TE UVS Steiermark 2011/06/29 443.8-5/2011

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Veröffentlicht am 29.06.2011
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Renate Merl, Mag. Manja Schlossar-Schiretz und Dr. Erik Hanel im Nachprüfungsverfahren gemäß § 4 Abs 1 Steiermärkisches Vergaberechtsschutzgesetz - StVergRG - LGBl. 28/2010, betreffend das Vergabeverfahren Offenes Verfahren Bauauftrag Oberschwellenbereich B 320 - Schladming Ost - Aufschließung Untere Klaus durch das L S, A St Lg , F, Straßeninfrastruktur -Bau, Lh, G, vertreten durch H-B-Ar & P, Rechtsanwälte GmbH, Sch, G, über die Anträge der Ap Bu GmbH, Al Bs, W Sb, vertreten durch Dr. Fl K, Rechtsanwalt, Gg, Wn, wie folgt entschieden:

 

I.)

Der Antrag, das rechtswidrige Ausscheiden laut Ausschreiben des Auftraggebers L S vom 13.05.2011 für nichtig zu erklären, wird abgewiesen.

 

II.)

Der Antrag, die rechtswidrige Zuschlagsentscheidung laut Schreiben des Auftraggebers L S vom 13.05.2011 für nichtig zu erklären, wird zurückgewiesen.

 

III.)

Der Antrag, der Antragstellerin den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren zuzusprechen und dem Auftraggeber die Zahlung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß § 19 a RAO zu Handen des Antragstellvertreters aufzutragen, wird abgewiesen.

 

Gemäß § 15 Abs 3 StVergRG tritt die einstweilige Verfügung vom 25.05.2011 mit der gegenständlichen Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark außer Kraft.

Text

A.

Mit Eingabe vom 23.05.2011 stellte die Ap Bu GmbH, Al Bs, W Sb, vertreten durch Dr. Fl K, Rechtsanwalt, Gg, Wn (im Folgenden: die Antragstellerin) einen Antrag auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung betreffend das Vergabeverfahren des L S, A St Lg, F, Straßeninfrastruktur - Bau, Lh, G (im Folgenden: die Auftraggeberin) mit der Bezeichnung Offenes Verfahren Bauauftrag Oberschwellenbereich B320 - Schladming Ost - Aufschließung Untere Klaus. Der Zuschlag solle dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Das Angebot mit dem niedrigsten Preis habe die Antragstellerin abgegeben. Mit Schreiben vom 13.05.2011 sei der Antragstellerin von der Auftraggeberin mitgeteilt worden, dass der Zuschlag der Bietergemeinschaft Sa AG-T As AG erteilt werde. Gleichzeitig sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass ihr Angebot nicht weiter behandelt und ausgeschieden werde, weil die Klausel gemäß der Ausschreibungsunterlage Teil B5, technische Bedingungen, Punkt 26 Bauregie überschritten worden sei. Das Angebot der Antragstellerin entspreche aber der Vorgabe des Punktes 26 Bauregie des Teiles B5 der Ausschreibungsunterlagen, weil keine ihrer LG 02 20 Prozent der Gesamtsumme aller Leistungsgruppen der jeweiligen Hauptgruppe überschreite. Die Auftraggeberin habe das Angebot der Antragstellerin dennoch ausgeschieden, in dem sie Punkt 26 des Teiles B5 der Ausschreibungsunterlage einen Inhalt unterstelle, den diese Bestimmung nicht habe. Die Auftraggeberin habe nicht den Preis für die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten der Beurteilung der Einhaltung der 20 Prozent Klausel zugrunde gelegt, sondern mit der Summe der Preise aller Leistungsgruppen eine Hauptgruppe gebildet und diese Summe im Hinblick auf die Überschreitung der 20 Prozent der Summe aller Leistungsgruppen der Hauptgruppe herangezogen. Dies habe die Auftraggeberin aber so in Punkt 26 des Teiles B5 nicht formuliert und festgelegt. Dort sei die Rede von Der Preis für die Leistungsgruppe 02 und nicht Die Summe der Preise aller Leistungsgruppen 02 einer Hauptgruppe. Die Auftraggeberin unterstelle somit der Bestimmung einen Inhalt, den sie schon aufgrund ihres Wortlautes nicht haben könne, dies zum Nachteil der Antragstellerin. Da die Auslegung des Punktes 26 des Teiles B5 durch die Auftraggeberin im Wortlaut dieser Bestimmung keine Deckung finde, zu einer Verschärfung dieser Bestimmung führe und erst dadurch die Antragstellerin durch die Auftraggeberin in die Situation gebracht worden sei, dass die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin ausscheidet und die Zuschlagsentscheidung zugunsten eines anderen Angebotes fällt, habe die Auftraggeberin sowohl die Ausscheidensentscheidung als auch die Zuschlagsentscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet. Der vorliegende Nachprüfungsantrag richte sich gegen das Ausscheiden des Angebotes der Antragstellerin sowie gegen die Zuschlagsentscheidung gemäß der Mitteilung der Auftraggeberin mit Schreiben vom 13.05.2011. Ihr Interesse am Abschluss des Vertrages habe die Antragstellerin durch die fristgerechte Abgabe ihres ausschreibungskonformen Angebotes und auch durch die Einbringung des vorliegenden Nachprüfungsantrages samt Antrag auf einstweilige Verfügung und durch Entrichtung der erforderlichen Gebühren, ausreichend glaubhaft gemacht. Der Antragstellerin drohe Schaden in Form der bislang durch das Vergabeverfahren im Vertrauen auf dessen rechtskonforme Durchführung entstandenen und den noch entstehenden Kosten sowie weiters in Form der entgangenen Geschäftsmöglichkeit. Die bisher entstandenen Kosten für die Angebotserstellung beziffere die Antragstellerin mit rund ? 23.000,00 (Gesamtaufwand für die Angebotserstellung), hinzu komme die bislang nicht bezifferbaren Kosten der Rechtsberatung, die vorläufig mindestens rund ? 5.000,00 betragen. Darüber hinaus habe der den Gegenstand der Ausschreibung bildende Auftrag besonderen Wert für die Antragstellerin als Referenzauftrag für zukünftige Bewerbungen bei anderen Vergabeverfahren. Die Antragstellerin erachte sich in ihrem subjektiven Recht auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens verletzt, insbesondere auf Anwendung der Ausschreibungsbestimmungen, so auch des Punkt 26 des Teils B5 der Ausschreibungsunterlagen, Nichtausscheiden ihres nicht mit einem Ausscheidungsgrund belasteten Angebots; weitere Einbeziehung in das Vergabeverfahren; Fassung der Zuschlagsentscheidung zu ihren Gunsten; und in weiterer Folge Zuschlagserteilung sowie in allen anderen subjektiven Rechten der Antragstellerin.

