TE OGH 2009/10/13 1Ob174/09h

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Veröffentlicht am 13.10.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** DDr. K***** Y*****, vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten und gefährdenden Parteien 1. Wiener Gebietskrankenkasse, Wien 10, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, und 2. Landeszahnärztekammer Wien, Wien 1, Kohlmarkt 11/6, vertreten durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vergabe einer Kassenplanstelle und einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Juli 2009, GZ 14 R 105/09b-19, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Mai 2009, GZ 27 Cg 75/09m-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, den beklagten und gefährdenden Parteien ihre mit je 1.971,54 EUR (darin 328,59 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Unstrittig ist, dass eine Vertragsärztin der Erstbeklagten am 18. 7. 2007 in einem „Ansuchen um Ausschreibung" erklärte, sie beabsichtige, ihre kassenärztliche Tätigkeit zu beenden, und die Ausschreibung der für ihre Ordination bestehenden Planstelle zum nächstmöglichen Zeitpunkt gemäß den Ausschreibungsbedingungen beantragte. Sie erklärte sich damit einverstanden, dass der zwischen ihr und der Erstbeklagten abgeschlossene Einzelvertrag mit dem Datum der Veröffentlichung der Ausschreibung in einen befristeten Einzelvertrag umgewandelt wird, der nach Abschluss des Vertragsvergabeverfahrens gemäß den zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse und der Ärztekammer für Wien abgeschlossenen Richtlinien mit dem Datum des Inkrafttretens des zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse und dem Planstellennachfolger abgeschlossenen Vertrags endet. Die in der Erklärung der Vertragsärztin erwähnten Richtlinien sehen unter anderem vor, dass ein Bewerber eine ausgeschriebene Kassenplanstelle nur dann erlangen kann, wenn er sich mit dem bisherigen Vertragsarzt über die Übernahme von dessen Ordination einigt. Sollte es zu keiner Einigung über den für die Übergabe geforderten Preis kommen, ist ein Verfahren vor einer Schlichtungskommission vorgesehen. Stellt die Schlichtungskommission fest, dass der Bewerber nicht bereit ist, einen angemessenen Preis zu zahlen, und weigert er sich weiterhin, einen angemessenen Preis zu zahlen, hat die Schlichtungskommission festzustellen, dass der Bewerber aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden ist.

