TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/14 98/21/0324

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Veröffentlicht am 14.12.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §38 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des E, (geboren am 27. November 1978), in Dornbirn, vertreten durch Dr. Ernst Hagen und Dr. Günther Hagen, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Goethestraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 9. Juni 1998, Zl. Frb-4250a-166/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 9. Juni 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sechs Jahren erlassen.

Nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides, der Berufung des Beschwerdeführers und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 2. Juni 1997 für schuldig befunden worden sei, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken, teilweise als Mittäter bzw. Beitragstäter, teilweise als Alleintäter, fremde bewegliche Sachen in einem S 25.000,-- übersteigenden Wert im Zeitraum vom 14. Juni 1996 bis 28. Dezember 1996 in 23 näher beschriebenen Angriffen anderen, im Einzelnen genannten Personen in Dornbirn, Lustenau, Hohenems bzw. Lochau mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder Dritte durch Zueignung der Sachwerte unrechtmäßig zu bereichern, wodurch er das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 StGB begangen habe. Ferner sei er mit diesem Urteil des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB für schuldig erkannt worden, weil er am 7. September 1996 in Dornbirn einen einer anderen Person gehörigen PKW ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen habe, und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, weil er in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit anderen Personen als Mittäter am 12. November 1996 in Dornbirn zwei weitere Personen durch gefährliche Drohung in zwei Angriffen zu Handlungen genötigt habe. Bei diesen beiden letztgenannten Angriffen hätten die Täter ihre beiden Opfer jeweils umringt und für den Fall deren Widerstandes Gewaltbereitschaft demonstriert, wobei ein anderer Mittäter ihre Opfer zur Herausgabe ihrer Schnürsenkel mit den Worten "er zähle bis zehn, falls er bis dahin die Schnürsenkel nicht hätte, gäbe es Schläge" und sie weiters aufgefordert habe, Liegestütze bzw. Kniebeugen zu machen sowie das Lied "Alle meine Entlein" zu singen. Der Beschwerdeführer sei gemäß §§ 129 und 28 StGB in Anwendung des § 5 JGG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten und zur Bezahlung eines Teilschadenersatzbetrages in der Höhe von S 5.000,-- an den Privatbeteiligten A.R. (betreffend ein Diebstahlsfaktum) verurteilt worden.

Allein 23 der dem Urteil zugrunde liegenden Straftaten seien Eigentumsdelikte, hätten sich als solche gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet und würden damit auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen. Das Urteil erfülle somit die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Satz FrG. Hiebei handle es sich um eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit., die die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde sowie anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Die dem Urteil zugrunde liegenden Straftaten dokumentierten deutlich, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten, und zeugten von mangelndem Unrechtsbewusstsein. Für die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sprächen auch zwei rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers vom 5. Februar 1997, und zwar wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG und Übertretung von § 52 lit. a Z. 10a und § 99 Abs. 3 lit. a StVO, die im Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (der erstinstanzlichen Behörde) aufschienen.

Der Beschwerdeführer sei am 27. November 1978 in Österreich geboren worden und habe bei seinen Eltern hier gelebt, ehe er am 3. August 1984 in die Türkei gebracht worden sei. Erst am 14. Mai 1991 sei er nach Österreich zurückgekehrt und lebe seither wieder im Bundesgebiet, und zwar derzeit gemeinsam mit seinen Eltern und seinen zwei jüngeren, 15 bzw. 16 Jahre alten Brüdern in einer Wohnung in Dornbirn. Seine Eltern arbeiteten und hielten sich hier bereits seit vielen Jahren auf und verfügten über eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung. Der Beschwerdeführer gehe seit Februar (1997) einer Beschäftigung nach.

Angesichts dieses Sachverhalts werde durch das Aufenthaltsverbot zweifellos in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Dennoch sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG der Entzug der Aufenthaltsberechtigung aufgrund der Schwere und Vielzahl der dem angeführten Urteil zugrunde liegenden Delikte und seiner darin zum Ausdruck kommenden Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, zulässig, weil dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, dringend erforderlich sei. Die Dringlichkeit der Maßnahme ergebe sich aus der in den Straftaten zum Ausdruck kommenden krassen Missachtung des Eigentums anderer Menschen und aus der von den inkriminierten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers ausgehenden Gefahr. Im Juni 1996 habe er eine Serie von Eigentumsdelikten gestartet, die erst im Jänner 1997 von Beamten des Gendarmeriepostens Dornbirn habe gestoppt werden können. Allein 23 Eigentumsdelikte, zum größten Teil Einbruchsdiebstähle in PKW, hätten ihm und anderen Mittätern während dieses Zeitraumes nachgewiesen werden können. Dabei habe er Diebsgut im Wert von mehr als S 150.000,-- an sich bringen können. Den Vorerhebungen zufolge seien aus den Fahrzeugen vorwiegend Autoradios, Kleidungsstücke, Bargeld und verschiedene Dokumente gestohlen worden. Überflüssiges, wie etwa Führerscheine, seien einfach weggeworfen worden. Im September 1996 habe er ein Kraftfahrzeug ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen und im November 1996 zusammen mit türkischen Landsleuten zwei Jugendliche bedroht und diese unter Androhung von Gewalt zu bestimmten Handlungen genötigt. Hinsichtlich der Strafanzeige wegen Verdachts des Raubes, wonach der Beschwerdeführer einem der bedrohten Jugendlichen einen Bargeldbetrag und Schmuckstücke abgenötigt hätte, sei er freigesprochen worden, weil diesbezüglich keine gesicherten Feststellungen hätten getroffen werden können. Die der angeführten Verurteilung zugrunde liegenden zahlreichen Verbrechen und Vergehen offenbarten deutlich seine kriminelle Energie und damit ein unberechenbares Gefahrenpotenzial. Vor diesem Hintergrund sei eine "positive Zukunftsprognose" nicht möglich.

Den überaus gewichtigen öffentlichen Interessen an der - dringend gebotenen - Erlassung des Aufenthaltsverbotes stünden die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber. Dieser habe sich insgesamt etwas mehr als zwölf Jahre seines Lebens in Österreich aufgehalten. Aufgrund des Umstandes, dass er noch im Kindesalter von fünf Jahren in seine Heimat zurückgebracht worden sei und erst sieben Jahre später wieder nach Österreich gekommen sei, seien lediglich die sechseinhalb Jahre seit seiner Wiedereinreise im Jahr 1991 bei der Beurteilung des Integrationsgrades heranzuziehen. Das Ausmaß der auch über eine soziale Komponente zu definierenden Integration werde durch die zahlreichen Gesetzesverstöße erheblich relativiert. Seine Familienangehörigen, die Eltern und seine zwei Brüder, seien in Österreich integriert. Auch wenn der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit wieder bei seinen Eltern wohne, schienen hinsichtlich der Intensität der Familienbindungen berechtigte Zweifel angebracht zu sein, für die mehrere Abgängigkeitsanzeigen zwischen 1994 und 1996 und die aus Sozialhilfemitteln getragene Unterbringung im Kolpinghaus Dornbirn sprächen. Auch unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit Februar 1997 einer geregelten Beschäftigung nachgehe, komme die belangte Behörde dennoch zum Ergebnis, dass das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu untersagen, sein privates Interesse in den Hintergrund dränge.