 

B.

In seiner Stellungnahme vom 01.06.2011 replizierte das L S, A St Lg, F, Straßeninfrastruktur - Bau, Lh, G, vertreten durch H-B-Ar & P, Rechtsanwälte GmbH, Sch, G (im Folgenden: die Auftraggeberin), dass entgegen der Behauptungen der Antragstellerin die Ausscheidensentscheidung zu Lasten der Antragstellerin und als Konsequenz daraus die Zuschlagsentscheidung zugunsten den Bietergemeinschaft Sa AG-T As AG zu Recht erfolgt seien. Die Antragstellerin entferne sich in ihrer Interpretation des Punktes 26 Bauregie der Ausschreibungsunterlage Teil B5, technische Bedingungen vom Text der Ausschreibungsunterlage und unternehme den unzulässigen Versuch, dem Text eine dort nicht enthaltene Einschränkung der Textpassage für die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten auf eine/diese/die jeweilige Leistungsgruppe 02, Baustellengemeinkosten vorzunehmen. Diese Umformulierung des Ausschreibungstextes sei unzulässig. Das Vorbringen der Antragstellerin, wonach der Preis für die jeweilige LG 02 im Verhältnis zum Preis der Hauptgruppe, in der sich diese LG 02 findet, zu betrachten sei, sei mit sich und den sonstigen Ausführungen der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag im Widerspruch, zumal jede der sich in Teil B7 der Ausschreibungsunterlage Leistungsverzeichnis vorgesehenen 4 Hauptgruppen - HG 01 Straßenbau, HG 02 Brückenbau, HG 03 Leitungsbau und HG 04 Leitungsbau - Wasser - nicht über eine jeweilige LG 02, sondern über mehrere LG 02 verfüge. Der reine Text und der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsunterlage lasse darüber hinaus eine Einschränkung auf eine/die jeweilige/diese/jede einzelne LG 02 nicht zu. Auch die Behauptung der Antragstellerin, wonach sich der von ihr unterstellte Sinn daraus ergebe, dass die Auftraggeberin in der zitierten Formulierung der Ausschreibungsunterlage das Wort Leistungsgruppe in der Einzahl und nicht in der Mehrzahl dieses Wortes verwende, gehe ins Leere. Für jeden durchschnittlichen fachkundigen Bieter und somit auch aus der Sicht der Antragstellerin sei klar zu erkennen gewesen, dass sich die Auftraggeberin hier einer rhetorischen Figur des generalisierenden Singulars als Unterform der sogenannten Metonymie, einer quantitativen Metonymie bedient habe. Die Wortfolge der Preis für die Leistungsgruppe 02 Baustellenkosten sei eindeutig im Sinne von der Preis für sämtliche Leistungsgruppen 02 der jeweiligen Hauptgruppe zu verstehen. Diese Stilfigur befinde sich auch an anderen Stellen der Ausschreibungsunterlagen. Sinn und Zweck der Ausschreibungsunterlage, Teil B5, technische Bedingungen, Punkt 26, Bauregie, sei für jeden durchschnittlichen fachkundigen Bieter, sohin auch für die Antragstellerin offenkundig. Dieser Sinn und Zweck lasse ausschließlich das Verständnis der Auftraggeberin zu. Die Interpretation der Antragstellerin sei unrichtig und stehe auch mit Sinn und Zweck der zitierten Passage im krassen Widerspruch. Zu den Baustellengemeinkosten zählten die Kosten für das Baubüro, die Kosten für die erforderlichen Techniker, die vor Ort nicht direkt operativ sind usw. Die Baustellengemeinkosten könnten vom Auftragnehmer monatlich pauschal verrechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Auftragnehmer in dieser Zeit auch tatsächlich operative Leistungen an Ort und Stelle erbracht habe. Die Baustellengemeinkosten könnten daher insbesondere auch dann monatlich zur Verrechnung gelangen, wenn eine Bauzeitverlängerung oder eine Verzögerung in der Bauabwicklung eintrete. Um nunmehr ein unzulässiges Aufblasen der Leistungsgruppe 02 über dieses Maß hinaus zu verhindern, habe die Auftraggeberin in der Ausschreibungsunterlage mit der angesprochenen Regelung ein Verhältnis zwischen der Gesamtheit der Leistungsgruppe Baustellengemeinkosten 02 einer Hauptgruppe einerseits, zu sämtlichen Leistungsgruppen dieser Hauptgruppe andererseits, hergestellt und eine diesbezügliche Begrenzung festgelegt. Das von der Antragstellerin behauptete Verständnis der angesprochenen Regelung würde eine völlige Sinnlosigkeit und Zwecklosigkeit dieser Regelung bewirken. Unabhängig davon habe die Antragstellerin bei der Ausschreibung der Auftraggeberin zum Nachbarbaulos B320 Schladming-Ost NFA unter Beweis gestellt, dass sie die Bedeutung und der Regelungsinhalt der zitierten Passage in der Ausschreibungsunterlage, wie sie von der Auftraggeberin auch dort verwendet worden sei, bekannt sei. Wie sich dort ergebe, habe die Antragstellerin ihre Baustellengemeinkosten dort gerade so angesetzt, dass sie das von der Auftraggeberin vorgegebene Limit für die Baustellengemeinkosten knapp unterschreite. Auch aus diesem Umstand sei klar zu erkennen, dass die Antragstellerin Kenntnis vom Inhalt und Bedeutung der Bauregienklausel und diese auch akzeptiert habe. Die Auftraggeberin habe sowohl die bekämpfte Ausscheidensentscheidung, als auch die bekämpfte Zuschlagsentscheidung jeweils rechtskonform und in Übereinstimmung mit der bestandfesten Ausschreibungsunterlage getroffen. Die Auftraggeberin beantragte durch ihren ausgewiesenen Vertreter den Nachprüfungsantrag abzuweisen.