In der Folge wurde die Kassenplanstelle für eine Zahnarztordination in Wien 7 im Einvernehmen der Beklagten ausgeschrieben. Der Kläger bewarb sich und wurde an vierter Stelle gereiht. Nachdem die vor ihm gereihten Bewerber kein Interesse mehr an der Planstelle zeigten, nahm er Verhandlungen mit der bisherigen Vertragsärztin auf. Der Kläger erklärte in dem Verfahren vor der Schlichtungskommission, nicht daran interessiert zu sein, in der bisherigen Ordination zahnärztlich tätig zu werden; er sei aber bereit, 110.000 EUR für die Übernahme der Patienten zu zahlen. Als es zu keiner Einigung kam, stellte die Schlichtungskommission im September 2008 beschlussmäßig fest, dass der angemessene Preis für die Übernahme der Ordination rund 193.000 EUR betrage, dass keine Einigung erzielt habe werden können und der Kläger aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden werde, weil er nicht bereit sei, den angemessenen Preis zu zahlen. In der Folge wurde die Ausschreibung widerrufen. Anfang 2009 wurde die Kassenplanstelle neuerlich ausgeschrieben. Der Kläger wurde aufgrund seiner neuerlichen Bewerbung an dritter Stelle gereiht. Der Kläger begehrte nun, die Beklagten schuldig zu erkennen, den Widerruf der Ausschreibung der Kassenplanstelle zu widerrufen (in eventu ihn für nichtig zu erklären) sowie ein gesetzmäßiges Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der Reihung des Klägers an erster Stelle und unter Außerachtlassung der Vorbedingungen einer Ablösezahlung an einen Dritten durchzuführen bzw fortzusetzen (in eventu den Kläger nicht vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen). Zur Sicherung des Klageanspruchs begehrte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Erstbeklagten verboten werden soll, über die ausgeschriebene Kassenplanstelle so zu disponieren, dass er nach einem allfälligen Obsiegen im Verfahren nicht mehr in der Lage wäre, über diese Planstelle mit der Erstbeklagten einen Kassenarztvertrag abzuschließen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, das Verlangen der Beklagten als Vorbedingung für den Abschluss eines Kassenvertrags zwischen ihm und der Erstbeklagten, an einen Dritten eine Ablösesumme zu zahlen, sei von der Rechtsordnung nicht gedeckt. Auch wenn die Ausschreibung gemäß § 7 Abs 4 der Richtlinien bei Vorliegen „berücksichtigungswürdiger Gründe" widerrufen werden könne, lägen derartige Gründe nicht vor. Die Beklagten hätten die Ausschreibung vielmehr ohne Vorliegen eines sachlichen Widerrufgrundes - und auch ohne Angabe von Gründen in der Widerrufsmitteilung - geradezu willkürlich und rechtsmissbräuchlich widerrufen. Hintergrund dieses Vorgehens sei, dass die bisherige Vertragsärztin mit den Beklagten vereinbart habe, nun so lange weiterzuarbeiten, bis der Kläger eine andere ausgeschriebene Stelle erhalten habe; dann soll neuerlich eine Ausschreibung veranlasst werden, bei der sie einen Ablösebetrag lukrieren könne. Nachdem der Kläger die Klage eingebracht habe, hätten die Beklagten die fragliche Kassenplanstelle Anfang 2009 nochmals ausgeschrieben. Durch die neuerliche Ausschreibung der Kassenplanstelle bestehe die Gefahr, dass das neuerliche Ausschreibungs- und Vergabeverfahren abgeschlossen sei, bevor über die Klage entschieden ist. Durch die neuerliche Ausschreibung vor Abschluss des anhängigen Gerichtsverfahrens über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Klägers vom Verfahren solle offenbar sein Rechtsschutz ausgehebelt und die Kassenplanstelle möglichst rasch an einen anderen Interessenten vergeben werden. Da Kassenplanstellen ein rares Gut darstellten, hätte der Kläger auf absehbare Zeit mit keiner zweiten derartigen Chance ernsthaft zu rechnen. Etwaige Schadenersatzansprüche seien nicht in der Lage, sich ergebende Nachteile wirksam zu kompensieren.