TE OGH 2010/3/2 11Os196/09x

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Veröffentlicht am 02.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Anton V***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, aus Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) der von Dejan S***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Oktober 2009, GZ 123 Hv 48/09v-45, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner und des Verteidigers Dr. Hauser zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Dejan S*****, die bereits mit gesondertem Beschluss zurückgewiesen worden ist, wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Anton V***** hinsichtlich der zu A./I./d./1./ wiederholt dargestellten Tat in ihrer rechtlichen Beurteilung (auch) als das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3 StGB (insoweit ersatzlos), demgemäß auch der Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Anton V***** wird für die ihm weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A./I./a./) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 StGB (A./I./b./) sowie die Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 4 und 5 StGB (A./I./c./ und A./I./d./2./ und 3./), des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (A./I./e./ und A./II./a./) und der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 1 Abs 2 StGB (A./I./f./, A./II./b./ und B./) unter Anwendung des § 28 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Freisprüche enthält, wurde Anton V***** der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A./I./a./) und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 StGB (A./I./b./) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3, 4 und 5 StGB (A./I./c und A./I./d./), des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (A./I./e./ und A./II./a./) und der organisierten Schwarzarbeit nach § 153e Abs 1 Z 1 (ergänze: Abs 2) StGB (A./I./f./, A./II./b./ und B./) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit hier von Relevanz - in Wien

„A./I./ als allein vertretungsbefugter Prokurist der A***** BauGesmbH

a./ von Jänner bis Juli 2007 die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der A***** Bau GesmbH einen Vermögensnachteil zugefügt und dabei einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem er durch mehrfache Behebungen insgesamt etwa 126.257 Euro dem Unternehmen privat entnahm und für betriebsfremde Zwecke verwendete;

b./ von Jänner bis Ende September 2007 Bestandteile des Vermögens der Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger geschmälert, wobei er durch die Taten einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er

1./ von Jänner 2007 bis Juli 2007 durch mehrfache Behebungen insgesamt etwa 126.257 Euro dem Unternehmen privat entnahm und für betriebsfremde Zwecke verwendete;

2./...

c./...

d./ in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers des Unternehmens dadurch geschmälert, dass er

1./ von 31. Jänner bis 18. Juli 2007 nachstehenden übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand trieb und zwar indem er durch mehrfache Behebungen insgesamt etwa 126.257 Euro dem Unternehmen privat entnahm und für betriebsfremde Zwecke verwendete;

2./ - 3./ bis B./: ...“

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass einer Nichtigkeitsbeschwerde des Mitangeklagten Dejan S*****, die mit gesondertem Beschluss zurückgewiesen wurde, hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass in diesem Urteil das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten Anton V***** unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 StPO).

Die vorliegenden Tatbestände der Untreue (A./I./a./) und der betrügerischen Krida (A./I./b./1./) treffen, wie das Erstgericht zutreffend anmerkte, echt idealkonkurrierend zusammen (RIS-Justiz RS0108610), weil unterschiedliche Rechtsgüter, nämlich einerseits das Vermögen des Machtgebers, andererseits jenes der Gläubiger verletzt werden.

Ein und dieselbe kridaträchtige Handlung (Behebung von insgesamt „etwa“ 126.257 Euro zwischen Jänner und Juli 2007) kann aber nur vorsätzlich (§ 156 StGB) oder fahrlässig (§ 159 StGB) begangen werden. Das Erstgericht ging davon aus, dass Anton V***** von Jänner 2007 bis zum Tag nach der Konkurseröffmnung unter wissentlichem Missbrauch seiner Befugnis und kridaträchtig in mehreren Angriffen zumindest den obgenannten Betrag behob und damit nicht nur dem Zweitangeklagten als Mitgesellschafter der A***** Bau GesmbH einen Schaden zufügte, sondern auch die Befriedigung der Gläubiger des Unternehmens schmälerte, was er bewusst in Kauf nahm (US 9).

Hiebei ließ das Erstgericht unbeachtet, dass eine fahrlässige Tatbegehung (§ 159 StGB) bei einheitlichem Tatgeschehen und Identität des Objekts (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28-31 Rz 48) gegenüber (hier konstatierter) vorsätzlicher Begehung nach § 156 StGB nach dem Scheinkonkurrenztyp der (stillschweigenden [materiellen]) Subsidiarität zurücktritt (Leukauf/Steininger Komm3 § 159 RN 56; 15 Os 54/09v, EvBl-LS 2009/131; RIS-Justiz RS0124805). Der Schuldspruch des Angeklagten auch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3 StGB (A./I./d./1./) ist daher mit materieller Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet und gereicht dem Angeklagten zum Nachteil.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde des Mitangeklagten war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, soweit es die wiederholt dargestellte Tat auch § 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 5 Z 3 StGB unterstellt, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in dieser rechtlichen Beurteilung ersatzlos aufzuheben, woraus die Aufhebung des Strafausspruchs folgt.

Bei der daher erforderlichen Neubemessung der Strafe waren als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen sowie die Fortsetzung des strafbaren Verhaltens auch nach Konkurseröffnung und Einleitung polizeilicher Erhebungen, als mildernd demgegenüber der ordentliche Lebenswandel und das umfassende Geständnis zu werten, sodass unter Berücksichtigung aller Für und Wider den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von 22 Monaten schuld- und täterpersönlichkeitsangemessen ist, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren (die mit 6. Oktober 2009 zu laufen begonnen hat) bedingt nachzusehen war (§§ 16, 290 Abs 2 StPO).

Textnummer

E93543

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00196.09X.0302.000

Im RIS seit

10.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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