TE OGH 2010/4/15 6Ob162/09f

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Veröffentlicht am 15.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen T***** SE mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs der Vorstandsmitglieder 1. F***** B*****, 2. P***** W. S*****, beide *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 22. Juni 2009, GZ 28 R 99/09y-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. April 2009, GZ 71 Fr 15814/08w-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Erstgericht die Bestellung eines Gründungsprüfers für die T***** SE aufgetragen wird. Die Auswahl der Person des zu bestellenden Gründungsprüfers obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Die T***** B.V. und die P***** GmbH gründeten am 31. 10. 2006 die im Spruch genannte Gesellschaft, wobei sie Bareinlagen von insgesamt 120.000 EUR übernahmen. Die Gesellschaft wurde am 14. 12. 2006 im Firmenbuch zu FN ***** mit einem Grundkapital von 120.000 EUR eingetragen. Gemeinschaftlich vertretungsbefugte Vorstandsmitglieder sind die beiden Antragsteller.

Die beiden Gründerinnen übertrugen mit Aktienkaufvertrag vom 2. 5. 2007 sämtliche Aktien der Gesellschaft an die m***** ag, vormals T*****g AG, die die Aktien mit Aktienkaufvertrag vom 28. 6. 2007 an die E***** GmbH übertrug; diese ist derzeit Alleinaktionärin der Gesellschaft.

Die E***** GmbH ist zu 90 % Tochter der T***** GmbH und zu 10 % Tochter der P***** GmbH.

Nach dem Vorbringen der Antragsteller habe die T***** GmbH bereits am 25. 5. 2007 mittels Share Purchase Agreement sämtliche Anteile an der T***** Ltd um einen Kaufpreis von 48,834 Mio EUR an die Gesellschaft verkauft. Am 12. 6. 2007 habe die T***** GmbH der Gesellschaft ein Darlehen in Höhe von 48,834 Mio EUR gewährt, wobei der Anspruch auf Auszahlung der Darlehenssumme mit der Kaufpreisforderung verrechnet worden sei. Schließlich habe die T***** GmbH am 26. 3. 2008 der Gesellschaft gegenüber eine Zusage zur Leistung eines Großmutterzuschusses in Höhe von 48,4 Mio EUR abgegeben; die Gesellschaft sei berechtigt (gewesen), diesen Zuschuss bis zum 26. 3. 2010 anzufordern.

Die Antragsteller beantragen die Bestellung eines Sachgründungsprüfers. Da das Share Purchase Agreement vom 25. 5. 2007 als verdeckte Sacheinlage gewertet werden könnte, sei deren Heilung durch Satzungsänderung beabsichtigt, wobei nach Volleinzahlung der Restbareinlage die seinerzeitige Bargründung der Gesellschaft in eine Sachgründung umgewidmet, der Großmutterzuschuss in einen unbedingten geändert und zum jetzigen Zeitpunkt eine Sacheinlageprüfung durchgeführt werden solle.

Beide Vorinstanzen wiesen den Antrag ab, das Rekursgericht sprach darüber hinaus aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Gemäß Art 9 Abs 1 lit c ii) der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) sind auf den vorliegenden Sachverhalt die Bestimmungen über die Nachgründung nach §§ 45 ff AktG sowie die Rechtsprechung über verdeckte (verschleierte) Sacheinlagen anzuwenden. Davon ging auch das Rekursgericht aus; der Revisionsrekurs stellt dies nicht in Abrede.

2. Das Rekursgericht hat den Antrag auf Bestellung eines Sachgründungsprüfers mit der Begründung abgewiesen, das Share Purchase Agreement vom 25. 5. 2007 über den Erwerb sämtlicher Anteile an der T***** Ltd durch die Gesellschaft von der T***** GmbH sei innerhalb von zwei Jahren ab Gründung der Gesellschaft abgeschlossen worden, der Kaufpreis habe 10 % des Grundkapitals der Gesellschaft überstiegen und die m***** ag sei damals Alleineigentümerin sämtlicher Aktien sowohl der Gesellschaft als auch der Mehrheitsgründerin T***** B.V. gewesen; nunmehr sei die E***** GmbH, eine 90%ige Tochter der T***** GmbH, Alleinaktionärin der Gesellschaft, wobei die Anteile der T***** GmbH wiederum im alleinigen Eigentum der m***** ag stünden. Damit stehe die Verkäuferin der Sacheinlage in Form sämtlicher Anteile an der T***** Ltd über die m***** ag im Verhältnis einer Schwestergesellschaft zur Mehrheitsgründerin T***** B.V. Beim Share Purchase Agreement vom 25. 5. 2007 lägen daher die Voraussetzungen für eine Nachgründung gemäß §§ 45 ff AktG vor, weshalb es auf die Frage einer (gemischten) verdeckten Sacheinlage nicht ankomme und einer Heilung durch die von den Antragstellern entgegen § 20 Abs 3 letzter Satz AktG angestrebte Satzungsänderung nach Eintragung der Gesellschaft nicht bedürfe. Da die Antragstellerin eine Nachgründungsprüfung und damit die Bestellung eines Gründungsprüfers gemäß § 45 Abs 3 iVm § 25 Abs 3 AktG ausdrücklich nicht anstrebe, habe das Erstgericht den Antrag auf Bestellung eines Sachgründungsprüfers gemäß § 25 Abs 3 AktG zutreffend abgewiesen.

