TE UVS Wien 2012/06/11 MIX/V/42/7024/2012

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Veröffentlicht am 11.06.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch Mag. Kummernecker als Vorsitzenden, Mag. DDr. Tessar als Berichter und Mag. Burda als Beisitzerin über die Berufung der Verlassenschaft nach Nissen L., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Harry F., * gegen den Bescheid des Landeshauptmannes für Wien vom 23.4.2007, Zl.: MA 22 - 1668/07, mit welchem der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L. Kosten in der Höhe von EUR 15.416,62 auferlegt wurden

* gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, vom 10.5.2007, Zl.: MA 22- 1669/07, mit welchem der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L. Kosten in der Höhe von EUR 1.157.550,85 auferlegt wurden,

entschieden:

Gemäß § 38 AVG werden die Verfahren bis zur Entscheidung über die Beschwerde des Nachlasses des Herrn Nissen L., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Harry F., gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien, vom 24.2.2012, Zl. UVS-02/V/11/2655/2010-8, an den Verfassungsgerichtshof zur dortigen Zahl: B 370/12-2 ausgesetzt.

Text

I) Der Spruch des gegenständlich angefochtenen Bescheides im Verfahren

UVS-MIX/V/42/3183/2010 lautet wie folgt:

?Der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L., geb. 1930, gest. am 6.8.2006, vertreten durch die erbserklärten Erben Eduard L., geb. 1959, Ruth Be.., geb. 1961, Josef L., geb. 1963 und Elisabeth W., geb. 1970, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harry F., wird aufgetragen, die Kosten, die anlässlich der Durchführung von vom Landeshauptmann von Wien zur Beseitigung von Gefahr im Verzug angeordneten abfallpolizeilichen Sofortmaßnahmen auf dem Gelände der Abfallbehandlungsanlage in Wien, G.-gasse am 30. und am 31.5.2006 in der Höhe von EUR 15.416,62 entstanden sind, zu ersetzen.

Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides auf das Konto

Nr. 514..... der B., bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 62 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung.?

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung wurde im Hinblick auf die Parteistellung der Berufungswerberin im Wesentlichen vorgebracht, dass Herr Nissen L. grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaften EZ xxx1, Grundbuch Si. (Kaufvertrag vom 28.3.1985) und EZ xxx0 (vormals EZ xxx5) Grundbuch Si. (Kaufvertrag vom 1.2.1980) gewesen sei. Dieser sei am 6.8.2006 verstorben. Am 23.2.2007 sei von den Erben (daher Eduard L., Ruth Be.., Josef L. und Elisabeth W.) eine bedingte Erbserklärung abgegeben worden.

Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8.1.2008, UVS-MIX/42/5457/2007-4, wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Dieser Bescheid wurde aufgrund einer dagegen eingebrachten Beschwerde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.12.2008, B 428/08-8, aufgehoben, zumal die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei.

Begründend wurde in diesem Erkenntnis ausgeführt wie folgt:

?1. Die vorliegende Beschwerde entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2008 zugrunde liegenden, zu B 427/08 protokollierten Beschwerde derselben beschwerdeführenden Partei, mit der sie einen im Zusammenhang mit der behördlichen Durchführung (anderer) abfallpolizeilicher Sofortmaßnahmen in Bezug auf dieselbe Anlage ergangenen - vergleichbar begründeten - (Kostenvorschreibungs-) Bescheid des UVS bekämpfte.

2. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe des zu B 427/08 am 15. Dezember 2008 gefällten Erkenntnisses zu verweisen; aus diesem ergibt sich auch für den vorliegenden Fall, dass die beschwerdeführende Partei durch den nunmehr angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde und der Bescheid daher aufzuheben war.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von ? 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von ? 180,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs. 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.?

Von Herrn Nissen L. bzw. von dessen Nachlass wurde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die mündliche Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 AVG betreffend die auf der Liegenschaft des Einschreiters in Wien, G.-gasse, befindliche Abfallbehandlungsanlage am 24.5.2006 gegen den Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde beim erkennenden Senat eine Beschwerde eingebracht.

