TE OGH 2010/3/26 8Ra21/10g

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Veröffentlicht am 26.03.2010
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Lindner als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Mag. Schredl und Mag. Fisher (Senat gemäß § 11a Abs 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****, *****, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, ***** *****, wegen Kosten über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen das Versäumungsurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.11.2009, 28 Cga 159/09w-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1) Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Versäumungsurteil dahin abgeändert, dass es lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 758,18 bestimmten Kosten (hierin EUR 275,40 Barauslagen und EUR 80,46 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Der Kläger führt zu 6 E 1983/09y des Bezirksgerichtes Leibnitz eine kombinierte Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO gegen J***** H***** zur Hereinbringung von EUR 33.210,-- samt Zinsen und Kosten. Die Exekutionsbewilligung wurde dem Drittschuldner, der hier Beklagten als Arbeitgeberin, am 19.5. zugestellt. Sie erstattete keine Drittschuldneräußerung.

Mit der am 10.8.2009 erhobenen Drittschuldnerklage begehrte der Kläger die gesamte betriebene Forderung samt Zinsen und Kosten von insgesamt EUR 38.373,53 sA.

Nach einem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes wegen Unschlüssigkeit im Hinblick auf die Höhe der Klageforderung, weil der Verpflichtete EUR 10.000,-- netto monatlich verdienen müsste, um eine entsprechende Forderung gegen den Beklagten zu haben, brachte der Kläger vor, dass es allgemein bekannt sei, dass Beschäftigte im Bereich der Projektentwicklung und dem Verkauf von Immobilien durchaus hohe Einkommen hätten, die auch EUR 10.000,-- erreichen könnten. Mangels Drittschuldnererklärung habe der Kläger das Einkommen des Verpflichteten schätzen dürfen und werde, sollte sich ein niedrigeres Einkommen herausstellen, das Klagebehren entsprechend einschränken.

Das Erstgericht erachtete die Klage noch immer für unschlüssig und beraumte eine vorbereitende Tagsatzung für den 10.11.2009 an.

Am 10.9. äußerte sich der Beklagte, dass der Verpflichtete nur EUR 625,53 verdient habe und mit 1.10.2009 gekündigt worden sei.

Im Hinblick darauf schränkte der Kläger am 10.11. das Klagebegehren auf Kosten ein, legte eine Kostennote über EUR 3.222,49 und beantragte ein Versäumungsurteil gegen den nicht erschienenen Beklagten.

Mit dem angefochtenen Versäumungsurteil verhielt das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung der Kosten von EUR 116,53. Es sprach die Kosten der Tagsatzung vom 10.11. nach TP 2 RATG zuzüglich Fahrtkosten auf Basis des Nebengebührenstreitwerts von EUR 1.450,-- zu, das Kostenmehrbegehren erachtete es als nicht gerechtfertigt. Die Klage sei nach wie vor unschlüssig gewesen und erst durch die Einschränkung auf Kosten schlüssig gestellt worden, weshalb für den Abschnitt bis zur Einschränkung keine Kosten gebührten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich der Kostenrekurs des Klägers mit dem Antrag, ihm die gesamten verzeichneten Kosten zuzusprechen.

Die Beklagte erstattete keine Rekursbeantwortung.

Der Rekurs ist nur teilweise berechtigt.

Soweit der Kläger eine Honorierung der Tagsatzung vom 10.11. nach TP 3A RATG anstrebt, ist der Rekurs berechtigt, weil Tagsatzungen nur dann nach TP 2 RATG zu honorieren sind, wenn sie, ehe es zur Erörterung des Sachverhalts gekommen ist, zu einem Versäumungs-, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil oder einem Vergleich führen (TP 2 II 1 c RATG). Nach dem Inhalt des Protokolls wurde aber der Sachverhalt erörtert.

Der Kläger wendet sich im Rekurs auch gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach die Klage unschlüssig gewesen sei.

Hat der Drittschuldner seine Pflicht zur Abgabe der Drittschuldnererklärung schuldhaft nicht, vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständig erfüllt, so ist dem Drittschuldner im Drittschuldnerprozess (§ 308 EO) der Ersatz der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. § 43 Abs 2 ZPO gilt sinngemäß. Überdies haftet der Drittschuldner dem betreibenden Gläubiger für den daraus entstehenden Schaden (§ 301 Abs 3 EO).