2.1. Nach § 45 Abs 1 AktG bedürfen Verträge der Gesellschaft, nach denen sie von einem Gründer vorhandene oder herzustellende Anlagen oder sonstige Vermögensgegenstände für eine Vergütung von mindestens dem zehnten Teil des Grundkapitals erwerben soll, zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung und der Eintragung in das Firmenbuch, wenn sie in den ersten zwei Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch geschlossen werden; ohne die Zustimmung der Hauptversammlung oder die Eintragung im Firmenbuch sind auch die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung rechtsunwirksam. Den Gründern sind Personen, für deren Rechnung die Gründer Aktien übernommen haben, Personen, zu denen ein Gründer ein Naheverhältnis hat, das der Beziehung zwischen Mutterunternehmen und Tochterunternehmen (§ 228 Abs 3 UGB) entspricht, sowie nahe Angehörige eines Gründers (§ 4 AnfO) gleichgestellt.

2.1.1. Einer Nachgründung im Sinn dieser Bestimmung bedürfen somit Rechtsgeschäfte, die innerhalb von zwei Jahren ab Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch zwischen der Gesellschaft und einem Gründer oder einer ihm nahestehenden Person abgeschlossen werden und durch welche die Gesellschaft Vermögensgegenstände vom Gründer oder gleichgestellten Personen gegen eine Vergütung von mindestens 10 % des Grundkapitals erwirbt (Doralt/Diregger in MünchKommAktG § 52 Rz 77; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 45 Rz 5; Geist in Jabornegg/Strasser, AktG4 [2005] § 45 Rz 2; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/221).

2.1.2. Nach in Österreich herrschender Auffassung (Doralt in MünchKommAktG² § 52 Rz 80; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 45 Rz 8; Geist in Jabornegg/Strasser, AktG4 [2005] § 45 Rz 4a) erfasst § 45 Abs 1 letzter Satz AktG auch Schwestergesellschaften von Gründern. Der erkennende Senat schließt sich dem an, verweist doch § 45 Abs 1 letzter Satz AktG unter anderem ausdrücklich auf § 228 Abs 3 UGB und damit auf verbundene Unternehmen (vgl dazu etwa Ch. Nowotny in Straube, HGB³ [2000] § 228 Rz 47); außerdem werden die Geschwister auch von § 4 AnfO erfasst („bis zum vierten Grade der Seitenlinie verwandt“).

2.1.3. Der Revisionsrekurs wendet sich - zutreffend - nicht gegen die Auffassung des Rekursgerichts, wonach das Share Purchase Agreement vom 25. 5. 2007 aus den von ihm dargelegten Überlegungen den Nachgründungsvorschriften der §§ 45 ff AktG zu unterstellen wäre.

2.1.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bestellung eines Gründungsprüfers gemäß § 25 Abs 3 iVm § 45 Abs 3 AktG vor.

2.2. Ob darüber hinaus der von den Antragstellern behauptete Sachverhalt auch die Voraussetzungen einer verdeckten (verschleierten) Sacheinlage (vgl dazu RIS-Justiz RS0114160) erfüllt, ob gegebenenfalls das Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage neben den Nachgründungsvorschriften gesondert zu prüfen ist (vgl Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 150 Rz 14), ob gegebenenfalls eine solche verdeckte Sacheinlage (etwa durch Einhaltung der Nachgründungsbestimmungen) geheilt werden kann (vgl 6 Ob 132/00f SZ 73/130 = EvBl 2001/41 = RdW 2001, 19 = GesRZ 2001, 30 = ecolex 2001, 205 [Konwitschka] [„Bedürfnis nach Heilung“]; OLG Graz 4 R 60/08p = RIS-Justiz RG0000056) und was gegebenenfalls die Heilung einer verdeckten Sacheinlage erfordert, muss aus folgenden Erwägungen nicht mehr geprüft werden:

Der Oberste Gerichtshof musste die Möglichkeit der Heilung einer verdeckten Sacheinlage nach Eintragung einer Aktiengesellschaft bisher nicht beurteilen (vgl 6 Ob 132/00f).

