TE Vfgh Beschluss 1998/6/9 B8/98, V3/98

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Veröffentlicht am 09.06.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gegen einen Feststellungsbescheid gemäß Tir AbfallwirtschaftsG; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung einer Müllabfuhrordnung mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Erwerbsausübungsfreiheit. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschrift des §3 Abs2 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 50/1990, (im folgenden: Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz) rügt (der Wortlaut der Beschwerde legt entgegen der angeführten Paragraphenbezeichnung nahe, daß sich diese Bedenken gegen die in §3 Abs2 leg.cit. verwiesene Norm des §2 Abs2 leg.cit. richten), läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund, daß die Landesgesetzgebung auf der Grundlage des Kompetenztatbestandes des Art10 Abs1 Z12 B-VG auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft - soferne der Bund nicht in verfassungsmäßiger Weise von seiner Befugnis zur Erlassung einheitlicher Regelungen für nicht gefährliche Abfälle Gebrauch gemacht hat - auch Regelungen über jene Arten von betrieblichen Abfällen treffen darf, die als nicht gefährliche Abfälle zu qualifizieren sind (vgl. VfSlg. 13019/1992), die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Dies gilt auch insofern, als die Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit der Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel, beschlossen vom Gemeinderat ab 25. Jänner 1996, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 30. Jänner 1996 bis 14. Februar 1996, (im folgenden: Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel) rügen, da sich diese Bedenken gegen eine von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides gemäß §3 Abs2 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz nicht angewendete und daher auch im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht präjudizielle Norm richten.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

II. 1. Die Beschwerdeführer begehren im selben Schriftsatz, mit dem sie die Beschwerde eingebracht haben, deren Behandlung unter Punkt I. dieses Beschlusses abgelehnt wird, unter Berufung auf Art139 B-VG, die Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel als gesetzwidrig aufzuheben. Die Antragsteller begründen diesen Antrag im wesentlichen damit, daß der - beim Verfassungsgerichtshof zur Zahl B8/98 angefochtene - Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. November 1997, mit welchem gemäß §3 Abs2 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz festgestellt wurde, daß es sich bei näherhin bestimmten, in - vornehmlich betrieblichen - Objekten der Antragsteller anfallenden Abfällen um Haushaltsmüll im Sinne des §2 Abs2 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz handelt, die zwangsläufige Folge habe, daß die Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel mit dem darin enthaltenen Zwang zur Abfuhr der Abfälle durch die öffentliche Müllabfuhr zur Anwendung komme. Der in der Verordnung vorgesehene Zwang zur Beseitigung der Abfälle durch die öffentliche Müllabfuhr verstoße gegen die Erwerbsausübungsfreiheit und finde im Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz keine gesetzliche Deckung. Die Voraussetzungen für einen Individualantrag nach Art139 B-VG lägen vor, weil nicht zugemutet werden könne, im Rahmen eines Strafverfahrens die Erlassung bekämpfbarer Bescheide zu erreichen.

2. Die Tiroler Landesregierung hat als oberste zur Vertretung der angefochtenen Verordnung berufene Behörde unter Vorlage des Verordnungsaktes eine Äußerung erstattet und darin die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages auf Verordnungsprüfung beantragt.

3. Nach §57 Abs1 VerfGG 1953 muß der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, daß entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalte nach oder daß bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Ein Antrag, der sich gegen den ganzen Inhalt einer Verordnung richtet, muß die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit aller Bestimmungen der Verordnung "im einzelnen" darlegen. Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. VfSlg. 8550/1979, 8955/1980, 11970/1989, 12208/1989, 13635/1993, 14498/1996) nicht (im Sinne des §18 VerfGG) verbesserungsfähig, sondern als unzulässig zurückzuweisen.

Mit dem vorliegenden Antrag wird die Aufhebung der "Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel" begehrt, ohne nähere Angabe, ob diese "ihrem ganzen Inhalte nach" oder in "bestimmte(n) Stellen" (§57 Abs1 VerfGG) aufgehoben werden soll. Der vorliegende Antrag ist aber auch unter der - naheliegenden - Annahme zurückzuweisen, daß er auf Aufhebung der Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach gerichtet ist: Die Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel regelt im §1 "Allgemeine Grundsätze", im §2 den "Abfuhrbereich", im §3 die "Art und Größe der Müllbehälter", im §4 die "Verwendung der Behälter", im §5 die "Abfuhr von Sperrmüll", im §6 die "Getrenntsammlung", im §7 "Kompostierbare Abfälle", im §8 "Benützungsgebühren", im §9 eine "Nachschau- und Auskunftspflicht", im §10 eine "Anzeigepflicht", im §11 "Strafbestimmungen" und im §12 das "Inkrafttreten" der Verordnung. Die Antragsteller äußern Bedenken gegen den "in der Müllabfuhrordnung der Stadtgemeinde Kitzbühel enthaltene(n) Zwang" zur Abfallbeseitigung durch die öffentliche Müllabfuhr, ohne näher auszuführen, durch welche Bestimmungen dieser Zwang bewirkt wird. Im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofs hätten die die Verordnung ihrem gesamten Inhalt nach anfechtenden Antragsteller jedenfalls Bedenken im einzelnen gegen alle Bestimmungen der Müllabfuhrordnung, also auch gegen jene darlegen müssen, die keinen "Zwang" zur Abfallbeseitigung durch die öffentliche Müllabfuhr bewirken (zB. §§3 bis 5, 8 bis 10 leg. cit.). Da sie dies unterlassen haben, war der Individualantrag mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen als unzulässig zurückzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs3 Z1 und Z2 lita VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, Abfallbeseitigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B8.1998

Dokumentnummer

JFT_10019391_98B00008_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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