet mit ihr eine rechtliche Einheit. Die Anordnung der Festnahme erfolgte zwecks Einlieferung in das PAZ zum Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen im Auftrag der zuständigen BH (die über keine eigenen Hafträume verfügt, weshalb der Vollzug wie üblich im PAZ erfolgte). Deshalb wird sie vom UVS in diesem Verfahren als belangte Behörde angesehen. Die PB ist insoweit nur von der BH um den Vollzug ersucht worden und hinsichtlich der in Rede stehenden Anhaltung (3.1.) nicht belangte Behörde. Davon zu unterscheiden ist die mit Strafantritt entstehende Kompetenz der PB nach § 53a VStG für Entscheidungen und Anordnungen im Zusammenhang mit dem Strafvollzug, welche nicht verfahrensgegenständlich sind. Ohne Bedeutung ist, dass der BF irrt, wenn er die Landespolizeidirektion als belangte Behörde bezeichnet.

 

3.3. Die Rechtmäßigkeit der bekämpften Anhaltung hängt davon ab, dass an den BF eine im § 53b Abs 1 VStG zwingend vorgesehene Aufforderung zum Strafantritt ergangen ist. Diese Aufforderung muss konkretisieren, wann und wo der Aufgeforderte die Strafe anzutreten hat, sodass kein Zweifel über den Inhalt der Verfügung entstehen kann. Eine angemessene Frist zum Strafantritt muss eingeräumt werden. Hier liegt eine entsprechende Aufforderung vom 1.8.2011 vor. Die daraufhin angetretene Haft hat der BF aufgrund des Bescheides der PB vom 8.2.2012, der ihm am nächsten Tag ausgehändigt wurde, am 14.2.2012 beendet. Der Bescheid enthält kein Datum für den Beginn oder das Ende der Unterbrechung. Der BF wurde auch nicht aufgefordert, sich nach Ablauf von sechs Monaten (wann immer dies der Fall gewesen wäre) oder zu einem sonst bestimmten Zeitpunkt wieder im PAZ einzufinden, um die Haft fortzusetzen (insoweit ist dieser Sachverhalt anders als der in der Entscheidung VfSlg 13096/1992 behandelte). Deshalb hätte ihn die BH im Sinne des in VfSlg 8297/1978 dargelegten Rechtsgedankens vor der Vorführung neuerlich auffordern müssen, die noch ausständige Ersatzfreiheitsstrafe im PAZ (wieder) anzutreten und ihm für den Fall der Nichtbeachtung die neuerliche Vorführung androhen müssen. Dies wurde unterlassen. Deshalb findet die Festnahme und anschließende Anhaltung im III. Teil des VStG keine Deckung. Dadurch wurde der BF in seinem Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Die bekämpfte Maßnahme ist deshalb rechtswidrig.

 

4. Kosten

 

Zum Kostenersatz ist jener Rechtsträger verpflichtet, in dessen Namen die unterlegene Behörde in der Beschwerdesache gehandelt hat. Nach der hg.Judikatur ist eine funktionelle Zurechnung vorzunehmen (was hier einfach zum Kostenersatz durch das Land Wien führen würde). Der UVS kommt jedoch zu einem anderen Ergebnis. Weil die Wiener Behörde den Vollzug nach § 29a VStG an die BH abgetreten hat, ist allein diese Behörde für das Verfahren zum Strafvollzug zuständig geworden. Das rechtliche Band dieses Verfahrens zum Land Wien wurde dadurch getrennt. Wien hatte keinen Einfluss mehr auf das abgetretene Vollstreckungsverfahren und konnte nicht (etwa durch Weisung an die BH) beeinflussen, dass sich die BH rechtmäßig verhält. Insgesamt ist deshalb anzunehmen, dass die BH nicht im Namen von Wien gehandelt hat, womit Wien nicht für das unbeeinflussbare Fehlverhalten der burgenländischen BH haftet. Der UVS nimmt eine fiktive funktionelle Zurechnung des Vollzugsverfahrens vor. Ein dem Wiener Parkometergesetz entsprechendes Burgenländisches Landesgesetz wäre vom Land Burgenland (seinen Behörden) zu vollziehen. Dies führt zum Land Burgenland als Kostenersatzträger.

 

Da keine Verhandlung stattgefunden hat, kommt auch kein diesbezüglicher Kostenersatz in Frage.

Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Verwaltungsstrafrecht, Ersatzfreiheitsstrafe, Festnahme, Vorführung zum Strafantritt, Verfahrenskosten
Zuletzt aktualisiert am
12.03.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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