TE Vfgh Erkenntnis 2011/10/6 G20/11 ua, V13/11 ua

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Veröffentlicht am 06.10.2011
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
Allgemeines PensionsG (APG) §4 Abs3, Abs4
ASVG §607 Abs14
GSVG §298 Abs13a
SchwerarbeitsV, BGBl II 104/2006 §1 Abs1 Z4, §3, Anlage

Leitsatz

Abweisung von Gerichtsanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen desAllgemeinen Pensionsgesetzes betreffend die Schwerarbeitspensionsowie der Schwerarbeitsverordnung; hinreichende Determinierung desBegriffs der Schwerarbeit im Gesetz; kein Verstoß der Verordnunggegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitssatz; keineUnsachlichkeit der Umschreibung der körperlichen Schwerarbeit

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem zu G20/11, V13/11, protokollierten Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof, "§4 Abs3 und Abs4 des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG) in der Fassung BGBl I 2006/130" als verfassungswidrig sowie "§1 Abs1 Z4, §3 und die Anlage zur Verordnung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (Schwerarbeitsverordnung), BGBl II 2006/104" als gesetzwidrig aufzuheben.

Im gleichen Umfang begehrt das Oberlandesgericht Graz mit dem zu G37/11, V36/11, protokollierten Antrag die Aufhebung dieser Bestimmungen.

(Auch das Oberlandesgericht Wien begehrt mit dem zu G103/11, V103/11, protokollierten, aber erst am 7. September 2011 eingelangten Antrag die Aufhebung dieser Bestimmungen im gleichen Umfang.)

2. In den diesen Anträgen zugrunde liegenden Verfahren ging es jeweils um die Feststellung von bestimmten als Schwerarbeitszeiten im Sinne der auf der Grundlage des §4 Abs4 APG erlassenen Verordnung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (Schwerarbeitsverordnung), BGBl. II 104/2006, im Besonderen nach dem Tatbestand des §1 Abs1 Z4 der Verordnung ("schwere körperliche Arbeit"), die dann vorliegt, "wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8 374 Arbeitskilojoule (2 000 Arbeitskilokalorien) und von Frauen mindestens 5 862 Arbeitskilojoule (1 400 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden".

In ihren Anträgen behaupten die antragstellenden Gerichte auf das Wesentliche zusammengefasst, dass §4 Abs4 APG wegen Fehlens "näherer Kriterien zur Determinierung des Verordnungsinhalts" und der "Delegation einer wesentlichen rechtspolitischen Entscheidung an den Verordnungsgeber" gegen das Legalitätsprinzip des Art18 B-VG verstoße. Gegen die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bringen die Gerichte vor, dass eine "Widersprüchlichkeit der Definition von 'körperlicher Schwerarbeit' " und ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vorliege, weil "auf den in aller Regel nicht individuell feststellbaren Kalorienverbrauch in der Vergangenheit und die faktische Ermittlung nach fiktiven Durchschnittswerten" abgestellt werde, und die "Auswahl und Abgrenzung der Tatbestände, die als Schwerarbeit angesehen werden", unsachlich wäre, weil vergleichbare Sachverhalte ungleich behandelt würden. Das Oberlandesgericht Graz bringt zudem vor, dass die Bestimmung des §1 Abs1 Z4 der Schwerarbeitsverordnung insoweit unklar wäre, als "nicht klar ersichtlich" wäre, "auf welche Arbeitszeit der Kalorienverbrauch zu beziehen" sei.

3. Die Bundesregierung erstattete in den zu G20/11 und G37/11 protokollierten Verfahren jeweils gleichlautende Äußerungen, in denen sie beantragt, die Anträge zurück- bzw. abzuweisen. Für den Fall der Aufhebung beantragt die Bundesregierung die Setzung einer Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten, "da die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen gravierende Auswirkungen auf das Leistungsrecht der Pensionsversicherung hätte und dieses mit den Sozialpartnern neu verhandelt und geregelt werden müsste".

4. In den zu V13/11 und V36/11 protokollierten Verfahren erstattete der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz als verordnungserlassende Behörde eine Äußerung, in der er die Abweisung der Anträge und für den Fall der Aufhebung eine Frist von 18 Monaten für das Außerkrafttreten beantragte, "um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen zu ermöglichen".

5. Im zu G20/11, V13/11, protokollierten Verfahren erstatteten zudem die Parteien des Anlassverfahrens als beteiligte Parteien jeweils eine Äußerung, in der sie sich den Bedenken des Obersten Gerichtshofes angeschlossen haben.

6. Der Verfassungsgerichtshof hat am 23. September 2011 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Rechtslage

1. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I 71, wurde flankierend zu Maßnahmen zur schrittweisen Anhebung des faktischen Pensionsalters im Zuge der Aufhebung der Bestimmungen über die vorzeitigen Alterspensionen iSd §§253a und 253b ASVG die so genannte Schwerarbeitspension eingeführt.

1.1. In den Übergangsbestimmungen zu dieser Novelle wird einerseits die Fortgeltung der aufgehobenen Bestimmungen über den Zeitpunkt ihres Außerkrafttretens im Dauerrecht hinaus für bereits eingetretene Versicherungsfälle und für den Fall bereits erworbener, aber noch nicht effektuierter Leistungsansprüche angeordnet (§607 Abs8 bis 9 ASVG); andererseits wurde die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in das Übergangsrecht (§607 Abs10 ASVG) transferiert, dies jedoch mit der Maßgabe der schrittweisen Angleichung des Mindestalters bis Juni 2014 an das Regelpensionsalter, dh. bei Frauen vom 55. auf das 60. (720. Lebensmonat), bei Männern vom 60. auf das 65. Lebensjahr (780. Lebensmonat).

