TE OGH 2010/1/14 6Ob6/10s

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Veröffentlicht am 14.01.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Dr. H***** W*****, 2. Dr. A***** W*****, beide *****, vertreten durch Herbst Vavrovsky Kinsky Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Parteien 1. G***** G*****, 2. M***** G*****, beide *****, vertreten durch Advokatur Dr. Herbert Schöpf, LL.M., Rechtsanwalt-GmbH in Innsbruck, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert im Provisorialverfahren 30.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Dezember 2009, GZ 2 R 242/09v, 2 R 253/09m, 2 R 269/09i-29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach den Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der zwischen den selben Parteien ergangenen Entscheidung 7 Ob 112/09k ist der zwischen den Klägern als Käufern und den Beklagten als Verkäufern einer Liegenschaft abgeschlossene Kaufvertrag rechtswirksam zustande gekommen. Dies ist auch im vorliegenden Verfahren zwischen den Parteien nicht strittig.

2. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der erwähnten Entscheidung mit dem von den Beklagten am 17. 7. 2006 erklärten Rücktritt von diesem Vertrag unter zwei Gesichtspunkten auseinandergesetzt:

2.1. Einerseits könne es zwar bei lebensnaher Betrachtung für die Kläger nicht zweifelhaft gewesen sein, dass es den Beklagten vor allem darum zu tun war, den gesamten vereinbarten Kaufpreis zu erhalten. Dennoch könne der Ansicht der Beklagten, dies habe daher nicht (ausdrücklich) als Rücktrittsgrund genannt werden müssen, nicht ohne Weiteres beigepflichtet werden. Es könne nämlich nicht gesagt werden, dass der Rücktritt für die Kläger erkennbar auch für den Fall erklärt worden sei, dass der Kaufpreis nicht innerhalb der Nachfrist überwiesen werde. Der Oberste Gerichtshof hielt allerdings im Zusammenhang mit diesem Problemkreis ausdrücklich fest, dass dies angesichts anderer Überlegungen „keiner weiteren Erörterung und Verfahrensergänzung bedarf".

Die Vorinstanzen haben im vorliegenden Verfahren - insoweit ergänzend - als bescheinigt angenommen, der damalige Beklagtenvertreter habe in einem Telefonat mit dem Erstkläger am 24. 8. 2006 deutlich darauf hingewiesen, dass für die Beklagten nur die Bezahlung des vollen Kaufpreises in Frage komme, während der Erstkläger seinerseits zu verstehen gegeben habe, zur Bezahlung des vollen Kaufpreises nicht gewillt zu sein. Spätestens nach diesem Telefonat sei es für den damaligen Beklagtenvertreter klar gewesen, dass auf Seiten der Kläger keine Bereitschaft bestand, unter den herrschenden Umständen den gesamten Kaufpreis laut ursprünglicher Vereinbarung zu bezahlen.

Angesichts dieses (ergänzten) Sachverhalts ist die Auffassung der Vorinstanzen durchaus zu teilen, dass die Nennung des konkreten Rücktrittsgrundes anlässlich der Erklärung vom 17. 7. 2006 keine Notwendigkeit für die Rechtswirksamkeit der Rücktrittserklärung war.

Entgegen der im außerordentlichen Revisionsrekurs der Kläger vertretenen Auffassung waren die Vorinstanzen insoweit auch nicht an die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 7 Ob 112/09k gebunden, als die Frage dort letztlich ausdrücklich offen gelassen wurde und das Erstgericht außerdem die Sachverhaltsgrundlage im vorliegenden Verfahren durch ein Bescheinigungsverfahren verbreiterte.

2.2. Der Oberste Gerichtshof hielt weiters in der genannten Entscheidung fest, die Formulierung im letzten Absatz der Vereinbarung vom 29. 4. 2004, dass bei Annahme des Anbots „der für das Grundbuch bestimmte und von der Rechtsanwaltskanzlei ... im Sinne der ... Vertragstextierung ausgefertigte Kaufvertrag von sämtlichen Vertragspartnern ordnungsgemäß und beglaubigt zu unterfertigen" sei, lasse auch die Möglichkeit einer Vereinbarung dahin offen, dass vor der „spätestens zum 22. 4. 2006" eintretenden Fälligkeit des vereinbarten Kaufpreises die Errichtung und beglaubigte Unterfertigung einer „für das Grundbuch bestimmten" Kaufvertragsurkunde geschehen sollte. Da dies bislang unterblieben sei, wäre der Kaufpreis noch nicht fällig.

