TE OGH 2010/1/26 9ObA133/09p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** P*****, vertreten durch Mag. Andreas Reisenbach, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N*****GmbH, *****, vertreten durch Detlef Frank Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.173,20 EUR sA, anlässlich der Vorlage des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. September 2009, GZ 10  Ra 75/09m-38, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 20. Oktober 2008, GZ 11 Cga 61/08g-27, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, eine Gleichschrift des Rekurses der klagenden Partei der beklagten Partei zur allfälligen Erstattung einer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zuzustellen und den Akt nach Erstattung der Rekursbeantwortung bzw fruchtlosem Ablauf der Frist erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als verspätet zurück. Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich der Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Kläger brachte seinen Rekurs mit einer Gleichschrift ein. Ohne vorherige Zustellung dieser Gleichschrift an die Beklagte legte das Erstgericht den Rekurs im Weg des Berufungsgerichts dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Die Aktenvorlage ist verfrüht.

Richtet sich nach Streitanhängigkeit ein Rekurs gegen einen Beschluss, der nicht bloß „verfahrensleitend“ ist, so hat das Prozessgericht erster Instanz, wenn es den Rekurs nicht zurückweist, die Rekursschrift dem Gegner des Rekurswerbers zuzustellen (§ 521a Abs 1 ZPO idF Art III Z 15 ZVN 2009; anzuwenden, wenn wie im vorliegenden Fall das Datum der Entscheidung „erster Instanz“ - das Berufungsgericht wurde bei der Zurückweisung der Berufung funktionell als erste Instanz tätig [vgl RV 89 BlgNR 24. GP 16] - nach dem 31. 3. 2009 liegt [Art XIV Abs 2 ZVN 2009]). Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2009, BGBl I 2009/30, wurde zwecks weiterer Verstärkung des aus Art 6 Abs 1 EMRK herleitbaren Grundsatzes der Waffengleichheit das Rechtsmittelverfahren gegen Beschlüsse generell zweiseitig gestaltet (RV 89 BlgNR 24. GP 1, 3, 5, 15 f; G. Kodek, Änderungen im Rechtsmittelverfahren durch die ZVN 2009 und das Budgetbegleitgesetz, Zak 2009, 249 [250]; 6 Ob 201/09s ua). Ausgenommen sind seither nur mehr Beschlüsse, die vor Streitanhängigkeit ergehen, sowie prozessleitende (verfahrensleitende) Beschlüsse, soweit im Einzelnen nicht die Zweiseitigkeit angeordnet ist (vgl zur Rechtsprechung vor der ZVN 2009: RIS-Justiz RS0098745 ua).

Prozessleitende Beschlüsse - weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien geben eine Definition oder klare Abgrenzung - dienen nach der Lehre der notwendigen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens, haben also keinen Selbstzweck und vermögen auch kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben zu entfalten (vgl Fasching, Lehrbuch² Rz 1590; Rechberger in Rechberger, ZPO³ § 425 Rz 3; M. Bydlinski in Fasching/Konecny² III Vor §§ 425 ff ZPO Rz 10, § 425 Rz 3 ua). Der Beschluss, mit dem eine Berufung zurückgewiesen wird, hat demgegenüber „prozessbeendigende“ Wirkung; er fällt daher nicht unter die bloß prozessleitenden Beschlüsse (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny² III Vor §§ 425 ff ZPO Rz 5, § 425 Rz 3; G. Kodek, Zak 2009, 249 [250], 6 Ob 201/09s ua). Durch die Umkehr des Regel-Ausnahme-Schemas schlägt die grundsätzliche Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auch auf Rekurse gegen Beschlüsse des Berufungsgerichts durch (RV 89 BlgNR 24. GP 16). Der Akt ist daher an das Erstgericht zur Zustellung der Gleichschrift des Rekurses an die Beklagte zurückzustellen.

Textnummer

E94669

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00133.09P.0126.000

Im RIS seit

08.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten