TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/21 2000/16/0563

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Veröffentlicht am 21.12.2000
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Index

21/01 Handelsrecht;
21/07 Sonstiges Handelsrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

EGG §4 Abs1;
EVHGB 04te Art7 Nr10;
EVHGB 04te Art7 Nr9;
GrEStG 1987 §1 Abs1 Z2;
HGB §124;
HGB §142;
HGB §161;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der S Privatstiftung in W, vertreten durch Dr. Nikolaus Schindler, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Juli 2000, GZ. RV 126-09/11/00, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Firmenbuch des HG Wien war zur FN 29310d die Dr. Werner Siblik GmbH & Co KEG eingetragen; ihr einziger Komplementär war zuletzt die Siblik Elektric GmbH, einziger Kommanditist die Beschwerdeführerin.

Mit Eingabe vom 11. März 1999 wurde dem Firmenbuchgericht mitgeteilt, dass zufolge Ausscheidens des Komplementärs "der Betrieb" der bisherigen KEG gemäß § 142 HGB von der Beschwerdeführerin übernommen wurde.

Betreffend die Liegenschaft EZ. 1635, GB 01104 Oberlaa Land, BG Favoriten, war zum Abrufdatum 19. Mai 1999 noch die Firma der KEG im Eigentumsblatt eingetragen.

Mit Abgabenerklärung vom 13. April 1999 wurde dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) der Erwerb dieser Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin auf Grund der Übernahme gemäß § 142 HGB angezeigt, wozu ergänzend im Wege einer Eingabe vom 18. Mai 1999 vorgebracht wurde, die ausgeschiedene Komplementärin hätte keinen Kapitalanteil an der KEG gehabt. Auf Grund des "100 % Kapitalanteils" der Beschwerdeführerin als Kommanditistin und Übernehmerin habe die Grunderwerbsteuer zu entfallen.

Das Finanzamt forderte dagegen mit Bescheid vom 24. Juni 1999 Grunderwerbsteuer an, wogegen die Beschwerdeführerin mit dem Argument berief, die Komplementärin sei am Vermögen der KEG nicht beteiligt gewesen. Da die Beschwerdeführerin schon zu "100 % Eigentümerin" des Grundstücks gewesen sei, habe sich durch den Vorgang gemäß § 142 HGB die Rechtslage nicht geändert.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsmeinung fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und vertrat unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung, die Übernahme einer im Gesamthandvermögen stehenden Liegenschaft im Wege eines Vorganges gemäß § 142 HGB durch einen Gesellschafter erfülle den Tatbestand nach § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, für den stattgefundenen Übernahmsvorgang keine Grunderwerbsteuer entrichten zu müssen, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 Abs. 1 GrEStG 1987 lautet auszugsweise:

"(1) Der Grunderwerbsteuer unterliegen die folgenden

Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen:

1.

...

2.

der Erwerb des Eigentums, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, ..."

§ 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über eingetragene Erwerbsgesellschaften (EGG) bestimmt:

"(1) Auf eingetragene Erwerbsgesellschaften sind die Vorschriften des Handelsgesetzbuches und der Vierten Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch über die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft sowie - unter Bedachtnahme auf die §§ 2 und 6 - die für diese Gesellschaften geltenden Vorschriften über die Firma anzuwenden."

§ 124 HGB lautet:

"(1) Die offene Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.

(2) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich."

Art. 7 Nr. 9 und Nr. 10 EVHGB bestimmen Folgendes:

Art. 7 Nr. 9:

"(1) Die Einlagen der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen).

(2) Zu dem Gesellschaftsvermögen gehört auch, was auf Grund eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes erworben wird."

Art. 7 Nr. 10:

"(1) Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazugehörenden Gegenständen verfügen; er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen.

(2) Gegen eine Forderung, die zum Gesellschaftsvermögen gehört, kann der Schuldner nicht eine ihm gegen einen anderen Gesellschafter zustehende Forderung aufrechnen.

(3) Die Zugehörigkeit einer nach Nr. 9 erworbenen Forderung zum Gesellschaftsvermögen hat der Schuldner erst dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er von der Zugehörigkeit Kenntnis erlangt. Die §§ 1395, 1396 des Österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuches gelten sinngemäß."

§ 142 Abs. 1 HGB bestimmt:

"Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann, wenn in der Person des einen von ihnen die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen bei einer größeren Zahl von Gesellschaftern seine Ausschließung aus der Gesellschaft zulässig sein würde, der andere Gesellschafter auf seinen Antrag vom Gerichte für berechtigt erklärt werden, das Geschäft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen."

Die Übernahme gemäß § 142 HGB bewirkt nach herrschender Lehre und ständiger Judikatur eine Universalsukzession und verwandelt das bisherige im Gesamthandeigentum stehende Gesellschaftsvermögen in Alleineigentum des Übernehmers (vgl. z.B. Kastner/Doralt,/Nowotny, Grundriss5 128, mwN in FN 108 und 109; ebenso Koppensteiner in Straube, KommzHGB I2 Rz 10 zu § 142 HGB).