Mit Bescheid vom 11.1.2007, Zl. UVS-02/13/5729/2006, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien im ersten Rechtsgang die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Maßgeblich für diese Entscheidung war die Rechtsauffassung, der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin sei mit seiner Aufkündigung des Bestandsverhältnisses (durch Klage auf Räumung des Hauptgebäudes des Mietgegenstands samt damit verbundener Auflösungserklärung betreffend die Mietrechte der Ö. am Bestandobjekt, welcher durch Anerkenntnis der Gegenseite Rechnung getragen worden war) selbst zum Anlageninhaber im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes geworden. Mit Erkenntnis vom 15.12.2008, Zl. B 340/07 (verweisend auf E v 3.12.2008, Zl. B 1702/07), hat der Verfassungsgerichtshof den Bescheid mit der Begründung aufgehoben, dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien sei ?bei der Beurteilung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber ? und damit als (gemäß § 62 Abs. 4 AWG 2002 heranzuziehender) Adressat des maßgeblichen Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ? ein gravierender, den angefochtenen Bescheid mit Willkür belastender Begründungsfehler unterlaufen?. Die Rechtsansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien lasse nämlich eine nachvollziehbare Begründung vermissen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien legte daher mit Ersatzbescheid vom 3.3.2009, Zl. UVS-02/V/13/2468/2007 für die erneute Abweisung eine wesentlich erweiterte Begründung unter Berücksichtigung neuester Literatur vor. In seinem zweiten, nunmehr vorliegenden Erkenntnis vom 8.10.2009, Zl. B 508/09, begründet der Verfassungsgerichtshof die neuerliche Aufhebung damit, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Wien seine Bindung an das vorgenannte Erkenntnis missachtet habe. Unter Hinweis auf seine bisherige Judikatur (VfSlg. 14.898/1997, 16.651/2002 und 17.154/2004) führt er dazu aus, die Bindung erstrecke sich auch auf solche Fragen, die der Gerichtshof zwar nicht ausdrücklich behandelt habe, die aber eine notwendige Voraussetzung für den Inhalt seines aufhebenden Erkenntnisses darstellen. Im Verfahren Zl. UVS-02/V/13/4127/2009 wurde sodann der Beschwerde des Herrn Nissen L. bzw. seiner Verlassenschaft, vertreten durch Dr. Harry F., mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19.11.2009 gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die mündliche Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 AVG betreffend die auf der Liegenschaft des Einschreiters in Wien, G.-gasse, befindliche Abfallbehandlungsanlage am 24.5.2006 gegen den Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde, gemäß § 67c Abs. 3 AVG Folge gegeben und die angefochtene Anordnung für rechtswidrig erklärt.

Begründet wurde diese Entscheidung lediglich wie folgt:

?Aus dieser Begründung ergibt sich nun unmissverständlich, dass der Verfassungsgerichtshof die Rechtsmeinung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien nicht teilt. Der weiteren Entscheidung des UVS Wien ist die vom Verfassungsgerichtshof dargelegte Rechtsmeinung zu Grunde zu legen. Abzuleiten ist aus dem Erkenntnis ferner, dass der Verfassungsgerichtshof von einer materiellen Rechtsschutzgewährung ausgeht, weshalb weitere Überlegungen zur Zulässigkeit der Beschwerde zurückzustehen haben. Die zu Unrecht an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin als Anlageninhaber gerichtete Anordnung war daher für rechtswidrig zu erklären.?

II) Der Spruch des gegenständlich angefochtenen Bescheides im Verfahren GZ: UVS-MIX/V/42/5547/2007 lautet wie folgt:

?Der Verlassenschaft nach Herrn Nissen L., geb. 1930, gest. am 6.8.2006, vertreten durch die erbserklärten Erben Eduard L., geb. 1959, Ruth Be.., geb. 1961, Josef L., geb. 1963 und Elisabeth W., geb. 1970, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Harry F., wird aufgetragen, die Kosten, die anlässlich der Durchführung einer vom Landeshauptmann von Wien zur Beseitigung von Gefahr im Verzug angeordneten abfallpolizeilichen Sofortmaßnahmen auf dem Gelände der Abfallbehandlungsanlage in Wien, G.-gasse befindlichen Abfälle von 2.8.2006 bis 31.10.2006 in der Höhe von EUR 1.157.550,85 entstanden sind, zu ersetzen.

Dieser Betrag ist binnen zwei Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides auf das Konto

Nr. 514..... der B., bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 62 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung.?

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung wurde im Hinblick auf die Parteistellung der Berufungswerberin im Wesentlichen vorgebracht, dass Herr Nissen L. grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaften EZ xxx1, Grundbuch Si. (Kaufvertrag vom 28.3.1985) und EZ xxx0 (vormals EZ xxx5) Grundbuch Si. (Kaufvertrag vom 1.2.1980) gewesen sei. Dieser sei am 6.8.2006 verstorben. Am 23.2.2007 sei von den Erben (daher Eduard L., Ruth Be.., Josef L. und Elisabeth W.) eine bedingte Erbserklärung abgegeben worden.

Mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10.1.2008, UVS-MIX/42/5547/2007-20, wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Dieser Bescheid wurde aufgrund einer dagegen eingebrachten Beschwerde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15.12.2008, B 427/08-9, aufgehoben, zumal die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei.

Begründend wurde ausgeführt wie folgt:

?2. Bedenken gegen die den Bescheid tragende Rechtsvorschrift des § 62 Abs. 4 AWG 2002 wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass des vorliegenden Falles auch nicht entstanden (vgl. VfGH 3.12.2008, B 1702/07). Eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes liegt somit nicht vor.

3. Der Bescheid ist aber mit einem in die Verfassungssphäre reichenden - objektiver Willkür gleichzuhaltenden - Begründungsmangel behaftet:

Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit in die Verfassungssphäre reichende Willkür vorliegt, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen; dies kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im Einzelfall entnommen werden (zB VfSlg. 17.903/2006; VfGH 17.6.2008, B 1054/07 mwN). Ein objektiv willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. vor, wenn der angefochtene Bescheid etwa wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 11.436/1987, 12.030/1989, 14.394/1995), aber auch dann, wenn die Behörde in einem Bescheid Gründe anführt, denen in Wahrheit kein Begründungswert zukommt (zB VfSlg. 13.302/1992, 14.506/1996, 17.230/2004), oder dann, wenn die Behörde einen Bescheid ohne jede rechtliche Begründung erlässt (zB VfSlg. 15.987/2000). Ein vergleichbarer Fehler liegt hier vor.

