TE OGH 2009/12/15 1Ob219/09a

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Veröffentlicht am 15.12.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** Rechtsanwalts GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Frank, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Tamara T*****, vertreten durch Mag. Anna-Maria Freiberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 29.205,24 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. August 2009, GZ 16 R 123/09i-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. April 2009, GZ 6 Cg 312/07g-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war testamentarische Alleinerbin nach einer Erblasserin, die bei einer Naturkatastrophe ums Leben gekommen war und vorerst als verschollen gegolten hatte, weshalb auch ein Abwesenheitskurator bestellt worden war. Zum Nachlass gehörte eine Liegenschaft mit einem Einfamilienhaus, die allerdings durch Hypotheken im Zusammenhang mit aufgenommenen Bankkrediten belastet war. Als Aktiva waren weiters mehrere Lebensversicherungsverträge vorhanden. Die Beklagte vereinbarte mit dem Geschäftsführer der klagenden Rechtsanwaltsgesellschaft (im Folgenden: Klägerin), dass versucht werden sollte, die Auszahlung der Lebensversicherungen zu erreichen, damit die Liegenschaft erhalten werden könne. Die Beklagte wies darauf hin, dass sie als vermögenslose Studentin bloß über ein monatliches Einkommen von rund 300 EUR verfüge und damit die Kreditraten nicht bedienen könne. Zwischen den Parteien wurde besprochen, dass das Ziel der Tätigkeit der Klägerin sein müsste, die Aktiva zu realisieren, um damit die Kredite auf der Liegenschaft abzudecken; weiters war zu erwarten, dass auch ein Steuerguthaben lukriert werden könnte. Nach dem Hinweis der Beklagten, dass sie Studentin sei und daher ein hohes Honorar nicht zahlen könne, gab der Geschäftsführer der Klägerin nach Abschätzung der für ihn zu erwartenden Zeitdauer unter Zugrundelegung eines reduzierten Stundenhonorars ein Honorar von 2.000 bis 3.000 EUR bekannt. Nachdem er meinte, mit 3.000 EUR „werde es sich ausgehen", erteilte die Beklagte der Klägerin Auftrag und Vollmacht für die besprochene Abwicklung. Aufgrund mehrerer Verzögerungen und Versäumnisse in der Sphäre der Klägerin - die Angelegenheit war dort einem Rechtsanwaltsanwärter übertragen worden - kam es aufgrund der Rückstände mit den Zahlungen der Kreditraten zu einer Klageführung einer Bausparkasse gegen die Beklagte, der dadurch ein zusätzlicher Aufwand von etwa 3.091 EUR entstand. Wären die Aktiva eher realisiert worden, was der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen wäre, wäre es zu diesem Vermögensnachteil nicht gekommen. Insgesamt waren bei der Abwicklung der Angelegenheit auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufgetreten, die der Klägerin nicht bereits aus dem Erstgespräch erkennbar gewesen wären. Auch der Umfang der Arbeiten hatte sich gegenüber dem bereits damals abschätzbaren Ausmaß nicht vergrößert. Während der Bearbeitung des Verlassenschaftsverfahrens antwortete der Geschäftsführer der Klägerin auf Fragen der Beklagten oder ihres Vaters nach dem Honorar ausweichend mit „es wird sich schon ausgehen" oder erklärte, dass man „schon zusammenkommen" werde. Die Beklagte wurde nicht darauf hingewiesen, dass die zunächst genannten maximal 3.000 EUR bereits überschritten worden seien oder dass der zunächst angenommene Umfang sich wesentlich vergrößert habe. Nachdem die Beklagte aufgrund der von der Klägerin für sie überraschend erhobenen Honorarforderungen von mehr als 20.000 EUR die Beendigung des bestehenden Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien erklärt hatte, legte die Klägerin Honorarnote über 29.205,24 EUR.