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, die bisherige Vertragsärztin habe ihren Kassenvertrag nicht einfach aufgekündigt, sondern die Vertragsbeendigung vom Abschluss eines Vertragsvergabeverfahrens gemäß den einschlägigen Richtlinien abhängig gemacht. Die Kassenplanstelle könne daher überhaupt nicht vergeben werden, weil diese nicht frei sei. Der Widerruf der Ausschreibung sei nicht grundlos oder willkürlich erfolgt, sondern auf Antrag der Vertragsärztin in Anwendung des § 7 Abs 4 der Richtlinien. Die Ärztin habe glaubhaft bescheinigen können, dass es für sie wirtschaftlich geboten sei, die Kassenvertragstätigkeit weiter auszuüben, wenn sie ihre Ordination nicht (gegen Entgelt) an einen Nachfolger weitergeben könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Abschluss eines Einzelvertrags, weshalb der Klage und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung kein sicherungsfähiger Anspruch zu Grunde liege. Bei den Kassenplanstellen handle es sich auch keineswegs um ein so rares Gut, dass der Kläger nicht in absehbarer Zeit bei einer anderen Bewerbung zum Zug kommen könnte; der Kläger sei derzeit bei zwei Planstellen an aussichtsreicher Stelle gereiht; in den letzten Jahren seien zwischen dreizehn und einundzwanzig Planstellen jährlich ausgeschrieben worden. Es fehle daher auch an einem drohenden unwiederbringlichen Schaden. Der Kläger wolle durchsetzen, dass er den Patientenstock bzw die Ordination der bisherigen Vertragsärztin ohne jegliche Gegenleistung übernehmen könne. Dies werde daran scheitern, dass die Ärztin in einem solchen Fall den Kassenvertrag eben nicht zurücklegen und die Ordination weiter betreiben werde. Die bisherige Übergeberin sei von der Anwendbarkeit der einschlägigen Richtlinien ausgegangen. Sollte das Hauptverfahren mit dem Ergebnis enden, dass die Richtlinien aufgrund dem ASVG widersprechender Unsachlichkeiten teilweise nicht anzuwenden seien, hätte dies zur Folge, dass die Ausschreibung zu widerrufen ist. Im Übrigen sei es durchaus zulässig, wenn die Richtlinien zur Invertragnahme auch eine Einigung über einen Unternehmenskaufpreis vorsehen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei das Vorliegen einer vorvertraglichen privatrechtlichen Einigung zwischen Bewerber und Praxisvorgänger als Auswahlkriterium sachlich nicht gerechtfertigt. Gleiches gelte für den Fall, dass die Ablösevereinbarung eine Bedingung für den Vertragsabschluss ist und bei Nichteinigung der nächstgereihte Bewerber in das Vergabeverfahren eintritt. Zu prüfen sei, ob der zu sichernde Anspruch auf Widerruf des Widerrufs eines Vergabeverfahrens zu Recht bestehen kann. Nach § 7 Abs 4 der Richtlinien sei ein Widerruf der Ausschreibung an berücksichtigungswürdige Gründe geknüpft. Die Weigerung des Bewerbers, dem Praxisvorgänger eine Ablöse für die Ordination zu zahlen, könne jedoch wegen der Unsachlichkeit dieses Kriteriums keinen berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn der genannten Vorschrift bilden. Der Widerruf der Ausschreibung sei somit als willkürlich anzusehen. Der Kläger als Teilnehmer der Ausschreibung habe somit auch einen Anspruch darauf, dass kein willkürlicher Widerruf erfolge. Auch die beantragten Sicherungsmittel seien als zulässig anzusehen, zumal eine neuerliche Ausschreibung der Planstelle und deren Vergabe an einen Dritten vor Schluss des Hauptverfahrens das Prozessziel desselben vereiteln würde. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Der Kläger habe die einstweilige Verfügung nur zur Besicherung seines ursprünglich geltend gemachten Anspruchs beantragt, nicht aber zur Besicherung der erst später erfolgten Ergänzung seines Begehrens. Das Klagebegehren richte sich nicht allgemein auf die Durchführung eines gesetzmäßigen Vergabeverfahrens, sondern auf die Beseitigung des bereits abgegebenen Widerrufs betreffend das erste - im Herbst 2007 durchgeführte - Vergabeverfahren und dessen Fortsetzung. Ungeachtet der Tatsache, dass der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen die Einigung mit dem Ordinationsvorgänger (oder das Akzeptieren des durch die Kommission festgesetzten Betrags) als Bedingung für den Abschluss eines Kassenvertrags als unsachlich beurteilt und das Begehren auf Durchführung eines gesetzmäßigen Vergabeverfahrens als zulässig und durch einstweilige Verfügung besicherbar angesehen habe, sei im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Kläger - im Sinne des zu sichernden Klagebegehrens - einen Anspruch auf Beseitigung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens habe. Weder aus dem Gesetz, noch aus den Vereinbarungen der Beklagten sei die Möglichkeit der Beseitigung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens ersichtlich. Auch wenn die Vergabegesetze keine direkte Anwendung auf die Vergabe von Kassenplanstellen fänden, so zeige doch ein Vergleich, dass etwa im Bundesvergabegesetz nach Erklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Widerrufs, nicht aber die Beseitigung des Widerrufs vorgesehen sei. Nach Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs sei eine Schadenersatzklage zulässig. Selbst die bei öffentlichen Auftragsvergaben vorgesehenen behördlichen Kontrollmechanismen sähen also nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Widerrufs vor, nicht aber dessen Beseitigung. Hiezu komme, dass für Fehlverhalten in Vergabeverfahren, auf die die Vergabegesetze nicht unmittelbar anwendbar seien, nach den allgemeinen Grundsätzen der culpa in contrahendo gehaftet werde. Dies bedeute im Ergebnis vor allem die Haftung für den verursachten Vertrauensschaden, wobei aber ein Anspruch auf Beseitigung der die Vertragsverhandlungen beendigenden Erklärung nicht in Frage komme. Habe der Kläger nun aber keinen Anspruch auf Widerruf des Widerrufs des Vergabeverfahrens aus 2007 bzw auf dessen Nichtigerklärung und sei das Vergabeverfahren somit beendet, dann bleibe auch kein Platz für das Begehren des Klägers, das beendete Vergabeverfahren fortzuführen bzw ihn von diesem nicht auszuschließen. Mangels Bestehens des zu sichernden Anspruchs müsse auf die weiteren Rechtsmittelausführungen nicht mehr eingegangen werden. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage bestehe, ob ein sicherbarer Anspruch eines sich um eine Kassenplanstelle bewerbenden Arztes auf Beseitigung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers begegnet die Auffassung des Rekursgerichts, die Erlassung der einstweiligen Verfügung sei nur zur Sicherung des ursprünglich erhobenen Klageanspruchs, nicht aber auch des später ausgedehnten Begehrens - wobei über die Zulässigkeit der Klageänderung noch gar nicht erkannt wurde - beantragt worden, keinen Bedenken. Gemäß § 378 Abs 1 EO können einstweilige Verfügungen zur Sicherung „des Rechts einer Partei" getroffen werden. In ihrem Antrag hat die gefährdete Partei nach § 389 Abs 1 EO unter anderem den „von ihr behaupteten oder ihr bereits zuerkannten Anspruch" genau zu bezeichnen. Es obliegt somit der gefährdeten Partei, zu bestimmen, welcher Anspruch (bzw welches sonstige Recht) durch die beantragte einstweilige Verfügung gesichert werden soll. Hier hat der Kläger in seinem Antrag (ON 6) ausdrücklich klargestellt, dass das beantragte Verbot der Sicherung eines bestimmten Rechts, nämlich seines ursprünglichen Klageanspruchs, dienen soll. Dieses Sicherungsinteresse hat er auch im weiteren Verfahren nicht auf das (mit Schriftsatz ON 11) ausgedehnte Klagebegehren erstreckt. Zu Recht hat sich das Berufungsgericht daher auf die Prüfung beschränkt, ob es dem Kläger gelungen ist, die Berechtigung seines ursprünglichen Klagebegehrens zu bescheinigen. Damit begehrt er das Rückgängigmachen des Widerrufs der (ersten) Ausschreibung - bzw dessen Nichtigerklärung - sowie die gesetzmäßige Fortführung dieses Vergabeverfahrens „unter Berücksichtigung der Reihung des Klägers an erster Stelle und unter Außerachtlassung der Vorbedingung einer Ablösezahlung an einen Dritten", nämlich die bisherige Vertragsärztin.