Die Beschwerde versucht gegen die bisher ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu zur Vermeidung von Wiederholungen insbesondere die bei Fellner, Gebühren und Verkehrssteuern, Band II, 3. Teil, GrEStG 1987 unter Rz 230 zu § 1 GrEStG referierte zahlreiche hg. Judikatur), aber auch gegen die vorliegende Judikatur des OGH darzulegen, dass ihr Fall anders gelagert sei, weil es sich bei der ausgeschiedenen Komplementärin nur um eine reine Arbeitsgesellschafterin gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin als Übernehmerin habe daher schon vor der Übernahme "Alleineigentum" an der übernommenen Liegenschaft gehabt; durch den Vorgang gemäß § 142 HGB sei nur die "gesellschaftsrechtliche Gebundenheit" weggefallen.

Dieser Argumentation, die das Wesen des Gesellschaftsvermögens einer Personenhandelsgesellschaft und damit auch einer KEG verkennt, ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Gesellschaft wird nach neuerer Lehre und Rechtsprechung ungeachtet des Umstandes, dass sie keine juristische Person (mit umfassender Rechtsfähigkeit) ist, insbesondere als Träger jener Rechte angesehen, die ihr von § 124 HGB ausdrücklich zugeordnet werden, wozu u.a. das Eigentumsrecht gehört (vgl. z.B. Jabornegg, HGB Rz 3 bis 4 zu § 124 HGB sowie das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1996, 96/16/0136, HS 27.035). Die Gesellschaft darf in dieser Eigenschaft nicht mit ihren Gesellschaftern gleichgesetzt werden (so insbesondere auch OGH 29. August 1995, 5 Ob 59/95, HS 26.043), vielmehr sind das Gesellschaftsvermögen und das Vermögen der Gesellschafter voneinander streng zu trennen (sog. Trennungsprinzip; vgl. z.B. Habersack in Staub, GroßkommzHGB4 Rz 7 zu § 124 HGB; ähnlich Jabornegg a.a.O. Rz 23).

An dem der Gesellschaft als Rechtsträger zugeordneten Gesamthandvermögen sind die Gesellschafter nur mittelbar über ihre Mitgliedschaft beteiligt (Habersack a.a.O. Rz 6). An den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden einzelnen Objekten (und damit auch an der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft) haben die Gesellschafter keinerlei Anteil (z.B. Karsten Schmidt in Schlegelberger, KommzHGB5 Rz 11 zu § 124 HGB).

Die so gegebene, nur mittelbare Beteiligung der Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft besteht unabhängig vom Kapitalanteil der Gesellschafter, insbesondere also unabhängig von einer Beteiligung der Gesellschafter am Auseinandersetzungsergebnis (vgl. dazu insbesondere Fischer in Boruttau/Egly/Sigloch, GrEStG13 Rz 39 zu § 1 dGrEStG mit zahlreichen Nachweisen aus der Judikatur des BFH). Von dieser mittelbaren Beteiligung am "ungequoteltem gemeinsamen Vermögen aller Gesellschafter", die auf Grund der Gesellschafterstellung besteht, kann keiner der Gesellschafter ausgenommen werden (Fischer a.a.O. Rz 41, wiederum mit zahlreichen Nachweisen aus der Judikatur des BFH).

Es kann somit - insbesondere auch unter Berücksichtigung des im Beschwerdefall gegebenen Grundbuchstandes - keine Rede davon sein, dass die Beschwerdeführerin schon vor dem Übernahmsvorgang Alleineigentümerin der in Rede stehenden Liegenschaft war. Im Falle eines Konkurses der KEG wäre die Liegenschaft Teil der Konkursmasse gewesen (z.B. Jabornegg a.a.O. Rz 23 mit Nachweisen aus der Judikatur des OGH). Der Exekution wäre die Liegenschaft nur ausgesetzt gewesen, wenn sie von einem Gläubiger betrieben worden wäre, der über einen Exekutionstitel gegen die Gesellschaft verfügt (§ 124 Abs. 2 HGB); ein persönlicher Gläubiger der Beschwerdeführerin hingegen hätte nicht auf die zum Gesellschaftsvermögen gehörende Liegenschaft greifen können (z.B. Koppensteiner a.a.O. Rz 31 zu § 124 HGB Art. 7 Nr. 9-11 EVHGB).

Auch der Beschwerdefall bietet sohin keinen Anlass, von der oben erwähnten ständigen Rechtsprechung abzugehen, weshalb sich der angefochtene Bescheid als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit erweist und die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte Lehre und Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000160563.X00

Im RIS seit

02.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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