RS Vfgh 2011/10/6 G41/10 ua

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Veröffentlicht am 06.10.2011
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/06 Krankenanstalten, Kurorte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs5
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
KAKuG §3 Abs2 lita

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit einer Grundsatzbestimmung des KAKuG über die Bedarfsprüfung für Ambulatorien bis zur Neuregelung 2010 trotz einer durch ein Urteil des EuGH bewirkten Inländerdiskriminierung; inländerdiskriminierende Wirkung auf Grund des öffentlichen Interesses an einer geordneten Krankenanstaltenplanung vorübergehend sachlich gerechtfertigt

Rechtssatz

§3 Abs2 lita KAKuG idF BGBl I 155/2005 war nicht verfassungswidrig.

Prinzip der "doppelten Bindung" des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht; Verpflichtung zur Umsetzung von Gemeinschaftsrecht allein noch keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern bei Anwendung einer Norm.

Inländerdiskriminierung als mögliche Folge von EuGH-Urteilen betreffend den Widerspruch von nationalen Regelungen zu Gemeinschaftsrecht; diesfalls weitere Anwendung der gemeinschaftsrechtswidrigen Normierung nur noch auf rein innerstaatliche Sachverhalte. Im Falle der Aufhebung einer Norm wegen Inländerdiskriminierung durch den VfGH keine weitere Anwendung der innerstaatlichen Regelung mehr in den Anlassverfahren. Dieser Effekt kann den öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, wenn - wie hier - der in der Norm vorgesehene Erlaubnisvorbehalt zur Errichtung von Krankenanstalten an sich unionsrechtlich zulässig ist, aber nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt wurde.

Geordnete Krankenanstaltenplanung und funktionierendes Gesundheitswesen im öffentlichen Interesse gelegen.

Ein zwischen der Verkündung des Urteils des EuGH und dem Zeitpunkt der Neuregelung durch den Gesetzgeber als Folge der Anlassfallwirkung einer Gesetzesaufhebung durch den VfGH entstehendes gesetzliches Vakuum widerspricht dem jeweils der Norm zugrundeliegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten Krankenanstaltenplanung, weil dadurch der Zugang zu Bewilligungen eröffnet werden kann, die weder nach alter Rechtslage noch nach einer (möglichen) unionsrechtskonformen neuen Rechtslage erteilt werden dürfen.

"Inländerdiskriminierende" Wirkung einer Norm daher vorübergehend sachlich gerechtfertigt.

Neuregelung der Bedarfsprüfung für selbständige Ambulatorien und spezielle Regelungen für das Zulassungsverfahren von Gruppenpraxen nach dem ÄrzteG 1998 und dem ZahnärzteG mit dem am 18.08.10 ausgegebenen BG zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung, BGBl I 61/2010, unter Berücksichtigung der sich aus dem Urteil des EuGH im Fall "Hartlauer Handelsgesellschaft mbH" (10.03.09, Rs C-169/07, Slg 2009, I-1721) ergebenden Schlussfolgerungen.

Mit dieser gesetzgeberischen Maßnahme ist der im "Hartlauer"-Urteil des EuGH genannte Grund für die Unanwendbarkeit der Bestimmungen über die Bedarfsprüfung von Ambulatorien bei Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug, damit aber auch die insoweit eingetretene Ungleichbehandlung von Sachverhalten, die nicht vom Vorrang des Unionsrechts betroffen sind, weggefallen. Der sich daraus ergebende Zeitraum von rund 16 Monaten, während dessen das Gesetz eine diskriminierende Wirkung gegenüber Sachverhalten ohne Gemeinschaftsrechtsbezug entfalten konnte, kann nach diesem Maßstab als angemessen erachtet werden.

Anlassfälle G182/09 ua und G290/09 ua, beide E v 15.12.11:

Abweisung von Anträgen des VwGH auf Aufhebung landesgesetzlicher Ausführungsbestimmungen; B174/10, B v 15.12.11: Ablehnung der Beschwerdebehandlung.

Entscheidungstexte

  • G 41/10 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 06.10.2011 G 41/10 ua

Schlagworte

Krankenanstalten, Ambulatorien, Bedarfsprüfung, EU-Recht, VfGH / Anlassverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:G41.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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