TE OGH 2010/5/4 10ObS56/10y

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Veröffentlicht am 04.05.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Dr. Peter Krüger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Walter L*****, vertreten durch Dr. Erhard Hackl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Bachmann & Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Korridorpension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2010, GZ 11 Rs 179/09m-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Juni 2009, GZ 14 Cgs 59/09x-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat in mehreren Zweigen bzw bei mehreren Trägern der Pensionsversicherung Versicherungsmonate erworben, wobei unbestritten die Zuständigkeit der beklagten Partei für die Feststellung und Gewährung der Leistung gegeben ist.

Strittig ist im vorliegenden Fall die Frage, ob der am 2. 12. 1946 geborene Kläger auch für den Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2006 Beitragszeiten gemäß § 115 Abs 1 Z 1 GSVG erworben hat.

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 14. 7. 2006, AZ 12 S 62/06i, wurde über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet. Die beklagte Partei meldete im Konkursverfahren eine Konkursforderung für offene Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. 11. 2003 bis 14. 7. 2006 in Höhe von 10.209,55 EUR an, die zur Gänze anerkannt wurde. Der im November 2006 geschlossene Zahlungsplan über eine Quote von 10,85 % der Forderungen, zahlbar in 7 Raten von je 1,55 %, wurde rechtskräftig bestätigt. Der Kläger überwies im Rahmen des Zahlungsplans am 1. 11. 2007 und am 1. 11. 2008 je eine Quote von 1,55 % sowie am 24. 11. 2008 die restliche Quote von 7,75 % an die beklagte Partei, sodass der Zahlungsplan gegenüber der beklagten Partei am 24. 11. 2008 zur Gänze erfüllt war.

Mit Bescheid vom 13. 2. 2009 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 18. 12. 2008 auf Zuerkennung der Korridorpension gemäß § 4 Abs 2 APG mit der Begründung ab, dass der Kläger anstelle der für diese Leistung erforderlichen 450 Versicherungsmonate nur 435 Versicherungsmonate erworben habe.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung der Korridorpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2009. Da er gegenüber der beklagten Partei den Zahlungsplan zur Gänze erfüllt habe, gelte auch seine Verbindlichkeit gegenüber der beklagten Partei als erfüllt, wenngleich eine Naturalobligation verbleibe. Es seien daher die auf den Zeitraum 1. 11. 2003 bis 14. 7. 2006 entfallenden Zeiten als Versicherungszeiten anzurechnen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass aufgrund der vom Kläger im Rahmen des Zahlungsplans erfolgten Quotenzahlungen eine Restschuldbefreiung für die restliche Konkursforderung eingetreten sei. Für den Erwerb von Beitragszeiten gemäß § 115 Abs 1 Z 1 GSVG sei jedoch die Bezahlung der dafür vorgeschriebenen Beiträge erforderlich. Da durch die Quotenzahlung nur der Beitrag für den Monat November 2003 zur Gänze und für den Monat Dezember 2003 nur teilweise entrichtet worden sei, könnten für den Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2006 keine Beitragszeiten anerkannt werden. Die Restschuldbefreiung bewirke nicht den Erwerb von Beitragszeiten.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Korridorpension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2009 zu bezahlen. Es beurteilte den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass die im Konkursverfahren aufgrund der Erfüllung des Zahlungsplans erlangte Restschuldbefreiung beim Kläger auch eine Anrechnung der Versicherungszeiten für den Zeitraum vom 1. 11. 2003 bis 14. 7. 2006 bewirke. Damit erfülle der Kläger die Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Korridorpension, nämlich das Vorliegen von mindestens 450 für die Leistung zu berücksichtigenden Versicherungsmonaten.

Das Berufungsgericht wies in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren ab. Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der Kläger durch die Zahlung der sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Quote zwar seine Beitragsschuld für November 2003, nicht aber auch für die anderen noch strittigen Versicherungsmonate von Dezember 2003 bis Juli 2006 abgedeckt habe. Da nur die tatsächlich geleisteten Beiträge als wirksamer Beitrag gewertet werden könnten, habe der Kläger für den strittigen Zeitraum von Dezember 2003 bis Juli 2006 keine Versicherungsmonate (Beitragszeiten) erworben. Der Kläger erfülle daher nicht die Voraussetzungen (Vorliegen von mindestens 450 für die Leistung zu berücksichtigenden Versicherungsmonaten) für die von ihm begehrte Korridorpension.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, inwieweit durch Zahlung der sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Quote ein vollständiger Erwerb von Versicherungszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG herbeigeführt werden könne, nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, dass nach Erfüllung des Zwangsausgleichs (Zahlungsplans) der vom Schuldner nicht bezahlte Schuldenrest als Naturalobligation erhalten bleibe, welche von den Gläubigern weder eingeklagt noch verrechnet werden könne. Im gegenständlichen Fall habe jedoch das Berufungsgericht eine derartige unzulässige Verrechnung vorgenommen, wenn dem Kläger vorgehalten werde, durch die Quotenzahlung sei (nur) der Beitrag für den Monat November 2003 zur Gänze entrichtet worden, während für die Monate Dezember 2003 bis Juli 2006 die Beiträge nicht entrichtet worden seien. Es sei eine logische Folge der Restschuldbefreiung gemäß § 214 KO, dass die Bezahlung einer Quote als wirksame Beitragsleistung iSd § 115 GSVG zu qualifizieren sei.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 38 Abs 1 GSVG sind für die Behandlung der Beiträge im Ausgleichs- und Konkursverfahren die jeweils geltenden Vorschriften der Konkurs- und Ausgleichsordnung maßgebend. Nach § 156 Abs 1 KO wird durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich der Gemeinschuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen. Gemäß § 193 Abs 1 KO gelten, soweit nichts anderes angeordnet ist, für den Zahlungsplan die Bestimmungen über den Zwangsausgleich. Wird nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens vom Gericht ausgesprochen, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Konkursgläubigern befreit ist, wirkt diese Restschuldbefreiung gegen alle Konkursgläubiger (§ 214 Abs 1 KO). Der von der Restschuldbefreiung erfasste Teil der Forderung wird eine Naturalobligation, dh eine erfüllbare, aber nicht erzwingbare Verbindlichkeit. Wird ein Konkursgläubiger befriedigt, obwohl er aufgrund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgabe des Erlangten (§ 214 Abs 3 KO).

Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass der Kläger aufgrund der zitierten konkursrechtlichen Bestimmungen gegenüber der beklagten Partei von der im Konkursverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeit zur Entrichtung der noch offenen Sozialversicherungsbeiträge befreit ist. Strittig ist allein die Frage, ob sich diese Restschuldbefreiung auch dahin auswirkt, dass durch die Zahlung der im Zahlungsplan festgelegten Quote auch eine wirksame Beitragserrichtung iSd § 115 Abs 1 Z 1 GSVG für den noch strittigen Zeitraum Dezember 2003 bis Juli 2006 vorliegt.

Gemäß § 115 Abs 1 Z 1 GSVG sind Zeiten der Beitragspflicht nach diesem Bundesgesetz oder nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz als Beitragszeiten anzusehen, wenn die Beiträge wirksam (§ 118 GSVG) entrichtet worden sind. Obwohl somit auch die Pensionsversicherung nach dem GSVG auf dem Grundsatz der von Gesetzes wegen eintretenden Pflichtversicherung aufgebaut ist und der Beginn der Pflichtversicherung nicht von der Erstattung der Anmeldung abhängt, genügt es für den Anspruch auf die Leistung nicht, dass während einer bestimmten Dauer der Erwerbstätigkeit von Gesetzes wegen Pflichtversicherung bestanden hat; erst die tatsächliche Entrichtung der Beiträge für einen bestimmten Zeitraum qualifiziert die betreffende Zeit im Leistungsrecht als Beitragszeit. Zeiten der Beitragspflicht sind somit erst nach wirksamer Entrichtung der Beiträge Beitragszeiten. Unwirksame Beiträge wirken sich auf die Pension nicht aus, und zwar weder auf den Pensionsanspruch noch auf die Pensionshöhe.