Soweit in der herrschenden österreichischen Lehre die Möglichkeit der Heilung einer verdeckten Sacheinlage nach Eintragung einer Aktiengesellschaft (in welchen Konstellationen und in welcher Form auch immer) bejaht wird, besteht Einigkeit darüber, dass dafür (in der Regel) eine Gründungsprüfung iSd §§ 25 bis 27 AktG (allenfalls iVm § 45 Abs 3 AktG) erforderlich ist (vgl Konwitschka, Kapitalerhöhung durch Verrechnung von Gesellschafterforderungen [1998] 400 ff; ders, Verdeckte Sacheinlagen bei sanierenden Kapitalerhöhungen und deren Heilung, ecolex 2001, 183 [185]; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 20 Rz 41; Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 150 Rz 57 - 60; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung [2004] 37; Heidinger in Jabornegg/Strasser, AktG4 [2005] § 20 Rz 27; Thurnher, Die Vermeidung verschleierter Sacheinlagen bei der Einbringung von Betrieben mit Entnahmen nach § 16 Abs 5 UmgrStG, GesRZ 2005, 10 [15]; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] 3/220; Doralt/Diregger/Winner in MünchKommAktG3 [2008] § 28 Rz 150; Schopper, Fallgruppen zur Lehre von der verdeckten Sacheinlage, NZ 2009, 257 [267]).

Die zu der von der herrschenden Lehre befürworteten Heilung einer allenfalls hier vorliegenden verdeckten Sacheinlage erforderliche Gründungsprüfung richtet sich nach denselben gesetzlichen Vorschriften wie eine Gründungsprüfung im Zusammenhang mit einer Nachgründung (§ 45 Abs 3 AktG). Wenn somit - wie hier - eine Gründungsprüfung erforderlich ist (was von den Antragstellern übereinstimmend mit dem Rekursgericht bejaht wurde), ist eine nähere Einordnung, weshalb eine Gründungsprüfung notwendig ist, durch das Firmenbuchgericht durch das Firmenbuchgericht entbehrlich.

3. Zur gerichtlichen Gründungsprüferbestellung ist überdies Folgendes anzumerken:

Die Tätigkeit des Gründungsprüfers gründet sich nicht auf ein Vertragsverhältnis zur (Vor-)Gesellschaft, er übt vielmehr ein ihm im öffentlichen Interesse gemäß § 25 Abs 3 AktG durch das Gericht übertragenes öffentliches Amt aus und ist nicht Organ der Gesellschaft (Pentz in MünchKommAktG3 [2008] § 33 Rz 61; Heidinger in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 25 Rz 21, jeweils mwN). Sein Aufgaben- und Verantwortungsbereich ist im Gesetz umschrieben (§§ 26 f AktG). Dadurch soll die objektive Werthaltigkeit der eingebrachten oder übernommenen Gegenstände insbesondere zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger sichergestellt werden (Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 25 Rz 1; Heidinger in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 25 Rz 7).

Zweck der gerichtlichen Bestellkompetenz ist aber nicht, schon im Bestellungsverfahren - wie im vorliegenden Verfahren - eingehend zu prüfen, ob ein prüfpflichtiger Sachverhalt und gegebenenfalls welcher vorliegt. Diese Prüfung kann schon deshalb unterbleiben, weil jeder gründungsprüfungspflichtige Sachverhalt zu seiner Wirksamkeit einer Firmenbucheintragung bedarf (§ 34 Abs 1 Satz 1, § 45 Abs 1, § 148 Abs 3 AktG), in deren Rahmen das Firmenbuchgericht ohnehin den angemeldeten Vorgang formell und materiell zu prüfen hat.

Durch die gerichtliche Bestellung eines Gründungsprüfers kann auch insofern niemand beschwert sein, als eine Gegenpartei, die Schuldner des Entlohnungsanspruchs des Gründungsprüfers werden könnte, nicht vorhanden ist und auch der Staat diesbezüglich nicht ersatzpflichtig werden kann (vgl Heidinger in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 27 Rz 14; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 27 Rz 17; Pentz in MünchKommAktG3 [2008] § 35 Rz 24; Doralt/Diregger in MünchKommAktG3 [2008] § 35 Rz 30).

Im Interesse von Gesellschaften, die (ihrer Ansicht nach) gründungsprüfungspflichtige Vorgänge sanieren wollen, hat daher das Firmenbuchgericht ohne eingehende Prüfung, ob ein prüfpflichtiger Sachverhalt und gegebenenfalls welcher vorliegt, auf entsprechenden Antrag zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen möglichst rasch einen Gründungsprüfer zu bestellen. Ein solcher Antrag ist nur dann abzuweisen, wenn sich schon aus dem Antragsvorbringen ohne weitere Prüfung ergibt, dass ein gründungsprüfungspflichtiger Sachverhalt offensichtlich nicht vorliegt (zB für die Eintragung einer offenen Gesellschaft).

4. Im Sinne dieser Erwägungen war in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dem Erstgericht die Bestellung eines Gründungsprüfers aufzutragen. Die Auswahl der Person des Prüfers wird dem pflichtgemäßen Ermessen des Erstgerichts anheimgestellt.

Schlagworte

Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,Wertpapierrecht

Textnummer

E93993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00162.09F.0415.000

Im RIS seit

25.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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