Einen Schaden im Sinne des letzten Satzes des § 301 Abs 3 EO hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Dass der Beklagte die Drittschuldnererklärung schuldhaft nicht erstattet hat, kann nicht bezweifelt werden. Damit wird er im Drittschuldnerprozess gemäß § 301 Abs 3 EO grundsätzlich kostenersatzpflichtig, auch wenn der Kläger mit seiner Forderung nicht durchgedrungen ist. Die unterlassene Erklärung war kausal für die Klage.

Der Kläger als Überweisungsgläubiger kann die Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner aber nur so geltend machen, wie sie dem Verpflichteten zusteht (§ 308 Abs 1 EO). Das bedeutet, dass bei gepfändeten Forderungen auf Arbeitsentgelt die periodenweise eintretende Fälligkeit und die Bestimmungen über das Existenzminimum zu beachten sind. Daher kann der Kläger mit der Drittschuldnerklage nur eine Verurteilung des Drittschuldners gemäß dem pfändbaren Entgelt der jeweiligen Perioden zwischen Zustellung der Exekutionsbewilligung und Schluss der Verhandlung erster Instanz erreichen. Hat er eine darüber hinausgehende Forderung, ist er durch den durch die Zustellung der Exekutionsbewilligung bewirkten Pfand-rang geschützt. Da keine Verjährung droht, kann er – bei längerer Dauer des Drittschuldnerprozesses - jederzeit die Klageforderung ausdehnen.

Allerdings befindet sich ein Überweisungsgläubiger vor Klageerhebung in einem Dilemma, weil er mangels Drittschuldnererklärung nicht wissen kann, ob und in welcher Höhe dem Verpflichteten Ansprüche gegen den Drittschuldner zustehen. Dieses Dilemma hat der Drittschuldner verschuldet, weshalb er auch die kostenrechtlichen Konsequenzen tragen soll. Daher wird ihm durch § 301 Abs 3 EO auch bei Unterliegen des Überweisungsgläubigers im Drittschuldnerprozess (der nur wegen der unterlassenen oder unvollständigen Drittschuldnererklärung geführt wurde) der Kostenersatz auferlegt.

Mit dem Satz „§ 43 Abs 2 ZPO ist anzuwenden.“ wollte der Gesetzgeber „dem Gericht die Möglichkeit geben, bei offensichtlicher Überklagung nur einen Teil dieser Kosten zuzusprechen“ (ErlRV der EO-Novelle 1991, 181 BlgNR 18.GP 44). § 43 Abs 2 (2.Fall) ZPO ist aber nach ständiger Rechtsprechung nur dann anwendbar, wenn gerade nicht überklagt wurde. Wurde überklagt, hat eine Kostenentscheidung nach § 43 Abs 1 ZPO, also idR eine Kostenteilung zu erfolgen. Da üblicherweise eine Überklagung erst dann angenommen wird, wenn der Kläger mit weniger als der Hälfte obsiegt, kommt es meistens bei Überklagung zu einem Kostenersatz des Klägers an den Beklagten. Das soll aber durch § 301 Abs 3 EO vermieden werden.

Nach § 43 Abs 2 ZPO erfolgt – wenn nicht überklagt wurde – Kostenersatz auf Basis des ersiegten Betrages an den Kläger, weil er durch dieses Kostenprivileg nicht besser gestellt werden soll, als ein Kläger, der „das Richtige“ eingeklagt hat. Im (verlorenen) Drittschuldnerprozess gibt es aber keinen ersiegten Betrag, an dem man die Überklagung messen und den man als Bemessungsgrundlage des Kostenersatzes an den Kläger heranziehen könnte.

