TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/7 2000/16/0364

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Veröffentlicht am 07.12.2000
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Index

000;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §15 Abs2;
GGG 1984 §19a idF 1996/201;
StruktAnpG 1996 Art73 Z2;
ZPO §11;
ZPO §12;
ZPO §13;
ZPO §14;
ZPO §15;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1.) der SgmbH und

2.) der O AG, beide in B, beide vertreten durch Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 17. Mai 2000, Zl. Jv 1533-33/00, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer schlossen am 31. Jänner 2000 zu 8 C 171/00f des BG für Handelssachen Wien mit der SBB Softwareberatung GmbH einen prätorischen Vergleich folgenden Inhalts:

"1.) Die beklagte Partei verpflichtet sich, der erstklagenden Partei den Betrag von S 8.108.571,-- (inkl. 20 % USt) sowie der zweitklagenden Partei den Betrag von S 5.091.429,-- (inklusive 20 % USt) je in zwei gleich hohen Raten, nämlich gegenüber der erstklagenden Partei die erste Rate in Höhe von S 4.054.285,50 bis längstens 28.2.2000 und die zweite Rate in gleicher Höhe bis längstens 31.1.2001, gegenüber der zweitklagenden Partei die erste Rate in Höhe von S 2.545.714,50 bis längstens 28.2.2000 und die zweite Rate in gleicher Höhe bis längstens 31.1.2001 zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen.

2.) Die beklagte Partei verpflichtet sich weiters, jeder der klagenden Parteien bis längstens 28.2.2000 eine abstrakte, schriftliche, unbedingte und unwiderrufliche Bankgarantie einer österreichischen Bank unzweifelhaften Bonität (auch die Raiffeisenkasse Pielachtal ist zugelassen) mit einer Gesamtsumme von S 4.054.285,50 gegenüber der erstklagenden Partei und einer Garantiesumme von S 2.545.714,50 gegenüer der zweitklagenden Partei, mit einer Laufzeit von jeweils mindestens 28.2.2001, zu übergeben.

3.) Für den Fall des Verzuges mit der Bezahlung einer Rate gemäß Punkt 1.) des Vergleiches und/oder der Übergabe der Bankgarantie gemäß Punkt 2.) des Vergleiches tritt Terminsverlust für die Bezahlung sämtlicher Raten gemäß dieses Vergleiches ein und sind sämtliche noch aushaftenden Forderungen ab Eintritt des Terminsverlustes mit 10 % p.a. zu verzinsen.

4.) Die Gerichtsgebühren für diesen prätorischen Vergleich zwischen erstklagender und beklagter Partei von ca. S 55.241,50 werden von der erstklagenden Partei einerseits und der beklagten Partei andererseits jeweils zur Hälfte beglichen.

Die Gerichtsgebühren für diesen prätorischen Vergleich zwischen zweitklagender und beklagter Partei von ca. S 27.138,50 werden von der zweitklagenden Partei einerseits und von der beklagten Partei andererseits jeweils zur Hälfte beglichen.

5.) Die beklagte Partei ist nicht berechtigt, eigene Forderungen gegen die erstklagende Partei und/oder zweitklagende Partei mit ihren Verbindlichkeiten aus diesem Vergleich aufzurechnen oder Zahlungen zurückzuhalten.

6.) Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den klagenden Parteien oder einzelnen von ihnen einerseits und der beklagten Partei andrerseits bereinigt und verglichen, insbesondere auch alle wechselseitigen Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung vom 30.12.1997, wobei hievon die in den Vergleichen zu hg. 8 C 631/99 und 8 C 2208/99 angeführten Rechte und Pflichten ausgenommen sind."

Mit Zahlungsauftrag vom 28. März 2000 forderte der Kostenbeamte des BG für Handelssachen Wien für diesen Vergleich in Anwendung des § 19a GGG restliche Pauschalgebühr in Höhe von S 903,69 zuzüglich Einhebungsgebühr (S 100,--) an, wogegen die Beschwerdeführerinnen einen Berichtigungsantrag stellten. Sie vertraten die Meinung, es liege keine Streitgenossenschaft vor.

Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag keine Folge und vertrat die Auffassung, es sei betreffend den Streitgenossenzuschlag nicht zwischen materieller und formeller Streitgenossenschaft zu unterscheiden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.

