TE UVS Tirol 2013/03/14 2012/K4/2499-12

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Veröffentlicht am 14.03.2013
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Spruch

Mit Schriftsatz vom 07.09.2012, beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol per E-Mail eingelangt am 07.09.2012, hat die F. Ö. GmbH, XY-Gasse 2/6, W. (im Weiteren kurz Antragstellerin genannt), vertreten durch W. Rechtsanwälte GmbH, XY-Platz 4, W., einen Feststellungsantrag betreffend die vom Land Tirol, Abteilung Zivil- und Katastrophenschutz, XY-Gasse 1 bis 3, I. (im Weiteren kurz Auftraggeber genannt), vertreten durch H./B. ?H./N. Rechtsanwälte GmbH, XY 47, W., vorgenommene ?Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol? eingebracht.

 

Die R. K. Tirol gemeinnützige Rettungsdienst GmbH, XY 13, R. (im Weiteren kurz mitbeteiligte Partei genannt), vertreten durch C. Rechtsanwälte, XY-Platz 4, I., hat sich dem Verfahren mit Schriftsatz vom 25.09.2012, beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol per E-Mail eingelangt am 25.09.2012, als mitbeteiligte Partei angeschlossen.

 

Die Kammer 4 des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol entscheidet unter Vorsitz von Herrn Dr. Volker-Georg Wurdinger, Herrn Dr. Sigmund Rosenkranz als Berichterstatter und Frau Mag. Bettina Weißgatterer als weiteres Mitglied gemäß § 67a Z 2 AVG 1991 wie folgt:

 

Spruch:

Der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens ?Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol? ohne vorherige Bekanntmachung ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu erlassenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Der Antrag der Antragstellerin, dem Auftraggeber aufzutragen, der Antragstellerin die Pauschalgebühren gemäß § 19 Abs 5 TVergNG 2006 zu Handen ihrer ausgewiesenen Rechtsvertreter zu ersetzen, wird ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Mit Schriftsatz vom 07.09.2012, beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol per E-Mail eingelangt am 07.09.2012, hat die Antragstellerin einen Feststellungsantrag betreffend die vom Auftraggeber vorgenommene ?Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol? gestellt und im Einzelnen ausgeführt wie folgt:

 

?I. ANTRAG AUF FESTSTELLUNG

 

1. Maßgeblicher Sachverhalt

1.1 Das Land Tirol (nachfolgend ?Auftraggeberin?) hat mit Bekanntmachung vom 28. August 2009, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter 2009/S 165-239388, die Vergabe des bodengebundenen Rettungsdienstes in Tirol im Rahmen eines mehrstufigen EU-weiten Verhandlungsverfahrens im Oberschwellenbereich nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (nachfolgend ?BVergG 2006?) ausgeschrieben (nachfolgend ?Vergabeverfahren Rettungsdienst Tirol?).

 

Gegenstand des Vergabeverfahrens Rettungsdienst Tirol, an dem sich die Antragstellerin durch Legung eines Teilnahmeantrags sowie mehrerer Angebote beteiligt hat, war die Erbringung des bodengebundenen Rettungsdienstes für die Dauer von 10 Jahren, bestehend aus a) der Notfallrettung sowie fakultativ der notärztlichen Versorgung sowie b) dem qualifizierten Krankentransport.

 

1.2 Am 14. Juli 2010 erteilte die Auftraggeberin den Zuschlag in dem Vergabeverfahren Rettungsdienst Tirol der Bietergemeinschaft ?Rettungsdienst Tirol? bestehend aus österreichisches R. K. Landesverband Tirol, aus den R. K. Bezirksstellen L., R., T., I., I. Land, K., K., Osttirol sowie der Österreichisches R. K. Freiwillige Rettung W., Österreichisches R. K. Freiwillige Rettung I. Sillufer und Österreichisches R. K. Freiwillige Rettung H. i.T. (nachfolgend ?Bietergemeinschaft?) auf Grundlage von deren Letztangebot vom 24. Juni 2010 und übertrug dieser die Besorgung der Aufgaben des Rettungsdienstes in Tirol gemäß den Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen und des diesen beigeschlossenen Teil III, Allgemeine Vertragsbestimmungen (nachfolgend ?Vertrag Rettungsdienst Tirol?).

 

1.3 Gemäß der zu Grunde liegenden Zuschlagsentscheidung betrug die Vergabesumme (ohne Option ?notärztliche Leistung? iHv EUR 6.588.469,2) bestehend aus (i) EUR 15.791.947,12 für RTW, (ii) EUR 6.139.830 für NEF/REF sowie (iii) EUR 5.437.069,30 für Krankentransport EUR 27.368.846,70. Das Angebot der Antragstellerin wurde mit einen Gesamtpreis (ebenfalls ohne Option ?notärztliche Leistung?) von EUR 37.573.116 an zweiter Stelle gereiht.

 

Beweis: EU-weite Bekanntmachung über vergebene Aufträge vom 29. Juli 2010, 2010/S-145-223246 (Beilage ./1);

Mitteilung der Zuschlagsentscheidung vom 29. Juni 2010 (Beilage .12)

Von der Auftraggeberin vorzulegender Vergabeakt zum Vergabeverfahren Rettungsdienst Tirol;

 

1.4 Nach Maßgabe der Ausschreibungsunterlagen enthält der zwischen der Bietergemeinschaft als Auftragnehmerin und der Auftraggeberin abgeschlossene Vertrag Rettungsdienst Tirol unter anderem folgende Bestimmungen:

 

?Die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen sind im groben in den Vergabeverfahrensbestimmungen Teil I und Teil II der Ausschreibung und im Detail in der Leistungsbeschreibung Teil IV der Ausschreibung beschrieben. In jenen Bereichen, in denen die Leistung funktional beschrieben ist, sind Vertragsgegenstand, auch wenn dies nicht ausdrücklich angeführt oder erwähnt ist, alle Leistungen, welcher Art und welchen Umfanges auch immer, die zur Herstellung und Erfüllung des in der Ausschreibung umschriebenen Leistungsziels erforderlich sind. Der Auftragnehmer garantiert hier, dass die angebotenen Leistungen im Sinne einer funktionsfähigen Komplettleistung zur vollständigen Erfüllung des Vertragszweckes ausreichen. Sollte sich diese Zusicherung als unrichtig erweisen, werden die fehlenden Leistungen vom Auftragnehmer ohne zusätzliche Vergütung erbracht.? (Punkt 2.2) (Unterstreichungen vom Verfasser).

 

Im Hinblick auf Leistungsadaptionen wird in dem Vertrag Rettungsdienst Tirol folgendes festgelegt:

 

?Sofern dies zur Erreichung der Vertragsziele oder zur Anpassung an geänderte Verhältnisse erforderlich oder zweckmäßig ist, kann der Leistungsumfang (zB nach Art, Umfang, etc) des Auftragnehmers vom Auftraggeber adaptiert (zB erweitert oder verringert) werden. (...)? (Punkt 7.1)

 

Gemäß Punkt 9.1 (Vergütung) des Vertrags Rettungsdienst Tirol enthält die Auftragnehmerin als Vergütung für die Leistungen die im Angebot (siehe Preisblatt Formular 10) angeführten Preise. Darüber hinaus wird in Punkt 9.2 wie folgt klargestellt: ?Die vom Auftragnehmer angebotenen Preise stellen auf Vertragsdauer, abgesehen ausschließlich von Punkt 10. und 11., unveränderliche Pauschalfestpreise dar. Mit dem Preis sind sämtliche Leistungen und Aufwendungen des Auftragnehmers in Zusammenhang mit der betreffenden Leistung im Sinne einer vom Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber zugesicherten Komplettleistung abgegolten. Sämtliche Preise schließen daher alle sonstigen Leistungen. Handlungen und Veranlassungen ein, deren Durchführung oder Erbringung dem Auftragnehmer obliegt, wie überhaupt jeden Aufwand, der für einwandfreie Durchführung erforderlich ist. (Unterstreichungen vom Verfasser)