Auch im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG sei das Aufenthaltsverbot nicht unzulässig. Zwar sei der Beschwerdeführer langjährig rechtmäßig in Österreich niedergelassen (§ 38 Abs. 2 FrG), doch sei er nicht von klein auf im Inland aufgewachsen. Er sei zwar in Österreich geboren und habe die ersten fünf Jahre seines Lebens im Bundesgebiet verbracht, er habe sich jedoch in der Folge knapp sieben Jahre in der Türkei aufgehalten und sei erst im Alter von 13 Jahren wieder nach Österreich zurückgekehrt. Gerade diejenigen Jahre, in denen es darauf ankomme, in integrationsfördernde und -begründende Institutionen wie Kindergarten und Schule eingegliedert zu werden, in diesem Umfeld aufzuwachsen und voll integriert zu werden, habe er nicht in Österreich, sondern in der Türkei verbracht.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes richte sich nach der Zeit, nach der vermutlich die zu seiner Erlassung führenden Voraussetzungen weggefallen sein würden. Aufgrund der massiven Rechtsverletzungen und der dahinterstehenden kriminellen Energie und "Ignoranz" des Beschwerdeführers gegenüber österreichischen Gesetzen und den Rechten anderer Menschen erscheine es erforderlich, das Aufenthaltsverbot - in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides - auf die Dauer von sechs Jahren zu befristen, um den angestrebten Verwaltungszweck zu erreichen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 oder 2 dieser Bestimmung genannten Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

2.1. Die belangte Behörde vertrat in ihrem Bescheid die Ansicht, dass der Beschwerdeführer im Hinblick darauf, dass allein 23 der dem besagten Urteil zugrunde liegenden Straftaten Eigentumsdelikte seien, die sich als solche gegen dasselbe Rechtsgut richteten und damit auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG erfülle, und dass es sich daher bei dieser Verurteilung um eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. handle.

2.2. Dem vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Nach den insoweit unbestrittenen, im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen wurde der Beschwerdeführer bis zum - vorliegend maßgeblichen - Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur ein einziges Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei die in diesem Urteil verhängte Freiheitsstrafe die in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG angeführte Strafdauer nicht übersteigt. Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht beziehen sich die Worte "mehr als einmal" nicht auf die Begehung strafbarer Handlungen, sondern auf strafgerichtliche Verurteilungen. Es ist somit der in dieser Gesetzesbestimmung geregelte Tatbestand nicht erfüllt.

Dennoch ist damit für die Beschwerde nichts gewonnen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Aufenthaltsverbot auch ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung angeführten Fälle aufweisen, aber in ihrer Gesamtheit die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2000, Zl. 98/18/0134, mwN). Wenn die belangte Behörde die im § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat, so ist diese Beurteilung angesichts der vorgenannten zahlreichen Straftaten nicht als rechtswidrig zu erkennen, hat doch der Beschwerdeführer nach den insoweit unbestrittenen Bescheidfeststellungen im Zeitraum zwischen 14. Juni 1996 bis 28. Dezember 1996 (u.a.) 23 (!) Einbruchsdiebstähle begangen und an zwei Angriffen mitgewirkt, wodurch andere Personen jeweils durch Drohung mit Gewalt zu Handlungen genötigt wurden. Diese zahlreichen Angriffe des Beschwerdeführers gegen fremdes Vermögen wie auch seine Angriffe gegen die Freiheit anderer Personen lassen - mit der Behörde - die besagte Annahme im Licht der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG), aber auch zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, somit zur Erreichung anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG), als gerechtfertigt erscheinen.

Auf das ergänzende Vorbringen des Inhaltes der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 12. Oktober 2000 wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch (laut der von der belangten Behörde unter einem vorgelegten Kopie der diesbezüglichen Urteilsausfertigung begangen Ende April 2000 in Dornbirn) rechtskräftig bestraft worden sei, einzugehen ist dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, weil der angefochtene Bescheid nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen ist.

