TE OGH 2009/12/15 10Ob53/09f

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Veröffentlicht am 15.12.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Jacqueline A*****, geboren am 14. Juni 2001, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsvertretung für den Bezirk 21, 1210 Wien, Am Spitz 1), infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Mai 2009, GZ 44 R 66/09w-U-50, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 7. Jänner 2009, GZ 1 P 22/07y-U-40, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung:

Der Vater der Minderjährigen wurde mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts vom 5. 9. 2008 gemäß § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts in der Höhe von monatlich 105,40 EUR ab 11. 8. 2008 verpflichtet. Im Hinblick auf diesen Unterhaltstitel gewährte das Erstgericht der Minderjährigen auf deren Antrag mit Beschluss vom 24. 10. 2008 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1. 10. 2008 bis 30. 9. 2011, weil eine Exekutionsführung gegen den Vater aussichtslos erscheine.

Ebenfalls mit Beschluss vom 24. 10. 2008 setzte das Erstgericht den vom Vater ab 1. 3. 2008 zu leistenden monatlichen Unterhalt mit 190 EUR fest und sprach aus, dass die einstweilige Verfügung vom 5. 9. 2008 mit Rechtskraft dieser Entscheidung aufgehoben werde. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Mit weiterem Beschluss vom 7. 1. 2009 erhöhte das Erstgericht gemäß § 19 Abs 2 UVG von Amts wegen die monatlichen Unterhaltsvorschüsse von 105,40 EUR auf 190 EUR ab 1. 10. 2008.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags iSd § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei, keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Es schloss sich der in 3 Ob 147/00i und 4 Ob 155/07h vertretenen Rechtsansicht an. Eine Auslegung nach dem Zweck des § 19 UVG (Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschüssen und Unterhaltstiteln) scheine geboten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der - wie die vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 8. 9. 2009 veranlassten Erhebungen des Erstgerichts ergeben haben - rechtzeitige Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben. Der Jugendwohlfahrtsträger sowie die Eltern der Minderjährigen haben keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Zu dem gleichzeitig mit dem Revisionsrekurs gemäß § 16 Abs 2 und 3 UVG gestellten Antrag, die Innehaltung mit der Auszahlung der monatlichen Vorschüsse bis zur Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses anzuordnen, ist darauf zu verweisen, dass das Erstgericht bereits aufgrund des im Rekurs des Bundes gegen den Beschluss vom 7. 1. 2009 gestellten Antrags anordnete, mit dem Vollzug des Erhöhungsbeschlusses innezuhalten (ON U-44).

Der Rechtsmittelwerber verweist auf die überwiegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die einen vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO durch einen „endgültigen" Unterhalt ersetzende Entscheidung nicht als Erhöhung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 19 Abs 2 UVG anzusehen sei. Da in einem Fall wie dem vorliegenden keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs" vorliege, komme eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht. Mangels einer diesbezüglichen planwidrigen Unvollständigkeit („Gesetzeslücke") des UVG sei dessen § 19 Abs 2 auch nicht analog anzuwenden.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

Der erkennende Senat hat dazu erst jüngst in der Entscheidung 10 Ob 52/09h vom 8. 9. 2009 unter ausführlicher Darstellung der Literatur und der teilweise unterschiedlichen Judikatur eingehend begründet, dass sich der seit 1. 1. 2008 für alle Unterhaltsvorschusssachen zuständige 10. Senat des Obersten Gerichtshofs bereits in seiner Entscheidung 10 Ob 100/07i der herrschenden Judikatur angeschlossen hat und sich aufgrund der derzeit geltenden Gesetzeslage auch im Hinblick auf die davon abweichende Entscheidung 4 Ob 155/07h, die auf eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln abzielt, zu einem Abgehen von der herrschenden Judikatur nicht veranlasst sieht. Es entspricht herrschender Meinung und Judikatur, dass die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gewährten Vorschüsse aufgrund der derzeit geltenden Gesetzeslage nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden können (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB³ I § 4 UVG Rz 108 und § 19 UVG Rz 29 mwN). Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 10 Ob 52/09h aber auch darauf hingewiesen, dass die im Wesentlichen mit 1. 1. 2010 in Kraft tretende Novellierung des UVG durch das Familienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/75, unter anderem eine Gleichbehandlung von einstweiligen Verfügungen und endgültigen Unterhaltstiteln zum Ziel hat. So entfällt die in § 4 Z 5 UVG vorgesehene Sonderregelung für Unterhaltsvorschüsse auf vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO. Aufgrund der einstweiligen Verfügung können daher nur mehr „echte" Titelvorschüsse beantragt werden. Der endgültige Unterhaltstitel gilt gemäß § 19 Abs 3 UVG nF gegenüber der vorangegangenen Provisorialentscheidung nicht mehr als neuer Unterhaltstitel, was entgegen der derzeit geltenden Rechtslage eine rückwirkende Anpassung der bisher gewährten Vorschüsse nach endgültiger Unterhaltsfestsetzung ermöglicht (vgl Zak 2009/360, 236). Die Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG idF BGBl I 2009/75 ist jedoch erst auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund des § 4 Z 4 UVG oder einer einstweiligen Verfügung nach dem 31. 12. 2009 bei Gericht eingelangt ist (vgl § 37 Abs 10 UVG idF BGBl I 2009/75).

Ausgehend von der derzeit noch maßgebenden Gesetzeslage waren daher auch im vorliegenden Fall die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung des Revisionsrekurses des Bundes ersatzlos aufzuheben.

Anmerkung

E9275410Ob53.09f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0100OB00053.09F.1215.000

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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