Wie dargelegt (Pkt. 1.2.), knüpft der bekämpfte (Kostenersatz-)Bescheid u.a. an die Entscheidung des UVS vom 1. August 2007 an, mit der die Maßnahmenbeschwerde gegen die gemäß § 62 Abs. 4 AWG 2002 gegenüber dem Liegenschaftseigentümer unmittelbar angeordneten (und in der Folge behördlich durchgeführten) abfallpolizeilichen Aufträge abgewiesen wurde; der angeführte frühere Bescheid des UVS bildete sohin ein tragendes Begründungselement des nunmehr angefochtenen Bescheides (zur Bindungswirkung bei Erlassung des Kostenvorschreibungsbescheides vgl. VwGH 10.6.1997, 96/07/0106).

Die Kassation des Bescheides des UVS vom 1. August 2007 durch den Verfassungsgerichtshof (Pkt. 1.1.) hat bewirkt, dass eine entscheidungswesentliche Grundlage des vorliegenden Kostenersatzbescheides weggefallen ist. Dieser Wegfall bewirkt eine gravierende Begründungslücke des bekämpften Bescheides, die (auch wenn sie der belangten Behörde subjektiv nicht vorzuwerfen ist) objektiver Willkür gleichkommt, welche der Verfassungsgerichtshof aufzugreifen hat (vgl. auch VfSlg. 15.448/1999).

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass auf die Beschwerdeeinwände weiter eingegangen werden musste.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von ? 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG enthalten.?.

Der Nachlass nach Nissen L. brachte gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt infolge der Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 AWG am 2.8.2006, in einer Abfallbehandlungsanlage auf der im Nachlass befindlichen Liegenschaft in Wien, G.-gasse, durch die Magistratsabteilung 22 ? Wiener Umweltschutzabteilung, Landeshauptmann von Wien, beim erkennenden Senat eine Beschwerde ein.

Diese Beschwerde wurde durch den Bescheid des erkennenden Senats vom 10.9.2007, Zl. UVS-02/V/11/7363/2006, abgewiesen

Mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom 10.9.2007 wurde der Bescheid des ersten Verfahrensganges vom 1.8.2007 aufgrund des Erkenntnisses zu B 1702/07 vom 3.12.2008 wegen Verletzung des Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben. Die Begründungselemente für die Bejahung der Zulässigkeit der Heranziehung des Liegenschaftseigentümers als Anlageninhaber wurden vom Verfassungsgerichtshof als nicht hinreichend plausibel erkannt.

Im Verfahren GZ: UVS-02/V/11/8274/2007 wurde mit Bescheid des Unabhängigen

Verwaltungssenates Wien, vom 21.4.2009, Zl.: UVS-02/V/11/8274/2009, die Beschwerde des Nachlasses des Herrn Nissen L., vertreten durch Dr. Harry F., Rechtsanwalt, gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG, wegen behaupteter rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 AWG am 2.8.2006, in einer Abfallbehandlungsanlage auf der im Nachlass befindlichen Liegenschaft in Wien, G.-gasse, angeordnet von der Magistratsabteilung 22 ? Wiener Umweltschutzabteilung, Landeshauptmann von Wien, gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Diese abweisende Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu B 641/09 mit der Feststellung der Gleichheitswidrigkeit aufgehoben, als der Beschwerdeführer nicht als Anlageninhaber nach GewO und Abfallwirtschaftsgesetz 2002 anzusehen wäre. Im Folgeverfahren wurde mit Bescheid vom 25.1.2010, Zl. UVS-02/V/11/5596/2009, die fehlende Eigenschaft als Anlageninhaber für eine Zurückweisung der Beschwerde vom 12.9.2006 herangezogen.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis zur Zl. 2010/07/0032 aus, dass für die Beschwerdelegitimation die Möglichkeit der Verletzung eines subjektiven Rechts ausreiche, sodass der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt worden sei.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 25.2.2012, Zl.:

UVS-02/V/11/2655/2010-8, wurde die Beschwerde des Nachlasses des Herrn Nissen L., vertreten durch Dr. Harry F., Rechtsanwalt, gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG, wegen behaupteter rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 62 Abs. 4 AWG am 2.8.2006, in einer Abfallbehandlungsanlage auf der im Nachlass befindlichen Liegenschaft in Wien, G.-gasse, angeordnet von der Magistratsabteilung 22 ? Wiener Umweltschutzabteilung, Landeshauptmann von Wien, gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wurde beim Verfassungsgerichtshof zur dortigen Zahl: B 370/12

eine Beschwerde eingebracht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde grundsätzlich berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

In den gegenständlichen Verfahren stellt die Frage, ob die jeweiligen Entsorgungshandlungen der Erstbehörde als rechtmäßig auf § 62 Abs. 4 AWG gestützte Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt einzustufen sind, eine wesentliche Vorfrage dar.