Im Ergebnis hat das Rekursgericht zutreffend die Auffassung vertreten, dass dem Kläger der geltend gemachte Hauptanspruch nicht zusteht.

Der Oberste Gerichtshof hat etwa im Zusammenhang mit Ausschreibungen nach einer bestimmten Ö-Norm ausgesprochen, dass die Frage, ob ein zwingender Grund für den Widerruf der Ausschreibung nach Ablauf der Angebotsfrist vorliegt, nur nach objektiven Kriterien zu lösen ist (SZ 74/198). Der Auftraggeber muss eine Ausschreibung auch dann widerrufen können, wenn nach deren Beginn schwerwiegende, schon vor Beginn von ihm fahrlässig verursachte Fehler hervorkommen (4 Ob 198/05d mwN). Der Widerruf der Ausschreibung einer Kassenvertragsstelle wurde als berechtigt angesehen, wenn die vom bisherigen Inhaber der Kassenvertragsstelle angerufene Landesberufungskommission nach Ausschreibung der Stelle mit Bescheid feststellt, dass der sich auf diese Stelle beziehende Kassenvertrag ungekündigt fortbesteht (4 Ob 198/05d).

Der vorliegende Fall ist dem der zuletzt zitierten Entscheidung zu Grunde liegenden durchaus vergleichbar. Hier hat die bisherige Vertragsärztin der Erstbeklagten die Auflösung ihres Kassenvertrags nur unter der Bedingung erklärt, dass ein Vertragsvergabeverfahren gemäß den einschlägigen Richtlinien durchgeführt wird und mit einem Vertragsabschluss zwischen der Erstbeklagten und dem Planstellennachfolger endet. Durch den Verweis auf die Richtlinien ist klargestellt, dass die Vertragsärztin ihr Vertragsverhältnis unter anderem nur unter der Bedingung beenden wollte, dass der „Nachfolger" im Sinne der Regelungen in § 12 der Richtlinien einen angemessenen Preis für ihre Zahnarztpraxis zu zahlen bereit ist. Nachdem sich nun herausgestellt hat, dass Derartiges in einem solchen Ausschreibungsverfahren von einem Bewerber nicht verlangt werden darf (vgl nur 3 Ob 127/06g; 3 Ob 153/06f; 7 Ob 25/09s; RIS-Justiz RS0115621) und dem nach den sonstigen Kriterien bestgereihten Bewerber die Kassenarztstelle zuzuweisen ist, auch wenn er - wie der Kläger - die Zahlung einer „Ablöse" im Sinne der Richtlinien ablehnt, steht fest, dass die von der Vertragsärztin für ihre Auflösungsbereitschaft erklärte Bedingung nicht eingetreten ist und auch nicht eintreten kann. Wenn die Beklagten unter diesen Umständen die Ausschreibung widerrufen haben, weil die fragliche Stelle eben unter den gegebenen Umständen nicht frei werden kann, kann darin kein Fehlverhalten erblickt werden, gegen das sich der Kläger zur Wehr setzen könnte. Ist nun aber der Widerruf aus objektiv betrachtet sachlichen Gründen erfolgt, kann auch dem weiteren Begehren, dieses Vergabeverfahren „gesetzmäßig" fortzusetzen, keine Berechtigung zukommen.

Die Streitteile gehen im Übrigen übereinstimmend davon aus, dass die bereits wiederholt erwähnten Richtlinien Inhalt der Ausschreibung waren; so bezieht sich der Revisionsrekurswerber etwa selbst auf die Regelung in § 7 Abs 4 über die Voraussetzung für den Widerruf der Ausschreibung. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wäre der Widerruf auch deshalb objektiv gerechtfertigt, weil die Richtlinien - wie bereits ausgeführt - jedenfalls ein erhebliches, wegen seiner Unsachlichkeit unzulässiges Vergabekriterium enthalten, nämlich die Notwendigkeit der Bereitschaft des Bewerbers zur Zahlung eines angemessenen Preises für die Praxis des „Vorgängers". Dieses unzulässige Kriterium ist zweifellos geeignet, potentielle Bewerber von einer Teilnahme an der Ausschreibung abzuhalten, sofern diese nicht gewillt oder in der Lage sind, diese Bedingung zu erfüllen, deren rechtliche Bedenklichkeit aber nicht erkennen. Wird nun im Vergabeverfahren - etwa durch einen an erster Stelle gereihten Bewerber, der auf die Unzulässigkeit des erwähnten Kriteriums hinweist - der genannte Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot offenbar, ist ein Widerruf in der Regel schon deshalb unausweichlich, um bei einer neuen Ausschreibung auch jenen Interessenten die Möglichkeit einer Beteiligung zu geben, die sich vorher durch das unzulässige Kriterium abschrecken ließen oder die sogar an vorderer Stelle gereiht waren, dann aber die ihnen im Verfahren bekanntgegebene „Ablösesumme" nicht zahlen wollten. Auf die Fragen, welche Stellung dem Kläger im zweiten Ausschreibungsverfahren zukommt, unter welchen Bedingungen die Ausschreibung erfolgt ist, und welche Erwägungen der neuerlichen Ausschreibung zu Grunde lagen, ist - wie bereits dargelegt - nicht weiter einzugehen. Gegebenenfalls wird auch die zweite Ausschreibung zu widerrufen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Den gefährdenden Parteien, die mit ihrem Antrag auf Abweisung des Sicherungsantrags erfolgreich waren, steht auch der Ersatz der ihnen im Revisionsrekursverfahren entstandenen Rechtsverteidigungskosten zu.

Anmerkung

E922831Ob174.09h

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00174.09H.1013.000

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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