 

C.

Mit Schreiben vom 27.05.2011, am selben Tag beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eingelangt, schloss sich die präsumtive Billigstbieterin, die Bietergemeinschaft, bestehend aus Sa AG-T As AG, Wst, M, vertreten durch Dr. We Me, Rechtsanwalt, Wg, G (im Folgenden: die mitbeteiligte Partei) durch die Erhebung von Einwendungen gemäß § 8 Abs 3 StVergRG dem gegenständlichen Nachprüfungsverfahren an. Die Interpretation des Punktes 26 des Teiles B5 (Technische Bedingungen) durch die Auftraggeberin sei korrekt. Die Antragstellerin sei diesbezüglich einem Irrtum unterlägen. Das Leistungsverzeichnis (B7) sei in insgesamt vier Hauptgruppen gegliedert. Jede Hauptgruppe sei in Obergruppen, jede Obergruppe wiederum in Leistungsgruppen untergliedert. Es sei richtig, dass jede Obergruppe daher eine Leistungsgruppe LG 02 Baustellengemeinkosten enthalte. In jeder Hauptgruppe finde sich daher die Leistungsgruppe LG 02 Baustellengemeinkosten mehrmals. Die Behauptung, dass der Preis für die jeweilige LG 02 im Verhältnis zum Preis der Hauptgruppe, in der sich diese LG 02 befinde, betrachtet werde, sei widersprüchlich. In einer Hauptgruppe gebe es eben nicht eine jeweilige LG 02, wovon die Antragstellerin offenbar ausgehe, sondern mehrere LG 02. Schon deshalb sei die Argumentation der Antragstellerin unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin stütze ihre Argumentation ausschließlich auf die Verwendung der Einzahl des Wortes Leistungsgruppe, anstatt der Mehrzahl dieses Wortes Leistungsgruppen. Für jeden durchschnittlichen Angehörigen des Adressatenkreises der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung sei jedoch klar ersichtlich, dass sich die Antragsgegnerin einer rhetorischen Figur, nämlich einer Synekdoche bedient habe. In diesem Sinne sei die Wortfolge der Preis für die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten eindeutig im Sinne von der Preis für sämtliche Leistungsgruppen 02, der jeweiligen Hauptgruppe, wie sich dies aus dem letzten Satz des Punktes 26 B5 ergebe, zu verstehen. Die von der Antragstellerin vorgenommene Interpretation der gegenständlichen Bestimmung würde auch dem Sinn und Zweck derselben widersprechen. Der Standpunkt der Antragstellerin bringe die Möglichkeit zur Überfrachtung der Leistungsgruppen 02 mit sich. Die Entscheidungen der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden und den Zuschlag dem Angebot der mitbeteiligten Partei zu erteilen seien rechtmäßig. Die mitbeteiligte Partei beantragte durch ihren ausgewiesenen Vertreter den Nachprüfungsantrag abzuweisen.