Beiden Verfahren liegt im Ergebnis dieselbe Sachverhaltskonstellation bezüglich dieser Vorfragenklärung zugrunde; zumal jedes Mal von der Erstbehörde unstrittig hochgiftige und teilweise auch radioaktive Stoffe wegen der Annahme des Vorliegens einer Gefahr in Verzug entsorgt wurden.

In der einerseits von Herrn Nissen L. und andererseits durch dessen Verlassenschaft beim erkennenden Senat eingebrachten Beschwerde gegen diese beiden Entsorgungsmaßnahmen wurde nicht bestritten, dass hochgiftige und teilweise auch radioaktive Stoffe wegen der Annahme des Vorliegens einer Gefahr in Verzug entsorgt wurden und dass auch tatsächlich eine Gefahr in Verzug vorgelegen war. Bestritten wurde jeweils nur der Umstand, dass Herr Nissen L. zu den beiden Entsorgungszeitpunkten als Abfallanlageninhaber einzustufen war. Eine Abfallanlageninhabereigenschaft wie auch eine Inhaberschaft oder eine Eigentümerschaft an den gegenständlich entsorgten Gegenständen wurde von Herrn Nissen L. jeweils mit dem Argument bestritten, dass Herr Nissen L. niemals die gegenständliche Abfallbehandlungsanlage aktiv betrieben hatte. Aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof im Einzelfall vertretenen Ansicht hatte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aufgrund der Gebundenheit an die tragenden Ausführungen einer aufhebenden Entscheidung im Einzelfall in beiden Beschwerdeverfahren davon auszugehen, dass Herr Nissen L. nicht als ein Abfallanlageninhaber i.S.d. § 62 Abs. 4 AWG anzusehen war. Trotz der Gleichartigkeit der Sachverhalte, der Gleichartigkeit der in jedem der Verfahren zu beurteilenden Rechtsfrage, und der Gleichartigkeit der Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs, welche den beiden Beschwerdeverfahren im Einzelfall zugrunde gelegen sind, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien in völlig divergierender Weise über die beiden Beschwerden entschieden. Im Verfahren UVS-02/V/13/4127/2009 wurde ohne irgendeine nähere Begründung, und sohin de facto begründungslos, davon ausgegangen, dass jeder Eigentümer einer Liegenschaft, auf welcher sich eine Abfallbehandlungsanlage befindet, der nicht als Abfallanlageninhaber i.S.d. § 66 Abs. 4 AWG einzustufen ist und welcher auch nicht einmal behauptet, Inhaber (oder gar Eigentümer) von bestimmten entsorgten Sachen zu sein, stets in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt wird, wenn bewegliche Sachen, welche in die jeweilige Abfallanlage, deren Inhaber und Eigentümer diese Person ja gar nicht ist, eingebracht worden sind, wegen Gefahr für Leib und Leben entsorgt worden sind. Diese Entscheidung gelangt daher zum Ergebnis, dass jemand selbst dann in seinen verfassungsrechtlich gewährten Rechten verletzt ist, wenn bewegliche Sachen, welche in eine Abfallanlage eingebracht worden sind, wegen Gefahr für Leib und Leben entsorgt worden sind, wenn diese Person weder Inhaber noch Eigentümer der jeweiligen entfernten Sachen noch Inhaber der jeweiligen Abfallbehandlungsanlage ist. Durch diese Entscheidung des erkennenden Senats wird daher jemandem ein subjektives Recht im Hinblick auf bewegliche Sachen, zu denen er keinerlei rechtlichen Bezug hat (zumal diese Sachen weder von diesem innegehabt werden, noch diese in dessen Eigentum stehen, und zumal dieser ja auch nicht Anlageninhaber dieser in die Anlage eingebrachten Sache ist) zuerkannt. Nach dem Tenor dieser Entscheidung dürfen solche Sachen, zu welchen der Grundeigentümer selbst nach seinem eigenen Vorbringen keinerlei Bezug hat, auch dann nicht entfernt werden, wenn von diesen Sachen eine lebensbedrohliche oder tödliche Gefahr für Menschenleben ausgeht. Nach dem Tenor dieser Entscheidung ist daher die Behörde niemals befugt, solche Sachen zu entfernen, selbst wenn von diesen eine todbringende und umweltzerstörerische Gefahr ausgeht. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt der erkennende Senat durch den bloßen Hinweis auf die diese rechtliche Auslegung gebietende verfassungsgerichtliche Judikatur.

Diese offensichtlich verfehlte und keinesfalls mit der Rechtsordnung (insbesondere dem EU-Recht) in Einklang zu bringende Rechtsansicht wurde zutreffend vom anderen Mitglied des erkennenden Senats, welches über die andere Beschwerde zu erkennen hatte, nicht geteilt.

