TE Vwgh Beschluss 2000/12/22 2000/12/0308

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Veröffentlicht am 22.12.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73;
B-VG Art132;
StPO 1975 §2;
StPO 1975 §47 Abs1;
StPO 1975 §84;
StPO 1975 §86 Abs1;
VwGG §27 Abs1 idF 1998/I/158;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des S in M, gegen die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend seine Beschwerde vom 14. Dezember 1999 (Befassung der Staatsanwaltschaft Wien mit dem gegen den Leiter des Regionalbüros für Entwicklungszusammenarbeit der Botschaft in G, D, erhobenen Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

In einem gemeinsamen Schriftsatz - beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 9. Oktober 2000 - haben der Beschwerdeführer und B (dessen Beschwerde wurde unter der hg. Zl. 2000/12/0259 protokolliert und mit hg. Beschluss vom 19. Dezember 2000, Zlen. 2000/12/0252 u.a., zurückgewiesen) jeweils im eigenen Namen gestützt auf Art. 132 B-VG und § 27 VwGG eine Säumnisbeschwerde eingebracht, in der geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe über die am 14. Dezember 1999 an sie gerichtete Beschwerde (Einschreibesendung Nr. 21800) betreffend den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch D bislang nicht entschieden.

Im genannten Schreiben vom 14. Dezember 1999, in dem sich der Beschwerdeführer und B als "Disziplinaranzeiger" bezeichneten, hatten die Genannten "BESCHWERDE wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen D" (Hervorhebungen und Schreibweise im Original) erhoben.

Das Schreiben hat folgenden Wortlaut (Namen wurden zum Teil anonymisiert):

"Ich habe vor einigen Tagen an das Buero fuer technische Zusammenarbeit zur Kenntnisnahme, einen Durchschlag eines an das Sachwaltergericht gerichteten Antrages eingebracht.

Bei der gestrigen Zeugeneinvernahme der zweifach vorbestraften 'Vertrauensanwaeltin' der österreichischen Botschaft in M X. vor dem vierten Zivilgericht in M, stellte sich heraus, dasz diese bereits bestens informiert war ueber die Fragen, welche ich an sie stellen werde und sie die Beantwortung nur aus diesem Durchschlag kennen konnte.

Ich bin zwar gezwungener, aber dennoch oest. Staatsbuerger und hat der Staat und seine Verwaltungsbehoerden seine Pflicht mir gegenüber wahrzunehmen, welche darin bestehen, dasz geheime Akten nicht an die Oeffentlichkeit dringen.

Die 'Vertrauensanwältin', siehe dazu beim OGH in N gefuehrte Vorstrafenregister hat mir waehrend der Zeugenaussage in deutscher Sprache mitgeteilt und sich bedankt 'dasz ich Sie als besonders huebsch bezeichnet habe'. Diesen Ausdruck habe ich nur in diesem Durchschlag erwaehnt und ist das Original immer noch per Post unterwegs. Es ist daher unmoeglich, dasz die 'Vertrauensanwaeltin' daher von anderswo, als vom Durchschlag diese Wortpassage kennen konnte.

Ich erhebe daher Beschwerde gegen D, da er der 'Vertrauensanwältin' X. diesen Durchschlag vor der gerichtlichen Zeugeneinvernahme zur Verfuegung gestellt und somit den Wahrheitsgehalt der Zeugeneinvernahme verminderte und verlange den Akt an die zustaendige StA Wien nach Erledigung zur Strafverfolgung nach § 310 StGB abzutreten."

Diese Beschwerde-Eingabe ist sowohl vom Beschwerdeführer als auch von B unterschrieben. Zum besseren Verständnis ist darauf hinzuweisen, dass für B von einem österreichischen Gericht ein Sachwalter bestellt wurde. D ist der Leiter des Regionalbüros für Entwicklungszusammenarbeit der Botschaft G (mit dem Sitz in M). Das genannte Regionalbüro ist eine Außenstelle der Österreichischen Botschaft in G, die bestimmte Aufgaben in N wahrnimmt; der österreichische Botschafter in G ist u.a. auch für N mitakkreditiert.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist nicht zur Verhandlung eignen oder denen offenbar die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Nach § 27 Abs. 1 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde ist daher, dass dem Beschwerdeführer Parteistellung in einem die Entscheidungspflicht begründenden Verwaltungsverfahren zukam. Von einem solchen kann aber nur dann gesprochen werden, wenn von einer Verwaltungsbehörde über Rechte und Rechtsverhältnisse formgebunden, also mittels Bescheid, abzusprechen ist (vgl. dazu zB den hg Beschluss vom 29. November 1982, 82/10/0179 = Slg. NF Nr. 10.904 A)

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer durch den in der seiner Säumnisbeschwerde zugrundeliegenden Eingabe vom 14. Dezember 1999 geschilderten Vorfall (behauptete Verletzung des Amtsgeheimnisses durch D. im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Verfahren in N) in seiner Sphäre überhaupt betroffen ist. Auch wenn man dies bejaht, hat er mit seinem Vorbringen von der belangten Behörde eine Entscheidung verlangt (im Ergebnis die Erstattung einer Strafanzeige gegen D. nach § 84 StPO), die nicht als Bescheid gewertet werden kann. Es kann daher auch ein allfälliges "Verfahren", das zur Findung der Entscheidung abgeführt wird, ob Anzeige erstattet wird oder nicht, kein die Entscheidungspflicht im Sinn des § 73 AVG und der vorhin genannten Bestimmungen begründendes Verwaltungsverfahren sein. Im Übrigen räumt § 86 Abs. 1 Satz 1 StPO ("Wer immer von einer strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist, Kenntnis erlangt, ist berechtigt, sie anzuzeigen.") jedermann die Berechtigung zur Erstattung einer Anzeige ein. Ein Anspruch des "Privatanzeigers" auf Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens bei einem (wie hier vorgeworfenen) Offizialdelikt besteht nicht. Zu dessen Verfolgung ist ausschließlich der Staatsanwalt berufen; nur wenn der Staatsanwalt die Verfolgung ablehnt oder aufgibt, kann aushilfsweise an seiner Stelle der Privatbeteiligte als Subsidiarankläger das öffentliche Klagerecht ausüben (vgl. dazu Foregger-Kodek, StPO, 6. Auflage Anmerkung II zu § 2 sowie die §§ 2 und 47 ff StPO).

Aus diesem Grund ist die vorliegende Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2000

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000120308.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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