TE UVS Steiermark 2012/06/28 30.13-94/2011

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Veröffentlicht am 28.06.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Barbara Lehofer-Pfiffner über die Berufung des Herrn Ing. F P, geb. am, vertreten durch Pi M-Me S Rechtsanwälte GmbH, Gst, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 31.08.2011, GZ.: BHVO-15.1-4645/2011, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten als Verantwortlichem der Firma F P in E vorgeworfen, folgende Übertretung zu verantworten zu haben: Anlässlich einer Unfallerhebung am 02.05.2011 durch das Arbeitsinspektorat Graz sei festgestellt worden, dass auf dem Lkw mit dem Kennzeichen eine Ladebordwand verwendet wurde, ohne dass diese zeitgerecht überprüft worden sei. Wegen Verletzung des § 8 Abs 1 Z 6 Arbeitsmittelverordnung wurde gemäß § 130 Abs 1 ASchG eine Geldstrafe in Höhe von ? 1.000,00 (2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

 

In der durch den rechtsfreundlich vertretenen Beschuldigten rechtzeitig erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen eingewandt, dass es sich bei der gegenständlichen Vorrichtung um keine Ladebordwand im Sinne des § 8 Abs 1 Z 6 AM-VO handle, sondern um eine Schließhilfe zur Bedienungserleichterung der Heckklappe. Diese stelle kein Arbeitsmittel dar, das einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen sei.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:

 

Gemäß § 51 e Abs 2 Z 1 VStG konnte eine Verhandlung entfallen, da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Auf Grund des vorliegenden Akteninhaltes der Behörde erster Instanz in Verbindung mit umfangreichen Erhebungen der Berufungsbehörde ist von folgendem verfahrensrelevanten Sachverhalt auszugehen:

 

Der Berufungswerber ist Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Lkw der Marke Scania, mit dem behördlichen Kennzeichen. Dieser für den Viehtransport verwendete Lkw verfügt über einen geschlossenen Kastenaufbau. Der Lkw war mit einer kippbaren Laderampe des Herstellers Pezzaioli ausgestattet, welche hinter der Tür der Heckwand montiert war, wobei das Absenken der Rampe mittels einer Hydraulikanlage erfolgte.

 

Am 06.01.2011 tauschte der Arbeitnehmer des Berufungswerbers A H zwei Schläuche der Hydraulik der Heckklappe des Lkw aus. Am 07.01.2011 versuchte eine Reinigungskraft die Heckklappe zu öffnen, um den Innenraum des Kastenaufbaus zu reinigen. Dabei senkte sich die Heckklappe schlagartig nach unten und verletzte die Arbeitnehmerin schwer. In der Folge kam es zu GZ.: 3U89/11z zu einem gerichtlichen Strafverfahren beim Bezirksgericht Judenburg gegen A H wegen fahrlässiger Körperverletzung. In diesem wurde vom Angeklagten ein Privatgutachten von DI Dr. Ha W vorgelegt und weiters seitens des BG Judenburg Univ.-Doz. DI Dr. He Pö mit einer Gutachtenserstellung beauftragt. Nach Durchführung einer Hauptverhandlung und nach Vorliegen des Gutachtens von DI Dr. Pö wurde seitens der Staatsanwaltschaft Leoben am 03.11.2011 der Strafantrag gegen A H zurückgezogen.

 

Aus Anlass der Erhebungen in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 07.01.2011 stellte das Arbeitsinspektorat L am 13.05.2011 einen Strafantrag wegen Verletzung der Arbeitsmittelverordnung, der zum gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren führte.

 

Beweiswürdigend ist auszuführen, dass zur Frage, ob im Anlassfall eine Ladebordwand vorlag, seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark äußerst umfangreiche Erhebungen getätigt wurden. Nachdem das Arbeitsinspektorat L in einer Stellungnahme zum Berufungsvorbringen vom 17.10.2011 dabei blieb, dass die gegenständliche Heckklappe gleichzeitig eine unter die Prüfbestimmungen der Arbeitsmittelverordnung fallende Ladebordwand darstelle, wurde der Berufungswerber aufgefordert, sämtliche relevanten Unterlagen betreffend die gegenständliche Vorrichtung, wie beispielsweise Herstellerinformationen, Bedienungsanleitungen etc. vorzulegen. In der Folge wurden lediglich die beiden im Gerichtsverfahren gegen A H erstellten Sachverständigengutachten von DI Dr. W und DI Dr. Pö übermittelt. Erst nach einer nochmaligen Aufforderung kam der Berufungswerber dem Ersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark nach und legte mit Schriftsatz vom 22.12.2011 den Einzelgenehmigungsbescheid und einen Prüfbericht des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung betreffend den gegenständlichen Lkw sowie eine Funktionsbeschreibung der Laderampe vor. Der Akt des BG Judenburg, GZ.: 3U89/11z, wurde beigeschafft und langte am 23.01.2012 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein. Die vom Berufungswerber vorgelegten Urkunden betreffend das Fahrzeug und die Laderampe wurden dem Arbeitsinspektorat L zur Kenntnis gebracht und es erging das Ersuchen, insbesondere darauf einzugehen, dass in den vorliegenden Gutachten und Urkunden nur die Begriffe Laderampe und Heckklappe verwendet werden. Mit Stellungnahme vom 04.05.2012 hielt das Arbeitsinspektorat L unter näheren Ausführungen im Wesentlichen seine Ansicht aufrecht, dass die gegenständliche Laderampe eine kraftbetriebene Ladebordwand darstelle.

