TE OGH 2010/3/2 11Os10/10w

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Veröffentlicht am 02.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ana B***** und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, AZ 19 HR 247/09k des Landesgerichts Linz, über die Grundrechtsbeschwerde der Ana B***** aus Anlass der von diesem Gericht am 4. Jänner 2010 verfügten Enthaftung (ON 107) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Ana B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Linz führt zur Zahl 6 St 94/09h ein Ermittlungsverfahren gegen Noel d*****, Jose C***** und Ana B***** wegen Verdachts des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG.

Ana B***** ist demnach aufgrund der bisher vorliegenden Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamts Oberösterreich verdächtig, im Frühjahr oder Sommer 2009 im Auftrag der beiden anderen Beschuldigten zumindest einmal 300 bis 400 Gramm Kokain aus der Schweiz nach Österreich eingeführt zu haben.

Über Antrag der Staatsanwaltschaft wurde nach Vernehmung der Beschuldigten (ON 82) mit Beschluss vom 11. Dezember 2009 die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a StPO mit Wirksamkeit bis längstens 28. Dezember 2009 verhängt (ON 83).

Die Untersuchungshaft wurde in der Zeit von 21. Dezember 2009, 8:00 Uhr, bis 29. Dezember 2009, 20:00 Uhr, zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen, deren Vollzug von der Bundespolizeidirektion Linz bzw vom Magistrat Linz angeordnet worden war, unterbrochen (ON 109). Die bereits verfügte Unterbrechung zum Vollzug weiterer verwaltungsbehördlicher Ersatzfreiheitsstrafen (ON 98a) war im Hinblick auf die am 23. Dezember 2009 erfolgte Bezahlung der zu Grunde liegenden Geldstrafen obsolet geworden (ON 99).

Die zunächst für 7. Jänner 2010 anberaumte Haftverhandlung wurde daher auf 4. Jänner 2010 vorverlegt (ON 1 S 26, 29, 31).

Nach Durchführung der Haftverhandlung hob die Haftrichterin an diesem Tag die Untersuchungshaft hinsichtlich Ana B***** unter Anwendung gelinderer Mittel auf (ON 107). Diesen Beschluss nahm die Beschuldigte unter Rechtsmittelverzicht zur Kenntnis (ON 107 S 3).

Mit der am 8. Jänner 2010 beim Erstgericht eingelangten Grundrechtsbeschwerde rügt die Beschuldigte, dass die Haftverhandlung verspätet anberaumt worden sei. Bereits am 29. Dezember 2009 sei bekannt gewesen, dass die 14-tägige Haftfrist am 1. Jänner 2010 enden werde. Dessen ungeachtet und trotz Bemühungen des Verteidigers habe das Landesgericht Linz die Haftverhandlung (entgegen der ausdrücklichen Anordnung des § 175 Abs 1 zweiter Satz StPO) nicht vor dem Ende der Haftfrist, sondern - ohne Vorliegen eines Hindernisses im Sinn des § 175 Abs 3 StPO - erst für einen Termin nach deren Ablauf, nämlich den 4. Jänner 2010 anberaumt, wodurch die Beschuldigte in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die zulässige (vgl 13 Os 141/08x) und fristgerechte Grundrechtsbeschwerde, die eine Grundrechtsverletzung wegen verspäteter Enthaftung im Sinn des § 2 Abs 2 GRBG geltend macht, ist nicht im Recht.

Die in § 175 Abs 1 und Abs 2 StPO normierten Haftfristen unterliegen den Regeln des § 84 StPO, weil sie „in diesem Gesetz bestimmt" und nach ihrer Benennung prozessuale Fristen sind (Fabrizy, StPO10 § 175 Rz 2). Demnach könne sie - mit Ausnahme der im Gesetz ausdrücklich angeführten Fälle (§ 175 Abs 3 StPO) - nicht verlängert werden. Der vom Gesetz bestimmte Tag, an dem sie zu laufen beginnen, sohin jener der Beschlussfassung, wird nicht mitgezählt und ihr Lauf durch Samstage, Sonn- und Feiertage sowie den Karfreitag nicht behindert. Fällt das Ende einer Haftfrist allerdings auf solch einen Tag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Haftfrist anzusehen (§ 84 Abs 1 Z 5 StPO; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 175 Rz 4).

Die hier maßgebliche Haftfrist (§ 175 Abs 1 Z 2 StPO) wurde durch die verwaltungsbehördlich angeordneten Ersatzfreiheitsstrafen in ihrem Fortlauf gehemmt (von 21. bis 29. Dezember 2009) und danach wieder fortgesetzt. Somit fiel ihr Ende unter Berücksichtigung der vier noch offenen Tage auf (Freitag) den 1. Jänner 2010. Gemäß § 84 Abs 1 Z 5 StPO konnte sie somit aber erst an dem dem 1. Jänner 2010 folgenden Werktag enden. Bei diesem handelte es sich um Montag, den 4. Jänner 2010, sodass die an diesem Tag durchgeführte Haftverhandlung fristgerecht stattgefunden hat.

Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Textnummer

E93322

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00010.10W.0302.000

Im RIS seit

29.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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