TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/13 98/04/0105

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Veröffentlicht am 13.12.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/01 Bergrecht;
58/02 Energierecht;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §66 Abs4;
BergG 1975 §176 Abs1;
BergG 1975 §176 Abs2;
BergG 1975 §179 Abs1;
MinroG 1999 §156 Abs4;
VStG §24;
VStG §25 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der G GmbH in K, vertreten durch S & P, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 16. April 1998, Zl. 63.225/1-VII/A/4/98, betreffend bergbehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses in einem Bergbaugebiet (mitbeteiligte Parteien: B und A in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Devolutionsweg ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde den mitbeteiligten Parteien gemäß §§ 176 Abs. 2 und 179 Abs. 2 (gemeint wohl Abs. 1) des Berggesetzes 1975, BGBl. Nr. 259, die Bewilligung erteilt, auf einem näher bezeichneten Grundstück in einem Bergbaugebiet ein Einfamilienhaus mit Garage zu errichten.

Zur Begründung wurde (sinngemäß zusammengefasst) ausgeführt, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die geplante Gewinnung im Tagbau "B Nord" - die großteils außerhalb der Einflusssphäre der Beschwerdeführerin lägen - stünden nicht fest. Weder seien der Beschwerdeführerin bezüglich aller Flächen der geplanten Projektvarianten Bergwerksberechtigungen verliehen worden, noch würden die entsprechenden privatrechtlichen Voraussetzungen für eine Gewinnung vorliegen. So lange diese rechtlichen Rahmenbedingungen aber nicht feststünden, sei nicht dargetan, dass die beantragte Bauführung der mitbeteiligten Parteien eine "Gewinnung" verhindere oder erheblich erschwere. Daher sei die beantragte Bewilligung zu erteilen gewesen.