 

Gemäß Punkt 10 des Vertrags Rettungsdienst Tirol erfolgt eine Anpassung der Vergütung ausschließlich für den Fall, dass (i) der in Teil IV Leistungsbeschreibung, Punkt 15. für die Leistung ?qualifizierter Krankentransport? für Versicherte der gesetzlichen Sozialversicherung prognostizierte Leistungsumfang in einem Jahr bezogen auf die Anzahl der Fahrten um über 10 Prozent über- oder unterschritten wird oder, sofern (ii)

 

?(...) für nach Inkrafttreten des Vertrags das Tiroler Rettungsdienstgesetz 2009, das Sanitätergesetz, das Zivildienstgesetz, das Ärztegesetz oder zu diesen Gesetzen erlassene Durchführungsverordnungen geändert oder erlassen werden und wenn jene Änderung unmittelbar eine wesentliche (größer als 10 Prozent) Erhöhung oder Verringerung der Aufwendungen oder Kosten bewirkt, welche der Auftragnehmer zur Erbringung seiner Leistungen zu tragen hat.?

 

Gemäß Punkt 12 des Vertrags Rettungsdienst Tirol erhält der Auftragnehmer die vereinbarte Jahresvergütung in Form von monatlichen Akonto-Zahlungen in der Höhe von jeweils 1/12 der vereinbarten Jahresvergütung. Darüber hinausgehende Akonto-Zahlungen oder Vorauszahlungen sieht der Vertrag nicht vor. Die Abrechnung erfolgt jeweils zum Jahresende im Nachhinein auf Grundlage der bis zum 31. März des Folgejahres zu legenden Jahresabrechnung.

 

Beweis: Von der Auftraggeberin vorzulegender Vertrag Rettungsdienst Tirol;

 

1.5 Der Leistungserbringung gemäß Vertrag Rettungsdienst Tirol begann mit 1. Juli 2011 durch die eigens als ?Betreibergesellschaft? mit Notariatsakt vom 30. März 2011 gegründete ?R. K gemeinnützige Rettungsdienst GmbH? (nachfolgend ?Rettungsdienst GmbH"). Gesellschafter der Rettungsdienst GmbH ist neben den Mitgliedern der Bietergemeinschaft auch die R. K. Bezirksstelle S., die ebenfalls Leistungen des Rettungsdienstes erbringt, obwohl diese weder Mitglied der Bietergemeinschaft noch Subunternehmer ist.

 

1.6 Für die Erbringung der ausschreibungsgegenständlichen Leistungen im Zeitraum von 1. Juli 2011 bis 31. Dezember 2011 erhielt die Bietergemeinschaft bzw die Rettungsdienst GmbH (nachfolgend ?Auftragnehmerin?) folgende Vergütungen:

 

RTW, NEF/REF, Krankentransport EUR 13.684.423,35

Option notärztliche Leistung (20 Prozent)) EUR 686.189,10 Preisanpassung gern Pkt 11 des Vertrages EUR 229.624,40

 

Zusätzlich zu den monatlichen Akontozahlungen gemäß Punkt 12 des Vertrags Rettungsdienst Tirol erhielt die Auftragnehmerin darüber hinaus entgegen den betreffenden Vergütungsregelungen des Vertrags Rettungsdienst Tirol ?Vorauszahlungen für die Umsetzung der neuen Strukturen? iHv EUR 500.000.

 

Beweis: Schreiben des Amts der Tiroler Landesregierung vom 22. März. 2012 (Beilage ./3);

Anfragebeantwortung von DI Dr. B. T. zur Anfrage des LAbg Mag. G. M. ?Mehrkosten Rettung Tirol? (76/12) vom 5. März 2012 (Beilage ./4);

Von der Rettungsdienst GmbH vorzulegende Jahresabschlussrechnung 2011;

Von der Auftraggeberin vorzulegende Zahlungsaufstellung;

 

1.7 Für das Jahr 2012 kalkulierte die Auftraggeberin auf Grundlage des Vertrags die Kosten für den bodengebundenen Rettungsdienst wie folgt:

 

RTW, Ausgangspreis, Indexanpassungh, Gesamt

Euro 16.044.302,43, Euro 494.164,52, Euro 16.538.466,95 NEF/REF, Ausgangspreis, Indexanpassung, Gesamt

Euro 6.237.944,77, Euro 192.128,70, Euro 6.430.073,47 Krankentransport, Ausgangspreis, Indexanpassung, Gesamt Euro 5.523.953,67, Euro 170.137,77, Euro 5.694.091,44 Gesamt Euro 28.662.631,86

 

Neben der monatlichen Teilzahlungen iHv 1/12 des valorisierten Jahresentgelts zahlte die Auftraggeberin der Aufragnehmerin zu Jahresanfang 2012 dem Vernehmen nach aufgrund budgetärer Engpässe eine (vertraglich nicht gedeckte) außerordentliche Vorauszahlung iHv EUR 3,5 Mio.

 

Beweis: wie bisher

Von der Auftraggeberin vorzulegender Auszug aus dem Jahresvoranschlag 2012;

 

1.8 Tatsächlich entstanden der Auftragnehmerin für die Erbringung der Leistungen gemäß Vertrag Rettungsdienst Tirol im Jahr 2011 und im ersten Halbjahr 2012 Kosten, die weit über den (indexierten) Angebotspreisen der Auftragnehmerin und somit auch weit über den valorisierten und kalkulierten Kosten der Auftraggeberin liegen. Dem Vernehmen nach lagen/liegen die tatsächlichen Kosten für

 

den Zeitraum von 1. Juli bis 31. Dezember 2011 um etwa EUR 3,7 Mio sowie für den Zeitraum von 1. Jänner 2012 bis 31. Dezember 2012 um etwa EUR 6 Mio

 

über der vertraglich vereinbarten und auch budgetierten und valorisierten Vergütung.

 

Beweis: wie bisher

Bericht des Wirtschaftsprüfers über die Gebarung der Rettungsdienst GmbH im Jahr 2011;

 

1.9 Vor dem Hintergrund einer drohenden Insolvenz der Rettungsdienst GmbH sowie im Lichte der entstandenen Mehrkosten haben die Auftraggeberin und die Auftragnehmerin nach Vorliegen der Jahresabschlussrechnung für den Zeitraum 2011 sowie des Berichts des Wirtschaftsprüfers mehrere Monate tlw intensive Verhandlungsgespräche über die weitere Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Vertrag Rettungsdienst Tirol, insbesondere die mit der Jahresabschlussrechnung 2011 in Rechnung gestellten Mehrkosten sowie die zu erwartenden Kostenüberschreitung für 2012 geführt.

 

Ende Juli 2012 haben sich die Auftraggeberin und die Auftragnehmerin über die weitere Vorgehensweise sowie den Umgang mit den mit der Jahresabschlussrechnung 2011 in Rechnung gestellten Mehrkosten geeinigt und eine Vereinbarung zur Ergänzung bzw Änderung des bestehenden Vertrags Rettungsdienst Tirol (nachfolgend ?Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol? oder ?Vertragsänderung?) abgeschlossen.