Im zu dieser Beschwerde zuletzt erlassenen Bescheid vom 24.2.2012, Zl. 02/V/11/2655/2010, wurde vom erkennenden Senat die Beschwerde mit nachfolgender Begründung abgewiesen:

?Auf Basis der im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007 aufgenommenen Beweise, sowie der im Vorfeld erstatteten Beschwerdeeingaben vom 12.9.2006, Gegenschrift vom 30.10.2006, sowie der in Entsprechung der Verfahrensanordnung vom 23.1.2009 ergangenen beiderseitigen Stellungnahmen trifft der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nachstehende Sachentscheidung:

Es ist festzustellen, dass die im Zuge von Betretungen des Anlagengeländes am 24.5.2006 und 2.8.2006 festgestellten schweren Missstände von beiden Verfahrensparteien nicht bestritten werden. Weder in den schriftlichen Darlegungen noch im Zuge der abgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung. Auch ist festzustellen, dass seitens der belangten Behörde in zwei Ortsverhandlungen der schwere Missstand nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 im Beisein des Bf (bzw. des nunmehrigen Nachlasses) amtlich aufgenommen wurden. Es wurde auch nicht in Abrede gestellt, dass in beiden Ortsverhandlungen vom 24.5.2006 und 2.8.2006 der (vormalige) Bf erklärt hatte, behördlichen Anordnungen keineswegs zu entsprechen. Auf Basis des unbestrittenen schweren Missstandes, festgestellt durch die von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen der Magistratsabteilungen 36, 30, 45 und 22 mit Revisionsbefund vom 24.5.2006 und Ortsaugenschein vom 2.8.2006, war somit die belangte Behörde vertretbarerweise zur Setzung der bekämpften Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dringend verhalten und berechtigt, wobei sie vertretbarerweise von Gefahr im Verzug ausgehen konnte, um durch die bekämpften Maßnahmen der Beseitigung und Ausdehnung der Missstände entgegen zu wirken.

Unstrittig wurde der bekämpfte Verwaltungsakt auf dem Gelände der Bf gesetzt, worauf die gefährlichen Abfälle lagerten. Eine unverzügliche bescheidmäßige Umsetzung durch den Masseverwalter als auch durch den / die Bf war nicht gegeben.

Beweiswürdigung:

Es ist festzustellen, dass diesem aktenmäßig feststehenden Inhalt weder seitens der beschwerdeführenden Partei (gegenständlich in Form des Nachlasses und der anwaltlichen Vertretung) noch seitens der Magistratsabteilung 22 entgegen getreten wurde. Aus der Aktenführung der belangten Behörde, vorgelegt im Zuge der Gegenschrift zu MA 22-3256/2005, sind die in der Sachverhaltsfeststellung einbezogenen Umstände der amtlichen Revision vom 24.5.2006 unter Beiziehung mehrerer Sachverständiger, die (wenn auch illegale) Betretung des Grundstückes durch Global 2000 im Juli 2007 (zu vier konkret genannten Tatzeitpunkten), sowie letztlich der Ortsaugenschein vom 2.8.2008 umfassend dokumentiert und nachvollziehbar und wurde seitens der Bf keinem dieser Umstände und schweren Missständen nach dem AWG, insbesondere auch nicht in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007, widersprochen. Die massiv (jedenfalls) umweltgefährdenden Missstände, mitunter auch lebensgefährdenden Fakten, waren somit festzustellen und zugrunde zu legen. Jegliche, somit auch unverzügliche Abhilfe, hatte der Bf nachweislich und unbestritten verweigert. Eine unverzügliche Abhilfe durch den Masseverwalter schied ebenso aus. Dies folgt aus den einbezogenen Akten. (Aktenvorlage der MA 22) Gefahr im Verzuge nach § 62 Abs 4 AWG lag somit vor und verpflichtete die Aufsichtsbehörde zum unverzüglichen Handeln.

Rechtliche Beurteilung:

§ 62 AWG lautet

(1) Die Behörde hat Behandlungsanlagen, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig sind, längstens alle fünf Jahre zu überprüfen.

(2) Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde - unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens - den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.

(2a) Ist es offenkundig, dass eine Behandlungsanlage ohne Genehmigung betrieben wird oder der Inhaber der Behandlungsanlage gefährliche Abfälle sammelt oder behandelt, ohne über eine Erlaubnis gemäß § 24a zu verfügen, hat die Behörde ohne vorausgehendes Verfahren die Schließung des gesamten der Rechtsordnung nicht entsprechenden Betriebs bescheidmäßig zu verfügen.

(2b) Wird durch den Betrieb einer Behandlungsanlage die Gesundheit, das Leben oder das Eigentum eines Dritten gefährdet, hat die Behörde ohne vorausgehendes Verfahren die erforderlichen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, bescheidmäßig zu verfügen.(2c) Die Bescheide gemäß Abs. 2a oder 2b sind sofort vollstreckbar. Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 2, 2a oder 2b nicht mehr vor, so hat die Behörde die getroffenen Maßnahmen ehestmöglich zu widerrufen.

(3) Ergibt sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 44, 52 oder 54, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzepts, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebs.

(4) Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die geeigneten Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Inhaber der Behandlungsanlage nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

(5) Maßnahmen gemäß Abs. 2 bis 4 bedürfen keiner Bewilligung oder Genehmigung nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften.

