TE UVS Tirol 2011/10/11 2011/29/2045-7

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Veröffentlicht am 11.10.2011
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Theresia Kantner über die Berufung des Mag. G. H., XY-Weg 233/1, L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S. W., XY-Straße 15, I., gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 22.06.2011, Zl II-STR-01358e/2010, wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschuldigten spruchgemäß nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

 

?Sie, Herr Mag. G. H., haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 Abs 1 VStG) der h. c. GmbH zu verantworten, dass die h. c. GmbH mit Sitz der Unternehmensleitung in I., XY-Gasse 16, in der Zeit vom 1.10.2009 bis 31.1.2010 für deren Dienstnehmer, und zwar

 

1)

Frau Mag. S. S.,

2)

Herrn DI C. K.,

3)

Herrn F. X. G.,

4)

Herrn M. G., sowie

5)

Herrn MMag. P. J.,

 

entgegen § 26 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes Arbeitszeitaufzeichnungen dergestalt geführt wurden, dass daraus der Beginn und die Dauer der betreffenden Durchrechnungszeiträume nicht hervorgegangen sind.?

 

Der Beschuldigte habe dadurch als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG der h. c. GmbH zu Spruchpunkt 1. bis 5. je eine Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs 8 iVm § 26 Abs 1 sowie iVm § 9 Abs 1 VStG begangen und wurde über ihn gemäß § 24 Abs 8 AZG zu den Spruchpunkten 1. bis 5. jeweils eine Geldstrafe in Höhe von Euro 218,00 (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 24 Stunden) unter gleichzeitiger Festsetzung der Verfahrenskosten verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung erhoben, worin im Wesentlichen unzureichende Begründung des Bescheides, insbesondere fehlende bzw keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen und unschlüssige Beweiswürdigung sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wurden. Es wurde beantragt der Berufung Folge zu geben und das Strafverfahren allenfalls unter Ausspruch einer Ermahnung gemäß § 21 VStG einzustellen.

 

In einer weiteren Stellungnahme vom 30.09.2011 wurde weiters vorgebracht, dass der Beschuldigte über Aufforderung des Arbeitsinspektorates immer wieder verschiedene Vorlagen von Arbeitsaufzeichnungen ordnungsgemäß durchgeführt habe. Die Arbeitsaufzeichnungen seien ordnungsgemäß erfolgt und sei in einem anderen Strafverfahren bereits eine Strafe bezahlt worden, da nicht ausreichend Ruhepausen gewährt worden seien. Bemängelt wurde weiters die lange Verfahrensdauer und wurde hinsichtlich des Durchrechnungszeitraumes ausgeführt, dass das Arbeitsinspektorat weder geklärt noch hinterfragt habe, ob ein solcher überhaupt bestehe. Der Beschuldigte habe die Arbeitsaufzeichnungen stets nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt, jedoch den Durchrechnungszeitraum nicht explizit angeführt. Der Durchrechnungszeitraum im Betrieb des Beklagten sei einheitlich vereinbart worden und betrage generell ein Kalendermonat. Deshalb wäre es auch ein Leichtes gewesen, diesen anzuführen, jedoch sei der Beschuldigte nicht entsprechend vom Arbeitsinspektorat angeleitet worden. Die fehlenden Angaben von zwei Daten, also den Beginn und das Enddatum des Durchrechnungszeitraumes, stelle des Weiteren keine schwerwiegende Übertretung dar. Im gegenständlichen Fall wäre sohin der Ausspruch einer Ermahnung angebracht und wurden darüber hinaus weitere Beweisanträge gestellt.

 

Der Berufung kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erst- und zweitinstanzlichen Akt, die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 16.08.2011 (diese wurde dem Beschuldigtenvertreter zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt), die vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen und Lohnzettel sowie Dienstverträge der im Spruch genannten Arbeitnehmer, das Schreiben des Arbeitsinspektorates vom 20.09.2011, die Stellungnahme des Beschuldigtenvertreters vom 30.09.2011 und die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 06.10.2011 und das E-Mail des Arbeitsinspektorates vom 10.10.2011, mit welchem noch ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet wurde.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG entfällt die mündliche Berufungsverhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Nach Einlangen der weiteren Stellungnahme des Beschuldigtenvertreters sowie des Arbeitsinspektorates Innsbruck steht fest, dass der angefochtene Bescheid, aufgrund nachstehender Ausführungen, aufzuheben ist. Von Seiten des Arbeitsinspektorates wurde darüber hinaus ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet, sodass die Durchführung einer (weiteren) mündlichen Berufungsverhandlung entfallen konnte.

 

Gemäß § 26 Abs 1 AZG hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Der Beginn und die Dauer eines Durchrechnungszeitraumes sind festzuhalten.