 

Mit der Vertragsänderung wurden dem Vernehmen nach folgende Änderungen/Ergänzungen des bestehenden Vertrags Rettungsdienst Tirol hinsichtlich (i) des Entgelts/Vergütungsstruktur sowie der (ii) Leistungsspezifikationen vereinbart:

 

(i) Entgelt/Vergütungsstruktur

Für die Leistungserbringung im Zeitraum 1. September 2011 bis 31. Dezember 2013 sowie zur Bereinigung der mit der Jahresabschlussrechnung 2011 in Rechnung gestellten strittigen Mehrkosten erhält die Auftragnehmerin zusätzlich zu den bereits geleisteten Zahlungen eine Zahlungen in der Höhe von etwa EUR 6,4 Mio.

Mit Wirkung ab 2013 wird die vereinbarte (valorisierte) Jahresvergütung für RTW, NEF/REF sowie Krankentransport iHv insgesamt ca EUR 30 Mio (siehe dazu Punkt 1.7) um etwa EUR 4,8 Mio/Jahr auf insgesamt etwa EUR 35 Mio erhöht.

 

(ii) Leistungsspezifikationen

Das Leitbild des Landes, nachdem jeder an einer öffentlichen Straße gelegenen Notfallort idR (90 Prozent Zielerreichungsgrad) in nicht mehr als 15 Minuten nach Alarmierung von der ersten Rettungseinheit erreicht werden soll (Hilfsfrist), wird abgeändert, sodass ab 2013 der Zielerreichungsgrad auf 70 Prozent und die Zeit bis zur Erreichung des Notfallorts auf 10 Minuten reduziert wird.

Die festgelegte (maximale) Wartezeit für Krankentransport in der Zeit zwischen 06:00 und 22:00 Uhr von 60 Minuten wird abgeändert, sodass ab 2013 die Wartezeit nicht mehr als 30 Minuten beträgt.

 

Dem Vernehmen nach wurde die Vertragsänderung mit Umlaufbeschluss vom 9. August 2012 im Tiroler Landtag beschlossen. Der Abschluss erfolgte ohne Durchführung eines (förmlichen), den Bestimmungen des BVergG entsprechenden, Vergabeverfahrens und wurde weder ex ante noch ex post in den relevanten nationalen und/oder EU-weiten Bekanntmachungsmedien bekannt gemacht.

 

Beweis: wie bisher;

vom Auftraggeber vorzulegende Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol;

vom Aufraggeber vorzulegendes Zusatzbudget für 2012;

vom Auftraggeber vorzulegender Umlaufbeschluss der Landesregierung Tirol;

PV durch Einvernahme von Herrn O. Q. P., R. A. sowie K. K.;

 

2. Drohender Schaden, entgangener Gewinn

 

Aufgrund der rechtswidrigen Vorgehensweise der Auftraggeberin, insbesondere der wesentlichen Änderung und Erweiterung des bestehenden öffentlichen Auftrags/Vertrags Rettungsdienst Tirol ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens durch Abschluss der Vertragsänderung entstand der Antragstellerin ein beträchtlicher finanzieller und sonstiger Schaden. Dieser Schaden besteht einerseits in der entgangenen Möglichkeit sich an einem rechtskonformen Vergabeverfahren zu beteiligen sowie in der Chance auf Erteilung des Zuschlags in einem rechtskonformen Vergabeverfahren und der Beteiligung an einem fairen und lauteren Wettbewerb zur Vergabe der Leistungen.

 

Darüber hinaus entstand der Antragstellerin zumindest ein Schaden in der Höhe des entgangenen Gewinns in der Höhe von zumindest 1 Prozent des Auftragswerts, da durch die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol ohne Durchführung eines formellen Vergabeverfahren und ohne Durchführung eines Wettbewerbs oder der Einladung der Antragstellerin zur Angebotslegung die Antragstellerin keine Chance auf Auftragserteilung hatte.

 

Weiters ist der Antragstellerin ein Schaden in Gestalt des Verlusts eines wichtigen Referenzprojekts entstanden. Die von der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol erfassten Leistungen gehören zum Kernmarkt des Unternehmens der Antragstellerin, auf dem diese ihre Präsenz in Österreich ausbauen möchte. Die Durchführung der beauftragten Leistungen ist für das Unternehmen der Antragstellerin von größter Bedeutung, weil diese dadurch einerseits belegen kann, dass die Erbringung dieser Leistungen zu ihren spezialisierten Tätigkeitsbereich gehört und Schwerpunkt ihres Unternehmens ist und andererseits, da die Durchführung der von der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol erfassten (Dienst)Leistungen für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens essentiell ist, da bisher am österreichischen Markt keine vergleichbarer Aufträge vergeben wurden.

 

Hinzu treten die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung in diesem Feststellungsverfahren von bisher EUR 8.000 (exkl USt) sowie die Kosten für die Entrichtung der Pauschalgebühren.

 

Beweis: wie bisher;

 

3. Rechtswidrigkeiten

 

3.1 Bezeichnung des verletzten Rechts

 

Die Antragstellerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen, insbesondere den Grundsätzen des § 19 BVergG entsprechenden, Vergabeverfahrens verletzt. Insbesondere erachtet sie sich in ihrem Recht auf Durchführung eines transparenten und dem freien und lauterem Wettbewerb entsprechenden Vergabeverfahrens, in ihrem Recht auf Durchführung eines Vergabeverfahrens im Wege einer zulässigen Verfahrensart, in ihrem Recht auf Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung, im Recht auf Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, in ihrem Recht auf Unterlassung einer nachträglichen (ausschreibungspflichtigen) wesentlichen Vertragsänderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens und Unterlassung einer unzulässigen Direktvergabe sowie in ihrem Recht auf Unterlassung eines Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung verletzt.

 

Darüber hinaus erachtet sie sich in ihrem Recht auf Erteilung des Zuschlags und der Teilnahme an einem mit den Grundsätzen des Vergaberechts übereinstimmenden Vergabeverfahrens sowie in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

 

3.2 Gründe der Rechtswidrigkeiten

 

Durch die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol gemäß Punkt 1.9 wird der bestehende Vertrag Rettungsdienst Tirol einerseits im Hinblick auf das Entgelt/die Vergütungsstruktur und andererseits im Hinblick auf die Leistungsspezifikationen der zu erbringende Dienstleistung in wesentlichen Punkten und unter Verletzung der Grundsätze des Vergaberechts, insbesondere dem Transparenzgrundsatz und dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter, wesentlich geändert.

 

Nach hL sowie der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH (vgl EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur sowie EuGH 13.04.2010, Rs C-91/08, Wall AG /Stadt F. am Main, F. Entsorgungs- und Service (FES) GmbH) sind Änderungen der Bestimmung eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen und verpflichten somit zur Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ?(...), wenn sie wesentliche andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen (vgl in diesem Sinne auch Urteil vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich, C-337/98, Slg 20001-8377, Rn 44 und 46).?

 

Bei der Wesentlichkeitsprüfung ist auf die Wettbewerbsrelevanz der Änderung abzustellen. Eine nachträgliche Vertragsänderung kann danach als wesentlich angesehen werden, wenn sie:

 

3.2.1

im Vergleich zum ursprgl Vergabeverfahren Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur Rn 35);

 

den Auftrag in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur Rn 36);

 

das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur Rn 37);

 

diese nicht ausdrücklich im Auftrag vorgesehen waren (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur Rn 60, 65 und 84).

 

Die Vertragsänderung des Vertrags Rettungsdienst Tirol ist aufgrund der Wesentlichkeit der vorgenommenen Änderungen iSd Judikatur des EuGH als Neuvergabe zu qualifizieren, da durch die Vertragsänderung (i) im Vergleich zum ursprgl Vergabeverfahren Bedingungen eingeführt werden, die die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten (nachfolgend kurz ?Ergebnisrelevanz?) (siehe dazu Punkt 3.2.1); (ii) der Vertrag Rettungsdienst Tirol in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert wird (siehe dazu Punkt 3.2.2); (iii) das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags Rettungsdienst Tirol in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten der Auftragnehmerin geändert wird (siehe dazu Punkt 3.2.3) und (iv) diese Änderungen nicht ausdrücklich im Vertrag Rettungsdienst Tirol vorgesehen sind (siehe dazu Punkt 3.2.3).

