TE OGH 2009/6/24 15Os64/09i

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Veröffentlicht am 24.06.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander S***** wegen des Vergehens des Landzwangs nach § 275 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. März 2009, GZ 7 Hv 7/09f-15, sowie über dessen Beschwerde gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und der Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seinen Rechtsmitteln wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Alexander S***** des Vergehens des Landzwangs nach § 275 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 4. September 2008 in Ried im Innkreis und andernorts durch Versenden des E-Mails mit dem Inhalt „Radikale grünende partei wird ab sofort mit gewalt bekämpft anschläge auf grüne partei stände sind angesagt grün ist NS in österreichisch Stoppt GRÜN Und braune schweine stoppt nazi schwein a***** OÖ ist die Mitte" an den Landesrat der Grünen, Rudolf A*****, einen großen Personenkreis, und zwar die Mitglieder der Grünen Oberösterreich, durch eine Drohung mit einem Angriff zumindest auf die körperliche Unversehrtheit der Mitglieder der Grünen Oberösterreich und deren Vermögen in Furcht und Unruhe versetzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass musste sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, dass dem Urteil der dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Während für den Begriff der Bevölkerung primär die räumliche Verbundenheit durch Wohnen innerhalb eines bestimmten Gebiets maßgebend ist, setzt der große Personenkreis im Sinne des § 275 Abs 1 StGB eine räumliche Verbindung nicht unbedingt voraus. Zusammengehörigkeit ohne enge räumliche Beziehung, aber beispielsweise aufgrund gemeinsamer Religion, gemeinsamer Abstammung oder gemeinsamer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei genügt. Ausgehend vom Schutzzweck der Strafbestimmung muss der Personenkreis jedoch so groß sein, dass dessen Bedrohung eine Störung des öffentlichen Friedens (und nicht bloß eine Verängstigung individuell bestimmter einzelner Personen) bedeutet. Dies wurde etwa ab einer Zahl von rund 800 Personen als gegeben erachtet (11 Os 22/03 = SSt 2003/23; Plöchl in WK2 § 275 Rz 5).

Nach den tatrichterlichen Konstatierungen wurde die Parteileitung der Grünen Oberösterreich von dem in Rede stehenden E-Mail mit der Bitte um Weiterleitung an die jeweiligen Regionalstellen informiert, da aufgrund des Wortlauts gewalttätige Anschläge bzw Angriffe auf Informationsstände der Grünen befürchtet wurden. Durch dieses E-Mail wurden daher die Parteimitglieder und Wahlhelfer der Grünen Oberösterreich in Furcht und Unruhe versetzt (US 4).

Weiters nahm das Erstgericht als erwiesen an, dass der Angeklagte wusste, dieses E-Mail werde den Parteimitgliedern zur Kenntnis gebracht werden. Dies sei von ihm auch gewollt gewesen und sei es ihm geradezu darauf angekommen, die Parteimitglieder der Grünen Oberösterreich und deren Wahlhelfer in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 4 f).

Feststellungen zur Größe des betroffenen Personenkreises wurden vom Erstgericht jedoch nicht getroffen, obwohl keineswegs als gesichert anzusehen ist, dass die Zahl der Betroffenen den angeführten Richtwert erreicht. In diesem Zusammenhang sei auf die Aussage des Zeugen Fritz H***** in der Hauptverhandlung verwiesen, wonach für die Grünen Oberösterreich zur fraglichen Zeit ungefähr 150 bis 200 Personen bei Informationsständen im Einsatz und damit unmittelbar von der Drohung betroffen waren (S 7 in ON 14).

Sollte der Tatbestand des § 275 StGB nicht verwirklicht worden sein, kommt - entsprechende Feststellungen vorausgesetzt - eine Beurteilung der Tat nach § 107 StGB in Betracht.

Da das aufgezeigte Konstatierungsdefizit eine abschließende Beurteilung der Sache hindert, war das Urteil zur Gänze - samt dem unter einem gefassten Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO - aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Textnummer

E91265

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00064.09I.0624.000

Im RIS seit

24.07.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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