Hilfsweise vertritt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, dass selbst dann, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Frage einer Erschwerung oder Verhinderung der Gewinnung im Bergbaugebiet durch den beantragten Bau irrelevant seien, die Bewilligung zu erteilen gewesen sei. Nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin müsste bei Errichtung des gegenständlichen Wohnhauses ein Stützpfeiler belassen werden, was einen Verlust von 0,880 Mio. Tonnen gewinnbarer Kohle bedinge. Die mitbeteiligten Parteien hätten hiezu vorgebracht, dass ein derartiger Stützpfeiler bereits wegen der auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude erforderlich sei. Die Beschwerdeführerin habe zwar diese Annahme als unrichtig erklärt, dies aber nicht weiter begründet. Auch der von der Beschwerdeführerin vorgelegten planlichen Darstellung sei nicht zu entnehmen, dass für den Schutz der Liegenschaft unterschiedlich große Stützpfeiler erforderlich gewesen wären, je nach dem, ob der beantragte Bau der mitbeteiligten Parteien errichtet werde oder nicht. Die Beschwerdeführerin habe somit der Annahme, dass auch bei Nichtrealisierung des geplanten weiteren Wohnhauses auf dem Grundstück - zum Schutz der sich darauf befindlichen Gebäude - ein gleich großer Stützpfeiler belassen werden müsste wie bei der Verwirklichung des Bauvorhabens, sodass der Abbauverlust nicht weiter vergrößert würde, nichts Gleichwertiges entgegen gesetzt. Durch das Hinzutreten des neuen Gebäudes werde daher keine wesentliche Erschwerung der Gewinnungstätigkeit eintreten. Soweit mit dem behaupteten wirtschaftlichen Nachteil der Beschwerdeführerin durch Stehenlassen eines Stützpfeilers gemeint sein sollte, dass eine erhebliche Erschwerung der Gewinnung darin gelegen sei, dass die Beschwerdeführerin bei Nichtbelassen des Stützpfeilers nicht nur die bestehenden Bauten auf der Liegenschaft, sondern auch das verfahrensgegenständliche Haus ablösen müsste, so sei zu bemerken, dass bei dieser Betrachtungsweise zu berücksichtigen wäre, ob die Gesamtkosten des geplanten Tagbaus "B-Nord" durch die Ablösesumme für dieses neue Haus erheblich erhöht würden. Dies könne jedoch derzeit nicht beurteilt werden, weil die Beschwerdeführerin die Höhe der zu erwartenden Gesamtkosten (einschließlich der Kosten für die Grundablösen für diesen Tagabbau) nicht habe angeben können. Nähere Angaben darüber wären aber erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der wirtschaftliche Nachteil durch die Errichtung des geplanten Wohnhauses - "auf Grund eines Vergleiches der Gesamtkosten oder des Erlöses einer Gewinnung der Kohle von "B-Nord" - bei bzw. ohne die Errichtung des gegenständlichen Wohnhauses auf dem Grundstück" - so groß wäre, dass er eine erhebliche Erschwerung darstellen würde. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass bei Errichtung des geplanten Baues ein Kohlepfeiler von rund 0,880 Mio. Tonnen nicht mehr gewinnbar wäre bzw. die Tagbaugrenze aus geotechnischen Gründen so weit hereingerückt werden müsste, dass große Teile des Tagbaubereiches durch diese Maßnahme blockiert wären und die Durchführung dieses Projektes wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten sei, werde im Übrigen noch bemerkt, dass die Beschwerdeführerin offenbar übersehe, dass auch im Fall einer Bewilligung der Errichtung eines Baues in einem Bergbaugebiet nach § 176 Abs. 2 Berggesetz 1975 eine zwangsweise Grundüberlassung nach § 172 leg. cit. nicht ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der im Beschwerdefall noch anzuwendende § 176 Berggesetz 1975, BGBl. Nr. 259, hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Als Bergbaugebiete gelten Grundstücke und Grundstücksteile innerhalb der Begrenzung von Grubenmaßen, Überscharen, Gewinnungs-, Speicher- und Abbaufeldern, ferner Grundstücke und Grundstücksteile außerhalb davon, wenn sie nach § 177 Abs. 2 als Bergbaugebiete bezeichnet worden sind.

(2) In Bergbaugebieten dürfen nach Maßgabe des § 179 Bauten und andere Anlagen, soweit es sich nicht um Bergbauanlagen handelt, nur mit Bewilligung der Berghauptmannschaft errichtet werden. Dies gilt auch bei wesentlichen Erweiterungen und Veränderungen der Anlagen."

§ 179 Abs. 1 leg. cit. bestimmte:

"(1) Die Bewilligung nach § 176 Abs. 2 ist von der Berghauptmannschaft zu erteilen, wenn durch die Errichtung des geplanten Baus oder einer anderen geplanten Anlage im Bergbaugebiet die Gewinnungs- oder Speichertätigkeit in diesem nicht verhindert oder erheblich erschwert wird und eine wesentliche Veränderung der geplanten Anlage durch Bodenverformungen nicht oder nicht mehr zu erwarten ist oder durch geeignete Maßnahmen hintangehalten wird. Nimmt der Bergbauberechtigte die erhebliche Erschwerung der Gewinnungs- oder Speichertätigkeit auf sich, so ist die Bewilligung bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen gleichfalls zu erteilen. Mit der Bewilligung kann die Verpflichtung zu bestimmten Sicherheitsvorkehrungen verbunden werden."

§ 251 leg. cit. sah vor, dass Bruchgebiete, die bei Inkrafttreten des Berggesetzes 1975 (1. Oktober 1975) aufrecht waren, als Bergbaugebiete weiter gelten.

Es ist zunächst auf das dahin gehende Beschwerdevorbringen einzugehen, die Entscheidung der Bergbehörde werde durch keine Bestimmung des Gesetzes daran geknüpft, ob der Bergbauberechtigte bereits alle öffentlich-rechtlichen Bewilligungen erlangt bzw. alle privatrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Tagbaus erfüllt habe.