 

Aufgrund der Einordnung als öffentlicher (Dienstleistungs)Auftrag und Überschreitung der maßgeblichen Schwellenwerte des § 12 BVergG sowie mangels Vorliegend der Voraussetzungen für die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung wäre die Auftraggeberin daher verpflichtet gewesen, ein den Grundsätzen des Vergaberechts entsprechendes formelles Vergabeverfahren nach Bekanntmachung durchzuführen. Hierzu im Einzelnen:

 

3.2.1 Zur Ergebnisrelevanz der Vertragsänderung

Gemäß Teil IV Leistungsbeschreibung (nachfolgen kurz ?Teil IV?), Punkt 4.3 (in der unveränderten Fassung) hat die Rettungseinrichtung (somit die Auftragnehmerin) dafür Sorge zu tragen, dass jederzeit ausreichend Krankentransportkapazitäten in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Verfügung stehen. Als ausreichend gelten die Krankentransportkapazitäten dann, wenn die Wartezeit bei Krankentransporten in der Zeit zwischen 06:00 und 22:00 Uhr in mindestens 80 Prozent aller Einsatzfälle (Zielerreichungsgrad) nicht mehr als sechzig (60) Minuten beträgt und die Reaktionszeit (4.2) eingehalten wird (nachfolgend kurz ?Wartezeit?).

 

Gemäß Teil IV Punkt 1 haben die Rettungseinrichtungen bei der vertragsgemäßen Durchführung von Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport das Leitbild des Landes, nachdem jeder an einer öffentlichen Straße gelegenen Notfallort idR (90 Prozent Zielerreichungsgrad) in nicht mehr als 15 Minuten nach Alarmierung von der ersten Rettungseinheit erreicht werden soll (Hilfsfrist), jederzeit vorrangig zu beachten (nachfolgend kurz ?Leitbild?).

 

Die Änderung der Wartezeit bei Krankentransporten von 60 Minuten auf 30 Minuten sowie die Änderung des Leitbilds (Erreichung des Notfallorts in 10 statt bisher 15 Minuten und Reduktion des Zielerreichungsgrads von 90 Prozent auf 70 Prozent) erfüllt bereits die erste vom EuGH für die Annahme einer wesentlichen und damit vergaberechtlich relevanten Änderung gebildete Fallgruppe der Wettbewerbsrelevanz (vgl EuGH 19. Juni 2008, C454/06 aaO, R 35), weil damit Bedingungen eingeführt werden, die die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären:

 

Sowohl das Leitbild als auch die Wartezeit sind wesensimmanente und leistungscharakterisierende Bestandteile des Rettungsdienstes und waren für inhaltliche Gestaltung des Angebots sowie deren Bewertung anhand der festgelegten Mindest- und Zuschlagskriterien maßgeblich und entscheidend, wie auch deren zentrale Rolle in den nachfolgenden Regelungen der Ausschreibungsunterlagen belegen. Hierzu im Einzelnen:

 

a) Zur Wartezeit

Gemäß Teil IV Punkt 4.5 war der Bieter verpflichtet (Mindestinhalt), mit dem Angebot ein geeignetes Organisationskonzept (Organisation und Steuerung Krankentransport), mit dem die angemessene Sicherstellung des Krankentransportes unter Beachtung der Wartezeit sowie anderen Vorgaben gewährleistet werden kann, vorzulegen. Diesem Organisationskonzept kommt besondere Bedeutung zu, zumal auf dessen Grundlage die Disposition des Krankentransportes durch die Leitstelle Tirol erfolgt.

 

Das Organisationskonzept wurde gemäß Teil IV Punkt 4.5 auch im Rahmen der Angebotsbewertung berücksichtig und gemäß Teil II (Verfahrensbestimmungen) Punkt 7 (Zuschlagskriterien) im Rahmen des Zuschlagskriteriums in einem eigenen Kriterium (Steuerungsmaßnahmen) bewertet. Bewertungsrelevant war dabei die Wartezeit und der Zielerreichungsgrad.

 

Die Einhaltung der Wartezeit ist darüber hinaus explizit vertraglich zusichert (Vertrag Rettungsdienst Tirol Punkt 15.2). Da jeder Verstoß gegen die Wartezeitvorgabe mit einer Pönale in Höhe von EUR 500 belegt wird (Vertrag Rettungsdienst Tirol, Punkt 16.1), sind die entsprechenden Vorgaben hochgradig preisrelevant, zumal entsprechende Pönalen I naturgemäß auch in der Angebotskalkulation zu berücksichtigen sind.

 

b) Zum Leitbild

Das Leitbild hat im Rahmen der Leistungsbeschreibung und der Leistungserbringung höchste Priorität und ist begrifflich schon zentrales Element der Ausschreibung. So wird Anfangs in der Systembeschreibung (Teil IV, Punkt 1) explizit betont, dass dieses Leitbild ?(...) jederzeit vorrangig zu beachten (ist).?

 

Das Leitbild ist weiters maßgeblich für die Steuerung der Notfallrettung ausschlaggebend. Gemäß Teil IV, Punkt 6 sind die Rettungseinrichtungen verpflichtet, ?(...) mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu der Einhaltung der Hilfsfrist (Anm: somit der Frist des Leitbilds) beizutragen (...)?. (Unterstreichung vom Verfasser)

 

Diese Leitbild ist weiters wesentlicher Bestandteil des Konzepts für die stationäre Infrastruktur, das sämtliche durch den Bieter vorzusehenden Rettungswachen und Einsatzstellen auszuweisen hat, welches die Rettungseinrichtungen ?(...) unter Beachtung des vorgenannten Leitbildes? mit dem Angebot zwingend vorzulegen hatten.

 

Gemäß Teil II Punkt 7 (Zuschlagskriterien) ist das Konzept zur stationären Infrastruktur Bestandteil des Zuschlagskriteriums Qualität (Punkt 7.3). Bewertet wird dabei ausschließlich die Zielerreichung des Leitbildes und die Prozess Optimierung, wobei je genauer die Orientierung am Leitbild und je höher die Prozess Optimierung ist, desto besser wird das Konzept bewertet (Teil IV, Punkt 6).

 

Nach der zuvor genannten einschlägigen Judikatur des EuGH ist eine Änderung des Vertrages wesentlich (und damit ohne neuerliche Ausschreibung unzulässig) sofern diese Änderung ?die Annahme eines anderen als der ursprünglich angenommenen Angebots? erlaubt hätte, somit ein anderer Bieter den Zuschlag erhalten hätte oder der Auftragnehmer ein anderes Angebot gelegt hätte (vgl auch EuGH, 29.04.2004. Rs C-496/99 P CAS Succhi di Fritta Spa), wobei die bloße Möglichkeit eines anderen Ergebnisses ausreichend ist (IdS auch SA GA Kokott, 13.3.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn 48). Wesentlich sind daher regelmäßig Änderungen, welche die Angebotspreise beeinflussen oder Einfluss auf die Angebotsbewertung durch die Zuschlagskriterien gehabt hätten (vgl Heid/Steindl in Heid/Preslmay, Handbuch Vergaberecht3 (2010), Rz632).