1.2. Davon sah das Budgetbegleitgesetz 2003 drei Ausnahmen in eigenen Rechtsinstituten des Leistungsrechts vor, nämlich in §607 Abs12 ASVG für Männer, die vor dem 1. Jänner 1947 und für Frauen, die vor dem 1. Jänner 1952 geboren sind, das Rechtsinstitut der Alterspension für Langzeitversicherte - in der öffentlichen Diskussion als "Hacklerpension" bezeichnet - (Pensionsantritt ab dem

60. bzw. 55. Lebensjahr bei 540 bzw. 480 erworbenen Versicherungsmonaten), in §607 Abs13 die sogenannte "Korridorpension" für Männer, die nach dem 31. Dezember 1946 und vor dem 1. Juli 1948, und für Frauen, die nach dem 31. Dezember 1951 und vor dem 1. Juli 1953 geboren sind (Pensionsantritt frühestens mit 62,5 bzw. 57,5 Lebensjahren bei 45 bzw. 40 Versicherungsjahren), und schließlich in §607 Abs14 ASVG für männliche Versicherte, die (zunächst) nach dem 31. Dezember 1946 und vor dem 1. Jänner 1959, und für weibliche Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1951 und vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind, das hier in Rede stehende Rechtsinstitut der sog. "Schwerarbeitspension". Die Schwerarbeitspension ist als eine Weiterführung der Pension für Langzeitversicherte anzusehen, allerdings mit der zusätzlichen Voraussetzung der Zurücklegung von Schwerarbeitszeiten (vgl. Pöltner, Die Feststellung von Zeiten der Schwerarbeit, DRdA 2007, 406 [410] und in FN 27).

1.3. Gemäß §607 Abs14 ASVG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003 sind die Übergangsbestimmungen über die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer auf diesen Personenkreis männlicher bzw. weiblicher Versicherter "so anzuwenden, dass an die Stelle des

738.

Lebensmonates das 60. Lebensjahr und an die Stelle des

678.

Lebensmonates das 55. Lebensjahr tritt, wenn der (die) Versicherte mehr als die Hälfte der Beitragsmonate auf Grund von Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden, erworben haben. Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat unter Berücksichtigung von berufskundlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten sowie nach Anhörung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen und unter Bedachtnahme auf die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1) bis längstens 31. Dezember 2006 mit Verordnung festzustellen, welche Tätigkeiten als besonders belastend im Sinne des ersten Satzes gelten. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesregierung. Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat jährlich bis zum 31. Oktober des Folgejahres, erstmals für das Kalenderjahr 2007 bis zum 31. Oktober 2008, der Bundesregierung einen Bericht über die statistischen und finanziellen Auswirkungen dieser Regelung vorzulegen."

In den Materialien (RV 59 BIgNR 22. GP, 170) wird dazu Folgendes ausgeführt:

"Personen mit langer Versicherungsdauer (45 Beitragsjahre für Männer, 40 Beitragsjahre für Frauen), die den Großteil der Beitragsmonate unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen erworben haben, sollen bis zum Jahr 2019 weiterhin die Möglichkeit haben, eine vorzeitige Alterspension mit 60 Jahren (Männer) bzw. mit 55 Jahren (Frauen) anzutreten. Es wird davon ausgegangen, dass der von dieser Regelung erfasste Personenkreis 5 % der Pensionsneuzuerkennungen aus Alterspension nicht überschreiten wird. Von der vorgeschlagenen Regelung werden etwa folgende Dienstnehmer betroffen sein: unter das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz fallende Dienstnehmer, diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern, Verschieber und im Straßenbau tätige Personen. Die einschlägigen Tätigkeiten sollen durch Verordnung des Bundesministers festgelegt werden."

1.4. Die Parallelbestimmungen des §298 Abs13a GSVG und §287 Abs13a BSVG verweisen hinsichtlich der "Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden", auf §607 Abs14 ASVG. Die darin enthaltene Verordnungsermächtigung ist aus diesem Grund auch hinsichtlich der Schwerarbeitspension nach GSVG und BSVG anwendbar.

2. Mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl. I 142/2004, wurde u.a. auch der persönliche Anwendungsbereich der Schwerarbeitspension nach ASVG und Parallelrecht insofern verändert (§607 Abs14 ASVG idF der 62. Novelle zum ASVG; Art2 des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I 142/2004), als der begünstigte Personenkreis nunmehr männliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1950 und vor dem 1. Jänner 1959, und weibliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1955 und vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind, umfasste.

3. Im neu geschaffenen Allgemeinen Pensionsgesetz (APG), Art1 des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I 142/2004, wurde eine Schwerarbeitspension im Dauerrecht vorgesehen.

3.1. Gemäß §4 Abs1 APG in der Stammfassung besteht ein Anspruch auf Alterspension nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelpensionsalter), wenn bis zum Stichtag mindestens 180 Versicherungsmonate nach diesem Bundesgesetz vorliegen, von denen mindestens 84 auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden (Mindestversicherungsdauer).

§4 Abs3 und 4 APG bestimmten in dieser Stammfassung BGBl. I 142/2004:

"(3) Abweichend von Abs1 kann bei Vorliegen von Schwerarbeitszeiten die Alterspension bereits vor Erreichung des Regelpensionsalters beansprucht werden (Schwerarbeitspension), wenn die versicherte Person

1. mindestens 540 Versicherungsmonate nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat, von denen mindestens 180 Schwerarbeitsmonate (Abs4) sind, und

2. am Stichtag (§223 Abs2 ASVG) weder einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit unterliegt noch ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach §5 Abs2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt.

