TE OGH 2009/9/3 2Ob135/09f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Mareike F*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Jürgen F*****, vertreten durch Dr. Helga Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalt, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. März 2009, GZ 43 R 863/08t-U-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 5. November 2008, GZ 3 P 58/02s-U-26, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahingehend abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 23. 4. 2008, ON S-9, wurde der Mutter der am 17. 8. 1991 geborenen Mareike F*****, Cornelia Maria F*****, die Obsorge entzogen und ausgesprochen, dass die Obsorge in Hinkunft allein vom Vater Jürgen F***** ausgeübt werde.

Am 4. 7. 2008 brachte die anwaltlich vertretene, als Klägerin bezeichnete Mutter im elektronischen Rechtsverkehr einen Antrag ein, dem als Beklagten bezeichneten Vater die Nachzahlung der Unterhaltsrückstände für Mareike F***** für die Jahre 2005 bis 2007 in Höhe von 7.480 EUR aufzutragen.

Das Erstgericht erteilte einen Verbesserungsauftrag, es sei das Vorbringen näher zu bezeichnen und insbesondere anzugeben, ob ein Außerstreitantrag oder eine Bereicherungsklage vorliege. Gleichzeitig stellte es den ausgedruckten Antrag zurück.

Die Mutter erklärte dazu, die Bezeichnungen „Klägerin" und „Beklagter" seien lediglich versehentlich erfolgt, weshalb sie in „Antragstellerin" und „Antragsgegner" berichtigt würden, die Parteienbezeichnung der Antragstellerin werde von der Mutter auf Mareike F***** berichtigt. Es handle sich um einen Antrag im Außerstreitverfahren (§ 101 AußStrG) und nicht um eine Bereicherungsklage. Die Mutter sei in dem vom Antrag umfassten Zeitraum allein Obsorgeberechtigte gewesen und daher auch nachträglich legitimiert, für diesen Zeitraum Unterhalts-(ergänzungs-)ansprüche geltend zu machen. Sollte die Mutter nach Ansicht des Gerichts nicht mehr antragsberechtigt sein, so werde in eventu beantragt, die Unterhaltssache dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zur entsprechenden Antragstellung weiterzuleiten.

Im Antrag, der dem Erstgericht verbessert wiedervorgelegt wurde, wurde ua handschriftlich als Antragstellerin Mareike eingefügt, diese „vertreten durch" die Mutter.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 5. 11. 2008 aus, der Antrag der mj Mareike vom 4. 7. 2008, den Vater zu einer Unterhaltsnachzahlung für die Jahre 2005 bis 2007 von 7.480 EUR zu verpflichten, sei im Außerstreitverfahren zu erledigen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge, hob den Beschluss des Erstgerichts auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Mutter habe im vorliegenden Unterhaltserhöhungsverfahren keine Vertretungsbefugnis für das Kind. Vertretungsbefugt sei nur der Vater. Zur Beurteilung der Frage, ob der gegenständliche Antrag im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei, werde das Erstgericht mit der Mutter deren Absicht bei Leistung des Unterhalts erörtern müssen. Vom Vorbringen der Mutter werde es abhängen, ob es sich um einen Antrag handle, der im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu behandeln sei. Wäre der Antrag im Außerstreitverfahren zu erledigen, läge ein Kollisionsfall gemäß § 271 ABGB vor und es müsste für das Kind ein Kollisionskurator bestellt werden.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, da keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Neufassung des § 271 Abs 2 ABGB oder zur Frage des Pflegeplatzwechsels bei gleichzeitig begehrtem rückwirkenden Unterhalt und der Vertretungsbefugnis im Verfahren bestehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Antrag der Mutter zurückgewiesen, in eventu abgewiesen werde.

Es wurde keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts und des Revisionsrekurswerbers ist aufgrund des dargestellten Vorbringens der Mutter nicht zweifelhaft, dass sie in Vertretung ihrer Tochter Unterhaltsergänzungsansprüche für die Vergangenheit im außerstreitigen Verfahren geltend macht. Da gesetzliche Unterhaltsansprüche von in gerader Linie verwandten Personen generell im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen sind (§ 114 Abs 1 und 2 JN; 6 Ob 148/06t; 6 Ob 165/08w), erweist sich somit die rechtliche Beurteilung des erstinstanzlichen Beschlusses als zutreffend. Die Mutter war infolge der vorangegangenen Entziehung der Obsorge für Mareike im Zeitpunkt der Antragstellung nicht vertretungsbefugt. Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers führt dies aber nicht zur Zurückweisung des Antrags, vielmehr wäre für Mareike ein Kollisionskurator zu bestellen gewesen (RIS-Justiz RS0079249). Weiterer Erörterungen mit der Mutter bedarf es nicht. Da Mareike mittlerweile volljährig geworden ist, erübrigt sich auch die Bestellung eines Kollisionskurators, weshalb sich die vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfragen nicht mehr stellen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht Mareike befragen müssen, ob sie den von ihrer Mutter gestellten Antrag auf Unterhaltsergänzung für die Vergangenheit genehmigt oder nicht. Genehmigt Mareike den Antrag ihrer Mutter, wird das Erstgericht das weitere Verfahren durchführen, andernfalls den Antrag zurückweisen müssen.

Die im Rekurs vorgelegte schriftliche Erklärung von Mareike vom 10. 11. 2008, wonach sie nicht als Antragstellerin im vorliegenden Verfahren genannt werden möchte und auch keinerlei Nachzahlung fordere, ist unbeachtlich, da sie als damals Minderjährige nicht wirksam auf Unterhaltsansprüche verzichten konnte.

Gemäß § 70 Abs 2 AußStrG kann der Oberste Gerichtshof in der Sache entscheiden, wobei das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RIS-Justiz RS0123359). Der Oberste Gerichtshof konnte somit auch ohne entsprechenden Antrag im Revisionsrekurs den Beschluss des Erstgerichts wiederherstellen.

Abgesehen vom mangelnden Erfolg des Revisionsrekurses findet gemäß § 101 Abs 2 AußStrG im Verfahren über Unterhaltsansprüche eines (bisher) minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht statt.

Anmerkung

E918792Ob135.09f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00135.09F.0903.000

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten