TE OGH 2010/2/17 15Os167/09m

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Veröffentlicht am 17.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Strohmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Norbert N***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Juli 2009, GZ 82 Hv 115/08v-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Dr. Norbert N***** betreffenden Schuldspruch und Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das einen rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Dejan M***** und auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Angeklagten Dr. Norbert N***** und Sinan S***** enthält, wurde Dr. Norbert N***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 11. Oktober 2007 die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, nämlich die mit Treuhandvertrag - ergänzt durch den E-Mail-Verkehr mit der St***** - abgeschlossene Treuhandvereinbarung wissentlich missbraucht, indem er den durch die B***** überwiesenen Geldbetrag aus dem Kaufvertrag T***** im Betrag von 120.000 Euro nicht für die St***** verwendete, sondern vereinbarungswidrig 189.000 Euro auf ein Konto des Pascal No***** bei der Ba***** überwies und 45.000 Euro an Peter K***** übergab, wodurch die St***** im Betrag von 120.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. N*****.

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der angefochtene Schuldspruch mit einem nicht geltend gemachten Rechtsfehler behaftet ist, welcher sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkte (§ 290 Abs 1 StPO).

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 32 ff) kaufte Peter K***** mit Kaufvertrag vom 28. Dezember 2005 einen unausgebauten Dachboden im Haus *****. Zur Finanzierung des Ankaufs sowie des geplanten Dachbodenausbaus, im Zuge dessen insgesamt fünf Dachgeschosswohnungen hätten errichtet werden sollen, nahm Pascal No*****, der dafür von K***** eine Provision erhielt, in dessen Auftrag einen Kredit in der Höhe von 220.000 Euro bei der Ba***** sowie einen weiteren Kredit in Höhe von 440.000 Euro bei der St***** AG auf, wobei beide Kredite aus dem Weiterverkauf der einzelnen Wohnungen rückgeführt werden sollten, und zwar der Kredit bei der Ba***** erst aus dem Verkauf der letzten Wohnung. Für die Abwicklung des Kreditvertrages mit der St***** AG - nicht jedoch für jenen mit der Ba***** - wurde der Angeklagte Dr. N***** als Treuhänder eingesetzt. Im Auftrag No*****s übermittelte die St***** am 20. Juni 2006 ein Treuhandanbot an Dr. N*****, wonach sie im Auftrag von No***** 440.000 Euro an den Genannten zu dessen treuen Händen überweist und dieser als Treuhänder ermächtigt wird, über diesen Betrag zu verfügen, wenn die Erfüllung der darin angeführten Treuhandbedingungen aufgrund ihm vorliegender Unterlagen sichergestellt ist (ON 18/S 25 f). Der Treuhandauftrag enthielt eine Befristung bis zum 20. Juni 2007, wobei für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Treuhandbedingungen nicht erfüllt sein sollten, festgelegt wurde, dass der St***** vorbehaltlich einer einvernehmlichen Fristerstreckung der überwiesene Betrag zuzüglich der angereiften Zinsen über deren Aufforderung unverzüglich rückzuüberweisen ist.

Dieses Treuhandanbot nahm Dr. N***** am 26. Juni 2006 durch Unterfertigung an, worauf der Treuhandbetrag auf das von diesem eingerichtete Treuhandkonto bei der O***** AG überwiesen und von Dr. N***** in der Folge über Auftrag von No***** bzw K***** ausbezahlt wurde.

Da eine Erfüllung des Treuhandauftrags oder eine Rückzahlung des Kredits bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Befristung nicht möglich war, kam es am 12. Juni 2007 zu einer E-Mail-Korrespondenz zwischen Dr. N***** und Helmut A***** von der St*****, wobei Dr. N***** einen Tilgungsplan unterbreitete, wonach aus den Verkaufserlösen der einzelnen Wohnungen bestimmte Teilbeträge an die St***** überwiesen werden sollten.

A***** von der St***** änderte diesen Zahlungsplan geringfügig ab und legte insbesondere fest, dass aus dem Verkaufserlös der vierten Wohnung (Top 45) 120.000 Euro zurückbezahlt werden sollten. In der Folge wurde diese Wohnung an Cvijan D***** und Blagoja Mr***** verkauft. Der Kaufpreis in der Höhe von 238.500 Euro langte am 11. Oktober 2007 auf dem Anderkonto des Angeklagten Dr. N***** bei der O***** AG ein. Da sich die Ba***** wegen des von ihr gewährten Kredits in der Höhe von 220.000 Euro ein erstrangiges Pfandrecht sowohl an der Liegenschaft *****, als auch an der Privatliegenschaft No***** hatte einverleiben lassen, ersuchten der Genannte und auch K***** Dr. N*****, aus dem Verkaufserlös der vierten Wohnung zunächst die Schuld No***** bei der Ba***** zu tilgen und die St***** dem vereinbarten Tilgungsplan zuwider unberücksichtigt zu lassen.

Noch am selben Tag überwies Dr. N***** daraufhin vom Treuhandkonto bei der O***** AG einen Betrag von 186.900 Euro auf das bezughabende Kreditkonto No***** bei der Ba***** und behob im Übrigen einen Betrag von 45.300 Euro in bar, den er an K***** übergab. Dr. N***** wusste, dass er aufgrund der Vereinbarung mit der St***** AG verpflichtet gewesen wäre, aus dem Erlös des Verkaufs der vierten Wohnung (Top 45) einen Betrag von 120.000 Euro an die genannte Bank zu überweisen. Er wusste ferner, dass er solcherart die ihm eingeräumte Vollmacht, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbrauchte. Er hoffte zwar, dass der Schaden allenfalls aus dem Verkaufserlös der fünften Wohnung gutgemacht werden könne, wusste aber jedenfalls und fand sich zumindest billigend damit ab, dass aufgrund der Überweisung an die Ba***** und des Unterlassens der Zahlung an die St***** AG letztere in einem Betrag von 120.000 Euro am Vermögen geschädigt wird. Zu einem Verkauf der fünften Wohnung kam es in der Folge nicht.

Das Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB verwirklicht unter anderem, wer die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt. Anders als beim Betrug ist es ein Charakteristikum der Untreue, dass der Vermögensnachteil demjenigen, über dessen Vermögen der Täter verfügt, erwächst (SSt 2003/80; Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 36). Ausgehend von den oben angeführten Urteilsfeststellungen trat der Vermögensnachteil bei der St***** AG jedoch bereits durch die - dem Angeklagten allerdings im Urteil nicht angelastete - treuwidrige, nämlich ohne Erfüllung der im Treuhandvertrag festgelegten Treuhandbedingungen, erfolgte Auszahlung des Kreditbetrags von 440.000 Euro an No***** oder K***** ein.

Die in der Folge zwischen der St***** AG und dem Angeklagten Dr. N***** abgeschlossene Vereinbarung über die Rückzahlung des Kredits betrifft daher aus strafrechtlicher Sicht lediglich die Durchführung einer Schadensgutmachung. Die Nichteinhaltung des mit A***** vereinbarten Tilgungsplans dadurch, dass der Angeklagte den Erlös aus dem Verkauf der vierten Wohnung (Top 45) vereinbarungswidrig der Ba***** überwies, vermag daher, der Rechtsansicht des Erstgerichts zuwider, Untreue nicht zu begründen, zumal es sich bei dem gegenständlichen - von der B***** überwiesenen - Betrag von 120.000 Euro (Kaufpreis) auch nicht um einen Vermögensbestandteil der St***** AG handelte. Die Überweisung dieses Betrags an die Ba***** stellt daher keine Verfügung über das Vermögen der St***** dar. Das dem Angeklagten Dr. N***** angelastete Verhalten vermag daher den Tatbestand des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB nicht zu verwirklichen.

Es liegt daher ein Rechtsfehler im Sinn des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vor, der die Aufhebung des Schuldspruchs II./ erfordert.

Ob der Angeklagte eine vom Anklagevorwurf (im prozessualen Sinn) umfasste (vgl ON 19, S 10, 17 und 18) Untreue im Zusammenhang mit der Treuhandvereinbarung vom 26. Juni 2006 allenfalls dadurch begangen hat, dass er die ihm von der St***** AG als Treuhänder übernommene Darlehenssumme treuwidrig, nämlich vor Erfüllung der Treuhandbedingungen ausbezahlt hat, kann aufgrund der Urteilsannahmen (US 33 f) nicht abschließend beurteilt werden, weil ausreichende Feststellungen - insbesondere zur subjektiven Tatseite - fehlen.

Die Neudurchführung einer Hauptverhandlung erweist sich demnach als unvermeidlich, sodass das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im dargelegten Umfang sowie demzufolge auch im Dr. N***** betreffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen war (§ 285e StPO).

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Textnummer

E93245

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00167.09M.0217.000

Im RIS seit

26.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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