 

Aa)

In ihrer Äußerung vom 07.06.2011 zog die Antragstellerin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück, hielt aber alle übrigen Anträge unverändert aufrecht. Auf das Vorbringen der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei replizierte die Antragstellerin insofern, als sie darauf hinwies, dass die Auftraggeberin eine Untergliederung, wie im vorliegenden Fall, in Hauptgruppe, Obergruppe, Leistungsgruppe keine eigene Regelung getroffen habe, wodurch die Unklarheit betreffend die Auslegung des Punktes 26 überhaupt erst entstanden sei. Die Auftraggeberin habe sich somit einer undeutlichen Bestimmung bedient, weil sie für ein derartig gegliedertes Leistungsverzeichnis nicht eindeutig geregelt habe, wie die 20 Prozent Grenze für die Baustellengemeinkosten zu kalkulieren sei.

 

Bb)

In ihrer Stellungnahme vom 10.06.2011 gab die Auftraggeberin bekannt, dass sie keinen Einwand dagegen erhebe, dass in der gegenständlichen Angelegenheit ohne Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung entschieden werde. Die Auftraggeberin wiederholte ihren Antrag, den Antrag der Antragstellerin, die Ausscheidensentscheidung für nichtig zu erklären, abzuweisen und den Antrag der Antragstellerin, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, zurückzuweisen.

 

Cc)

Mit Stellungnahme vom 08.06.2011 gab die mitbeteiligte Partei bekannt, dass dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine Rechtsfrage zur Beurteilung vorliege. Da es lediglich darum gehe, wie Punkt 26 des Teiles B5 (Technische Bedingungen) der Ausschreibungsbestimmungen zu interpretieren sei bzw. wie ein durchschnittlicher Angehöriger des Adressatenkreises der Ausschreibung diese Bestimmung verstehen müsse. Die mitbeteiligte Partei und die Auftraggeberin hätten dieses Verständnis unter Heranziehung der Interpretationsregeln des § 914 ABGB dargelegt und seien zur identischen Interpretationsergebnissen gelangt. Die Antragstellerin orte eine undeutliche Ausschreibungsformulierung, die nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen könne. Sie übersehe hierbei jedoch, dass § 915 ABGB erst einzugreifen habe, wenn die Anwendung des § 914 ohne eindeutiges Ergebnis geblieben sei, da § 915 zu § 914 im Verhältnis der Subsidarität stehe. Die Anwendung des § 914 ABGB bringe aber im gegenständlichen Fall ein eindeutiges Interpretationsergebnis, weshalb kein Anwendungsfall des § 915 zweiter Halbsatz ABGB vorliege. Die mitbeteiligte Partei erhebe gegen die Absicht ohne Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu entscheiden, keine Einwendungen und verzichte ausdrücklich auf eine öffentlich mündliche Verhandlung. Sie beantragte den Antrag der Antragstellerin, die Ausscheidensentscheidung für nichtig zu erklären, abzuweisen und den Antrag der Antragstellerin, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, zurückzuweisen.

 

I. Sachverhalt:

Das L S, A St Lg, F, Straßeninfrastruktur-Bau, LH, G führt das Vergabeverfahren B320 - Schladming-Ost - Aufschließung Untere Klaus, in Form eines offenen Verfahrens durch. Bei dem zu vergebenden Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag, welcher dem vergaberechtlichen Oberschwellenbereich zuzuordnen ist. Der Vergabegegenstand wurde in Punkt B2.1.2 des Teils B2 der Ausschreibungsunterlagen (besondere Vormerkungen) zusammengefasst; im Wesentlichen geht es um Straßen-, Brücken- und Leitungsbauleistungen an der B 320 Ennstal Straße.

 

Teil B7 der Ausschreibungsunterlage Leistungsverzeichnis teilt sich in vier Hauptgruppen: HG01 Straßenbau, HG02 Brückenbau, HG03 Leitungsbau und HG04 Leitungsbau-Wasser. Die Hauptgruppen sind in Obergruppen, die Obergruppen in Leistungsgruppen gegliedert. Jede Obergruppe enthält eine Leistungsgruppe LG02 Baustellengemeinkosten. Da jede Obergruppe eine Leistungsgruppe LG02 Baustellengemeinkosten enthält, gibt es in jeder Hauptgruppe mehrere Leistungsgruppen LG02 Baustellengemeinkosten.

