TE OGH 2008/12/15 13R246/08d

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Veröffentlicht am 15.12.2008
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Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr.Bibulowicz als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Lindner und Dr.Jahn in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H***** K***** LIMITED, *****, vertreten durch Muhri & Werschitz, Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.K***** F*****, *****, vertreten durch Dr.Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Herausgabe (Streitwert EUR 50.000,-- s.A.) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 22.10.2008, 27 Cg 183/08t-4, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 816,30 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (hierin EUR 136,05 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine chinesische Handelsgesellschaft mit Sitz in Hong Kong. Sie begehrt vom Beklagten die Herausgabe konkret bezeichneter Stahlbauteile, die an ihn vermietet worden seien. Hilfsweise begehrt sie die Rechnungslegung über den Verkauf dieser Stahlbauteile und die Herausgabe des sich daraus ergebenden Gewinnes. Der Beklagte beantragte mit der Klagebeantwortung, der Klägerin eine Prozesskostensicherheit von EUR 15.000,-- gemäß § 57 ZPO aufzuerlegen.

Mit dem angefochtenen Beschluss trug das Erstgericht der Klägerin eine Prozesskostensicherheitsleistung in Höhe von EUR 15.000,-- mit der Begründung auf, es existiere kein Staatsvertrag mit China, nach dem chinesische juristische Personen vom Erlag einer Sicherheitsleistung gemäß § 57 ZPO ausgenommen seien. Es liege auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 57 Abs 2 Z 1 lit a vor, insbesondere seien österreichische Entscheidungen in China nicht vollstreckbar. Der Beklagte werde wahrscheinlich zumindest EUR 15.000,-- zu seiner Verteidigung aufzuwenden haben.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Antrag auf Erlag einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten abzuweisen; hilfsweise eine Sicherheitsleistung von lediglich EUR 10.000,-- aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 57 Abs 1 ZPO haben Ausländer, die vor einem österreichischen Gericht als Kläger auftreten, dem Beklagten auf dessen Verlangen für die Prozesskosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge etwas anderes festgesetzt ist.

Gemäß § 57 Abs 2 Z 1a ZPO tritt eine solche Verpflichtung zur Sicherheitsleistung jedoch nicht ein, wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz von Prozesskosten an den Beklagten auferlegt, im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers vollstreckt würde. Die anderen Fälle des § 57 Abs 2 ZPO sind hier nicht relevant.

Aus der vom Bundesministerium für Justiz herausgegebenen Länderübersicht ergibt sich, dass zwischen China und Österreich kein Staatsvertrag abgeschlossen wurde, der eine Ausnahme von § 57 Abs 1 ZPO vorsieht. Aus dieser Länderübersicht geht auch hervor, dass die Entscheidungen österreichischer Gerichte in China nicht vollstreckt werden können (vgl. auch die Darstellung von Schoibl in Fasching/Konecny² Anhang § 57 ZPO Rz 4).

Die Klägerin beruft sich in ihrem Rekurs auf den Beitritt Chinas zum Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen der WTO BGBl 1995/1 idF BGBl 1995/379). Das TRIPS-Abkommen hat den Schutz vor dem Missbrauch geistigen Eigentums und damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen, mit anderen Worten vor Produktpiraterie, im Auge. Dementsprechend werden in diesem Abkommen Normen über die Verfügbarkeit, den Umfang und die Nutzung der Rechte des geistigen Eigentums wie dem Urheberrecht und verwandte Rechte, Marken, geografische Angaben, gewerbliche Muster, Patente, Layout-Designs integrierter Schaltkreise, nicht offen gelegter Informationen und zur Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken in vertraglichen Lizenzen aufgestellt.

Artikel 4 des TRIPS-Abkommens besagt, dass in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums Vorteile, Begünstigungen, Vorrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Staatsangehörigen eines anderen Landes gewährt werden, unmittelbar und unbedingt den Staatsangehörigen aller anderen Mitglieder gewährt werden. Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind Vorteile, Begünstigungen, Vorrechte und Befreiungen, die einem Mitglied gewährt werden und die

a) sich aus internationalen Abkommen über Rechtshilfe oder Vollstreckung ableiten, die allgemeiner Art sind und sich nicht speziell auf den Schutz des geistigen Eigentums beschränken;

b) gemäß den Bestimmungen der Berner Übereinkunft oder des Rom-Abkommens gewährt werden, in denen die Befugnis dazu erteilt wird, dass die gewährte Behandlung nicht von der Inländerbehandlung sondern von der in einem anderen Land gewährten Behandlung abhängig ist;

c) sich beziehen auf die in diesem Abkommen nicht geregelten Rechte von ausübenden Künstlern, Herstellern von Tonträgern und Sendeunternehmen;

d) sich aus internationalen Abkommen betreffend den Schutz des geistigen Eigentums ableiten, die vor dem Inkrafttreten des WTO-Abkommens in Kraft getreten sind, vorausgesetzt, diese Abkommen werden dem Rat für TRIPS notifiziert und stellen keine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung von Staatsangehörigen anderer Mitglieder dar.