Vor diesem Problem stand die frühere Rechtsprechung nicht, weil vor der EO-Novelle 1991 eine Kürzung der Kosten des Drittschuldnerprozesses wegen überhöhter Einklagung nur aufgrund eines entsprechenden Mitverschuldenseinwandes des Drittschuldners im nachfolgenden Schadenersatzprozess über die Kosten des Drittschuldnerprozesses zulässig war(7 Ob 601/81 = SZ 54/85). Das war auch sinnvoll, weil es dort um einen Schadenersatzanspruch ging. Teils wurde diese Rechtsprechung fortgeschrieben (zB OLG Wien in 11 E 87/08g). Der durch die EO-Novelle 1991 geschaffene § 301 Abs 3 EO sollte eine „zeitliche Vorverlagerung des Schadenersatzanspruchs in die Kostenentscheidung im Drittschuldnerprozess“ bewirken (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 350; Oberhammer in Angst [Hrsg] EO-Kommentar² § 301 Rz 2).

              Für die Beurteilung des Kostenersatzes bei überhöhter Einklagung wegen fehlender Kenntnis des pfändbaren Einkommens des Verpflichteten ist nach Ansicht des erkennenden Senats § 43 Abs 2 ZPO in Verbindung mit § 273 ZPO sinngemäß heranzuziehen. Einerseits hat der Gesetzgeber die Anwendung der an sich nicht passenden (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 351) Bestimmung des § 43 Abs 2 ZPO ausdrücklich vorgesehen, andererseits handelt es sich – im Unterschied zur früheren Rechtslage – um eine Kostenentscheidung. Ob § 43 Abs 2 ZPO anzuwenden ist, ist grundsätzlich von Amts wegen bei der Kostenbestimmung zu beurteilen.

              Hat der Kläger überklagt, weil er einen vernünftigen Rahmen üblicher Einkommensverhältnisse ohne besondere Gründe deutlich überschritten hat, ist das Gericht nach Ansicht des erkennenden Rekurssenats befugt, ihm die Kosten in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO auf Basis einer nach § 273 ZPO ermittelten Bemessungsgrundlage auch ohne Mitverschuldenseinwand zuzusprechen. Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers und harmoniert im Ergebnis mit einem angenommenen Mitverschulden, das praktisch nie zu einem vollständigen Verlust des Anspruchs, sondern nur zu einem Zuspruch einer entsprechend niedrigeren Quote führt. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass tragendes Prinzip des Kostenersatzrechts ist, dass nur die notwendigen und zweckmäßigen Kosten ersetzt werden.

              Bei der Beurteilung der Überklagung ist allerdings eine gewisse Vorsicht angebracht, weil es der Beklagte zu vertreten hat, dass der Kläger keine oder wenige Anhaltspunkte für eine Einschätzung des Einkommens des Verpflichteten hat.

Dem Erstgericht ist zuzustimmen, dass die Annahme eines (pfändbaren!) Monatseinkommens des Verpflichteten von EUR 10.000,-- auch für einen Angestellten in der Immobilienbranche krass überhöht ist. Da der Kläger durch ein maßvolles Klagebegehren keinen Rechtsnachteil erleidet, und nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen sind, ist ihm eine vernünftige Einklagung zuzumuten. Eine gänzliche Unschlüssigkeit liegt hingegen nicht vor, weil es nicht ausgeschlossen war, dass der Beklagte ein – wenn auch niedrigeres - pfändbares Einkommen erzielt.

Gemäß § 273 ZPO sind dem Kläger die Kosten der Klage ausgehend von einem pfändbaren monatlichen Betrag von EUR 2.000,--, daher für den zwischen der Zustellung der Exekutionsbewilligung und der Drittschuldnerklage liegenden Zeitraum von 3 Monaten insgesamt auf Basis von EUR 6.000,-- zuzusprechen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Drittschuldnerklagen, denen ein gepfändetes Arbeitseinkommen zu Grunde liegt, nach TP 2 RATG zu entlohnen (OLG Wien in 8 Ra 173/04a; 9 Ra 156/09s; 8 Ra 27/09p).

Dem Rekurs war daher nur teilweise Folge zu geben.

Der Auspruch über die Rekurskosten beruht darauf, dass der Kläger im Rekursverfahren mit mehr als der Hälfte unterlegen ist und daher keinen Kostenersatz erhält. § 301 Abs 3 ZPO ist in 2. Instanz nicht (mehr) anzuwenden.

 

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 2 ASGG.

                            

Textnummer

EW0000715

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2010:0080RA00021.10G.0326.000

Im RIS seit

02.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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