 

Gemäß Punkt 21 Bewertung der Angebote B1 Bestimmungen für das Angebot, wird der Zuschlag gemäß § 80 Abs 3 BVergG dem Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt.

 

Das Angebot mit dem niedrigsten Preis gab die Antragstellerin ab, welche mit einem Preis von ? 5.751.071,98 brutto, an erster Stelle vor dem Angebot der Bietergemeinschaft Sa AG-T As AG mit einem Preis von ? 6.188.443,48 brutto, lag.

 

Mit Schreiben vom 13.05.2011, der Antragstellerin am selben Tag zugegangen, teilte die Auftraggeberin mit, dass der Zuschlag der Bietergemeinschaft Sa AG-T As AG, als Billigstbieter erteilt werden solle. Gleichzeitig teilte die Auftraggeberin mit, dass das Angebot der Antragstellerin nicht weiter behandelt und ausgeschieden werde, da die Klausel gemäß der Ausschreibungsunterlage Teil B5, Technische Bedingungen, Punkt 26 Bauregie überschritten worden sei.

 

Punkt 2.2 rechnerische Prüfung der Angebotsprüfung des Angebots der Antragstellerin vom 11.05.2011 lautet:

Gemäß der Ausschreibungsunterlage Teil B5, Punkt 26 Bauregie ist festgelegt:

Der Preis für die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten der standardisierten Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI02), herausgegeben von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) darf 20 Prozent der Gesamtsumme aller Leistungsgruppen nicht überschreiten. Sofern eine Ausschreibung aus mehreren Hauptgruppen besteht, gilt diese Regelung für jede einzelne Hauptgruppe. Bei einer Überschreitung der o. a. Klausel, wird das Angebot nicht weiter behandelt.

Die gegenständliche Ausschreibung besteht aus vier Hauptgruppen (HG), sodass die genannte Klausel für jede einzelne HG zu prüfen war. Gemäß beiliegender, detaillierter, tabellarischer Darstellung, in der sämtliche Positionen des Leistungsverzeichnisses aufgelistet sind, ergibt sich Nachfolgendes:

Unter Ausschluss der braun markierten Z-Positionen (da nicht Bestandteil der standardisierten Leistungsbeschreibung) wurde die Summe der Baustellengemeinkosten für jede einzelne HG ermittelt und der Gesamtsumme der jeweiligen HG gegenüber gestellt. Diese Gegenüberstellung ergibt die prozentuellen Anteile der Baustellengemeinkosten (LG02).

In der HG01 mit 21,01 Prozent

In der HG02 mit 23,41 Prozent

In der HG03 mit 30,80 Prozent und

in der HG04 mit 0,58 Prozent.

Die Klausel ist sohin in drei Hauptgruppen überschritten. Das Angebot ist nicht weiter zu behandeln und auszuscheiden.

 

Punkt 28 (Materialbeistellungen und Zuschlagnebenleistungen) des Teils B5 der Ausschreibungsunterlage lautet:

Bei der Position Materialbeistellungen werden Zuschläge unter 0 Prozent nicht akzeptiert und bei der Angebotsprüfung auf 0 Prozent rechnerisch richtiggestellt.

Der für Materialbeistellungen angebotene Zuschlag gilt auch für über den AN bezogenen Nebenleistungen.

 

II. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die vorliegenden schriftlichen Unterlagen des Vergabeverfahrens.

 

III. Rechtliche Beurteilung:

1.) Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark und Zulässigkeit des Antrages:

Das gegenständliche Nachprüfungsverfahren unterliegt den materiellen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006 (BVergG) in der Fassung BGBl. I Nr. 15/2010 sowie hinsichtlich des Nachprüfungsverfahrens dem Steiermärkischen Vergaberechtschutzgesetz, LGBl. Nr. 28/2010, (StVergRG).

 

Das L S ist öffentlicher Auftraggeber gemäß Art. 14 b Abs 2 Z 2 lit a B-VG, BGBl. I 1930 idgF BGBl. I Nr. 99/2002. Das gegenständliche Vergabeverfahren fällt somit in den Vollzugsbereich des Landes und unterliegt gemäß §§ 1 und 2 StVergRG der Nachprüfung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark.

 

Da es sich um ein Verfahren im Oberschwellenbereich handelt, ist gemäß § 67 a Abs 2 Z 2 letzter Satz AVG e contrario der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark durch die im Spruch ersichtliche Kammer zur Entscheidung berufen.

 

Der gegenständliche Nachprüfungsantrag wurde ordnungsgemäß vergebührt und entspricht auch den formalen und inhaltlichen Kriterien des § 6 StVergRG.

 

Die gegenständlichen, angefochtenen Entscheidungen wurden am 13.05.2011 per Telefax bekannt gegeben. Der am 23.05.2011 eingebrachte Nachprüfungsantrag ist daher gemäß § 5 Abs 1 StVergRG rechtzeitig.