Die Kläger haben sich deshalb im vorliegenden (dritten) Provisorialverfahren (unter anderem) ausdrücklich darauf berufen (AS 157), dass die Rücktrittserklärung der Beklagten „mangels Zahlungsverzugs" der Kläger unwirksam gewesen sei. Sie übersehen damit allerdings die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (etwa 5 Ob 318/59 SZ 32/118 mwN; 9 Ob 503/94), der auch die jüngere Lehre zugestimmt hat (etwa Reischauer in Rummel, ABGB³ [2000] § 918 Rz 2; Binder/Reidinger in Schwimann, ABGB³ [2006] § 918 Rz 6; P. Bydlinski in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 918 Rz 7 mwN), wonach eine Rücktrittserklärung bereits vor Fälligkeit der Leistung dann zulässig ist, wenn der Schuldner die Erfüllung verweigert, also erkennen lässt, dass er die Vertragsverbindlichkeit nicht einhalten will. Gerade dies haben die Kläger jedoch getan, wie die Vorinstanzen im Zusammenhang mit dem Telefonat vom 24. 8. 2006 (2.1.) ausdrücklich als bescheinigt angenommen haben.

2.3. Die Kläger machen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs im Zusammenhang mit der Vertragsrücktrittserklärung der Beklagten nunmehr weiters geltend, diese seien infolge eigener Leistungsstörung zum Rücktritt nicht berechtigt gewesen. Denn einerseits hätten sie trotz Aufforderung durch die Kläger nach Annahme der Vereinbarung vom 29. 4. 2004 im Jänner 2006 die Verpflichtung zur notariellen Unterfertigung einer „für das Grundbuch bestimmten" Kaufvertragsurkunde verletzt; und andererseits habe die Wasserversorgungsanlage der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft nicht dem Stand der Technik und Hygiene entsprochen, sodass die Liegenschaft nicht den vertraglich vereinbarten Zustand gehabt habe.

Auf diese Umstände haben sich die Kläger, denen aus den beiden ersten Provisorialverfahren bereits bekannt gewesen war, dass die Beklagten den klägerischen Anspruch mit der Behauptung eines wirksamen Vertragsrücktritts bekämpfen, im (dritten) Provisorialverfahren in erster Instanz jedoch nicht berufen; ihre nunmehrigen Ausführungen verstoßen somit gegen das Neuerungsverbot.

2.4. Da somit nach dem nunmehr als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, soweit er vom Obersten Gerichtshof einer rechtlichen Beurteilung im Rahmen des beiderseitigen Parteienvorbringens zu unterziehen war, die Beklagten rechtswirksam vom zwischen den Parteien abgeschlossenen Liegenschaftskaufvertrag zurückgetreten sind, begegnet die Abweisung des auf Erlassung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots hinsichtlich dieser Liegenschaft gerichteten (dritten) Provisorialantrags durch die Vorinstanzen mangels Anspruchsbescheinigung keinen Bedenken.

3. Die Kläger halten die Abweisung des (dritten) Provisorialantrags mangels Anspruchsbescheinigung auch deshalb für verfehlt, weil das Erstgericht bei seinen Entscheidungen über den ersten und den zweiten Provisorialantrag (beide Anträge strebten ebenfalls die Erlassung beziehungsweise die Aufrechterhaltung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots hinsichtlich der Liegenschaft an) ursprünglich von einer Bescheinigung des klägerischen Anspruchs ausgegangen sei.

Das Erstgericht hat diese beiden Anträge allerdings jeweils mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen, weil zum damaligen Zeitpunkt noch ein provisorisches Belastungs- und Veräußerungsverbot im Grundbuch einverleibt gewesen war (welche Auffassung im Übrigen im außerordentlichen Revisionsrekurs inhaltlich gar nicht bekämpft wird). Die Ausführungen des Erstgerichts zur Anspruchsbescheinigung waren daher nicht entscheidungsrelevant, weil eine meritorische Entscheidung über den ersten und den zweiten Provisorialantrag nicht stattgefunden hatte. Im Übrigen führte das Erstgericht im dritten Provisorialverfahren ein Bescheinigungsverfahren durch, aufgrund dessen es zu einem abweichenden Sachverhalt gelangte.

4. Soweit die Kläger in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs Verstöße „gegen Grundsätze der Provisorialverfahren" aufzuzeigen versuchen, übersehen sie, dass sich das Rekursgericht mit diesen (behaupteten) Mängeln des erstinstanzlichen Verfahrens bereits auseinandergesetzt und diese verneint hat; sie können damit aber im Revisionsrekursverfahren nicht mehr aufgegriffen werden.

Textnummer

E92916

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00006.10S.0114.000

Im RIS seit

13.02.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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