Dabei verringert sich das Anfallsalter um einen Monat je vier Schwerarbeitsmonate (Abs4), es darf jedoch der Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres nicht unterschritten werden.

(4) Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat mit Verordnung festzulegen, unter welchen psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Schwerarbeit in einem Kalendermonat im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt. Er hat dabei auf einen gemeinsamen Vorschlag der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen der nach dem ASVG, GSVG, FSVG und BSVG pensionsversicherten Erwerbstätigen Bedacht zu nehmen. Die Verordnung hat auch Bestimmungen über die Meldung der Schwerarbeitszeiten zu enthalten. Sie bedarf der Zustimmung der Bundesregierung."

3.2. §4 Abs3 APG trat mit 1. Jänner 2007 in Kraft, die Verordnungsermächtigung des §4 Abs4 APG bereits mit 1. Jänner 2005 (vgl. §16 Abs1 und 2 APG). Gemäß §1 Abs3 APG ist §4 Abs3 leg.cit. über die Schwerarbeitspension auch auf Personen, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind, anzuwenden.

Die Materialien (RV 653 BIgNR 22. GP, 9) führen dazu u.a. Folgendes aus:

"Darüber hinaus ist nach §4 Abs3 vorgesehen, dass bei Vorliegen von Schwerarbeitszeiten die Alterspension bereits vor Erreichung des Regelpensionsalters beansprucht werden kann, wenn die versicherte Person mindestens 540 Versicherungsmonate nach dem APG oder nach einem anderen Bundesgesetz erworben hat, von denen mindestens 180 Schwerarbeitsmonate sind. Hiebei verringert sich das Anfallsalter um einen Monat für je vier Schwerarbeitsmonate, wobei jedoch der Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres nicht unterschritten werden darf.

Die Definition des Begriffes Schwerarbeit wird in einer Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz zu regeln sein, welche auf Grund eines gemeinsamen Vorschlages der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen erlassen werden wird. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesregierung. Im Rahmen dieser Verordnung werden auch Meldebestimmungen über das Vorliegen von Schwerarbeit enthalten sein. Darüber hinaus wird in dieser Verordnu[n]g die erforderliche Dauer der Verrichtung von Schwerarbeit in einem Kalendermonat festgesetzt werden, um diesen Monat als Schwerarbeitsmonat berücksichtigen zu können. Mit dieser Maßnahme sollen Personen, die unter psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Versicherungszeiten erworben haben, die Alterspension früher in Anspruch nehmen können. Durch die Formulierung 'psychisch oder physisch besonders belastende Arbeitsbedingungen' im §4 Abs4 erster Satz APG soll die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht werden, dass nur die Formen von besonders belastender Schwerarbeit und nicht jede Art der Schwerarbeit schlechthin in diesem Bereich berücksichtigt werden soll. Erwartet wird, dass in etwa 5 % der Erwerbstätigen eine solche Schwerarbeit ausüben oder ausgeübt haben. Der Prozentsatz von 5 stellt somit eine Zielgröße dar."

4. Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2006 - SVÄG 2006, BGBI. I 130, wurden die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension nach APG einerseits (mindestens 180 Schwerarbeitsmonate von mindestens 540 Versicherungsmonaten) und dem ASVG samt Parallelrecht (mehr als die Hälfte der erforderlichen Beitragsmonate auf Grund von Schwerarbeit) dahingehend vereinheitlicht, dass als Voraussetzung für eine Schwerarbeitspension der Erwerb von 120 Schwerarbeitsmonaten innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag genügt (§4 Abs3 APG idF der 2. Novelle zum APG [Art4 des SVÄG 2006], BGBl. I 130/2006; §607 Abs14 ASVG idF des SVÄG 2006 [Art1 Z15 leg.cit.]).

§607 Abs14 ASVG lautet in dieser Fassung BGBl. I 130/2006 wie folgt:

"(14) Abs12 ist auch auf männliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1950 und vor dem 1. Jänner 1959 und auf weibliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1955 und vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind, anzuwenden, wenn der (die) Versicherte mindestens 120 Beitragsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag (§223 Abs2) auf Grund von Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden, erworben hat; abweichend von Abs12 vorletzter Satz ist §261 Abs4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 so anzuwenden, dass an die Stelle von 4,2 % der Wert von 1,8 % und an die Stelle von 0,35 % der Wert von 0,15 % tritt. Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat unter Berücksichtigung von berufskundlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten sowie nach Anhörung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen und unter Bedachtnahme auf die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1) bis längstens 31. Dezember 2006 mit Verordnung festzustellen, welche Tätigkeiten als besonders belastend im Sinne des ersten Satzes gelten. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesregierung. Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat jährlich bis zum 31. Oktober des Folgejahres, erstmals für das Kalenderjahr 2007 bis zum 31. Oktober 2008, der Bundesregierung einen Bericht über die statistischen und finanziellen Auswirkungen dieser Regelung vorzulegen."

Durch ArtI Teil 2 Z20 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007 - SRÄG 2007, BGBl. I 31, wurde der erste Satz des §607 Abs14 ASVG dahin geändert, dass der Kreis der männlichen Versicherten auf die nach dem 31. Dezember 1950 und der Kreis der weiblichen Versicherten auf die nach dem 31. Dezember 1955 Geborenen beschränkt wurde.

Mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2008 - SRÄG 2008, BGBl. I 129, wurde schließlich der erste Satz des §607 Abs14 ASVG dahin geändert, dass der Kreis der männlichen Versicherten auf die nach dem 31. Dezember 1953 und der Kreis der weiblichen Versicherten auf die nach dem 31. Dezember 1958 Geborenen beschränkt wurde, sodass diese Regelung nunmehr für männliche Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1953 und vor dem 1. Jänner 1959 und auf weibliche Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1958 und vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind, gilt.

