TE OGH 2010/6/17 13Os28/10g

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Veröffentlicht am 17.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Assan A***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. November 2009, GZ 27 Hv 160/09d-35, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Assan A***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 7. August 2009 in Innsbruck in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem bislang unbekannten Mittäter Markus B***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache, nämlich ca 70 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte, indem er ihn auf den Gehsteig zurückriss und mit vorgehaltenem Messer die Herausgabe seiner Barschaft verlangte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung unter anderem folgende Beweisanträge gestellt (ON 34 S 24 f iVm ON 26 Punkte 2 bis 4 und Beilage 2):

- die in der Justizanstalt Innsbruck verwahrte Hose an das Unternehmen C***** mit dem Auftrag zu übersenden, mitzuteilen, wann diese Hose gekauft wurde, eventualiter, die auf den in der Hose angebrachten Informationszetteln enthaltenen Informationen an jenes Unternehmen mit dem Auftrag zu übersenden, anhand dieser Informationen mitzuteilen, wann diese Hose gekauft wurde, zum Beweis dafür, dass die Stoffhose des Beschuldigten vor der angeblichen Tat gekauft und vom Beschuldigten dann auch getragen wurde, weshalb er nicht der Täter sein kann;

- Einholung eines Auszugs über die Ortung des Handys des Beschuldigten mit der Nummer ***** bei der T***** GmbH zum Beweis dafür, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der angeblichen Tat in der Wohnung K*****, aufhältig war;

- Einholung einer Auskunft der T***** GmbH über die vom Beschuldigten im Zeitraum 6. August 2009, 20:00 Uhr, bis 7. August 2009, 01:00 Uhr, gesendeten SMS samt deren Inhalt zum Beweis dafür, dass der Beschuldigte am Abend vor der angeblichen Tat mehrere SMS an Bekannte gesendet hat, in denen er mitgeteilt hat, dass er nun heimfahre, um schlafen zu gehen;

- Vernehmung mehrerer Zeugen zum Beweis dafür, dass der Beschuldigte am Abend vor der Tat bis zu seiner Ankunft in der Wohnung der Elfi L*****, bei der er wohne, keine hellblauen Jeans, sondern eine andere Hose trug, und damit nicht der vom Zeugen Markus B***** gemeinte Täter ist, sowie dafür, dass der Beschuldigte gegen ca 24:00 Uhr am 6. August 2009 zu Elfi L***** nach Hause fuhr und dort ankam.

Durch das abweisende Zwischenerkenntnis (ON 34 S 26 f) wurden Verteidigungsrechte nicht geschmälert (Z 4), weil der erstgenannte Antrag nicht auf solche Umstände abzielte, aus denen Aufschluss über die tatsächliche Bekleidung des Angeklagten zur Tatzeit zu erwarten war, der zweite ein Beweismittel ohne erkennbare Eignung nannte, das Beweisthema zu untermauern, und der dritte wie der vierte für die am 7. August 2009 gegen 05:00 Uhr begangene Tat (US 4) Unerhebliches betrafen.

Die Bezugnahme des Angeklagten auf die im Urteil wiedergegebene (US 3) Strafregisterauskunft zeigt, indem sie aus Letzterer Schlüsse auf sein Alter zur Tatzeit zieht, die reklamierte Aktenwidrigkeit (ersichtlich gemeint: Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 fünfter Fall; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 669) nicht auf, die eine - hier gerade nicht geltend gemachte - unrichtige Wiedergabe des Inhalts einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder einer Aussage voraussetzt.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Der Hinweis auf den Vermerk „Jugendstraftat“ in der Strafregisterauskunft (S 11 in ON 5 in ON 8) in Betreff der Verurteilungen des Angeklagten aus den Jahren 2004 und 2006 weckt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über für die Sanktionsbefugnis entscheidende Tatsachen (US 3; Z 11 erster Fall iVm Z 5a; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 669).

Nicht „aus den Akten“ (vgl aber § 281 Abs 1 Z 5a StPO) argumentiert der Angeklagte mit dem Einwand, der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge Markus B***** habe zuvor außerhalb des Verhandlungssaals noch erklärt, er hätte den Angeklagten nicht mehr wieder erkannt, und mit dem Vorbringen über eine mögliche Motivation des Genannten zu unrichtigen Anschuldigungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481).

Die Bezugnahme des Angeklagten auf eine die tataktuelle Wahrnehmungsfähigkeit des Zeugen B***** allenfalls einschränkende Alkoholisierung führt zu keinen sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Dem zur Tatsachenrüge erstatteten Beweisanbot steht das Neuerungsverbot im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde entgegen.

Auch soweit sich der Angeklagte mit der Aussage der Zeugin Elfriede L***** befasst, lässt er die gebotene Bezugnahme auf konkrete Beweismittel vermissen (RIS-Justiz RS0117446).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) ist keine rechtsirrige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen darin zu erblicken, dass das Schöffengericht Einschlägigkeit der Vordelinquenz nach dem Suchtmittelgesetz (US 3) im Sinn des § 71 erster Fall StGB annahm (§ 33 Z 2 StGB; vgl Jerabek in WK² § 71 Rz 2 f, 8; RIS-Justiz RS0091978, RS0091972).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E94428

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00028.10G.0617.000

Im RIS seit

07.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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