(6) Die nach den §§ 43 Abs. 4, 44, 52 Abs. 5 oder 54 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen sind auf Antrag mit Bescheid aufzuheben oder abzuändern, wenn und soweit die Voraussetzungen für ihre Vorschreibung nicht mehr vorliegen. Dies gilt auch für Aufträge gemäß § 51.

(7) Werden vom Anlageninhaber bei einer Unterbrechung oder bei der Einstellung des Betriebs nicht die zur Vermeidung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen erforderlichen Maßnahmen gesetzt, hat die zuständige Behörde diese bescheidmäßig aufzutragen. Der Bescheid ist sofort vollstreckbar.

Im Lichte des Erkenntnis des VwGH vom 10.11.2011, zur Zahl: 2010/07/0032 im Verband mit den Ausführungen des VfGH im genannten Erkenntnis zu B 641/09 vom 30.11.2009, der das Vorliegen des Anlagenbetreibers in Bezug auf den Bf (bzw. die nunmehrige Verlassenschaft) verneinte, ist die zu beurteilende Maßnahme gegen die beschwerdeführende Verlassenschaft (bzw. den vormaligen Bf) anhand dessen Eigenschaft als Eigentümer zu beurteilen.

Unzweifelhaft fanden der genannte Ortsaugenschein wg der gelagerten gefährlichen Abfälle vom 2.8.2006 am Anwesen und im Beisein des (vormaligen) Bf statt. Die Beschwerdelegitimation wird vom VwGH im genannten Erkenntnis bejaht. Der rechtlichen Beurteilung der auf Basis des AWG 2002 von der belangten Behörde zu setzenden Maßnahmen ist somit die ex ante Betrachtung der Vertretbarkeit der bekämpften Maßnahme zu Grunde zu legen (ungeachtet, ob diese gegen den Anlageninhaber oder gegen den Eigentümer, der sich dadurch in seinem subjektiven Recht verletzt fühlt, gesetzt wurden). Zufolge der von Global 2000, als auch von der belangten Behörde in der Revision vom 24.5.2006 sowie Ortsaugenschein vom 2.8.2006 festgestellten schweren Missstände, war der begründete Verdacht vertretbar zugrunde zu legen, dass einerseits Gefahr im Verzug vorliegt bzw. andererseits die bekämpften Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu setzen waren, um weiteren Missständen vorzubeugen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich der Bf gegenüber der belangten Behörde im Zuge der Ortsverhandlung vom 24.5.2006 und 2.8.2006 ausdrücklich weigerte, aus eigenem der erheblichen Beeinträchtigung von Umwelt und Gesundheit von Menschen entgegen zu treten oder geeignete Abhilfe zu schaffen. (zu ex ante Betrachtungsweise, VfGH G 164/08, G 138/05, B 140/08 et al)

Es ist jedoch festzustellen, dass in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007 die beschwerdeführende Partei ausschließlich darauf Bezug nahm, dass die bekämpfte Anordnung vom 2.8.2006 nur als rechtmäßig zu betrachten wäre, wenn sie verhältnismäßig und wirtschaftlich zumutbar wäre und hatte dies der BfV wie folgt begründet:

-

Der Liegenschaftseigentümer hat dem anordnungsgegenständlichen Zustand nie zugestimmt; der Zustand wurde auch nicht geduldet. Als Abwehrmaßnahme wurde eine Räumungsklage eingebracht.

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Der mit der verfahrensgegenständlichen Anordnung verbundene Aufwand übersteigt die vom Eigentümer lukrierten Mietzinseinnahmen deutlich, insbesondere, weil der Eigentümer bereits seit Jahren kein Mietentgelt von der Mieterin mehr bezogen hat. Die Summe der Mietzinseinnahmen ist aber auch nicht mit dem aus dem Eigentum gezogenen Nutzen gleichzusetzen. Von der Summe der tatsächlichen Mietzinseinnahmen müssen die geleisteten Steuern, der geleistete Kaufpreis, der Erhaltungsaufwand und die Abnutzung der Gebäude abgezogen werden.

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Der anordnungsgegenständliche Zustand war weitestgehend konsenslos, der Eigentümer hat daraus keinerlei Nutzen gezogen.

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Die Behörde hätte der Mieterin die Beseitigung des konsenslosen Zustandes längst auftragen müssen und können.

Hinzu kommen die schriftlichen Einwände vom 12.9.2006, dass § 62 Abs. 4 leg cit in der Phase der Liquidation nicht anzuwenden sei und der/die Bf nicht Anlageninhaber(in) sei.

Es ist idZ zu rekapitulieren:

Bereits damals war dem Beschwerdeführervertreter mitgeteilt worden, dass die wirtschaftliche Zumutbarkeit kein Kriterium der Beurteilung einer Zwangsmaßnahme in Umsetzung von Gefahr im Verzug mit öffentlich rechtlichem Sicherungsauftrag sein kann, ebenso wenig die vom Beschwerdeführervertreter relevierte Kostenübersteigung der Zwangsmaßnahme.