5. Mit dem SVÄG 2006 wurde ferner in §4 Abs3 APG die Abschlagsregelung vereinfacht und das Anfallsalter einheitlich für Männer und Frauen mit dem vollendeten 60. Lebensjahr festgelegt (Art4 Z1 und 3 SVÄG 2006). Zur Verbesserung des Zugangs zur Schwerarbeitspension hat der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger die Schwerarbeitszeiten auf Antrag des Versicherten bereits drei Jahre vor Vollendung des frühestmöglichen Anfallsalters für die Schwerarbeitspension festzustellen (§247 Abs2 ASVG idF des SVÄG 2006; RV 1314 BIgNR 22. GP, 3). Die Schwerarbeitspension nach §4 Abs3 APG unterscheidet sich von jener nach §607 Abs14 ASVG somit durch das einheitliche Anfallsalter und durch das Erfordernis von 540 Versicherungsmonaten (gegenüber 540 Beitragsmonaten).

6. In der nach wie vor in Kraft stehenden Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007 - SRÄG 2007, BGBl. I 31 (4. Novelle zum APG, mit der lediglich ein neuer Abs7 angefügt wurde, der eine Erhaltung der Anwartschaft auch ohne Pensionsantrag gewährleistet; vgl. auch §607 Abs14a ASVG), lautet §4 APG wie folgt (Abs3 leg.cit. steht in der Fassung BGBl. I 130/2006 in Kraft; die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Alterspension, Anspruch

§4. (1) Anspruch auf Alterspension hat die versicherte Person nach Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelpensionsalter), wenn bis zum Stichtag (§223 Abs2 ASVG) mindestens 180 Versicherungsmonate nach diesem Bundesgesetz (§3) vorliegen, von denen mindestens 84 auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden (Mindestversicherungszeit).

(2) Abweichend von Abs1 kann die Alterspension bereits nach Vollendung des 62. Lebensjahres beansprucht werden (Korridorpension), wenn die versicherte Person

1. mindestens 450 für die Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat und

2. am Stichtag (§223 Abs2 ASVG) weder einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit unterliegt noch ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach §5 Abs2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt.

(3) Abweichend von Abs1 kann bei Vorliegen von Schwerarbeitszeiten die Alterspension bereits nach Vollendung des 60. Lebensjahres beansprucht werden (Schwerarbeitspension), wenn die versicherte Person

1. mindestens 540 Versicherungsmonate nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat, von denen mindestens 120 Schwerarbeitsmonate (Abs4) sind, die innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Stichtag (§223 Abs2 ASVG) liegen, und

2. am Stichtag (§223 Abs2 ASVG) weder einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit unterliegt noch ein Erwerbseinkommen bezieht, welches das nach §5 Abs2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen übersteigt.

(4) Der Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat mit Verordnung festzulegen, unter welchen psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Schwerarbeit in einem Kalendermonat im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt. Er hat dabei auf einen gemeinsamen Vorschlag der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen der nach dem ASVG, GSVG, FSVG und BSVG pensionsversicherten Erwerbstätigen Bedacht zu nehmen. Die Verordnung hat auch Bestimmungen über die Meldung der Schwerarbeitszeiten zu enthalten. Sie bedarf der Zustimmung der Bundesregierung.

(5) Für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit nach Abs1 gelten als Versicherungsmonate, die auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden, auch folgende Zeiten:

1. Zeiten einer Selbstversicherung nach den §§18a und 18b

ASVG;

2. Zeiten einer Weiterversicherung nach §17 ASVG für den in §77 Abs6 ASVG genannten Personenkreis, Zeiten einer Weiterversicherung nach §12 GSVG für den in §33 Abs9 GSVG genannten Personenkreis und Zeiten einer Weiterversicherung nach §9 BSVG für den in §28 Abs6 BSVG genannten Personenkreis;

3. Zeiten einer Familienhospizkarenz nach den §§14a und 14b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 459/1993, nach §78d des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und nach §32 AlVG.

(6) Bei der Anwendung von Abs2 Z2 und Abs3 Z2 bleiben außer Betracht:

1. eine Pflichtversicherung auf Grund einer Beschäftigung als HausbesorgerIn im Sinne des Hausbesorgergesetzes, wenn das aus dieser Beschäftigung erzielte Entgelt das nach §5 Abs2 ASVG jeweils in Betracht kommende Monatseinkommen nicht übersteigt;

2. eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG, wenn der Einheitswert des bäuerlichen Betriebes 2 400 €

nicht übersteigt;

3. eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach §471g ASVG trotz Nichtüberschreitung der Geringfügigkeitsgrenze (§5 Abs2 ASVG);

4. eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach §2 Abs1 Z4 GSVG trotz Nichtüberschreitung des zwölffachen Betrages nach §5 Abs2 Z2 ASVG bei Einkünften nach §25 Abs1 GSVG aus dieser Erwerbstätigkeit, und zwar unter der Voraussetzung, dass sowohl die Aufnahme der Ausübung der Erwerbstätigkeit als auch deren Unterbrechung oder Beendigung rechtzeitig (§18 GSVG) gemeldet wird;

5. eine Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt nach §11 Abs2 zweiter Satz ASVG.

(7) Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension - mit Ausnahme der in Abs3 Z2 in Verbindung mit Abs6 genannten Voraussetzung - unter Annahme einer früheren Antragstellung bereits erfüllt haben, bleibt dieser Pensionsanspruch gewahrt."

7.

