TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/18 2000/18/0232

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Veröffentlicht am 18.12.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des A , geboren am 1. Jänner 1964, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Oktober 2000, Zl. St 11/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. Oktober 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit 11. September 1989 in Österreich.

Am 21. Juli 1997 habe er einen türkischen Staatsangehörigen dazu zu nötigen versucht, als Bürge weiterhin die fälligen Kreditraten zu bezahlen, indem er geäußert habe: "Du weißt, ich habe eine Pistole. Wenn du nicht bezahlst, bringe ich dich um."

Deswegen sei er am 2. Dezember 1997 wegen des Vergehens der Nötigung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt worden.

Am 3. Jänner 2000 habe er in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren türkischen Staatsangehörigen gewerbsmäßig die rechtswidrige Einreise von vier afghanischen und sechs irakischen Staatsangehörigen gefördert. Er habe die geschleppten Personen über Auftrag einer in Tschechien agierenden Schlepperorganisation unmittelbar nach dem illegalen Überschreiten der tschechisch-österreichischen Grenze in einen Pkw aufgenommen und Richtung Oberösterreich gebracht. Wegen dieses Vergehens sei er am 2. März 2000 nach § 105 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden.

Überdies sei der Beschwerdeführer insgesamt 25-mal wegen Übertretung verschiedener kraftfahrrechtlicher und straßenpolizeilicher Vorschriften rechtskräftig bestraft worden.

Die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers seien enorm schwer zu gewichten. Die in § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme sei daher gerechtfertigt.

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in gravierender Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Ihm sei eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen. In beruflicher Hinsicht sei er jedoch nicht einmal ansatzweise integriert, weil er seit 1995 großteils arbeitslos gewesen sei und in der Folge Notstandshilfe bezogen habe. Im Bundesgebiet befänden sich eine Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und zwei gemeinsame Kinder. Die Gattin des Beschwerdeführers lebe jedoch mit vier weiteren Kindern in dessen Heimat. Auf Grund der Arbeitslosigkeit sei der Beschwerdeführer keinesfalls in der Lage, für den Unterhalt seiner Gattin und der ehelichen Kinder sowie der Lebensgefährtin und deren Kinder aufzukommen. Im Übrigen könne er seinen Sorgepflichten auch außerhalb des Bundesgebietes nachkommen.

Demgegenüber seien die Straftaten des Beschwerdeführers "enorm schwer zu gewichten". Vor dem Hintergrund, dass über den Beschwerdeführer bereits im Jahr 1997 von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt ein - von der belangten Behörde aufgehobenes - Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, sei die nachfolgende Straftat vom 22. April 1998 (Schlepperei) auch insofern besonders verwerflich, als der Beschwerdeführer damit gezeigt habe, dass ihm "fremdenpolizeiliches Handeln egal" sei. Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den am schwersten wiegenden strafbaren Handlungen, zumal diese Art der Kriminalität bereits Formen angenommen habe, die ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich machten. Auch die mit der Schlepperei einher gehende Begleitkriminalität mache ein entsprechendes Gegensteuern unerlässlich. Ein Belassen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde daher geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Prognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes hätte ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, sei zu bemerken, dass auch die vom Beschwerdeführer im Jahr 1997 begangene Nötigung zum maßgeblichen Sachverhalt zähle. Im Zeitpunkt der Begehung dieser Straftat habe er sich aber noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet befunden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt die (sich aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides ergebende) Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer durch die von ihm begangene Schlepperei und die deswegen erfolgte Verurteilung die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Auf Grund der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen besteht gegen diese Beurteilung kein Einwand.

1.2. Im Hinblick auf das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/18/0428) ist auch die Ansicht der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG fällt zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht, dass er sich seit November 1989 in Österreich aufhält und hier eine Lebensgefährtin sowie zwei gemeinsame Kinder hat. Unstrittig lebt jedoch die Gattin des Beschwerdeführers mit den vier ehelichen Kindern in dessen Heimat. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf verwiesen, dass dem Beschwerdeführer keine Integration in beruflicher Hinsicht zukommt, war er doch unstrittig seit 1995 großteils arbeitslos und hat Notstandshilfe bezogen.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er in Zusammenarbeit mit einer im Ausland tätigen Schlepperorganisation gewerbsmäßig, somit in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Schlepperei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), zehn Personen geschleppt hat. Dabei handelt es sich - wie oben

1.2. dargetan - um eine aus fremdenrechtlicher Sicht besonders schwer wiegende Straftat. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch durch die von ihm im Jahr 1997 begangene Nötigung öffentliche Interessen beeinträchtigt.

Davon ausgehend kann die Ansicht der belangten Behörde, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens), Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 leg. cit. wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Ausweisung - und somit auch einer solchen gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG - ist (u.a.) in den Fällen des § 35 leg. cit. unzulässig. Dessen Abs. 2 und 3 lauten:

"(2) Fremden, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

(3) Hat der in Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes - SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

rechtskräftig verurteilt worden. "

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 - StbG verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG und nach § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. ist zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstandes bereits zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war bzw. die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erforderliche Voraussetzung des mindestens zehnjährigen inländischen Hauptwohnsitzes erfüllte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170, und den Beschluss vom selben Tag, Zl. 95/18/1168).

3.2. Der Beschwerdeführer meint, dass die seiner Verurteilung vom 2. Dezember 1997 zu Grunde liegende Nötigung von der belangten Behörde nicht zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogen hätte werden dürfen.

Dem ist zu entgegnen, dass es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Sinn der oben 3.1. zitierten gesetzlichen Bestimmungen um all jene Umstände handelt, die die Behörde zur Begründung des im konkreten Fall in der festgesetzten Dauer verhängten Aufenthaltsverbotes herangezogen hat. Unzulässig ist es lediglich, auch ein solches Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zu Grunde zu legen, das unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes nicht (mehr) geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der von dem Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen, weil es die Behörde dadurch in der Hand hätte, den für die Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 35 Abs. 3 FrG bzw. § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. maßgeblichen Zeitpunkt so weit nach vorne zu verschieben, dass der Fremde "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" den jedenfalls erforderlichen zehnjährigen Aufenthalt im Inland nicht erfüllt. (Vgl. die bereits zitierten hg. Entscheidungen vom 17. September 1998.)

Der Beschwerdeführer hat am 21. Juli 1997 eine andere Person zur Bezahlung von Kreditraten zu nötigen versucht, indem er diese Person mit dem Umbringen bedroht hat. Es handelt sich dabei um ein schwer wiegendes Fehlverhalten, das auch unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes von drei Jahren und drei Monaten geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen.

Da sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Begehung dieser Straftat noch nicht zehn Jahre - und im Übrigen auch noch nicht acht Jahre - im Bundesgebiet befand, steht der Erlassung des Aufenthaltsverbotes weder § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 und 3 FrG noch § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. entgegen.

4. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.

5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 18. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000180232.X00

Im RIS seit

10.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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