Vor allem zu dem zivilrechtlichen Aspekt der Räumungsklage ist auszuführen, dass der VfGH im genannten aufhebenden Erkenntnis in seiner vertretenen Rechtsauffassung die Innehabung der gegenständlichen Anlage durch den/die Bf verneinte. Die hiezu im Bescheid vom 21.4.2009 zu UVS-02/V/11/8274/2007 dargelegten rechtlichen Ausführungen (samt Literaturnachweis) werden deshalb in die nunmehrige Entscheidung nicht mehr einbezogen.

Wie gegenständlich festgestellt, bestand jedoch der schwere Missstand auf dem im Eigentum des (damaligen) Bf stehenden Areal, worauf jedoch die belangte Behörde zufolge evident vorliegender schwerer Missstände zum Einschreiten verpflichtet war und vertretbarerweise auf Basis des AWG 2002 die bekämpften Maßnahmen zu setzen waren.

Der in die subjektive Rechtsphäre des Bf (lt VwGH als Eigentümer der Liegenschaft) gesetzte Verwaltungsakt ist daher jedenfalls als rechtmäßig zu bewerten, diesbezüglich war den Ausführung der belangten Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007 zu folgen, als diese die Gefahr im Verzug ausführlich darlegte und auch argumentierte, dass dies von der beschwerdeführenden Seite nie bestritten wurde. Seitens des Bf war sogar der Vorwurf der Untätigkeit (wegen allfälligen Fehlens früherer Maßnahmen durch die belangte Behörde) erhoben worden und hatte auch diesem Einwand die belangte Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung dahingehend widersprochen, dass das AWG 2002 erst verpflichtende Anlagenüberprüfung im Intervall von fünf Jahren vorsehe. Gegenständlich wären jedoch Überprüfungen 2001, 2002, 2004 und 2005 erfolgt, ein Umstand dem der Beschwerdeführervertreter nicht entgegen trat. Auch dem Einwand des Beschwerdeführervertreters, ein Wachdienst vor Ort hätte genügt um Gefahr abzuwehren, entgegnete die belangte Behörde glaubwürdig und schlüssig in der genannten öffentlichen mündlichen Verhandlung, dass dadurch die Gefahr nur prolongiert und nicht effektiv abgewehrt werden hätte können. Die erkennende Behörde vermag auch nicht zu erkennen, dass die wg begründeter Gefahr im Verzug offenkundig dringend erforderlichen Sofortmaßnahmen einschließlich der bekämpften zwangsweisen Durchsetzung etwa nicht auf Basis des § 62 Abs. 4 AWG 2002 ergehen hätten sollen. Dieser nicht näher präzisierte schriftliche Einwand wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch nicht mehr vom BfV erörtert oder aufrechterhalten, vor allem angesichts der schlüssigen Darlegung der belangten Behörde zum dringenden Erfordernis, zur Verhältnismäßigkeit und - folglich Weigerung des Bf - Verpflichtung der Behörde zu zwangsweiser Durchsetzung der ggstdl zu beurteilenden Maßnahmen.

Den erläuternden Bemerkungen zum AWG, BGBl. I Nr. 102/2002, BlgNR RV 984, GP XXI ist zu der ggstdl Ermächtigungsnorm keinerlei Einschränkung iS der Einwände des BfV zu entnehmen. (?Gemäß Artikel 13 der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle sind Anlagen oder Unternehmen, die Abfälle behandeln, von der Behörde regelmäßig angemessen zu überprüfen. Mit § 62 Abs. 1 wird diese Bestimmung umgesetzt. Die Empfehlung 2001/331/EG zur Festlegung von Mindestkriterien für Umweltinspektionen ist in Bezug auf eine Effizienzsteigerung der Überprüfungstätigkeit zu berücksichtigen. Bei Maßnahmen gemäß Abs. 4 besteht die Möglichkeit Beschwerde beim UVS zu erheben, daher wird eine zusätzliche Bescheiderlassung nicht als erforderlich angesehen?; AB 1008 S. 94. ibidem.)

Dem Einwand der zu verneinenden Anlageninnehabung trug der VfGH im genannten Erkenntnis Rechnung, dieser Umstand ist zufolge der Rechtsauffassung des VfGH rechtlich bindend und die gewerberechtliche Zuordnung der Anlagen-Innehabung der gegenständlich bekämpften Maßnahme daher nicht mehr zugrunde zu legen. Die StenProt der BlgNr 984, XXI GP lassen iS der Argumentation des BfV keine Einschränkung erkennen.