7.1. Gestützt auf §607 Abs14 ASVG, §298 Abs13a GSVG, §287 Abs13a BSVG und §4 Abs4 APG wurde die Verordnung der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz über besonders belastende Berufstätigkeiten (im Folgenden: Schwerarbeitsverordnung) erlassen und mit BGBI. II 104/2006 am 9. März 2006 kundgemacht. Die Schwerarbeitsverordnung trat gemäß ihrem §6 mit 1. Jänner 2007 in Kraft. Diese Verordnung lautet samt ihrer Anlage wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Besonders belastende Berufstätigkeiten

§1. (1) Als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, gelten alle Tätigkeiten, die geleistet werden

1. in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), das heißt zwischen 22 Uhr und 6 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens sechs Stunden und zumindest an sechs Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt, oder

2. regelmäßig unter Hitze oder Kälte im Sinne des ArtVII Abs2 Z2 und 3 des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, oder

3. unter chemischen oder physikalischen Einflüssen im Sinne des ArtVII Abs2 Z5, 6 und 8 NSchG oder

4. als schwere körperliche Arbeit, die dann vorliegt, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit von Männern mindestens 8 374 Arbeitskilojoule (2 000 Arbeitskilokalorien) und von Frauen mindestens 5 862 Arbeitskilojoule (1 400 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden, oder

5. zur berufsbedingten Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- oder Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin, oder

6. trotz Vorliegens einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (§14 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970) von mindestens 80 %, sofern für die Zeit nach dem 30. Juni 1993 Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach §5 des Bundespflegegeldgesetzes, BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze bestanden hat.

(2) Als besonders belastende Berufstätigkeiten gelten jedenfalls auch alle Tätigkeiten, für die ein Nachtschwerarbeits-Beitrag nach ArtXI Abs3 NSchG geleistet wurde, ohne dass daraus ein Anspruch auf Sonderruhegeld nach ArtX NSchG entstanden ist.

Tätigkeiten unter chemischen oder physikalischen Einflüssen

§2. Eine Tätigkeit im Sinne des §1 Abs1 Z3 gilt nur dann als besonders belastend, wenn dadurch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des §203 ASVG von mindestens 10 % verursacht wurde.

Schwere körperliche Arbeit

§3. Ob eine bestimmte Tätigkeit als schwere körperliche Arbeit im Sinne des §1 Abs1 Z4 gilt, ist nach den in der Anlage zu dieser Verordnung festgeschriebenen Grundsätzen festzustellen.

Schwerarbeitsmonat

§4. Ein Schwerarbeitsmonat ist jeder Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach §1 Abs1 zumindest in jenem Ausmaß ausgeübt wurden, das einen Versicherungsmonat im Sinne des §231 Z1 lita ASVG begründet. Arbeitsunterbrechungen bleiben dabei außer Betracht, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung weiter besteht.

Meldung der Schwerarbeitszeiten

§5. Die DienstgeberInnen haben dem Träger der Krankenversicherung ab dem 1. Jänner 2007 folgende Daten der bei ihnen beschäftigten männlichen Versicherten, die bereits das 40. Lebensjahr vollendet haben, und weiblichen Versicherten, die bereits das 35. Lebensjahr vollendet haben, gesondert zu melden:

1. alle Tätigkeiten, die auf das Vorliegen von Schwerarbeit schließen lassen,

2. die Namen und Versicherungsnummern jener Personen, die Tätigkeiten nach Z1 verrichten, und

3. die Dauer der Tätigkeiten nach Z1.

Die Meldung ist jeweils bis Ende Februar des Kalenderjahres, das der Verrichtung der Tätigkeiten nach Z1 folgt, unter sinngemäßer Anwendung des §41 ASVG zu erstatten. Personen, die nach dem GSVG oder FSVG oder BSVG versichert sind, haben die Meldung der Schwerarbeitszeiten ab dem 1. Jänner 2007 in gleicher Weise selbst zu erstatten.

In-Kraft-Treten

§6. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2007 in Kraft.

Anlage

Grundsätze für die Feststellung des Vorliegens einer schweren
körperlichen Arbeit im Sinne des §1 Abs1 Z4

1. Begriffsbestimmung und Kriterien

Schwere körperliche Arbeit setzt eine in Bezug auf die Intensität oder Dauer der Belastung über das normale Kräftepotential hinausgehende Verausgabung von Arbeitskraft voraus, bei der die gesamte Körpermuskulatur beansprucht wird.

Kriterien für die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche Arbeit sind neben der energetischen Belastung sowie der Herz- und Kreislaufbelastung auch die Belastung des passiven und aktiven Stütz- und Bewegungsapparates, also der Knochen und Gelenke sowie der Sehnen und Muskeln.

2. Bewertung von Tätigkeiten als Schwerarbeit nach der energetischen

Belastung

2.1. Arbeitsenergieumsatz-Grenzen von 8 374 Kilojoule

(2 000 Kilokalorien) pro Tag bei Männern und 5 862 Kilojoule (1 400 Kilokalorien) pro Tag bei Frauen

Der Arbeitsenergieumsatz ergibt sich aus dem Gesamtenergieumsatz pro Arbeitstag abzüglich des Grundenergieumsatzes (differiert vor allem in Abhängigkeit vom Körpergewicht), dem Freizeitenergieumsatz (der je nach Freizeit-Aktivität unterschiedlich ist) und einem kleinen Anteil für Energieverluste.

Für die Festlegung der Schwerarbeits-Grenze ist die Lage der 'Energetischen Dauerleistungsgrenze', die mit dem Tages-Arbeitsenergieumsatz gleichzusetzen ist, von Bedeutung. Sie liegt für Männer bei 8 374 Kilojoule (2 000 Kilokalorien) pro Tag, für Frauen bei 5 862 Kilojoule (1 400 Kilokalorien) pro Tag (gerundete Durchschnittswerte).