 

Fazit: Es ist unstreitig, dass die Berücksichtigung der nunmehr geänderten Anforderungen betreffend die Wartezeit und das Leitbild die Abgabe erheblich anderer Angebote (vgl EuGH 29.04.2004, Rs C-496/99 P, Kommission/CAS Succhi di Frutta SpA, Rn 116) sowie ein anderes Ergebnis des Vergabeverfahrens erlaubt hätten (vgl EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn 35), da

 

ein maßgeblich anderes (die kürzeren Eintreffzeiten sowie den erheblich toleranteren Zielerreichungsgrad berücksichtigendes) Konzept für die stationäre Infrastruktur und für die Steuerung des Krankentransports erforderlich und somit ein in qualitativer Sicht erheblich abweichendes / anderes Angebot notwendig gewesen wäre:

 

für die Umsetzung dieser Konzepte wesentlich andere infrastrukturelle, technische und personelle Ressourcen (etwa eine andere Anzahl und Positionierung von Rettungswachen und Einsatzstellen, ein geänderter Fuhrpark und andere personelle Ressourcen) erforderlich sind und somit eine Änderung der Kalkulation und somit des Angebotspreises erforderlich ist;

 

aufgrund der Festlegung der Warte- und Eintreffzeiten sowie der Zielerreichungsgrade als Musskriterien die ursprünglich abgegebenen Angebote bei Berücksichtigung der nunmehrigen Änderungen zwingend auszuscheiden gewesen wären sowie

 

aufgrund der Bewertung der Konzepte im Rahmen der Qualitativen Zuschlagskriterien die ursprünglich abgegebenen Angebote anders bewertet worden wären.

 

3.2.2 Zur Wesentlichkeit der Auftragserweiterung

Nach der einschlägigen Judikatur des EuGH ist eine Erweiterung eines bestehenden Vertrags jedenfalls dann als wesentlich zu beurteilen und erfordert eine (Neu)Ausschreibungspflicht, sofern der bestehende Auftrag in erheblichem Umfang erweitert wird (EuGH, 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn. 36). Die erhebliche (Auftrags)Erweiterung des Vertrags Rettungsdienst Tirol durch die in der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol vereinbarte Änderung der Leistungsspezifikationen (Reduktion der Wartezeiten gemeinsam mit der Änderung des Leitbilds) sowie des Entgelts / der Vergütungsstruktur belegt folgendes:

 

a) Erforderlichkeit von Neuverhandlungen wegen Wegfall der Kalkulationsgrundlagen

Nach EuGH ist insbesondere dann von einer wesentlichen Vertragsänderung auszugehen, wenn die Änderungen so weit reichen, dass sie Neuverhandlungen erforderlich machen. Das ist spätestens dann der Fall, wenn, so wie im vorliegenden Sachverhalt, umfangreiche und intensive (Preis)Verhandlungen mangels geeigneter Kalkulationsgrundlage für die vorgenommen Änderungen im ursprünglichen Vertrag erforderlich sind, da der Preis eine wesentliche Bedingung eines neuen Auftrags ist (EuGH, 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur). Da die ursprüngliche Auftragskalkulation wesentlich auf den Wartezeiten sowie dem Leitbild (und den darauf gestützten stationären Infrastrukturmaßnahmen) beruht, erforderten die entsprechenden Änderungen eine vollständige Neukalkulation. Die Auftraggeberin und die Auftragnehmerin verhandelten selbst mehrere Monate um einen gemeinsamen Konsens betreffend die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol zu erreichen.

 

b) Auftragserweiterung im Ausmaß von 16 Prozent

Die Wesentlichkeit der Auftragserweiterung und damit einhergehend die Wettbewerbsrelevanz verdeutlicht insbesondere das Verhältnis der nunmehrigen Auftragserweiterung zu dem ursprünglich zugeschlagenen Basisauftrag (iaW dem Leistungsvolumen des ursprünglichen Vertrag Rettungsdienst Tirol). So entspricht die bewirkte Vertragsänderung rechnerisch einer Auftragserweiterung um 16 Prozent. Nach herrschender Auffassung übersteigt eine Vertragsänderung die für die Wettbewerbsrelevanz maßgebliche Wesentlichkeitsschwelle bereits, sofern diese das Ausmaß von 10 Prozent übersteigt, so dass im vorliegenden Fall die Wesentlichkeit der Auftragserweiterung bei Weitem unbestritten ist. Zudem stellt eine jährliche Entgelterhöhung in Höhe von ca 16 Prozent des gesamten Entgeltbetrages eine Größenordnung dar, bei der regelmäßig eine Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers anzunehmen ist, die die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich birgt (so auch: Kulartz/Duikers, VergabeR 2008, 728, 734f).

 

c) Vielfache Überschreitung der maßgeblichen Schwellenwerte Darüber hinaus liegt nach Judikatur und hL eine wesentliche Auftragserweiterung jedenfalls dann vor, wenn der isoliert betrachtete Wert der nachträglichen Vertragsänderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet (Vgl EuGH 29.04.2010, Rs C-160/08, Kommission/Deutschland, Rn 99 u 100. IdS zuvor schon Egger, Europäisches Vergaberecht (2008) 118 Rz 1295; zust: Kulartz/Duikers, Ausschreibungspflicht bei Vertragsänderungen, VergabeR 2008, 728; OLG Rostock 05.02.2003, 17 Verg 14/02 ist gleich VergabeR 2003, 321 mit Anm v Müller-Wrede ist gleich NZBau 2003, 457 u OLG Celle 29.10.2009, 13 Verg8/09 ist gleich VergabeR 2007, 358). Durch die Vereinbarung wird mit Wirkung ab 2013 die vereinbarte (valorisierte) Jahresvergütung iHv ca EUR 30 Mio (siehe dazu Punkt 1.9) um EUR 4,8 Mio/Jahr auf insgesamt etwa EUR 35 Mio erhöht, und somit der relevante Schwellenwert des § 12 BVergG (EUR 200.000) isoliert betrachtet bereits in einem Jahr (und umso mehr bei Anwendung der Berechnungsregelungen des § 16 BVergG) um ein Vielfaches (!) überschritten.

 

Fazit: Durch die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol erfolgt daher eine wesentliche Erweiterung des bestehenden Vertrags Rettungsdienst Tirol, da maßgebliche Leistungsspezifikationen und somit wesentliche Elemente der Kalkulationsgrundlage abgeändert wurden, wodurch eine Neukalkulation sowie umfangreiche und intensive (Preis)Verhandlungen erforderlich geworden sind;

eine Erweiterung des bestehenden Vertrags um 16 Prozent erfolgte und somit die für eine Vertragsänderung maßgebliche Wesentlichkeitsschwelle (10 Prozent) erheblich überschritten wird und der isolierte Wert der Vertragsänderung (zumindest EUR 4.8 Mio/Jahr die relevanten Schwellenwerte um ein Vielfaches überschreitet.

 

3.2.3 Zur Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrags Rettungsdienst Tirol in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten der Auftragnehmerin

Nach Maßgabe der einschlägigen Judikatur wird eine Neuvergabe insbesondere dann erforderlich, wenn sich das wirtschaftliche Gleichgewicht (als Ausdruck der Wettbewerbsrelevanz), somit das Preisgefüge, zu Gunsten des Auftragnehmers verschiebt. Das wirtschaftliche Gleichgewicht eines Vertrages ändert sich durch Preisänderung. Nach EuGH ist ?(...) der Preis eine wesentliche Bedingung eines öffentlichen Auftrags" und birgt daher jede Preisänderung die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung in sich (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn 60.328).