 

2. Zum Einwand das Angebot der Antragstellerin entspreche der Vorgabe der Ausschreibungsunterlage Teil B5, Technische Bedingungen, Punkt 26 Bauregie, da keine LG02 20 Prozent der Gesamtsumme aller Leistungsgruppen der jeweiligen Hauptgruppe überschreite:

 

Die Antragstellerin bringt im Wesentlichen vor, dass die Auftraggeberin ihr Angebot zu Unrecht ausgeschieden habe, indem sie Punkt 26 des Teils B5 der Ausschreibungsunterlagen einem Inhalt unterstelle, den diese Bestimmung nicht habe. Die Auslegung der Auftraggeberin erfolge zum Nachteil der Antragstellerin.

 

Punkt 26 Bauregie der Ausschreibungsunterlage Teil B5, Technische Bedingungen, lautet:

Bauregie

Der Preis für die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten der standardisierten Leistungsbeschreibung Verkehrsinfrastruktur (LB-VI02), herausgegeben von der Österreichischen Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) darf 20 Prozent der Gesamtsumme aller Leistungsgruppen nicht überschreiten. Sofern eine Ausschreibung aus mehreren Hauptgruppen besteht, gilt diese Regelung für jede einzelne Hauptgruppe. Bei einer Überschreitung der o. a. Klausel, wird das Angebot nicht weiter behandelt.

 

Eine Bieteranfrage zu Punkt 26, Bauregie des Teils B5 der Ausschreibungsunterlagen hat die Antragstellerin nicht gestellt. Die Ausschreibung wurde von Antragstellerin auch nicht innerhalb der in § 5 StVerGRG vorgesehenen Frist angefochten. Sie ist daher bestandfest geworden (VwGH 15.09.2004, 2004/04/0054; VwGH 17.11.2004, 2002/04/0078; VwGH 01.03.2007, 2005/04/0239 u. a.; BVA 18.01.2008, N/0118-BVA/04/2007-36 u.v.a.). Damit sind sowohl die Auftraggeberin als auch die Bieter an die in der Ausschreibung festgelegten Bestimmungen gebunden. Die Bindung der für die Zuschlagserteilung in Frage kommenden Angebote an die Ausschreibung ist für die Gleichbehandlung der Bieter von entscheidender Bedeutung.

 

Die allgemeinen, für die Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen maßgeblichen zivilrechtlichen Regelungen der §§ 914 ff ABGB sind auch im Vergaberecht anzuwenden (vgl. Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1). Ausschreibungsunterlagen und auch sonstige Entscheidungen des Auftraggebers sind demnach nach ihrem objektiven Erklärungswert zu interpretieren. Es ist daher zunächst vom Wortlaut in seiner üblichen Bedeutung auszugehen. Dabei ist die Absicht der Parteien zu erforschen und sind rechtsgeschäftliche Erklärungen so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war und somit, wie diese ein redlicher Erklärungsempfänger zu verstehen hatte. Dabei kommt es nicht auf den von einer Partei vermuteten Zweck der Ausschreibungsbestimmung an, sondern ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibung maßgeblich (VwGH 29.03.2006, 2004/04/0144, 0156, 0157; BVA 18.01.2008, N/0118-BVA/04/2007-36; BVA 11.01.2008, N/0112-BVA/14/2007-20; BVA 28.07.2006, N/0048-BVA/15/2006-28; BVA 28.03.2011, N/0002-BVA/04/2011-23 uva).

 

Auch die Auslegung von Angeboten - als zivilrechtliche Willenserklärungen - hat anhand des objektiven Erklärungswertes zu erfolgen (BVA 27.11.2006, F/0001-BVA/14/2006-44; BVA 09.06.2009, N/0040-BVA/14/2009-31 u. a.), sodass sich die Bedeutung der Angebotserklärung weder nach Motiven des erklärenden Bieters (wie etwa allfällige Missverständnisse der Ausschreibungsbestimmungen), noch danach richtet, wie dies der Erklärungsempfänger (Auftraggeber) subjektiv verstanden hat, sondern allein danach, wie der Text des Angebotes unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv verstanden werden musste (VwGH 16.02.2005, 2004/04/0030; BVA 09.06.2009, N/0040-BVA/14/2009-31; vgl auch Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel § 2 Z 3 RZ 8).

 

Das Vorbringen der Antragstellerin widerspricht dem tatsächlichen Wortlaut der Ausschreibung, da der Text der Ausschreibungsunterlage in Punkt 26 Bauregie des Teils B5, die von der Antragstellerin vorgenommene Einschränkung auf eine/die jeweilige/diese/jede einzelne LG 02 tatsächlich nicht aufweist. Aus dem objektiven Erklärungswert dieser Bestimmung ergibt sich somit nicht, wie von der Antragstellerin dargelegt, dass jede einzelne Leistungsgruppe 02 nicht mehr als 20 Prozent der Gesamtsumme aller Leistungsgruppen der jeweiligen Hauptgruppe überschreiten darf. Vielmehr ist das Leistungsverzeichnis (B7) in vier Hauptgruppen gegliedert, jede Hauptgruppe in Obergruppen und jede Obergruppe wiederum in Leistungsgruppen untergliedert und enthält jede Obergruppe eine Leistungsgruppe LG02 Baustellengemeinkosten. In jeder Hauptgruppe findet sich die Leistungsgruppe LG02 Baustellengemeinkosten mehrmals. Insofern ist die Interpretation der Antragstellerin, dass der Preis für die jeweilige LG02 im Verhältnis zum Preis der Hauptgruppe, in der sich diese LG02 befindet, nicht nachvollziehbar, da es in einer Hauptgruppe eben nicht eine jeweilige LG02, sondern mehrere LG02 gibt.

