TE OGH 2010/1/19 4Ob225/09f

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Veröffentlicht am 19.01.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. M***** K*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der E***** S***** GmbH, 2. E***** S*****, Geschäftsführer, *****, dieser vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 38.000 EUR), über die außerordentliche Revision des Zweitbeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 29. Oktober 2009, GZ 6 R 143/09k-37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Senat hat im Sicherungsverfahren (4 Ob 81/08b) die dem beanstandeten Verhalten zugrunde liegende Rechtsansicht der Beklagten aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als unvertretbar gewertet. Offen ließ er mangels konkreten erstinstanzlichen Vorbringens die Frage, ob die Auskunft eines über das beabsichtigte Projekt vollständig informierten und für solche Auskünfte zuständigen Behördenvertreters auch dann zur Vertretbarkeit einer Rechtsansicht führen könnte, wenn sie mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung unvereinbar wäre.

2. Im Hauptverfahren wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass die Erstbeklagte die strittige Anlage betreibe. Aufgrund der Entscheidung im Sicherungsverfahren hätten die Beklagten zur Kenntnis genommen, dass eine Baugenehmigung erforderlich sei, und daher einen diesbezüglichen Antrag gestellt. Zuvor sei ihre Rechtsansicht jedoch durch eine Auskunft des über die Anlage informierten und für solche Auskünfte zuständigen Referatsleiters der Baubehörde gedeckt gewesen. Daher hätten die Beklagten aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt.

Das Berufungsgericht untersagte den Beklagten den Betrieb der Anlage. Ihre Rechtsansicht sei jedenfalls seit der im Sicherungsverfahren ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs unvertretbar gewesen. Dass die Beklagten inzwischen einen Antrag auf (nachträgliche) Baubewilligung gestellt hätten, ändere nichts daran, dass bei Schluss der Verhandlung keine Baubewilligung vorgelegen sei und die Beklagten die Betonmischanlage dennoch in Kenntnis der Notwendigkeit einer solchen betrieben hätten.

3. Als erhebliche Rechtsfrage macht der Zweitbeklagte geltend, dass die Beklagten auf die Auskunft des vollständig informierten Referatsleiters vertrauen durften und daher nicht „schuldhaft" (gemeint offenbar: aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht iSd Rechtsprechung zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch") gehandelt hätten.

3.1. Wie eine solche Auskunft bei der Beurteilung der Vertretbarkeit eines Verhaltens zu beurteilen ist, kann hier ebenso wie in 4 Ob 81/08b offen bleiben. Denn nach den Feststellungen des Erstgerichts „betreibt" die Erstbeklagte die Anlage. Diese Feststellung bezieht sich nach allgemeinen Grundsätzen auf den Sachverhalt bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtslage aber durch die Entscheidung des Senats im Sicherungsverfahren klargestellt. Damit durften die Beklagten nicht mehr auf die Auskunft des Referatsleiters vertrauen.

3.2. Aber selbst wenn die Beklagten den Betrieb - wie nun in der Revision behauptet - schon früher eingestellt haben sollten, änderte das nichts am Unterlassungsanspruch des Klägers. Denn den Beklagten war aufgrund einer am 12. Februar 2008 erfolgten Urkundenvorlage bekannt geworden, dass der Referatsleiter seine Meinung geändert hatte und nun sehr wohl eine Bewilligungspflicht annahm. Spätestens damit wurde ihre Rechtsauffassung aus den später in der Entscheidung 4 Ob 81/08b dargelegten Gründen, denen nun keine abweichende Ansicht eines Behördenvertreters mehr gegenüberstand, unvertretbar. Dennoch stellten die Beklagten den Betrieb nach dem Vorbringen des Zweitbeklagten (Revision S 10) erst unter dem Druck von Exekutionseinträgen ein, die der Kläger aufgrund der eineinhalb Monate später zugestellten einstweiligen Verfügung des Rekursgerichts eingebracht hatte.

3.3. Der Revisionswerber gesteht daher zu, dass die Beklagten die strittige Anlage in Kenntnis der nun von der Behörde vertretenen Rechtsauffassung, die mit der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übereinstimmte, weiter betrieben haben. Damit haben sie aber selbst dann unlauter iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG gehandelt, wenn die Auskunft des Behördenvertreters zuvor tatsächlich zur Vertretbarkeit ihrer Rechtsansicht geführt haben sollte. Dass sie später eine Baubewilligung beantragt und unter dem Druck von Exekutionsanträgen (möglicherweise) den Betrieb der Anlage eingestellt haben, kann mangels Angebots eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs die durch den Verstoß begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht entkräften (RIS-Justiz RS0080065RS0079899).

4. Auf die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es aus diesem Grund nicht an. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Betonmischanlage,

Textnummer

E93076

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00225.09F.0119.000

Im RIS seit

18.02.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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