3.1. Unter dem Blickwinkel des § 37 FrG bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer einen hohen Integrationsgrad in Österreich aufweise und stets einer geregelten Arbeit nachgegangen sei. Er lebe mit seinen Eltern und seinen vier Brüdern, die ebenso hier vollständig integriert seien, im gemeinsamen Haushalt und habe hier sämtliche Lebensinteressen. Aufgrund der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen Schwere des Eingriffes in seine Interessen hätte die belangte Behörde ein umfassenderes Ermittlungsverfahren durchführen und beispielsweise auf den positiven Bericht seines Bewährungshelfers vom 7. Mai 1997, woraus sein Wunsch nach Anordnung der Bewährungshilfe und somit sein Wille, sich wieder "in die Rechtsordnung einzugliedern", hervorgehe, Bezug nehmen müssen. Auch hätte die belangte Behörde auf die Beschreibung seiner Arbeitsleistung durch seinen Arbeitgeber, auf seine persönliche Reifung, die Entspannung der familiären Situation, die "Änderung" der Jugendgruppe und seine teilweise Schadensgutmachung zugunsten des Privatbeteiligten A.K. im Februar 1998 eingehen müssen.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 14. Mai 1991, seine Berufstätigkeit, die daraus ableitbare Integration und seine familiären Bindungen in Österreich zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat aber - unter gebührender Bedachtnahme auf diese Interessenlage - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig und somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer) dringend geboten sei. Dieser Auffassung ist beizupflichten, hat doch der Beschwerdeführer, insbesondere durch die Vielzahl der Einbruchsdiebstähle und die oben beschriebenen Nötigungshandlungen, deutlich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die Rechte anderer und die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.

Im Licht dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich die für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass die aus seinem Aufenthalt in Österreich resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein besagtes Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch sein wiederholtes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Wenn die Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer die gerichtliche Bestellung des Bewährungshelfers gewünscht habe, er von seinem Arbeitgeber gut beschrieben worden sei und eine - ohnehin mit besagtem Strafurteil - angeordnete teilweise Schadensgutmachung geleistet habe und sich seine familiäre Situation "entspannt" habe, so zeigt er damit keine zu einer anderen Beurteilung führenden Umstände auf. Wenn die Beschwerde weiters ins Treffen führt, dass der Beschwerdeführer bereits zu Beginn des Jahres 1991 (und somit nicht erst im Mai 1991) nach Österreich zurückgekehrt sei und hier zwei Jahre Hauptschule und ein Jahr Polytechnischen Lehrgang besucht habe, so handelt es sich bei diesem Vorbringen um eine erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung und daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Schließlich ist auch mit dem Hinweis auf das Urteil des EGMR im Fall Moustaquim gegen Belgien für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen, weist doch der diesem Urteil zugrunde Sachverhalt - hiebei war u.a. von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer bereits im Alter von nicht einmal zwei Jahren nach Belgien gelangt war und bis zu seiner Ausweisung (rund 19 Jahre später) dort gelebt hatte - maßgebliche Unterschiede im Verhältnis zum Sachverhalt im vorliegenden Beschwerdefall auf.

4. Vor dem Hintergrund des Gesagten geht die in der Beschwerde erhobene, gegen die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde auf sechs Jahre (die Behörde erster Instanz hatte die Dauer mit fünf Jahren festgesetzt) gerichtete Verfahrensrüge fehl. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0291, mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde. Die Annahme der belangten Behörde, dass dies erst in sechs Jahren der Fall sein werde, begegnet im Hinblick auf die Vielzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten keinen Bedenken. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass der Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ende dieses Zeitraumes erwartet werden könne.

5. Auch das weitere Beschwerdevorbringen, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG unzulässig, ist nicht zielführend. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen hat der am 27. November 1978 in Österreich geborene Beschwerdeführer hier bis zum 3. August 1984 bei seinen Eltern und danach in der Türkei gelebt, von wo er erst am 14. Mai 1991 zurückgekehrt ist. Er hat somit im Alter von nicht einmal sechs Jahren Österreich verlassen und ist erst nach Vollendung des zwölften Lebensjahres hierher zurückgekommen. Dieser Zeitraum umfasst den größten Teil der Pflichtschulzeit und fällt somit in eine für das Vertrautwerden mit der Sprache, Kultur und den sonstigen Verhältnissen seiner Heimat besonders wichtige Lebensphase. Bei einem solchen Fremden ist - mangels anderer Anhaltspunkte - anzunehmen, dass er die Sprache seiner Heimat in Wort und Schrift beherrscht und mit den Gegebenheiten in diesem Land vertraut ist. Ein solcher Fremder ist daher nicht im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen.

6. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte, zumal weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten besondere, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG berücksichtigte Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

7. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998210324.X00

Im RIS seit

04.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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