Diese Honorarforderung machte sie auch klageweise geltend und brachte dazu im Wesentlichen vor, es handle sich dabei um ein angemessenes Entgelt für ihre Tätigkeiten. Eine abweichende Honorarabrede sei nicht getroffen worden. Auch eine schuldhafte Verzögerung der Abwicklung könne ihr nicht vorgeworfen werden. Die Beklagte sei nach Erkennen der entstehenden hohen Kosten vielfach darauf hingewiesen worden, grundsätzlich schriftlich mit ihr zu verkehren, damit hohe Kosten wie weitere Telefonate nicht anfielen. Sie sei wiederholt auf die hohen, bereits entstandenen Kosten hingewiesen worden, ohne dagegen in irgendeiner Form Widerspruch zu erheben.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, es sei für die gesamte Vertretungstätigkeit der Klägerin ein Pauschalhonorar von 3.000 EUR vereinbart worden. Selbst wenn es sich nur um einen Schätzungsvoranschlag gehandelt haben sollte, hätte ihr die Klägerin bei sonstigem Verlust weiterer Ansprüche eine erhebliche Überschreitung des Schätzungsbetrags mitzuteilen gehabt. Weiters wandte sie Gegenforderungen von 3.467 EUR, 3.091 EUR und 8.025,45 EUR mit der Begründung ein, die Klägerin habe ihr durch die verzögerte Abwicklung (näher dargestellte) Vermögensnachteile in der genannten Höhe zugefügt.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als mit 3.000 EUR, die Gegenforderung als bis zur Höhe dieser Forderung zu Recht bestehend und wies das Klagebegehren ab. Der Vertrag eines Rechtsanwalts mit seinem Klienten habe in der Regel die entgeltliche Geschäftsbesorgung in Vertretung des Klienten zum Gegenstand. Aufgrund der für den konkreten Einzelfall vorzunehmenden Beurteilung könne der Vertrag aber auch als Werkvertrag anzusehen sein. Nach § 5 Abs 2 KSchG habe ein Unternehmer für die Richtigkeit eines Kostenvoranschlags, der dem Vertrag zugrundegelegt wird, Gewähr zu leisten, wenn nicht das Gegenteil ausdrücklich erklärt sei. Auch bei einer bloßen Kostenschätzung sei der Unternehmer verpflichtet, eine voraussichtlich beträchtliche Überschreitung der ursprünglich genannten Höchstsumme anzuzeigen. Unterlasse er dies, verliere er den Anspruch auf den Werklohn, soweit er den genannten Höchstbetrag übersteige. Auch ein Rechtsanwalt, der einen Schätzungsvoranschlag über die Kosten seiner Tätigkeit erstellt habe, müsse seinem Mandanten eine voraussichtlich beträchtliche Überschreitung des geschätzten Betrags bei sonstigem Verlust weiterer Ansprüche anzeigen. Im vorliegenden Fall seien die Schwerpunkte des Vertrags nicht so sehr in Verrichtungen rechtlicher Art - wie der Führung des Verlassenschaftsverfahrens -, sondern zumindest gleichwertig im Liquidieren der Aktiva und dem Abdecken der Passiva mit dem Erlös gelegen. Die Klägerin habe in Kenntnis der wesentlichen Umstände die Kostenschätzung für ihr Honorar mit 2.000 bis 3.000 EUR abgegeben. Möge damit auch ein fixer Pauschalbetrag als Honorar nicht vereinbart worden sein, so habe die Beklagte als Konsumentin doch darauf vertrauen dürfen, dass bei einem erheblichen Überschreiten des genannten Maximalbetrags die Klägerin darauf hinweisen würde. Für die Beklagte sei das bekannt gegebene Honorar auch ausschlaggebend für die Erteilung des Auftrags an die Klägerin gewesen, der überdies die beengten finanziellen Verhältnisse der Beklagten bekannt gewesen seien. Dass das [höhere] Honorar letztlich in den „Einnahmen" aus der Verlassenschaft Deckung finden würde, vermöge an der Verpflichtung der Klägerin, vor einer Kostenüberschreitung zu warnen, nichts zu ändern. Da die Klägerin auf die erhebliche Kostenüberschreitung ihres Schätzungsvoranschlags nicht hingewiesen habe, habe sie den darüber hinausgehenden Anspruch verloren. Ein Honoraranspruch von 3.000 EUR, der gegenüber der Beklagten als Konsumentin inklusive Umsatzsteuer zu verstehen sei, sei im Hinblick auf