Schon damit ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Bei der oben dargestellten Rechtslage ist auslegungsbedürftig, ob unter "Gewinnungs- oder Speichertätigkeit" (§ 179 Abs. 1 Berggesetz 1975) eine zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bereits konkretisierte (also etwa geplante und bewilligte) oder jegliche (nach den tatsächlichen Gegebenheiten mögliche) Bergbautätigkeit zu verstehen ist. Vor dem Hintergrund der Wert- und Zweckvorstellungen des Gesetzgebers ist dies im letzteren Sinn zu beantworten. Soll doch nach den Gesetzesmaterialien mit dem Abschnitt über Bergbaugebiete dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Bergbau standortgebunden ist, ein Vorkommen mineralischer Rohstoffe nur dort abgebaut werden kann, wo es sich befindet (1303 BlgNR, VIII. GP, 95). Um den standortgebundenen Erfordernissen des Bergbaus Rechnung tragen zu können, knüpft daher das Gesetz die Bewilligungspflicht auch bereits daran, dass der geplante Bau bzw. die geplante Anlage in einem Bergbaugebiet liegt und nicht an eine Bergbautätigkeit (auch nicht an eine Bergwerksberechtigung). Nach den Gesetzesmaterialien (a.a.O., 96) soll in diesem Sinne mit der Bewilligungspflicht für Bauten und andere Anlagen, die keine Bergbauanlagen sind, auch "von vornherein" auf die Bergbautätigkeit Bedacht genommen werden können.

Im Übrigen enthält das hier noch anzuwendende Berggesetz 1975 auch keine dem § 156 Abs. 4 Mineralrohstoffgesetz - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, vergleichbare Regelung, in der auf die Erwartung einer zukünftigen Inanspruchnahme abgestellt wird.

Ist aber unter "Gewinnungs- oder Speichertätigkeit" (§ 179 Abs. 1 Berggesetz 1975) jegliche (nach den tatsächlichen Gegebenheiten mögliche) Bergbautätigkeit zu verstehen, so verkannte die belangte Behörde schon deshalb die Rechtslage, wenn sie die gegenständliche Bewilligung (primär) deshalb erteilte, weil die "rechtlichen Rahmenbedingungen" für die geplante Gewinnung noch nicht feststünden. Es ist eben nicht gefordert, dass eine bereits konkretisierte Bergbautätigkeit vorliegt; die Frage der "rechtlichen Rahmenbedingungen" - und ob das Gesetz hiefür überhaupt einen Anhaltspunkt bietet - kann sich daher gar nicht stellen.

Insofern ist es auch unerheblich, dass, wie im angefochtenen Bescheid auch ausgeführt wird, für eine Gewinnungstätigkeit im südöstlichen Bereich des geplanten Tagbaus eine Bergwerksberechtigung (nach § 34 des Berggesetzes 1975) fehle.

Durch diese Verkennung der Rechtslage wurde die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt, und zwar ungeachtet der hilfsweisen Begründungsdarlegungen:

So hat sich die belangte Behörde in diesem Begründungsteil zunächst darauf zurückgezogen, dass dem Vorbringen der mitbeteiligten Parteien, ein (weiterer) Stützpfeiler sei bereits wegen der auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude erforderlich, "nichts Gleichwertiges entgegen gesetzt" habe.

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend darlegt, wäre die Behörde zur amtswegigen Klärung des wahren Sachverhaltes verpflichtet gewesen.

Auch unter dem Aspekt einer Mitwirkungspflicht der Partei an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes ist die Behörde nicht ihrer aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht entbunden, zunächst selbst - so weit sie es vermag - für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276).

Schon deshalb vermögen daher auch die hilfsweisen Begründungsdarlegungen den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht zu tragen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 13. Dezember 2000

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Beweismittel Indizienbeweise indirekter Beweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998040105.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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