 

Die Antragstellerin stützt ihre Argumentation im Wesentlichen auf die Verwendung der Einzahl des Wortes Leistungsgruppe, anstatt der Mehrzahl dieses Wortes Leistungsgruppen im Punkt 26 des Teiles B5 (Technische Bedingungen). Die Interpretation der Antragstellerin ist aber nach Maßgabe der Wortlautinterpretation und unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der Ausschreibungsunterlage bei objektiver Beurteilung nicht schlüssig.

 

Zu den Baustellengemeinkosten zählen die Kosten für das Baubüro, die Kosten für die erforderlichen Techniker, die vor Ort nicht direkt operativ sind usw. Die Baustellengemeinkosten können von der Auftragnehmerin monatlich pauschal verrechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Auftragnehmerin in dieser Zeit auch tatsächlich operative Leistungen an Ort und Stelle erbringt. Die Baustellengemeinkosten können daher insbesondere auch dann monatlich zur Verrechnung gelangen, wenn eine Bauzeitverlängerung oder eine Verzögerung in der Bauabwicklung eintritt. Sinn und Zweck des Punktes 26 B5 liegt darin, zu verhindern, dass die Leistungsgruppe 02 Baustellengemeinkosten mit Kosten, die eindeutig anderen Leistungsgruppen zuzuordnen sind, überfrachtet wird, um so diese Kosten lukrieren zu können; was insbesondere für Kosten von Leistungsgruppen gilt, von denen die zukünftige Auftragnehmerin nicht ohne weiteres ausgehen kann, dass sie überhaupt zur Ausführung gelangen. Einer solchen Überfrachtung der Leistungsgruppe 02 (im Sinne der Gesamtheit aller Leistungsgruppen 02 einer Hauptgruppe) wird dadurch effektiv begegnet, indem die Gesamtheit der Leistungsgruppen 02 zu einer Hauptgruppe in einem Verhältnis zu sämtlichen Leistungsgruppen dieser Hauptgruppe gesetzt wird.

 

Auch wenn sich die Auftraggeberin im gegenständlichen Fall einer rhetorischen Figur, nämlich des generalisierenden Singulars bedient (dabei wird die Bezeichnung für eine Menge in ihrer Gesamtheit durch die Bezeichnung für ein Einzelexemplar dieser Menge ersetzt), ist der Sinn und Zweck der gegenständlichen Regelung - ein Verhältnis zwischen der Gesamtheit der Leistungsgruppe Baustellengemeinkosten 02 einer Hauptgruppe einerseits, zu sämtlichen Leistungsgruppen dieser Hauptgruppe andererseits, herzustellen und eine diesbezügliche Begrenzung festzulegen - für jeden durchschnittlichen Angehörigen des Adressatenkreises der verfahrensgegenständlichen Ausschreibungsbestimmung völlig klar.

 

Die von der Antragstellerin vertretene Interpretation, dass keine Leistungsgruppe 02 die Gesamtsumme aller Leistungsgruppen der jeweiligen Hauptgruppen überschreiten dürfe, widerspricht diesem Zweck, da z. B. bei einer Hauptgruppe mit 6 Obergruppen, in der die Leistungsgruppe 02 sechs Mal vorkommt, nach der Interpretation der Antragstellerin die Leistungsgruppe 02 rechnerisch 6 x 20 Prozent des Preises der Hauptgruppe, sohin 120 Prozent des Preises der Hauptgruppe betragen darf. Bei der einfachen Auslegung im Sinne des § 914 ABGB ist aber die Feststellung der für die Parteien maßgeblichen Verkehrssitte so zu treffen, dass ein Erklärungsempfänger grundsätzlich den ihm geläufigen Sprachgebrauch zugrundelegen darf, wenn er nicht konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Übung des Erklärenden hat. Da der Sinn und Zweck der Bestimmung des Punktes 26 den fachkundigen Bietern bekannt sein muss, die Verwendung der rhetorischen Figur des generalisierenden Singulars im allgemeinen Sprachgebrauch regelmäßig vorkommt und von der Auftraggeberin in der gegenständlichen Ausschreibungsunterlage auch mehrfach verwendet wurde (zB: in Punkt 28 Materialbeistellungen und Zuschlagnebenleistungen, in welchem die Position Materialbeistellungen im Singular angeführt ist, obwohl nach Durchsicht der Ausschreibungsunterlage die Position Materialbeistellungen vielfach vorkommt) entspricht die von der Antragstellerin vorgenommene Interpretation des Punktes 26, B5 weder deren objektiven Erklärungswert noch der Übung des redlichen Verkehrs.

