TE OGH 2009/9/28 2Ob166/09i

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Veröffentlicht am 28.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Antonia H*****, infolge Rekurses des Vaters Ing. Hans-Joachim S*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 8. Juli 2009, GZ 23 R 101/09i(ua)-S-481, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss hinsichtlich seines Spruchpunkts 2) (Abweisung der Anträge des Vaters auf vorläufige Übertragung der Obsorge) als nichtig aufgehoben. Die Anträge werden gemäß § 44 Abs 1 JN an das Bezirksgericht Purkersdorf überwiesen.

Text

Begründung:

Im Verfahren über Obsorge und Besuchsrecht brachte der Vater mehrere Rekurse gegen Beschlüsse des Bezirksgerichts Purkersdorf ein. Der Akt wurde dem Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht zur Entscheidung vorgelegt. Da in einzelnen Rekursen auch Ablehnungsanträge gegen die Erstrichterin enthalten waren, traf das Rekursgericht mit Beschluss vom 20. 5. 2009 eine einstweilige Besuchsrechtsregelung mit der Begründung, dass die Rechtsmittel erst nach Rechtskraft der Entscheidung im Ablehnungsverfahren behandelt werden könnten und es zu keinen weiteren Verzögerungen hinsichtlich der Besuchskontakte kommen solle.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Rekursgericht auf Antrag der Mutter die am 20. 5. 2009 getroffene einstweilige Besuchsrechtsregelung in Bezug auf den Ort der Familienberatungsstelle ab und wies weiters den vom Vater (am 19. 6. und am 3. 7. 2009) neuerlich gestellten Antrag (ON S-472, S-479) auf vorläufige Übertragung der Obsorge an ihn ab. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für unzulässig.

Dagegen richtet sich der Rekurs (in eventu außerordentlicher Revisionsrekurs) des Vaters, wobei inhaltlich nur die Abweisung seines Antrags auf vorläufige Übertragung der Obsorge bekämpft wird, die einstweilige Besuchsrechtsregelung somit als unbekämpft in Rechtskraft erwuchs.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Rekurses ist eine dem Landesgericht St. Pölten unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen:

1. Ist die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts funktionell eine erstinstanzliche Entscheidung, so ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (RIS-Justiz RS0115511).

2. Gemäß § 25 JN hat ein abgelehnter Richter bis zur rechtskräftigen Erledigung des Ablehnungsantrags alle Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Lediglich die Endentscheidung darf er nicht vor rechtskräftiger Zurückweisung der Ablehnung fällen.

3. Zur Beschlussfassung über weitere vorläufige Obsorgeanträge wäre somit in jedem Fall das Erstgericht zuständig (gewesen), nämlich bei Fehlen von Dringlichkeit nach rechtskräftiger Entscheidung über die Ablehnungsanträge und bei Vorliegen von Dringlichkeit bereits davor. Das Rekursgericht war für die Entscheidung über den Obsorgeantrag des Vaters funktionell unzuständig. Dass die (neuerlichen) Anträge des Vaters auf Übertragung der vorläufigen Obsorge an das Rekursgericht und nicht an das Erstgericht gerichtet waren, ändert daran nichts. Die Entscheidung eines funktionell unzuständigen Gerichts ist als nichtig aufzuheben (RIS-Justiz RS0042059).

Das Rekursgericht wird daher nur über die anhängigen Rekurse gegen Entscheidungen des Erstgerichts - darunter die Abweisung eines Antrags des Vaters auf Übertragung der vorläufigen Obsorge - zu entscheiden haben.

Anmerkung

E921952Ob166.09i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00166.09I.0928.000

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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