In Bezug auf die Pensionshöhe hat daher der Oberste Gerichtshof in seiner bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Entscheidung 10 ObS 222/89 (= SSV-NF 3/143) zu der vergleichbaren Regelung im BSVG ausgeführt, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Pensionsanspruch Beitragsgrundlagen nur zu berücksichtigen seien, wenn die hierauf beruhenden Beiträge vollständig und wirksam entrichtet worden seien. Es sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber an den Fall, in dem die Beiträge zwar nicht vollständig entrichtet worden seien, in dem die Beitragsschuld aber durch den gerichtlichen Ausgleich erloschen sei, nicht gedacht habe. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hiefür bilde somit eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes, die durch Analogie zu schließen sei. Da für diese Analogie ein einzelner gesetzlicher Tatbestand nicht in Betracht komme, müsse im Weg der Rechtsanalogie auf die aus dem BSVG hervorgehenden allgemeinen Rechtsgrundsätze Bedacht genommen werden. Hiezu gehöre aber der Grundsatz, dass die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhänge. Die analoge Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall des gerichtlichen Ausgleichs führe dazu, dass die Bemessungsgrundlage für die nach dem BSVG gebührende Pension ermittelt werden müsse, als ob Beiträge in der Höhe zu entrichten gewesen wären, wie sie aufgrund des Ausgleichs entrichtet worden seien, dass also nur der der Ausgleichsquote entsprechende Teil der Beitragsgrundlage für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogen werde.

Diese in der Entscheidung 10 ObS 222/89 (= SSV-NF 3/143) für die Pensionshöhe dargelegten Grundsätze müssen nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts wegen der unmittelbaren Vergleichbarkeit der Sach- und Rechtslage auch auf die hier zu beurteilende Frage, inwieweit durch die Zahlung der sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Quote Beitragszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG erworben wurden, Anwendung finden. Wird daher im Rahmen eines Zahlungsplans eine aufgrund einer Versicherung nach dem GSVG bestehende Beitragsschuld nur mit der Quote bezahlt, so ist für die Ermittlung der Beitragszeiten nach § 115 Abs 1 Z 1 GSVG auch nur der der Quote entsprechende Teil der Beitragszahlung heranzuziehen. Da somit auch für die Frage der Ermittlung der Beitragszeiten nach dieser Gesetzesstelle nur die tatsächlich geleisteten Beiträge als wirksame Beiträge gewertet werden können, hat der Kläger, der mit seiner Zahlung zwar seine Beitragsschuld für November 2003 zur Gänze, nicht aber auch die Beitragsschuld für die anderen Monate Dezember 2003 bis Juli 2006 abgedeckt hat, für diesen hier allein noch strittigen Zeitraum von Dezember 2003 bis Juli 2006 keine Versicherungszeiten (Beitragsmonate iSd § 115 Abs 1 Z 1 GSVG) erworben. Damit erfüllt der Kläger aber unbestritten nicht die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Pensionsleistung.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 115 Abs 1 Z 1 GSVG, wonach Zeiten der Beitragspflicht erst nach wirksamer Entrichtung der Beiträge Beitragszeiten sind, bestehen keine Bedenken. Auch die Tatsache, dass bei Nichtentrichtung oder verspäteter Entrichtung von Beiträgen nach dem GSVG leistungsrechtliche Nachteile eintreten, während nach der Regelung des § 225 Abs 1 Z 1 lit a ASVG im Fall der Anmeldung zur Versicherung binnen 6 Monaten nach Beginn der Beschäftigung bzw des Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung jedenfalls als Beitragszeit gilt, auch wenn Beiträge nicht entrichtet worden sind, hat ihren Grund darin, dass die Beitragsleistung nach dem ASVG dem Dienstgeber obliegt und der Dienstnehmer vor Nachteilen durch Versäumnisse, die ihm nicht zugerechnet werden können, geschützt werden soll. Dieser Unterschied ist sachlich begründet und daher entgegen der Ansicht des Klägers verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl RIS-Justiz RS0053742).

Aufgrund der dargelegten Erwägungen musste der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, welche einen ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E94028

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00056.10Y.0504.000

Im RIS seit

30.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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