 

Die vergaberechtliche Relevanz der Vertragsänderung wird bereits bei Betrachtung der vereinbarten Änderung der Vergütungsstruktur / Entgelterhöhung im Ausmaß von EUR 6,4 Mio für den Zeitraum von 1. September 2011 bis 31. Dezember 2013 sowie der Erhöhung des valorisierten Basishonorar um EUR 4,6 Mio pro Jahr offensichtlich. Alleine diese erhebliche, auf die Vertragsdauer gerechnet nahezu mit EUR 50 Mio (!) zu beziffernde, Entgelterhöhung bewirkt eine erhebliche Verschiebung des wirtschaftlichen Gleichgewichts zu Gunsten des Auftragnehmers (vgl Kulartz/Duikers, VergabeR 2008, 728, 734f sowie OLG Celle 29.10.2009, 13 Verg 8/09 unter Verweis auf die einschlägige Judikatur des EuGH). Diese Entgelterhöhung ist weder von dem Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags Rettungsdienst Tirol gedeckt noch stehen dieser entsprechende Gegenleistungen entgegen. Hierzu im Einzelnen:

 

a) Unveränderliche Pauschalfestpreise iSd S 2 Z 26 lit c und e BVergG

Wie unter Punkt 1.4 ausgeführt sind die vereinbarten Preise unveränderliche Pauschalfestpreise iSd § 2 Z 26 lit c und e BVergG. Da weder das in Teil IV Punkt 15 prognostizierte Mengengerüst bezogen auf die Anzahl der Fahrten im erforderlichen Ausmaß überschritten wurde, noch sich die taxativ genannten gesetzlichen Grundlagen geändert haben, verändert jede über die Indexierung hinausgehende Anpassung das wirtschaftliche Gleichgewicht zu Gunsten des Auftragnehmers.

 

b) Vertraglich garantierte Komplettleistung schließt Vergütung von Mehrleistungen aus Gemäß Punkt 2.2 des Vertrags Rettungsdienst Tirol hat die Auftragnehmerin garantiert, ?(...) dass die angebotenen Leistungen im Sinne einer funktionsfähigen Komplettleistung zur vollständigen Erfüllung des Vertragszweckes ausreichen. Sollte sich diese Zusicherung als unrichtig erweisen, werden die fehlenden Leistungen vom Auftragnehmer ohne zusätzliche Vergütung erbracht.? Selbst wenn daher allfällige von der Auftragnehmerin nicht kalkulierten oder ursprünglich angebotenen Mehr- oder Zusatzleistungen in dem Zeitraum ab 1. September 2011 zur Erfüllung des vollständigen Vertragszwecks erbracht wurden, so stehen dieser hierfür keine über die im Preisblatt angegeben (indexierte) Vergütung zu. Dies gilt ebenso für zukünftige Mehr- und /oder Zusatzleistungen.

 

e) Keine Wirksame Berufung auf Leistungsadaptionsbestimmung (Punkt 7) des Vertrags Ebenso wenig kann eine Leistungsadaption unter Bezugnahme auf Punkt 7 des Vertrags Rettungsdienst Tirol die Entgelterhöhung/Änderung der Vergütungsstruktur für bis 1. August 2012 bereits erbrachte oder zukünftige Leistungen rechtfertigen. Zum einen räumt die Bestimmung des Punkt 7 des Vertrags dem Auftraggeber die Möglichkeit ein, willkürlich Leistungsadaptionen im Lichte der Zweckmäßigkeit des Vertragszwecks vorzunehmen und kann daher mangels Entsprechung der maßgeblichen Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz keine Leistungsänderungen und somit über das Basishonorar hinausgehenden Zahlungen rechtfertigen. Zum anderen ist diese Bestimmung im Lichte des Punktes 7.2 des Vertrags Rettungsdienst Tirol untauglich im Nachhinein bereits zuvor eigenmächtig erbrachte Leistungen der Auftragnehmerin ?zu legalisieren? und eine wie auch immer geartete Vergütung zu ermöglichen (siehe dazu im Detail unter Punkt 3.2.4).

 

d) Keine wirtschaftliche Rechtfertigung der vereinbarten Entgelterhöhung Selbst wenn die Auftragnehmerin in der Vergangenheit in einer einen zusätzlichen Entgeltanspruch begründenden Weise mit der Erbringung von Mehrleistungen beauftragt wurde (was ausdrücklich bestritten wird), so stehen diese Mehrleistungen in keinem Verhältnis zu der Vergütung iHv EUR 6,4 Mio. Ebenso verhält es ich mit den nunmehr aufgrund der Vertragsänderung vereinbarten Änderungen der Leistungsspezifikationen: Aus dem Angebot der Auftragnehmerin und der zu Grunde liegenden Kalkulation ist keinesfalls eine Änderung der Vergütungsstruktur und eine Entgelterhöhung im Ausmaß von EUR 4,8 Mio/Jahr ableitbar und somit ohne Änderung des wirtschaftliche Gleichgewichts auch nicht rechtfertigbar. Noch viel weniger ist die Zulässigkeit von ?Kostenvorschüssen? in der Höhe von EUR 500.000 (vgl Punkt 1.6) oder EUR 3,5 Mio (vgl Punkt 1.7) vertraglich nachvollziehbar.

 

Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass die Auftragnehmerin bereits 2010 ein Angebot gelegt hat, das weit unter den tatsächlichen Kosten und Aufwendungen liegt, um die Auftragserteilung an diese zu erwirken. Trotz Vorliegen eindeutiger Indizien für eine spekulative und unplausible Preisgestaltung hat die Auftraggeberin damals auch keine (hinreichend) vertiefte Angebotsprüfung vorgenommen. Im Lichte der drohenden Insolvenz, hervorgerufen durch die konstante Kostenüberschreitung, wurde dem Vernehmen nach nun versucht über den Umweg einer Leistungsadaption eine Vergütungsanpassung vorzunehmen, um eine fortlaufende Leistungserbringung zu ermöglichen. Diese Vermutung erhärtet sich insbesondere im Lichte der Tatsache, dass das Letztangebot der Auftragnehmerin des Angebot der damals zweitgereihten Antragstellerin um nahezu 1/3 unterschritten hat und durch die nunmehrige Vertragsänderung im Ergebnis eine Angleichung des Preisniveaus erfolgte.

 

Fazit: Die Änderung der Vergütungsstruktur/Entgelterhöhung im Ausmaß von EUR 6,4 Mio für den Zeitraum von 1. September 2011 bis 31. Dezember 2013 sowie die Erhöhung des valorisierten Basishonorars um EUR 4,6 Mio pro Jahr verschiebt das wirtschaftliche Gleichgewicht zu Gunsten der Auftragnehmerin, insbesondere zumal der geänderten Vergütungsstruktur/Entgelterhöhung keine nach Maßgabe des Letztangebots vom Juni 2010 entsprechenden und/oder (vergabe)rechtlich zulässigen Mehrleistungen gegenüber stehen.

 

Umso mehr gilt dies für die Vorauszahlungen iHv EUR 500.000 sowie EUR 3.5 Mio, die jeglicher Vertragsgrundlage entbehren.

 

3.2.4 Keine vertragliche Grundlage für die Vertragsänderung

Nach hL und Judikatur können Änderung des Leistungsvertrags ausnahmsweise zulässig sein, sofern diese Änderungen ausdrücklich im ursprünglichen Auftrag vorgehsehen waren (EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn 60.). Im Lichte der Grundsätze des Vergaberechts (insbesondere des Transparenzgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes) und den sich daraus ergebenden Anforderungen sind an derartige ?Vorbehaltsklauseln? strenge Anforderungen zu stellen.