 

Zum gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ist festzuhalten, dass von Seiten der Erstbehörde sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.07.2010 als auch im Straferkenntnis vom 22.06.2011 lediglich als Tatvorwurf angeführt wurde, dass der Beginn und die Dauer des Durchrechnungszeitraumes für die im Spruch genannten Arbeitnehmer aus den Arbeitsaufzeichnungen nicht hervorgegangen sind, dies für den angeführten Tatzeitraum 01.10.2009 bis 31.01.2010. Als Tatvorwurf im gegenständlichen Fall wurde sohin § 26 Abs 1 zweiter Satz AZG verfolgt.

 

In rechtlicher Hinsicht ist diesbezüglich auszuführen, dass zur Flexibilisierung der Normalarbeitszeiten nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein Durchrechnungszeitraum vereinbart werden kann. Diesbezüglich ist jeweils der Beginn und die Dauer des Durchrechnungszeitraumes festzulegen.

 

Grundsätzlich beträgt die tägliche Normalarbeitszeit 8 Stunden und die wöchentliche 40 Stunden. Zur Flexibilisierung der Normalarbeitszeit kann der Kollektivvertrag (bzw eine Betriebsvereinbarung bei Ermächtigung durch den Kollektivvertrag) für Arbeitnehmer eine Ausdehnung der Normalarbeitszeit in einem Durchrechnungszeitraum von bis zu 52 Wochen zulassen, wenn sie innerhalb dieses Zeitraumes im Durchschnitt 40 Stunden bzw die kollektivvertraglich festgelegte wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschreitet. In Betrieben in denen kein Betriebsrat errichtet ist, kann das Arbeitsinspektorat eine andere ungleichmäßige Verteilung der Normalarbeitszeit innerhalb der Woche zulassen, soweit dies die Art des Betriebes erfordert (§ 4 Abs 2 AZG).

 

Es ist sohin grundsätzlich festzuhalten, dass ein Durchrechnungszeitraum rechtswirksam nur durch Kollektivvertrag, durch Betriebsvereinbarung oder in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsinspektorat vereinbart werden kann.

 

Für die h. c. GmbH mit Sitz in I., XY-Gasse 16, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschuldigten im Tatzeitraum war und welche der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation unterliegt, gibt es für den örtlichen Bereich Tirol keinen gültigen Kollektivvertrag. Dass im Unternehmen des Beschuldigten ein Betriebsrat besteht, wurde von keiner der beiden Parteien vorgebracht, ebenso dass die h. c. GmbH im Zusammenwirken mit dem Arbeitsinspektorat einen Durchrechnungszeitraum für die Dienstnehmer vereinbart hätte. Von Seiten des Beschuldigten wurde lediglich vorgebracht, dass ?der Durchrechnungszeitraum im Betrieb des Beklagten stets einheitlich vereinbart wird und ganz generell einen Kalendermonat beträgt?.

 

Aufgrund des Umstandes, dass sohin kein Durchrechnungszeitraum rechtsgültig vereinbart war, bestand auch keine Verpflichtung des Beschuldigten bzw der GmbH als Arbeitgeberin bei den Arbeitsaufzeitzeichnungen einen Beginn und ein Ende eines Durchrechnungszeitraumes festzuhalten.

 

Aus diesem Grunde ist festzuhalten, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen hat und war das Strafverfahren sohin gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

Ergänzend ist festzuhalten, dass eine Spruchberichtigung auf den Tatvorwurf § 26 Abs 1 erster Satz AZG für die Berufungsbehörde nicht möglich war.

 

Gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius) nach jeder Richtung abzuändern. ?Sache? ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Würde die Berufungsbehörde sohin die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat austauschen, so nähme sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und würde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten (VwGH 24.03.1994, 92/18/0356). Von Seiten der Erstbehörde wurde als Tatvorwurf sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung als auch im Straferkenntnis angeführt, dass der Beginn und die Dauer des Durchrechnungszeitraumes für die im Spruch genannten Arbeitnehmer aus den Arbeitsaufzeichnungen nicht hervorgegangen sind, dies für den angeführten Tatzeitraum 01.10.2009 bis 31.01.2010. Als Tatvorwurf im gegenständlichen Fall wurde sohin § 26 Abs 1 zweiter Satz AZG verfolgt. Dass die Arbeitszeitaufzeichnungen gem § 26 Abs 1 erster Satz AZG nicht oder nicht ordnungsgemäß geführt worden sind, wurde dem Beschuldigten von der Erstbehörde nicht vorgeworfen. Eine Spruchberichtigung würde daher einem unzulässigen Austauschen der Tat gleichkommen und konnte sohin nicht erfolgen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Durchrechnungszeitraum; Beginn und Ende; rechtswirksame Vereinbarung.
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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