2.2. Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als schwere körperliche

Arbeit

Die Einstufung von beruflichen Tätigkeiten als 'energetische Schwerarbeit' erfolgt nach folgenden Grundsätzen:

Die Arbeitsenergieumsatz-Richtwerte werden nach arbeitsmedizinischen Standards ermittelt. Auf dieser Grundlage werden Tätigkeitsbeschreibungen mit ihren Jouleverbrauchswerten erstellt und hinsichtlich ihrer Dimensionen umgerechnet.

Schließlich wird geprüft, ob durch die mit einem bestimmten Beruf verbundenen Tätigkeiten (Tätigkeitsbilder) die vorgegebene Kilojoulegrenze (8 374 bei Männern bzw. 5 862 bei Frauen) pro Tag erreicht oder überschritten wird."

7.2. Die Erläuterungen zur Schwerarbeitsverordnung lauten auszugsweise wie folgt:

"Im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71, wurde normiert, dass das Zugangsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. Juli 2004 schrittweise bis zur Höhe des Regelpensionsalters angehoben wird. Von dieser Anhebung des Pensionsanfallsalters sind bestimmte Personengruppen mit besonders langer Versicherungsdauer (mindestens 480 Beitragsmonate bei Frauen, mindestens 540 Beitragsmonate bei Männern) ausgenommen: Sie haben laut Übergangsrecht weiterhin die Möglichkeit, zum ehemals geltenden 'Frühpensionsalter' die vorzeitige Alterspension in Anspruch zu nehmen, wobei bestimmte Ersatzzeiten, wie etwa Zeiten der Kindererziehung und des Präsenzdienstes, als Beitragsmonate gewertet werden; zur Ermittlung des Ausmaßes der Pensionsverminderung ist im Bereich dieser Schutzbestimmungen für Langzeitversicherte ab dem Jahr 2008 das jeweilige 'Frühpensionsalter' (anstelle des Regelpensionsalters) heranzuziehen (Limitierung des Abschlages); bis zum Jahr 2008 ist diese Art der vorzeitigen Alterspension völlig abschlagsfrei zu gewähren.

§607 Abs14 ASVG (samt Parallelrecht) schreibt diese Regelung fort, und zwar für männliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1950 und vor dem 1. Jänner 1959 und für weibliche Versicherte, die nach dem 30. Juni 1955 und vor dem 1. Jänner 1964 geboren sind: Wer zum Personenkreis dieser 'geschützten Jahrgänge' zählt und mehr als die Hälfte der Beitragsmonate unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen erworben hat, kann bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres (Frauen) bzw. des 60. Lebensjahres (Männer) die vorzeitige Alterspension beanspruchen. Auf Grund der Regierungsvorlage des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2006 sollen die Voraussetzungen insofern geändert werden, als nicht mehr in der Hälfte der Beitragsmonate Schwerarbeit geleistet werden muss, sondern lediglich zehn Jahre der Schwerarbeit innerhalb der letzten 20 Jahre vor dem Pensionsstichtag vorliegen müssen.

Die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat unter Berücksichtigung von berufskundlichen und arbeitsmedizinischen Gutachten sowie nach Anhörung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen und unter Bedachtnahme auf die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 zum ASVG) bis längstens 31. Dezember 2006 mit Verordnung festzustellen, für welche Tätigkeiten die genannten Begünstigungen gelten. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung der Bundesregierung. Darüber hinaus hat die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz jährlich bis zum 31. Oktober des Folgejahres, erstmals für das Kalenderjahr 2007, der Bundesregierung einen Bericht über die statistischen und finanziellen Auswirkungen dieser Regelung vorzulegen.

Die Verordnung nach §607 Abs14 ASVG ist nach Maßgabe der §§298 Abs13a GSVG bzw. 287 Abs13a BSVG auch auf die nach dem GSVG bzw. BSVG versicherten Personen anzuwenden.

Im Rahmen des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, wurde als besondere Art der Alterspension die Schwerarbeitspension nach §4 Abs3 APG eingeführt. Diese Pensionsart kommt ab 1. Jänner 2007 auch für alle Personen in Betracht, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind und somit den Vorschriften der Pensionsharmonisierung grundsätzlich nicht unterliegen.

Die Schwerarbeitspension kann bereits vor Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommen werden, wenn mindestens 540 Versicherungsmonate vorliegen.

Nach §4 Abs4 APG hat die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz mit Verordnung festzulegen, unter welchen psychisch oder physisch besonders belastenden Arbeitsbedingungen Schwerarbeit in einem Kalendermonat vorliegt. Sie hat dabei auf einen gemeinsamen Vorschlag der Interessenvertretungen Bedacht zu nehmen. Die Verordnung hat auch Bestimmungen über die Meldung der Schwerarbeitszeiten zu enthalten. Sie bedarf der Zustimmung der Bundesregierung.

Mit der gegenständlichen Vorlage wird - nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit - sowohl die Verordnungsermächtigung nach §607 Abs14 ASVG als auch jene nach §4 Abs4 APG wahrgenommen.

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die im Sinne des §607 Abs14 ASVG ein Gutachten erarbeitet hat. Demnach existiert für den Begriff 'Schwerarbeit' in der Arbeitswissenschaft keine allgemein gültige Definition.

Es soll daher im gegebenen Zusammenhang grundsätzlich an die erprobten und bewährten Regelungen des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, angeknüpft werden.

[...]

