RS Vfgh 2012/9/27 B705/12

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Veröffentlicht am 27.09.2012
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Index

64 BESONDERES DIENST- UND BESOLDUNGSRECHT
64/03 Landeslehrer

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §8
DVG §1, §3
LDG 1984 §3, §26
LandesvertragslehrpersonenG 1966 (LVG) §2 Abs3

Leitsatz

Entzug des gesetzlichen Richters durch Verneinung der Parteistellung einer in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Landesvertragslehrerin im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle; Verleihung und Ernennung als im dienstrechtlichen Sinn getrennte Akte; Einräumung eines rechtlichen Interesses durch die mit der Dienstrechtsnovelle 2002 normierte Möglichkeit der Teilnahme eines vertragsbediensteten Bewerbers am Auswahl- und Besetzungsverfahren

Rechtssatz

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den der bisherigen Rechtsprechung zur Parteistellung von Bewerbern im Verfahren zur Verleihung einer Schulleiterstelle zugrunde liegenden Fällen insofern, als die Beschwerdeführerin als Landesvertragslehrerin in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol steht (und selbst im Fall ihrer Betrauung mit der Leitungsfunktion im privatrechtlichen Dienstverhältnis geblieben wäre). Dies ist jedoch für die Parteistellung eines in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers nicht ausschlaggebend.

Mit der Dienstrechtsnovelle 2002, BGBl I 87/2002, wurde dem §2 LVG ein dritter Absatz beigefügt, nach dessen erstem Satz bei der Besetzung von Leiterstellen das in §26 und §26a LDG 1984 vorgesehene Auswahl- und Besetzungsverfahren auf Landesvertragslehrpersonen mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Bewerbungen von Landesvertragslehrpersonen, die die Ernennungserfordernisse für die betreffende Stelle erfüllen, zulässig sind. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Bewerbung einer Landesvertragslehrperson und die Aufnahme in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag auch die Parteistellung der Landesvertragslehrperson zur Folge hat.

Mit der Dienstrechtsnovelle 2002 sollte - so die EB zur RV - im Schuldienst ein Zugang zum Bewerbungsverfahren für Vertragslehrer bei ausgeschriebenen Leitungsfunktionen eröffnet werden.

Der Rechtsansicht der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, soweit sie aus der dargestellten Rechtslage ableitet, dass der Gesetzgeber Vertragslehrpersonen lediglich die Bewerbung, nicht aber die Teilnahme am Besetzungsverfahren ermöglichen wollte; vielmehr werden nach Absicht des Gesetzgebers - soweit nicht ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis für die Bewerbung für die Leiterstelle vorausgesetzt ist - auch solche Bewerber gereiht und können in Folge die Leitungsfunktion erhalten.

Dass es sich bei der Besetzung der Schulleiterstelle (der "Verleihung") und der "Ernennung" im dienstrechtlichen Sinn um zwei (grundsätzlich) getrennte Akte handelt, ergibt sich schon aus §26 Abs8 LDG 1984, wonach die Verleihung erforderlichenfalls unter gleichzeitiger Ernennung oder unter gleichzeitiger Zuweisung an die betreffende Schule oder unter gleichzeitiger Ernennung und Zuweisung zu erfolgen hat. Auch wenn das Schulleiterauswahl- und Besetzungsverfahren einerseits und die Ernennung andererseits bisher häufig in einem einheitlichen Verfahren geführt und mit nur einem Bescheid abgeschlossen wurden, handelt es sich dennoch auch in dem Fall, dass schließlich eine in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Person ernannt wird, im Grunde um zwei unterschiedliche Verfahren, nämlich einerseits jenes der Ernennung auf die Stelle selbst und andererseits jenes vorgelagerte Verfahren, in dem über die Verleihung der Leiterstelle entschieden wird.