die geleisteten Tätigkeiten jedenfalls angemessen. Aber auch die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung sei bis zu dieser Höhe berechtigt. Gerade im Hinblick darauf, dass der Klägerin bekannt gewesen sei, dass eine schnelle Realisierung der Aktiva erforderlich war, um einen Schaden der Beklagten durch die Fälligstellung des Kredits zu vermeiden, sei die Klägerin angehalten gewesen, alles zu tun, um für eine rasche Realisierung der Lebensversicherungen zu sorgen. Sie habe dies jedoch schuldhaft unterlassen und damit für die durch die Verzögerung verursachten Vermögensnachteile zu haften. Bei dem gebotenen Vorgehen wäre es zur Klageeinbringung nicht gekommen. Jedenfalls die Differenz zwischen den letztlich bezahlten 135.000 EUR und der damals aushaftenden Darlehensvaluta von 131.902,62 EUR in Form von Pauschalgebühr und Anwaltskosten wäre der Beklagten nicht angefallen. Auf die weiters eingewandten Gegenforderungen müsse damit nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Der Vertrag zwischen den Streitteilen sei als Werkvertrag zu qualifizieren. Die Klägerin habe nicht nur die Vertretung der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren übernommen, sondern vor allem auch die Realisierung insbesondere der Versicherungsleistungen und anderer Vermögenswerte. Die Realisierung der Aktiva und Abdeckung der Passiva zwecks Erhalts der Nachlassliegenschaft für die Beklagte stelle ein von der Klägerin geschuldetes Ergebnis dar, sodass diese nicht bloß ein Bemühen geschuldet habe. Damit sei § 1170a Abs 2 ABGB unmittelbar anwendbar, der nach der Rechtsprechung auch auf die Kostenschätzung bzw den Schätzungsanschlag anzuwenden sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob ein Vertrag, mit dem ein Rechtsanwalt mit der Abwicklung der Verlassenschaft und der Realisierung der Aktiva zwecks Erhalts der Nachlassliegenschaft beauftragt wird, nach Werkvertragsrecht zu beurteilen sei; sollte es sich entgegen der vertretenen Auffassung um einen Bevollmächtigungsvertrag handeln, wäre die vom Obersten Gerichtshof ebenfalls noch nicht gelöste Frage der analogen Anwendbarkeit des § 1170a ABGB auf den Bevollmächtigungsvertrag zu prüfen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Soweit die Revisionswerberin als „Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens" in Wahrheit vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend macht, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nur dann vorliegen kann, wenn diesem der Vorwurf gemacht werden kann, die Verfahrensrüge in der Berufung nicht ordnungsgemäß erledigt zu haben (vgl dazu nur die Nachweise bei Kodek in Rechberger3 § 503 ZPO Rz 9). In dieser Hinsicht wird der Vorwurf erhoben, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine nicht gesetzmäßige Ausführung der Mängelrüge angenommen, weil darin nicht dargelegt worden sei, welche für die Entscheidung relevanten Ergebnisse ohne den behaupteten Mangel hätten erzielt werden können. Wenn die Revisionswerberin dem entgegen hält, sie habe in der Berufung ausgeführt, dass bei Aufnahme dieser Beweismittel „das gesamte Bestreitungsvorbringen ... den Feststellungen zugrundegelegt worden wäre", übersieht sie, dass es sich dabei um eine Leerformel handelt, mit der nicht nachvollziehbar dargetan wird, welche konkreten Tatsachen nach Auffassung des Berufungswerbers durch die unterbliebene Beweisaufnahme festgestellt worden wären. Soweit die unterlassene ergänzende Vernehmung ihres Geschäftsführers moniert wird, ist nur der Vollständigkeit halber auch darauf hinzuweisen, dass dieser seine vollständige Vernehmung schon dadurch verhindert hat, dass er sich von der Verhandlungstagsatzung vom 12. 9. 2008 (siehe ON 16) nach weniger als 40 Minuten Verhandlungsdauer entfernt hat, um einen beruflichen Termin wahrzunehmen.