 

Bereits in der Rs EuGH 29.04.2004, Rs C-496/99 P, Kommission/CAS Succhi di Frutta SpA, Rn 110, 111, 115 u 116. hat der EuGH im Zusammenhang mit nachträglichen Änderungen festgehalten, dass der Auftraggeber 2(...) eine solche Änderungsmöglichkeit ebenso wie die Modalitäten ihrer Durchführung in der Ausschreibungsbekanntmachung, die er selbst erstellt hat und die den Rahmen für den Ablauf des Verfahrens vorgibt, ausdrücklich vorsehen (muss), so dass sämtliche am Auftrag interessierten Unternehmen hiervon von Anfang an Kenntnis haben und daher bei der Abfassung ihres Angebots gleichgestellt sind.? (Hervorhebungen durch den Verfasser)

 

Daraus ist abzuleiten, dass Anpassungsklauseln jedenfalls ausreichend bestimmt und konkretisiert sein müssen. Anderenfalls würde eine solche Praxis (...) unweigerlich die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter verletzen (Urteil vom 29.04.2004, aaO, RN 121.). Ebenso ergibt ich aus dem Urteil des EuGH vom 13.04.2010, Rs. C-91/08, Wall AG /Stadt F. am Main, F. Entsorgungs- und Service (FES) GmbH Rdnr 39), dass auch Anpassungsklauseln nicht von vornherein der Wesentlichkeit einer Vertragsänderung entgegenstehen.

 

Im Lichte der EuGH Judikatur wird in der deutschen Judikatur, auf die mangels einschlägiger Judikatur in Österreich aufgrund der vergleichbaren Rechtslage hilfsweise zurückgegriffen werden kann (vgl VwGH, 26.06.2009, 2009/04/0024), die Rechtfertigung einer wesentlichen Vertragsänderung aufgrund einer allgemein gehaltenen Änderungsklausel im Lichte des Transparenzgebots klar verneint:

 

?Nach Auffassung des Senats kommt einer Änderungsklausel (...) jedenfalls dann eine nur untergeordnete Bedeutung zu, wenn sie zum einen sehr allgemein gehalten ist und die Änderung zum anderen auf der freien Entscheidung des Auftraggebers beruht. Wie aus den unter (2.1) aufgeführten Urteilen hervorgeht, geht es dem Europäischen Gerichtshof um die Gewährleistung von Transparenz und Gleichbehandlung der am Auftrag interessierten Unternehmen. (...) Bei allgemein gehaltenen Klauseln über die Anpassung des Vertrages, wie sie hier vorliegt, ist dies nicht zu erkennen. Das gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, die Vertragsänderung auf der freien Entscheidung des Auftraggebers f...l und nicht auf äußeren Umständen beruht f...). Dann besteht nämlich die besondere Gefahr, dass der öffentliche Auftraggeber seine, vermeintliche, Freiheit nutzt. Aufträge am Vergaberecht vorbei zu vergeben.? (Oberlandesgericht Düsseldorf, 28.07.2011, VII-Verg 20/11) (Unterstreichungen vom Verfasser)

 

Exakt die zitierten Erwägungen treffen auf die vorliegende Bestimmung des Punkt 7 des Vertrags Rettungsdienst Tirol zu. Daher ist auch die in Punkt 7 des Vertrags Rettungsdienst Tirol getroffenen Regelung, der zur Folge der Leistungsumfang (zB nach Art, Umfang, etc) des Auftragnehmers vom Auftraggeber adaptiert (zB erweitert oder verringert) werden kann ?(...) sofern dies zur Erreichung der Vertragsziele oder zur Anpassung an geänderte Verhältnisse erforderlich oder zweckmäßig ist.? (Unterstreichungen vom Verfasser) untauglich, die nunmehrige Vertragsänderung zu rechtfertigen, da diese es dem Auftraggeber ermöglicht am Vergaberecht vorbei nach freiem Ermessen Aufträge zu vergeben, ohne das eine relevante Änderung der äußeren Umstände eintreten würde.

 

Soweit sich Punkt 7.1 auf die Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit ?(...) zur Anpassung geänderte Verhältnisse stützt, ist festzuhalten, dass, wie bereits zuvor dargelegt, keine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und somit auch keine Anpassung des Leistungsumfangs zu rechtfertigen ist.

 

Soweit sich Punkt 7.2 auf die Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit ?(...) zur Erreichung der Vertragsziele (...)? stützt, ist diese Formulierung im Lichte der obigen Ausführungen derart allgemein gehalten, dass diese keinesfalls eine Vertragsänderung rechtfertigen kann. So stellt diese Bestimmung jegliche Vertragsänderung in das freie Ermessen des Auftraggebers, welches dieser mehr oder minder willkürlich ausüben kann, solange die Leistungsänderung zweckmäßig für die Erreichung des Vertragszieles ist.

 

Darüber hinaus hat die Auftragnehmerin in Punkt 2.2 garantiert; (...), dass die angebotenen Leistungen im Sinne einer funktionsfähigen Komplettleistung zur vollständigen Erfüllung des Vertragszweckes ausreichen?, sodass eine Erforderlichkeit einer Vertragsänderung iSd obigen Bestimmung ohne Änderung der (äußeren) Umstände schon denklogisch nicht eintreten kann.

 

Fazit: Im Ergebnis können sich die Auftraggeberin und die Auftragnehmerin zur Rechtfertigung der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol nicht auf die vertraglichen Bestimmungen des Vertrag Rettungsdienst Tirol, insbesondere Punkt 7 berufen, zumal aufgrund diese Bestimmung die Vertragsänderung auf der freien Entscheidung der Auftraggeberin beruht und somit eine darauf gestützte Leistungsadaption den vom EuGH geforderten grundlegenden Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung nicht entspricht

 

3.2.5 Zusammenfassung

Die mit der antragsgegenständlichen Vertragsänderung, somit der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol vorgenommen Änderungen des Vertrags Rettungsdienst sind als wesentliche Änderungen im Lichte der einschlägigen Judikatur EuGH (vgl EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur) zu qualifizieren.

 

Die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol weist wesentliche andere Merkmale (insbesondere hinsichtlich der Leistungsspezifikation und der Entgelthöhe und Vergütungsstruktur) auf, als der ursprünglichen Vertrag Rettungsdienst Tirol und lassen unmissverständlich den Willen der Auftragnehmerin und der Auftraggeberin zu Neuverhandlungen erkennen (vgl EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur).

 

Darüber hinaus bringt die Vertragsänderung eine massive Verfälschung und Verzerrung des Wettbewerbs mit sich zumal, die Berücksichtigung der nunmehr geänderten Anforderungen betreffend Wartezeit und Leitbild im Lichte der Zuschlags- und Musskriterien der Ausschreibung sowie deren maßgeblichen Relevanz im Zuge der Angebotsstellung die Abgabe inhaltlich und preislich erheblich anderer Angebote (vgl EuGH 29.04.2004, Rs C-496/99 P, Kommission/CAS Succhi di Frutta SpA, Rn 116) sowie ein anderes Ergebnis des Vergabeverfahrens erlaubt hätte (vgl EuGH 19.06.2008, Rs C-454/06, pressetext Nachrichtenagentur, Rn 35) durch die Vertragsänderung eine wesentliche Erweiterung des bestehenden Vertrags Rettungsdienst Tirol (um etwa 16 Prozent) erfolgt, deren isolierter Wert von zumindest EUR 4,8 Mio/Jahr die relevanten Schwellenwerte um ein Vielfaches überschreitet;

die Vertragsänderung aufgrund der geänderten Vergütungsstruktur/Entgelterhöhung im Ausmaß von EUR 6,4 Mio für den Zeitraum von 1. September 2011 bis 31. Dezember 2013 bzw EUR 4,6 Mio pro Jahr, der keine entsprechenden und/oder (vergabe)rechtlich zulässigen Mehrleistungen gegenüber stehen, das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags erheblich zu Gunsten der Auftragnehmerin verschiebt und die Vertragsänderung nicht ausdrücklich im Auftrag vorgesehen war.