Die Beschwerdeführerinnen erachten sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung eines Streitgenossenzuschlages gemäß § 19a GGG verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde vertritt unter Hinweis auf den unterschiedlichen Wortlaut der Bestimmungen der §§ 15 Abs. 2 und 19a GGG die Auffassung, die letztgenannte Bestimmung sei auf formelle Streitgenossenschaften nicht anzuwenden.

§ 15 Abs. 2 GGG lautet auszugsweise:

"(2) Mehrere in einem zivilgerichtlichen Verfahren von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemachte Ansprüche sind zusammen zu rechnen; ..."

§ 19a GGG bestimmt unter der Überschrift "Streitgenossenzuschlag" auszugsweise Folgendes:

"Die in den Tarifposten 1 bis 4 angeführten Gebühren erhöhen sich, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden oder wenn mehrere Personen gemeinsam ein Rechtsmittel erheben oder wenn dem Rechtsmittelwerber mehrere Personen als Rechtsmittelgegner gegenüber stehen ..."

§ 19a GGG wurde durch Art. 73 Z. 2 der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 geschaffen und hat nach den Materialien den Zweck, darauf Bedacht zu nehmen, "dass Verfahren, die Ansprüche zum Gegenstand haben, die mehr als zwei Personen betreffen, einen höheren Aufwand erfordern" (vgl. 72 der Beilagen zu den Sten.Prot. des NR, XXII. GP).

Nach ständiger hg. Judikatur knüpft die Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung (durch den Kostenbeamten!) zu gewährleisten (vgl. die zahlreiche bei Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren6 unter E 6 bis 8 zu § 1 GGG referierte hg. Judikatur).

Da bekanntermaßen die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Varianten der Streitgenossenschaft (formelle oder materielle bzw. einfache oder einheitliche) nicht immer einfach ist (vgl. die §§ 11 bis 15 ZPO und die zahlreiche dazu vorliegende Judikatur und Literatur) hieße es, den Kostenbeamten zu überfordern, wenn er gehalten wäre, in Anwendung des § 19a GGG eine Unterscheidung dahin zu treffen, ob im jeweiligen Fall eine materielle oder eine formelle Streitgenossenschaft vorliegt. Unter das erklärte Ziel der Novelle, in Verfahren, die mehr als zwei Prozessparteien betreffen, den damit verbundenen erhöhten Verfahrensaufwand durch einen Streitgenossenzuschlag auszugleichen, fällt somit auch ein Verfahren, in dem auf einer Seite bloß formelle Streitgenossen auftreten. Auch ihr Vorhandensein erzeugt (insbesondere unter Berücksichtigung des vermehrten Zustellaufwandes bzw. der durch mehrere Parteien zwangsläufig bewirkten längeren Verhandlungsdauer) jenen Mehraufwand, den die Novelle durch die Einführung des Zuschlages auffangen wollte. Die von § 19a GGG gebrauchte Wendung "gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen" ist daher bei richtigem Verständnis der erklärten Absicht des Gesetzgebers nicht so auszulegen, dass davon nur materielle Streitgenossenschaften erfasst wären.

Im Übrigen vermeidet gerade die Einbeziehung auch der formellen Streitgenossenschaft in den Anwendungsbereich des § 19a GGG im Vergleich mit § 15 Abs. 2 leg. cit. jene Ungleichbehandlung, die die Beschwerde zu rügen sucht. Es wäre nämlich nicht einzusehen, wieso im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 GGG (betreffend die Zusammenrechnung der Ansprüche) zwischen formeller und materieller Streitgenossenschaft nicht zu unterscheiden ist (siehe dazu das bei Tschugguel/Pötscher aaO in Anm. 4 zu § 15 GGG angeführte hg. Erkenntnis Zl. 82/15/0040), hingegen bei § 19a GGG schon. Erst die von der Beschwerde angestrebte Differenzierung würde eine Ungleichheit herbeiführen.

Aus diesen Gründen war einerseits der Anregung auf Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens nicht zu folgen und andererseits zufolge des Fehlens der behaupteten Rechtswidrigkeit die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 7. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000160364.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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