Daraus ergibt sich, dass der Anwendungsbereich des TRIPS-Abkommens sich von vornherein auf Aspekte im Zusammenhang mit dem Schutz der Rechte des geistigen Eigentums beschränkt (Busch/Stoll TRIPS Art 4 Rz 11). Eine Klage auf Herausgabe von gelieferten Stahlbauteilen bzw. für den Fall ihres Verkaufs des daraus bezogenen Gewinnes hat keinen Bezug zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums. Daher ist schon definitionsgemäß das TRIPS-Abkommen nicht anzuwenden, sodass auf die Ausnahmen nicht weiter eingegangen werden muss.

Die Entscheidung des OLG Wien 1 R 65/98f = wbl 1998, 457 ist nicht gegenteilig, weil es im dortigen Fall um den Schutz des geistigen Eigentums (es ging um ein Unterlassungsbegehren wegen des behaupteten verwechslungsfähigen Gebrauchs einer Wort[Bild]Marke [vgl. die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung des Höchstgerichtes 4 Ob 65/08g]). Dort war das TRIPS-Abkommen anzuwenden.

Mangels einer anderen Ausnahme von § 57 ZPO ist die Klägerin daher dem Grunde nach zum Erlag einer Sicherheit für die Prozesskosten verpflichtet.

Die Klägerin wendet sich in ihrem Rekurs aber auch gegen die Höhe der Sicherheitsleistung. Das Erstgericht hat sich bei der Festsetzung der Höhe der Sicherheitsleistung an der Berechnung des Beklagten in der Klagebeantwortung orientiert und eine Klagebeantwortung, einen vorbereitenden Schriftsatz, die vorbereitende Tagsatzung und drei weitere Tagsatzungen sowie eine Berufung samt Pauschalgebühr jeweils zuzüglich Einheitssatz und USt zugrunde gelegt.

Gemäß § 60 Abs 2 ZPO sind bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheitssumme die Kosten, welche der Beklagte zu seiner Verteidigung wahrscheinlich aufzuwenden haben wird, nicht aber auch die durch eine etwaige Widerklage erwachsenden Kosten in Anschlag zu bringen. Das Gericht hat daher bei der Festsetzung der Höhe der Prozesskostensicherheitsleistung die übliche Dauer eines derartigen Verfahrens – unter Einbeziehung hypothetischer Rechtsmittel – zugrunde zu legen, wobei auch auf § 273 ZPO zurückgegriffen werden kann (Handelsgericht Wien 1 R 124/96y = RWH 0000011). Wendet man diese Grundsätze hier an, so hält sich die Festsetzung der Sicherheitsleistung für die Prozesskosten im Rahmen des zu erwartenden Prozessaufwandes. Auch die Einbeziehung der Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren hält sich in diesem Rahmen. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass der Beklagte davon ausgeht, im Verfahren ohnehin zu unterliegen, weshalb sich die Frage nach einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten gar nicht stelle. Aus Sicht des Gerichtes ist vor einer Beweisaufnahme nicht vorhersehbar, wie das Verfahren enden wird.

Die Klägerin hat es auch unterlassen, zu begründen, weshalb eine Sicherheitsleistung von lediglich EUR 10.000,-- angemessen sein soll.

Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, weil ein Zwischenstreit vorliegt.

Soweit Gegenstand des Rekursverfahrens die Höhe der Sicherheitsleistung ist, liegt eine Entscheidung im Kostenpunkt vor, weshalb insoweit der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unzulässig ist. Ob eine Sicherheitsleistung für die Prozesskosten aber überhaupt zu erlegen ist, ist prinzipiell eine revisible Rechtsfrage (vgl. nur Fucik in Rechberger ZPO³ § 60 ZPO Rz 3 mwN). Da hier der erstgerichtliche Beschluss aber zur Gänze bestätigt wurde, greift der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW0069413R246.08d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2008:01300R00246.08D.1215.000

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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