 

In der Folge nahm das für die Entscheidung zuständige Senatsmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark mit der Herstellerfirma der Laderampe C Pez s.r.l. schriftlich und telefonisch Kontakt auf. Der unter anderem für den Markt in Österreich Verantwortliche des Unternehmens, J Sch, gab nachvollziehbar an, dass es sich im Anlassfall nicht um eine Ladebordwand, sondern um eine klappbare bzw. kippbare Laderampe handle und erläuterte dazu, dass eine Ladebordwand gleichzeitig als Heckwand diene, während eine Laderampe einen zusätzlichen Aufbau hinter der Heckwand darstelle.

 

Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30.05.2011 wurde dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz der Sachverhalt unter Beifügung der relevanten Unterlagen geschildert und um eine Stellungnahme ersucht, welche am 11.06.2012 einlangte.

 

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

 

Gemäß § 8 Abs 1 Z 6 Arbeitsmittel-Verordnung - AM-VO sind auf Fahrzeugen aufgebaute Ladebordwände mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen.

 

Im Verfahren wurde bestritten, dass die beim gegenständlichen Lkw angebrachte Laderampe eine Ladebordwand und somit ein Arbeitsmittel sei, das gemäß dieser Bestimmung einer wiederkehrenden Überprüfung zu unterziehen ist.

 

Die umfangreichen Erhebungen haben gezeigt, dass im Anlassfall eine kippbare Laderampe mit hydraulischer Öffnung vorliegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seiner Stellungnahme vom 11.06.2012 Folgendes ausgeführt:

 

1. Zur Begriffsbestimmung Ladebordwände

Für die nähere Bestimmung des Begriffs Ladebordwand muss mangels Definition in der AM-VO auf andere technische Regelwerke zurückgegriffen werden:

Der in der AM-VO verwendete Begriff Ladebordwände steht in Übereinstimmung mit Merkblatt M 843 Ladebordwände der AUVA. Link:

http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/channel_content/cmsWindow?action=2&p_ menuid=63489&p_tabid=5&p_pubid=2828

Zum Begriff heißt es dort: Ladebordwände sind plattenförmige Hubeinrichtungen, die am Fahrzeug montiert sind. Sie erleichtern das Be- und Entladen von Stückgütern auf Lastkraftwagen und Anhängern. In vielen Fällen ist die Ladebordwand zugleich Hubbühne und Verschlusselement.

Bestimmendes Element ist hier die Funktion Hubeinrichtung. Im Merkblatt M 843 der AUVA wird auf die ÖNORM EN 1756 - 1: Hubladebühnen - Plattformhilfe für die Anbringung an Radfahrzeugen - Sicherheitsanforderungen/Teil 1: Hubladebühnen für Güter verwiesen.Bewegliche Teile von Fahrzeugaufbauten, die kleine Hubfunktion haben, sind daher nicht als Ladebordwände (AM-VO) bzw. als Hubladebühne (EN 1756-1) aufzufassen. § 8 Abs. 1 Z 6 AM-VO ist nicht anzuwenden.

 

2. Laderampen - Anwendung der AM-VO

Laderampen ohne Hubfunktion (hier: kippbare Laderampe mit hydraulischer Öffnung entsprechend Einzelgenehmigungsbescheid) sind zwar Arbeitsmittel im Sinne des § 2 Abs. 1 erster Satz AM-VO, da die Definition hier alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch Arbeitnehmer/innen vorgesehen sind, umfasst. Allerdings enthält die Arbeitsmittelverordnung keine Prüfpflichten für diese Arbeitsmittel.

 

Diese Stellungnahme wurde der mitbeteiligten Partei zur Kenntnisnahme übermittelt und gleichzeitig bekanntgegeben, dass die Einstellung des Verfahrens beabsichtigt ist. Mit Schreiben vom 19.06.2012 stimmte das Arbeitsinspektorat L der geplanten Verfahrenseinstellung zu.

 

Insgesamt ist somit auszuführen, dass es sich bei der gegenständlichen kippbaren Laderampe mit hydraulischer Öffnung nicht um eine Ladebordwand im Sinne des § 8 Abs 1 Z 6 AM-VO handelt, weshalb sie nicht einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen war.

 

Der Berufung war daher gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG Folge zu geben und das Verfahren einzustellen, da der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.

Schlagworte
Überprüfung; wiederkehrende; Ladebordwand; Laderampe; Heckwand; Heckklappe
Zuletzt aktualisiert am
18.09.2012
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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