Nach §1 Abs1 Z3 in Verbindung mit §2 des Entwurfes sind chemische und physikalische Einflüsse unter Anknüpfung an ArtVII Abs2 Z5, 6 und 8 NSchG als besonders belastend zu qualifizieren, wenn sie eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 10 % zur Folge haben. Dies bedeutet, dass sowohl die gesundheitsgefährdende Einwirkung von Erschütterungen (bei Verwendung von Arbeitsgeräten, Maschinen und Fahrzeugen) als auch das Tragen von Atemschutz- bzw. Tauchgeräten (regelmäßig oder in einem Mindestausmaß von vier bzw. zwei Stunden pro Arbeitstag) und das gesundheitsschädliche Einwirken von inhalativen Stoffen, die zu einer Berufskrankheit laut Anlage 1 zum ASVG führen können, Berücksichtigung finden. Ein Verfahren zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt kann sowohl amtswegig als auch durch einen Antrag der leistungswerbenden Person eingeleitet werden.

§1 Abs1 Z4 in Verbindung mit §3 des Entwurfes knüpft an die Bestimmung des ArtVII Abs2 Z10 NSchG an. Demnach liegt schwere körperliche Arbeit dann vor, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit mindestens 8 374 Arbeitskilojoule (2 000 Arbeitskilokalorien) verbraucht werden. Im vorliegenden Entwurf wird überdies speziell auf Frauen Bedacht genommen, indem für diese der Verbrauch von mindestens 5 862 Arbeitskilojoule (1 400 Arbeitskilokalorien) statuiert wird. Eine objektive Nachvollziehbarkeit durch Messungen ist gewährleistet (vgl. die Anlage zum Entwurf).

Nach Spitzer, Hettinger, Kaminsky, 'Tafeln für den Energieumsatz bei körperlicher Arbeit' (6. Auflage, Beuth-Verlag, Berlin 1982), sind Tätigkeiten, bei denen die Grenze von 8 374 Kilojoule (2 000 Kilokalorien) als Arbeitsenergieumsatz überschritten wird, beispielsweise folgende:

-

Errichten von Kellerwänden, Auftragen von Bitumen im Wohnhausbau,

-

Eisenflechten auf einer mittelgroßen Baustelle,

-

allgemeine Hilfsarbeiten auf einer mittelgroßen Baustelle,

-

Hochofenarbeit: Arbeiten an laufender Rinne, Schlacke mit Eisenstange lockern,

-

allgemeine Hilfstätigkeiten in Küchen,

-Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft.

Die angegebenen Werte gelten für Personen mit durchschnittlichem Körpergewicht bei achtstündiger Arbeit.

Die Bestimmung des §1 Abs2 des Entwurfes, wonach besonders belastende Berufstätigkeiten jedenfalls auch alle Tätigkeiten sind, für die ein Nachtschwerarbeits-Beitrag nach ArtXI Abs3 NSchG geleistet wurde, ohne dass daraus ein Anspruch auf Sonderruhegeld nach ArtX NSchG entstanden ist, versteht sich im Zusammenhang mit einschlägigen Neuregelungen der Regierungsvorlage des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2006. Demnach sollen die vorzeitige Alterspension nach §607 Abs14 ASVG und die Schwerarbeitspension nach §4 Abs3 APG in Hinkunft unter erleichterten Bedingungen in Anspruch genommen werden können.

[...]

In Anlehnung an den Erwerb von Versicherungsmonaten wird ein Schwerarbeitsmonat nach §4 des Entwurfes dann erworben, wenn eine oder mehrere besonders belastende Tätigkeiten im Sinne des §1 des Entwurfes mindestens in der Dauer von 15 Tagen in einem Kalendermonat ausgeübt wurden (vgl. §231 Z1 lita ASVG), wobei Arbeitsunterbrechungen, die die Pensionsversicherung nicht beenden, außer Acht zu lassen sind.

Nach §4 Abs4 APG ist in der Verordnung auch die Meldung der Schwerarbeitszeiten zu regeln. §5 des Entwurfes bestimmt, dass die DienstgeberInnen ab 1. Jänner 2007 die Schwerarbeitszeiten ihrer DienstnehmerInnen altersbezogen zu melden haben. Die Meldung erfolgt aus Gründen der leichteren Vollziehbarkeit nur einmal jährlich gegenüber dem zuständigen Krankenversicherungsträger. Selbständig Erwerbstätige haben die Meldung im gleichen Melderhythmus selbst zu erstatten. Die Meldung umfasst Namen und Versicherungsnummer der versicherten Person und die als Schwerarbeit zu qualifizierenden Tätigkeiten samt Dauer.

Es ist beabsichtigt, zur Vertiefung der Thematik 'Schwerarbeit' bereits im Jahr 2006 eine Kommission nach §8 des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, einzusetzen. Diese Kommission hat sich auch mit der Weiterentwicklung der besonderen Regelungen in der Alterssicherung zu beschäftigen, die auf den Faktor Schwerarbeit Bezug nehmen.

Für den Bereich des öffentlichen Dienstes ist eine eigene Schwerarbeitsverordnung vorgesehen."

III. Zu den Prozessvoraussetzungen

Der Verfassungsgerichtshof hat in den - gemäß §§404 Abs2, 187 Abs2 ZPO (§35 Abs1 VfGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen - Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren erwogen:

1. Gemäß §15 Abs2 VfGG hat ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof unter anderem ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag gemäß Art140 B-VG die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit sind präzise zu umschreiben, die Bedenken sind schlüssig und überprüfbar darzulegen

(VfSlg. 11.888/1988, 12.223/1989). Das Fehlen solcher Darlegungen führt zur sofortigen Zurückweisung des Antrages (VfSlg. 11.970/1989, 12.564/1990, 13.571/1993, 15.877/2000).