 

Aufgrund der Wesentlichkeit und der Wettbewerbsrelevanz der nachträglichen Änderung des Vertrags ?Rettungsdienst Tirol? wäre die Auftraggeberin daher verpflichtet gewesen ein den Bestimmungen des BVergG und den Grundsätzen des Vergaberechts entsprechendes Vergabeverfahren nach Bekanntmachung zur Änderung des Vertrags Rettungsdienst Tirol in dem vorliegenden Umfang durchzuführen. Dies hat die Auftraggeberin jedoch unterlassen und die Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol rechtswidriger Weise ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens (mit vorheriger Bekanntmachung) beauftragt.

 

Beweis: wie bisher;

zu bestellender betriebswirtschaftlicher Sachverständiger auf dem Gebiet von Rettungsdienstleistungen;

 

4. Zulässigkeit des Antrags

Auftraggeber der Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol ist das Land Tirol. Bei der gegenständlichen Vertragsänderung handelt es sich um einen als Dienstleistungsauftrag gemäß § 6 BVergG zur qualifizierenden Beschaffungsvorgang. Der Gesamtauftragswert der Vertragsänderung bzw des Beschaffungsvorgangs liegt jedenfalls über den relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG und somit im Oberschwellenwert, sodass der gegenständliche Beschaffungsvorgang im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG liegt.

 

Da die auftragsgegenständlichen Leistungen des antragsgegenständlichen Beschaffungsvorgangs zur Haupttätigkeit und dem Kernmarkt der Antragstellerin gehören und diese Ihre Tätigkeit in Österreich auf- und ausbauen möchte, hatte diese ein substantielles Interesse an dem gegenständlichen Beschaffungsvorgang. Die Antragstellerin hat sich bereits an dem ursprünglichen Vergabeverfahren zur Vergabe des Vertrags ?Rettungsdienst Tirol? durch Legung mehrerer Angebot beteiligt und hatte somit auch ein immanentes Interesse an der nunmehrigen durch die Vertragsänderung bewirkten Auftragsvergabe. Darüber hinaus ist der Antragstellerin durch die Vertragsänderung (Abschluss des Vertrags zur Änderung des Vertrags Rettungsdienst Tirol) ein erheblicher Schaden entstanden (siehe dazu Punkt 2)

 

Nach den Informationen der Antragstellerin erfolgte die Einigung zwischen der Auftraggeberin und der Auftragnehmerin über die als öffentliche Auftragsvergabe iSd BVergG zu qualifizierende Vertragsänderung im Juli 2012 und die Beschlussfassung der Auftraggeberin am 8. August 2012.

 

Gemäß § 15 Abs 3 Tiroler Vergabenachprüfungsgesetzes (in der Folge ?Tirol Verg-NG?) sind Anträge zur Feststellung, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das BVergG, die hierzu erlassenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war, binnen sechs Monaten ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag einzubringen. Da die Antragstellerin darüber hinaus keine in dem Vergabeverfahren verbleibende Bieterin ist und keine Mitteilung nach § 132 Abs 2 BVergG oder § 273 Abs 2 und ebenso wenig eine Bekanntmachung nach §§ 54 Abs 6, 55 Abs 6, 217 Abs 7 oder 219 Abs 6 BVergG erfolgte, erfolgte die Einbringung des gegenständlichen Feststellungsantrags jedenfalls rechtzeitig und fristgerecht.

 

Der Nachweis über die Zahlung der Pauschalgebühr liegt dem Antrag bei (Beilage ./5).

 

Beweis: wie bisher

Nachweis über die Einzahlung der Pauschalgebühren (Beilage ./5).

 

5. Zuständigkeit des UVS Tirol

Gemäß § 2 Tirol Verg-NG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Tirol die Nachprüfung von Aufträgen nach den vergaberechtlichen Vorschriften des Bundes durch die in § 1 Tirol Verg-NG genannten Auftraggeber.

 

Gemäß § 3 Abs 1 Tirol Verg-NG ist der Unabhängige Verwaltungssenat Tirol auf Antrag zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (3. Abschnitt), zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen (4. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (5. Abschnitt) nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abschnitte zuständig.

 

Nach der Erteilung des Zuschlages ist der Unabhängige Verwaltungssenat Tirol gemäß § 3 Abs 3 Tirol Verg-NG zur Feststellung, ob ein Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde (§ 3 Abs 3 Z 3) sowie in einem Verfahren nach den Z 3 bis 5 zur Nichtigerklärung oder Aufhebung des Vertrages (§ 3 Abs 3 Z 6) und in einem Verfahren nach den Z 3 bis 5 zur Verhängung von Sanktionen nach § 17 Abs 7 Tirol Verg-NG zuständig.

 

Auftraggeber des gegenständlichen Beschaffungsvorgangs ist das Land Tirol. Bei der gegenständlichen Vertragsänderung handelt es sich um einen als Dienstleistungsauftrag zu qualifizierenden Beschaffungsvorgang. Der Gesamtauftragswert des gegenständlichen Beschaffungsvorgangs liegt jedenfalls über den relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG, sodass der gegenständliche Beschaffungsvorgang im Vollanwendungsbereich des BVergG liegt.

 

Da der Zuschlag in dem antragsgegenständlichen Vergabeverfahren zur Änderung des Vertrags Rettungsdienst Tirol bereits erteilt wurde ist der Unabhängigen Verwaltungssenat Tirol somit zur Feststellung zur der Rechtswidrigkeit der Durchführung des Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung bzw ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zuständig.

 

6. Anträge

Aus all diesen Gründen stellt die Antragstellerin nachstehende Anträge:

 

Der UVS Tirol möge

1) feststellen, dass die Durchführung des Vergabeverfahrens ?Leistungsadaption Rettungsdienst Tirol? ohne vorherige Bekanntmachung ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz 2006, die hierzu erlassenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war;

 

2) der Antragstellerin Akteneinsicht nach Vorlage des Vergabeakts gewähren und eine mündliche Verhandlung anberaumen.

 

3) der Auftraggeberin auftragen, der Antragstellerin die Pauschalgebühren von EUR 208 gemäß § 19 Abs 5 Tirol Verg-NG zu Händen ihrer ausgewiesenen Rechtsvertreter zu ersetzen.?

 

Zusammen mit dem Schriftsatz vom 07.09.2012 hat die Antragstellerin Urkunden gelegt, die zum Akt genommen und wie folgt bezeichnet werden:

Mitteilung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union mit der Bekanntmachung über vergebene Aufträge vom 29.07.2010 (Beilage ./A) Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vom 29.06.2010 (Beilage ./B) Schreiben des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 22.03.2012 an die Antragstellerin (Beilage ./C) schriftliche Anfragebeantwortung von Landesrat DI Dr. B. T. zur Anfrage des Landtagsabgeordneten G. M. vom 05.03.2012 (Beilage ./D) Einzahlungsbeleg Pauschalgebühr in Höhe von Euro 208,00 (Beilage ./E)

 

Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13.09.2012 wurde daraufhin die Antragstellerin unter Hinweis auf § 2 Abs 1 der Tiroler Vergabepublikations- und Vergabegebührenverordnung aufgefordert, die restliche Pauschalgebühr in Höhe von Euro 415,00 zu bezahlen.

 

Mit Schriftsatz vom 14.09.2012 hat daraufhin die Antragstellerin einen Einzahlungsbeleg der Bank Austria über Euro 415,00 gelegt. Dieser Einzahlungsbeleg wurde zum Akt genommen und als Beilage ./F bezeichnet.

 

Mit Schriftsatz vom 21.09.2012 hat der Auftraggeber Urkunden gelegt und hiezu vorgebracht wie folgt:

 

?I.

VOLLMACHTSBEKANNTGABE

In umseitiger Vergabesache gibt die Antragsgegnerin bekannt, dass sie die H./B.-H/N. Rechtsanwälte GmbH, XY 47,

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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