 

Unter Heranziehung der Interpretationsregeln des § 914 ABGB hat ein durchschnittlicher Angehöriger des Adressatenkreises der Ausschreibung die Bestimmung des Punktes 26 des Teils B5 (Technische Bedingungen) so zu verstehen, dass die Summe der Baustellengemeinkosten für jede einzelne Hauptgruppe ermittelt, der Gesamtsumme der jeweiligen Hauptgruppen gegenüber gestellt wird und diese Gegenüberstellung die prozentuellen Anteile der Baustellengemeinkosten aus der Summe der Preise aller Leistungsgruppen 02 ergibt.

 

§ 915 ABGB enthält zwei besondere Auslegungsregeln für Verträge, die allerdings auch auf einseitige Erklärungen anwendbar sind. § 915 ABGB hat erst einzugreifen, wenn die Ermittlung der erklärten Absicht der Parteien ohne eindeutiges Ergebnis geblieben ist. So bleibt trotz § 915 ABGB oberste Auslegungsmaxime die Ermittlung dessen, was ein redlicher Erklärungsgegner als geäußerten Willen ansehen durfte und angesehen hat.

 

Da die Interpretationsregel des § 914 ABGB im gegenständlichen Fall ein eindeutiges Interpretationsergebnis erbringt, ist die Unklarheitenregel des § 915 zweiter Halbsatz ABGB nicht anzuwenden, da diese zu § 914 im Verhältnis der Subsidiarität steht (Rummel in Rummel3 I § 915, Rz1).

 

Gemäß § 129 Abs 1 Z 7 BVergG hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung Angebote, unter anderem dann auszuscheiden, wenn sie den Ausschreibungsbestimmungen widersprechen. Da somit ein der Ausschreibung widersprechendes Angebot im Sinne des § 129 Abs 1 Z 7 BVergG vorliegt, erfolgte das Ausscheiden des Angebots der Antragstellerin durch die Auftraggeberin im Ergebnis zu Recht. Liegt (auch nur) ein Ausscheidensgrund vor, so ist die Auftraggeberin zur Ausscheidung verpflichtet (BVA 21.01.2005, 17 N 116/04-32; siehe auch Koller in Gast (Herausgeber HRSG), BVergG-Leitsatzkommentar, E 1 ff zu § 129). Die Auftraggeberin hat diesbezüglich kein Ermessen (VwGH 18.05.2005, 2004/04/0040; Öhler/Schramm in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel § 129 Rz 10). Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung war daher abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach dargelegt, dass einem Bieter, der selbst gegen Ausschreibungsbestimmungen oder gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstoßen hat, kein Schaden dadurch entsteht, dass dieser Bieter am weiteren Vergabeverfahren nicht teilnehmen kann (vgl. z. B. VwGH 28.03.2007, 2005/04/0200). In den Entscheidungsgründen zu diesem Erkenntnis wurde auch darauf verwiesen, dass diese Rechtsansicht nicht zuletzt mit den Ausführungen des Generalanwaltes in den Schlussanträgen in der Rechtssache C-249/01 im Einklang steht, nach denen ein Bieter den Zuschlag nicht erhalten könne, der selbst gegen die Ausschreibungsbedingungen oder gegen die Bestimmungen über öffentliche Aufträge verstoßen hat (VwGH 28.05.2008, 2007/04/0232). Mangelt es einem Angebot an der grundsätzlichen Eignung gemäß den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes und den hiezu ergangenen Verordnungen für den Zuschlag in Betracht gezogen zu werden, so ist - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - die Antragslegitimation im Sinne des § 320 Abs 1 BVergG 2006 zu verneinen (VwGH 03.01.2005, 2003/04/0039; 27.02.2002, 2000/04/0050; 16.02.2005, 2004/04/0030; ebenso BVA 28.03.2011, N/0002-BVA/04/2001-23; BVA 21.04.2011, N/0020-BVA/09/2011-28 u.v.a).

 

Der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung war mangels Antragslegitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.

 

Zur Entscheidung in Spruchpunkt III.):

Gemäß § 26 StVergRG haben vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat - wenn auch nur teilweise - obsiegende Antragstellerinnen/Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 24 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin/den Auftraggeber. Die Antragstellerin/der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz der entrichteten Gebühren, wenn sie/er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

 

Gemäß Abs 2 leg cit besteht ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung nur dann, wenn dem Nachprüfungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.

 

Da die Antragstellerin mit ihren Anträgen nicht durchgedrungen ist, hat sie im Umkehrschluss zu § 26 Abs 2 StVergRG die ordnungsgemäß entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen.

 

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Bauauftrag; Leistungsverzeichnis; Ausschreibung; Auslegung; Leistungsgruppen; Baustellengemeinkosten; Überfrachtung; generalisierend; Singular
Zuletzt aktualisiert am
03.11.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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