RS Vfgh 2011/10/6 G38/11 ua

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Veröffentlicht am 06.10.2011
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art5
EMRK Art4 Abs3 litd
EMRK 1. ZP Art1
ABGB §276 idF Sachwalterrechts-ÄnderungsG 2006

Leitsatz

Keine unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung durch die im ABGBnormierte Grenze für den Ersatz von Barauslagen und tatsächlichenAufwendungen eines Sachwalters bei Gefährdung der Befriedigung derLebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen; öffentliches Interesse undsachliche Rechtfertigung gegeben

Rechtssatz

Abweisung der - zulässigen - Gerichtsanträge auf Aufhebung des §276 Abs4 ABGB idF des Sachwalterrechts-ÄnderungsG 2006, BGBl I 92/2006.

Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung in den Anlassverfahren, unabhängig von der Qualifikation der in diesen Verfahren gestellten Anträge betr Ersatzansprüche von Sachwaltern (als Ersatz von Barauslagen oder Entschädigung iSd §276 Abs1 ABGB).

Das Institut der Sachwalterschaft dient dem besonderen Schutzbedürfnis von Personen, denen es aus dem Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung an der Geschäftsfähigkeit mangelt. Es ist zwar keineswegs unsachlich, dass die besachwalterte Person dem Sachwalter nach Maßgabe ihres Einkommens und Vermögens eine dem Aufwand angemessene Entschädigung zu leisten hat. Entsprechende Grenzen eines solchen Anspruchs sind aber aus dem Grunde des Geschäftsunfähigenschutzes schon im Hinblick darauf sachlich gerechtfertigt, dass eine Sachwalterschaft jedenfalls auch in jenen Fällen vonnöten sein kann, in denen nicht einmal ausreichende Mittel für einen Aufwandersatz des Sachwalters vorhanden sind.

Verpflichtung zur Übernahme der Tätigkeit eines Sachwalters grundsätzlich als eine aus der sozialen Verantwortung der Gesellschaft für besonders schutzbedürftige Personen abgeleitete Bürgerpflicht iSd Art4 Abs3 litd EMRK und nicht in erster Linie als Erwerbszweig zu verstehen.

Geringere wirtschaftliche Bedeutung der Auslagen eines Rechtsanwaltes für aufgewendete Porti und Fahrtspesen als der entgehenden Entschädigung für die Mühewaltung bzw der durch den Zeitaufwand für die Sachwalterschaft bewirkten Verminderung der Möglichkeiten zur Erzielung anderweitigen Verdienstes.

Zumutbarkeit der Tragung von im Verhältnis zum durchschnittlichen Betreuungsaufwand wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallenden Barauslagen, etwa für Briefverkehr, für die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel oder für die Verwendung seines PKW, wenn dies zur Vermeidung einer Gefährdung des Unterhalts des Geschäftsunfähigen unerlässlich ist.

Weiters kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz; Vergleich mit den Regelungen über die Verfahrenshilfe nicht berechtigt; Bestellung eines Sachwalters unabhängig von der Einkommens- und Vermögenslage der schutzbedürftigen Personen.

Entscheidungstexte

  • G 38/11 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 06.10.2011 G 38/11 ua

Schlagworte

Zivilrecht, Sachwalter, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:G38.2011

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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