Auch die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In materiellrechtlicher Hinsicht ist der Revisionswerberin zuzugestehen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Die in § 1151 Abs 1 ABGB erwähnte „Herstellung eines Werkes" wird allgemein als Verpflichtung zur Herbeiführung eines (Arbeits-)Erfolgs verstanden. Der Unterschied zum Auftragsvertrag besteht darin, dass ein „tatsächlicher" Erfolg, also eine reale Veränderung, herbeizuführen ist und nicht (primär) eine Veränderung der Rechtslage durch rechtsgeschäftliches Handeln (vgl nur M. Bydlinski in KBB2, § 1165 ABGB Rz 1). Hier hat die Klägerin ganz überwiegend Verpflichtungen übernommen, die eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hatten, nämlich die Vertretung der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren und das Einbringlichmachen verschiedener von der Beklagten im Erbweg erworbener Nachlassaktiva als bevollmächtigte Vertreterin der Beklagten. Davon, dass die Klägerin primär einen „Erfolg" geschuldet hätte, kann schon deshalb keine Rede sein, weil das außergerichtliche Einbringlichmachen von Forderungen ja nicht allein von Umständen in ihrer Sphäre abhängt, sondern vor allem auch von der Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit der jeweiligen Schuldner. Geschuldet waren vielmehr die fachgerechte Vertretung der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren, das sorgfältige und fachkundige Bemühen um eine rasche Einziehung der Forderungen und letztlich die Abdeckung der offenen Kreditverbindlichkeiten durch die hereingebrachten Gelder.

