RS Vfgh 2011/10/5 G26/10 ua - G116/11 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 05.10.2011
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Index

22 Zivilprozeß, außerstreitiges Verfahren
22/02 Zivilprozeßordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
B-VG Art140 Abs6
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
BudgetbegleitG 2009, BGBl I 52/2009 Art15 Z3
ZPO §63 Abs1 idF BGBl I 52/2009

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit des Ausschlusses juristischer Personen von der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Verfahrenshilfe nach der Zivilprozessordnung durch das Budgetbegleitgesetz 2009

Rechtssatz

Zulässigkeit der Gerichtsanträge auf Aufhebung der Novellierungsanordnung des Art15 Z3 BudgetbegleitG 2009, BGBl I 52/2009.

Wird eine Bestimmung durch eine Gesetzesnovelle aufgehoben und bestehen gegen diese Aufhebung verfassungsrechtliche Bedenken, so muss sich eine Anfechtung notwendigerweise gegen jene Novellenbestimmungen richten, welche die Aufhebung bewirken, weil eine allfällige Verfassungswidrigkeit nur auf diese Weise beseitigt werden könnte.

Neuregelung nicht nur durch Art15 Z3 lita (Einfügung der Wortfolge ", wenn diese eine natürliche Person ist," in den ersten Satz des §63 Abs1 ZPO nach dem Wort "Partei"; she auch G43/10, B v 10.06.10); zweifelsfreie Beseitigung der Verfahrenshilfe für juristische Personen durch zusätzliche, insofern in untrennbarem Zusammenhang stehende Aufhebung des §63 Abs2 ZPO durch Art15 Z3 litb BudgetbegleitG 2009.

Denkmögliche Anwendung der angefochtenen Bestimmungen durch die OLG Graz und Innsbruck in Verfahren einer als juristische Person zu wertenden Konkursmasse, vertreten durch den Masseverwalter.

Aufhebung des Art15 Z3 BudgetbegleitG 2009, BGBl I 52/2009.

Als von natürlichen Personen verschiedene Träger von Rechten und Pflichten sind juristische Personen rechtliche Konstruktionen, die - in welcher Weise auch immer - durch Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsleben bestimmte Zwecke verfolgen. Der regulatorische Rahmen, in welchem ihnen dies gestattet ist, wird dabei prinzipiell vom Gesetzgeber nach seinen jeweiligen Zielvorstellungen innerhalb eines von ihm ausgestalteten Ordnungssystems gesetzt.

Die juristische Person ist von der Rechtsordnung geschaffen, um bestimmten - insbesondere wirtschaftlichen - Zwecken zu dienen; die Existenz eines (ursprünglich jedenfalls von Dritten stammenden) Vermögens oder Einkommens ist von der Rechtsordnung vorgesehene Bedingung ihrer Entstehung. Es besteht deshalb ganz allgemein kein Einwand dagegen, wenn der Gesetzgeber die weitere Existenz einer juristischen Person grundsätzlich an den Bestand eines solchen Vermögens oder Einkommens knüpft.

Auch wenn eine Ungleichbehandlung zwischen juristischen und natürlichen Personen in der Gewährung von Verfahrenshilfe weithin unbedenklich erscheint - dienen doch die Vorschriften über die Verfahrenshilfe der Durchsetzung der Rechte des Menschen auch im Falle der Einkommens- und Vermögenslosigkeit -, so ist der Ausschluss juristischer Personen schlechthin von der Verfahrenshilfe mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Trotz aller Unterschiede zwischen juristischen und natürlichen Personen in dieser Hinsicht bestehen Fälle, in denen das berechtigte Interesse von juristischen Personen an der Gewährung von Verfahrenshilfe gleichgelagert ist, wie das von natürlichen Personen, oder in denen eine Prozessführung im öffentlichen Interesse liegt.

Setzung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstelle (31.12.12) gem Art140 Abs5 B-VG.

Im Hinblick auf Art140 Abs6 B-VG und die erfolgende Aufhebung der Novellierungsanordnung Ausspruch, dass mit Wirksamwerden der Aufhebung §63 ZPO in seiner Fassung vor der Änderung durch Art15 Z3 BudgetbegleitG 2009 wieder in Kraft tritt.

Zurückweisung der zu G104/11 und G113/11 protokollierten, erst am 12. bzw 27.09.11 eingelangten Anträge wegen entschiedener Sache; förmliche Einbeziehung dieser beiden Anträge in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozessgeschehen nicht mehr möglich; Ausdehnung der Anlassfallwirkung auf diese beim OLG Wien bzw VwGH anhängigen Rechtssachen.

G116/11 ua, B v 29.11.11: Zurückweisung weiterer Gerichtsanträge wegen entschiedener Sache bzw wegen zu engen Anfechtungsumfangs.

Entscheidungstexte

  • G 26/10 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 05.10.2011 G 26/10 ua
  • G 116/11 ua
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 29.11.2011 G 116/11 ua

Schlagworte

Zivilprozess, Verfahrenshilfe, Person juristische, Novellierung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Anlassverfahren, VfGH / Verfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, Rechtskraft, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:G26.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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