Die zivilrechtl Frage des Konkurses hat hierauf keinen Einfluß; der öffentlich rechtliche Auftrag der Gefahrenabwehr hat auch im Konkursverfahren Vorrang. Der vom BfV geltend gemachten Rüge der fehlenden Ermächtigung nach § 62 Abs 4 AWG 2002, mit dem Einwand, der konsenswidrige Zustand hätte nicht vorgelegen, da sich die ggstdl Abfallbehandlungsanlage in der Auflassung befunden hätte, unterlegt mit Einwendungen gegen die Verhältnismäßigkeit der bekämpften Maßnahme, ist entgegen zu halten, dass der aus der genannten Norm erfließende Sicherungsauftrag der belangten Behörde nicht an zivil- oder konkursrechtliche Stadien der betreibenden Gesellschaft gebunden sein kann. Folgte man derlei rechtlichen Auslegungen würde hoheitliche Gebarung in Form jeglicher Sicherungsverpflichtung von, womöglich zufälligen, gesellschaftsrechtlichen Konstellationen abhängig gemacht. Sicherungsmaßnahmen im Baurecht, der GewO, dem GGBG, dem BankwesenG, oder ggstdl dem AWG können nach der Intention des Gesetzgebers in Bezug auf die Begriffsbestimmung der Gefahr im Verzug nicht der zivilrechtlichen Disposition oder Zufälligkeit unterliegen oder anheim gestellt werden. (Zu Gefahr im Verzug etwa VwSlg 6485 F/1990, VwGH 26. Jänner 1989, Zl. 88/16/0199, ebenso 25. Jänner 1990, Zl. 89/16/0163, siehe auch VwGH 2009/07/0110 v 26.01.2011 zur unmittelbaren Verpflichtung der Wasserrechtsbehörde gem § 31 Abs 3 WRG). Der Normierung des § 62 Abs 4 AWG 2002 hatte die belangte Behörde angesichts der massiven Gefahrensituation unverzüglich, i.e. ohne (weitere) bescheidmäßige Anordnung, und durch unmittelbare Durchsetzung zu entsprechen. Die erkennende Behörde sieht somit keinen gewichtigen Einwand gegen die Vertretbarkeit der bekämpften Zwangsmaßnahme zum beschwerdegegenständlichen Zeitpunkt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war. 2.3.] Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass allenfalls im Lichte der eingangs wiedergegebenen Judikatur des VfGH zum Begriff des Anlageninhabers die Frage der Kostenvorschreibung für den ggstdl beurteilten Akt unmittelbarer Zwangsgewalt abweichend zu beurteilen sein wird.?

Es liegt auf der Hand, dass nach der österreichischen Rechtsordnung die den beiden Beschwerdeverfahren zugrunde gelegenen identen Rechtsfragen nicht divergent gelöst werden können.

Durch die gegenständliche Beschwerde wurde nunmehr der Verfassungsgerichtshof befugt, die diesen beiden Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Rechtsfrage zu lösen.

In Anbetracht dieses Umstands stellt diese abzuwartende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zwingend auch eine Vorfrage im Verfahren UVS-MIX/V/42/5547/2007 dar.

Der erkennende Senat gelangt aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation aber auch zum Ergebnis, dass diese abzuwartende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch eine Vorfrage im Verfahren UVS-MIX/42/5457/2007 darstellt. Nach Ansicht des erkennenden Senats gebietet es nämlich das rechtsstaatliche Prinzip, dass die rechtliche Beurteilung einer konkreten Rechtsfrage durch das zuständige Höchstgericht in allen Verfahren zugrunde zu legen ist, bei welchen dieselbe konkrete Beurteilung der konkreten Rechtsfrage entscheidungswesentlich ist (vgl. dazu näher Tessar, Der Stufenbau der rechtlichen Autorität [2010]). Es muss nämlich davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgesetzgeber die rechtliche Relevanz eines offenkundig rechtlich verfehlten Bescheidausspruchs (insbesondere im Falle der Klärung der in diesem verfehlten Bescheidspruch behandelten Rechtsfrage durch das zuständige Höchstgericht) nicht über die im jeweiligen Verfahren ergangene, rechtskräftige Entscheidung hinaus auch auf andere Verfahren erstrecken wollte. Solch ein Inhalt vermag nach Ansicht des erkennenden Senats bei Zugrundelegung einer verfassungskonformen Interpretation des § 38 AVG nicht unterstellt zu werden. Der Verfassungsgesetzgeber ist nach Ansicht des belangten Senats nämlich davon ausgegangen, dass ein zu einer Vorfrage ergangener Bescheid, welcher absolut rechtswidrig ist, zumindest im Hinblick auf die Relevanz dieses Bescheides für weitere Verfahren von Amts wegen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 oder 3 oder 4 AVG behoben werden wird.

Insofern ist davon auszugehen, dass auch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien den Bescheid zur Zahl UVS-02/V/13/4127/2009 aufzuheben hat, wenn der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringt, dass dieser Bescheid absolut rechtswidrig war.

Schon aus diesem Grunde muss davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs mittelbar auch eine Bindungswirkung bezüglich des Verfahrens UVS-02/V/13/4127/2009 entfaltet. So gesehen stellt aber die abzuwartende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs auch eine Vorfragenentscheidung für den dem Verfahren UVS-02/V/13/4127/2009 zugrunde gelegenen, für das gegenständliche Verfahren eine Vorfrage bildenden Entscheidungsgegenstand dar. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde des Nachlasses des Herr Nissen L., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Harry F., gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24.2.2012, Zl. UVS-02/V/11/2655/2010-8, stellt somit für die beiden gegenständlichen Verfahren eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG dar. Es erscheint daher zweckmäßig, die Berufungsverfahren hinsichtlich der beiden gegenständlichen Verfahren bis zu dieser Entscheidung auszusetzen.

Zuletzt aktualisiert am
16.07.2012
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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