Damit stellt sich die - von der Beklagten bereits im Verfahren erster Instanz angesprochene - Frage, ob auf das Auftragsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten die (werkvertragliche) Regelung des § 1170a ABGB sinngemäß anzuwenden ist. Davon, dass sich aus den Rechtsausführungen in der zu 8 Ob 91/08b ergangenen Entscheidung ergebe, dass § 1170a ABGB auf Geschäftsbesorgungsverträge nicht anzuwenden sei, kann schon deshalb keine Rede sein, weil eine derartige Konstellation dort gar nicht zu beurteilen war. Vielmehr hatten sich die dort Beklagten darauf berufen, dass die dort klagende RechtsanwaltsGmbH die Frage bejaht hätte, ob durch die bisherigen Zahlungen der gesamte Honoraranspruch erfüllt sei, wogegen kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass es um die Problematik der Bindung an eine vor Vertragsabschluss erklärte Kostenschätzung gegangen wäre.

Auch wenn diese Rechtsfrage in der bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs noch unbeantwortet blieb (vgl etwa 2 Ob 587/94 = AnwBl 1998, 56 und 10 Ob 82/00g, wo das Problem jeweils ausdrücklich offen gelassen wurde), spricht vieles für die von der Beklagten befürwortete Analogie (in diesem Sinne zum „Schätzungsanschlag" eines Rechtsanwalts, etwa Feil/Wennig, Anwaltsrecht5 § 1 RATG Rz 12 und OLG Wien, AnwBl 1991, 264; Thiery, Die Pauschalhonorarvereinbarung, AnwBl 2006, 433 f; A. Thiele, Anwaltskosten2, 15 f, allerdings ohne Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer nachträglichen Erhöhung durch Anzeige der unvermeidlichen Überschreitung). Hinter der Regelung des § 1170a ABGB steht zweifellos der Gedanke, dass es für den Werkunternehmer regelmäßig - innerhalb einer gewissen Bandbreite - abschätzbar ist, welchen Aufwand die Erfüllung des Vertrags mit sich bringen wird, wogegen dies auf den Werkbesteller - insbesondere wenn er Verbraucher ist - typischerweise nicht zutrifft. Gleichzeitig ist es für den präsumtiven Werkbesteller aber für seinen Vertragsentschluss in aller Regel von ausschlaggebender Bedeutung, zu erfahren, mit welchem Werklohn er ungefähr rechnen muss. Er soll sich daher auch bei einem unverbindlichen Kostenvoranschlag (Voranschlag ohne Gewährleistung) bzw einem sogenannten Schätzungsanschlag (auch: Kostenschätzung), der von vornherein nur eine ungefähre Orientierungshilfe für den Besteller bieten soll (vgl dazu M. Bydlinski in KBB2 § 1170a ABGB Rz 2 mwN; RIS-Justiz RS0022003, RS0022018), darauf verlassen können, dass es zu keiner ins Gewicht fallenden Erhöhung des Entgelts kommt, wenn sich die notwendigen Einzelleistungen des Unternehmers in dem von diesem von vornherein abgeschätzten Rahmen bewegen. Kommt es allerdings zu einer (für einen Fachmann) unerwarteten Vergrößerung seines Aufwands zur Erreichung des vereinbarten Ziels, kann sich der Unternehmer einen Anspruch auf höheres Entgelt dadurch sichern, dass er den Besteller auf den unvermeidlichen Mehraufwand hinweist und diesem die Möglichkeit dazu gibt, die Fortsetzung der Tätigkeit - gegen zusätzliches Entgelt - anzuordnen oder aber unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeit vom Vertrag zurückzutreten.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Interessenlage der Beteiligten in Auftragsverhältnissen wie dem hier zu beurteilenden nicht anders. Auch hier hat die Beklagte vor Auftragserteilung klar gemacht, dass für sie eine Information über das zu erwartende Honorar wegen ihres geringen Einkommens von ausschlaggebender Bedeutung für eine Beauftragung der Klägerin ist. Hat nun deren Geschäftsführer daraufhin ein voraussichtliches Honorar von 2.000 bis 3.000 EUR genannt und hinzugefügt, es werde sich mit 3.000 EUR „schon ausgehen", liegt damit ein Schätzungsanschlag vor, auf den ein Auftraggeber ebenso vertraut wie der Werkbesteller im Rahmen des § 1170a Abs 2 ABGB auf einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Klägerin habe mangels Hinweises auf einen unvorhergesehen höheren Aufwand einen allfälligen zusätzlichen Entgeltanspruch wegen der Mehrarbeiten verloren, ist somit im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei der „Abwicklung" auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufgetreten sind, die nicht bereits aus dem Erstgespräch erkennbar gewesen wären, und sich auch der Umfang der Arbeiten gegenüber dem bereits damals abschätzbaren Ausmaß nicht vergrößert hat. Warum unter diesen Umständen eine Erhöhung des Honorars gegenüber dem vor Vertragsabschluss bekanntgegebenen Schätzbetrag gerechtfertigt sein sollte, vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen. Es handelt sich auch keineswegs um eine „wegen Verkürzung über die Hälfte anfechtbare" Honorarvereinbarung, zumal durch § 934 ABGB nicht derjenige (professionelle) Vertragspartner geschützt werden soll, der zwar den mit der ihm übertragenen Tätigkeit verbundenen zukünftigen Aufwand einigermaßen abschätzen kann, dennoch aber allenfalls ein besonders niedriges Entgelt vereinbart. Auch der Hinweis darauf, dass wettbewerbswidrige Honorarvereinbarungen unzulässig seien und ein gezieltes Operieren mit „Dumping-Honoraren" nicht nur das Wettbewerbsrecht, sondern wohl auch das Standesrecht verletze, ist nicht zielführend, könnte doch auch ein solches Vorgehen keineswegs zu einer absoluten Ungültigkeit der getroffenen Vereinbarung - und in der Folge zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht mit einem höheren Anspruch des Rechtsanwalts - führen, was der Klägerin offenbar vorschwebt.

Die Revisionswerberin erklärt zwar in ihrer Anfechtungserklärung, das Berufungsurteil seinem gesamten Umfang nach anzufechten, und beantragt auch die Abänderung im Sinne einer „gänzlichen Klagsstattgabe". Da das Rechtsmittel jedoch keine inhaltlichen Ausführungen zu der - von den Vorinstanzen als bis zur Höhe der zuerkannten Klageforderung berechtigt erachteten - Gegenforderung enthält, ist auf diese nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E92680

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00219.09A.1215.000

Im RIS seit

14.01.2010

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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