Eine dienstrechtliche Ernennung iSd §3 LDG 1984, dh eine bescheidmäßige Verleihung einer Planstelle, kommt freilich nur für im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Personen in Betracht; die dienstrechtliche Betrauung einer Landesvertragslehrperson mit einer Schulleiterstelle hat durch privatrechtliche Instrumente zu erfolgen. Am - im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu führenden und abzuschließenden - Auswahl- und Besetzungsverfahren hingegen nimmt die Lehrperson ungeachtet der Rechtsnatur ihres Dienstverhältnisses ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in den verbindlichen Besetzungsvorschlag als (Verwaltungsverfahrens-)Partei teil. Dieses Besetzungsverfahren ist mit einem die Auswahlentscheidung hinreichend begründenden Bescheid abzuschließen, der allen die Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bildenden Parteien zuzustellen und durch diese gegebenenfalls anfechtbar ist. Für den Fall, dass ein (nur) das Auswahl- und Besetzungsverfahren abschließender Bescheid von einem Gerichtshof des öffentlichen Rechts aufgehoben wird, wäre ein darauf aufbauend abgeschlossenes öffentlich-rechtliches Ernennungsverfahren wiederaufzunehmen bzw eine Betrauung eines Vertragsbediensteten mit privatrechtlichen Mitteln abzuwickeln.

Gerade auch im von der belangten Behörde dargestellten Fall der Besetzung einer Schulleiterstelle mit einer Vertragslehrperson würde es zu unsachlichen Ergebnissen führen, wenn die Parteistellung eines im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden, in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers von der (öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen) Rechtsnatur des Dienstverhältnisses desjenigen Mitbewerbers abhinge, der die Leitungsfunktion erhält. Es wäre eine dem Gesetz nicht unterstellbare, sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung, wenn ein im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehender Mitbewerber im Fall der Verleihung der Leiterstelle an einen ebenso im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Bewerber einen Anspruch auf einen bekämpfbaren Bescheid hätte, in dem "die für die Leitung einer Schule bedeutsamen Eigenschaften und Fähigkeiten der in die Besetzungsvorschläge aufgenommenen Bewerber zu ermitteln, die für jeden Bewerber gewonnenen Ergebnisse gegen die aus §26 Abs[6] LDG 1984 ersichtlichen Kriterien abzuwägen und schließlich die daraus resultierenden Gesamtbeurteilungen der einzelnen Bewerber einander gegenüberzustellen"

(VfSlg 12102/1989) wären; hingegen derselbe öffentlich-rechtlich bedienstete Mitbewerber im Fall der Verleihung der Leiterstelle an einen Vertragslehrer keinerlei Anspruch auf einen hoheitlichen, in der Sache selbst ergehenden Abspruch über seine Bewerbung hätte.

Mit der durch die Einfügung des §2 Abs3 LVG normierten Möglichkeit der Teilnahme eines vertragsbediensteten Bewerbers am Auswahl- und Besetzungsverfahren wird einem solchen Bewerber ein rechtliches Interesse eingeräumt. Der Beschwerdeführerin kommt daher mangels Anwendbarkeit des DVG nach der allgemeinen Regel des §8 AVG mit der Aufnahme in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag Parteistellung zu.

Der VfGH sieht keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen, wonach der bindende Charakter eines Besetzungsvorschlags die Verwaltungsverfahrensgemeinschaft und damit die Parteistellung der in den Vorschlag aufgenommenen Personen begründet.

Indem die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid die Parteistellung der Beschwerdeführerin verneinte und ihren Antrag auf Zustellung des verfahrensbeendenden Bescheids zurückwies, verweigerte die Behörde der Beschwerdeführerin somit zu Unrecht eine Sachentscheidung im konkreten Auswahl- und Besetzungsverfahren.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Lehrer, Landeslehrer, Besetzungsvorschlag, Dienstrecht, Ernennung, Vertragsbedienstete, Dienstrechtsverfahren, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, Geltungsbereich Anwendbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2012:B705.2012

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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