Die antragstellenden Gerichte bringen gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der in §4 Abs3 APG vorgesehenen Schwerarbeitspension an sich oder gegen die darin genannten Antrittsvoraussetzungen keine Bedenken vor. Sie behaupten aber einen untrennbaren Zusammenhang dieser Bestimmung mit §4 Abs4 APG durch den Verweis in §4 Abs3 Z1 APG auf Abs4 dieser Bestimmung. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung besteht dieser Zusammenhang schon dadurch, dass in §4 Abs3 APG das Erfordernis eines Erwerbs von 120 Schwerarbeitsmonaten mit der Verweisung "(Abs4)" versehen wird, dh. dass Abs4 durch diese Verweisung in Abs3 inkorporiert wird und auf diese Weise mit der zuletzt genannten Bestimmung eine untrennbare Einheit bildet. Da durch eine bloße Teilaufhebung der Wendung "von denen mindestens 120 Schwerarbeitsmonate (Abs4) sind," das Rechtsinstitut der Schwerarbeitspension seiner wesentlichen Voraussetzung entkleidet und damit die Absicht des Gesetzgebers geradezu konterkariert würde, haben die antragstellenden Gerichte zu Recht §4 Abs3 APG zur Gänze mit angefochten.

Was die - angesichts der diesbezüglich eher verwirrenden Gesetzeslage gesondert erörterungsbedürftige - Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des §4 Abs3 und 4 APG in den Verfahren bei den vorlegenden Gerichten betrifft, so ist nach dem jeweiligen Vorbringen der Gerichte der Kläger des Anlassverfahrens zu G20/11, V13/11 am 6. November 1949 und jener des Anlassverfahrens zu G37/11, V36/11 am 25. September 1950 geboren. Da ungeachtet des Umstandes, dass das Leistungsrecht des APG in seinem Teilanwendungsbereich gemäß §2a Abs2 ASVG (ebenso gemäß §1a Abs2 GSVG) erst für Personen gilt, die nach dem 31. Dezember 1954 geboren sind (woraus sich ergibt, dass für früher Geborene nur das Leistungsrecht des ASVG bzw. des GSVG gilt), ist die Regelung des §607 Abs14 ASVG (ebenso der teilweise gleichlautende, teilweise auf §607 Abs14 ASVG verweisende §298 Abs13a GSVG) nur auf männliche Versicherte anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1953, aber vor dem 1. Jänner 1959 geboren sind. Umgekehrt sind die Bestimmungen der §§4 Abs3 sowie 9 APG - wie sich aus einem Gegenschluss aus §1 Abs3 APG ergibt - auch auf Personen anzuwenden, die vor dem 1. Jänner 1955 geboren sind (für die das APG also im Übrigen gemäß §2a Abs2 ASVG bzw. §1a Abs2 GSVG auch nicht zumindest teilweise anzuwenden ist). Daraus ergibt sich zwar anscheinend ein zeitlicher Überschneidungsbereich in der Anwendbarkeit des §4 Abs3 und 4 APG mit §607 Abs14 ASVG bzw. §298 Abs13a GSVG für den Geburtsjahrgang 1954, der aber für dieses Verfahren ohne Bedeutung ist, sodass diese Frage hier keiner näheren Untersuchung bedarf. Auf die beiden Kläger der Anlassverfahren sind jedenfalls nicht §607 Abs14 ASVG bzw. §298 Abs13a GSVG, sondern §4 Abs3 und 4 APG, im Übrigen aber die Bestimmungen des ASVG bzw. des GSVG anzuwenden.

2. Im Übrigen - im Besonderen mit Blick auf die von den antragstellenden Gerichten bei ihrer Entscheidung anzuwendenden Bestimmungen des §1 Abs1 Z4 und §3 sowie der Anlage zur Schwerarbeitsverordnung, BGBl. II 104/2006, die auf Grund der Regelungstechnik in einem untrennbaren Zusammenhang stehen - sind Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen weder vorgebracht worden noch sind solche beim Verfassungsgerichtshof entstanden.

Die Verfahren erweisen sich daher als zulässig.

IV. Erwägungen in der Sache

Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof im Normenkontrollverfahren auf die Erörterung der im Prüfungsantrag (bzw. im amtswegigen Prüfungsbeschluss) dargelegten Bedenken beschränkt ist (zB VfSlg. 14.802/1997 mwN).

1. Zu den Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von §4 Abs3 und 4 des Allgemeinen Pensionsgesetzes (APG), BGBl. I 142/2004 idF BGBl. I 130/2006:

1.1. Seine Bedenken gegen diese Bestimmungen formulierte der Oberste Gerichtshof im zu G20/11 protokollierten Verfahren (und ihm folgend das Oberlandesgericht Graz) wie folgt:

"6. Zur Verletzung des Legalitätsprinzips:

6.1. Das aus Art18 Abs1 und 2 B-VG abgeleitete Legalitätsprinzip bindet zunächst den Gesetzgeber: Das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit gesetzlicher Regelungen verlangt, dass diese das Handeln der Verwaltungsbehörden (insbesondere auch die Erlassung von Verordnungen) ausreichend determinieren (...). Fehlt diese ausreichende Determinierung, liegt eine formalgesetzliche Delegation vor, die die Verfassungswidrigkeit sowohl der Verordnung als auch ihrer gesetzlichen Grundlage nach sich zieht.

6.2. Um eine Schwerarbeitspension beanspruchen zu können, müssen nach §4 Abs3 APG und §298 Abs13a GSVG (der wiederum auf §607 Abs14 ASVG verweist) mindestens 120 Schwerarbeitsmonate vorliegen. Schwerarbeit wird in Form allgemein gehaltener Formeln mit 'psychisch oder physisch besonders belastenden [...] Arbeitsbedingungen' (§4 Abs4 APG) bzw mit 'Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden', umschrieben (§607 Abs14 ASVG, §298 Abs13a GSVG); d

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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