TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/24 2000/12/0211

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Veröffentlicht am 24.01.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
64/03 Landeslehrer;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

LDG 1984 §1;
LDG 1984 §106 Abs1 Z2;
LDG 1984 §106 Abs2;
LDG 1984 §12 Abs1;
LDG 1984 §12 Abs3;
LDG 1984 §22 Abs2;
MRK Art3;
PG 1965 §9 Abs1 idF 1985/426;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der S in O, vertreten durch Dr. Ingrid Herzog-Müller, Rechtsanwältin in Bruck an der Leitha, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. Juni 2000, Zl. Bi-010278/1-2000/Zei/Vo, betreffend Zurechnung von Jahren nach §  9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1945 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. April 2000 als Sonderschuloberlehrerin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Oberösterreich. Ihre letzte Dienststelle war die Volksschule in O. Die Beschwerdeführerin ist Alleinerzieherin ihrer 1975 geborenen behinderten Tochter. Wegen zunehmender Belastungen hat sie (jedenfalls) im Schuljahr 1997/98 (möglicherweise auch im folgenden Schuljahr; entsprechende Unterlagen wurden mit dem Verwaltungsakt nicht vorgelegt) mit einer auf die Hälfte herabgesetzten Lehrverpflichtung unterrichtet.

Ihre Ruhestandsversetzung erfolgte auf Grund ihres Antrages vom 9. März 1999 wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 und 3 des Landeslehrer- Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich (im Folgenden LSR) vom 15. Februar 2000.

Im (zunächst bezüglich seines Ausganges strittigen) Ruhestandsversetzungsverfahren wurden mehrere Gutachten vom LSR (bzw. in seinem Auftrag vom BSR) eingeholt (drei Stellungnahmen des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft X, in deren Sprengel die letzte Dienststelle der Beschwerdeführerin lag sowie ein abschließendes Gutachten der Amtsärztin Dr. W. von der Landesanitätsdirektion vom 1. Februar 2000) bzw. von der Beschwerdeführerin vorgelegt (Befund des Facharztes für Hals, Nasen und Ohrenheilkunde Dr. P. vom 14. Juni 1999 zu Stimmproblemen der Beschwerdeführerin; Orthopädisches Privatgutachten des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. E. vom 31. Mai 1995 zu Leiden des Bewegungs- und Stützapparates sowie der Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 18. Juni 1999 betreffend das Vorliegen einer Erschöpfungsdepression).

Dr. E gelangte in seinem Privatgutachten vom 31. Mai 1999 zu folgenden Ergebnissen (Hervorhebungen im Original):

"DIAGNOSEN

1. Chron. rezidiv. oberes und unteres Cervicalsyndrom mit höhergradiger neuroforamin. Stenose C5/C6 beidseits.

2.

Discusprolaps paramed. rechts C6/C7.

3.

Chron. Lumbalsyndrom auf Basis Degeneration und Discopathie L1/L2, L5/S1 sowie Discusprotrusion L1/L2 und L2/L3.

4.

Zust. nach gyn. Totaloperation.

5.

Psychovegetativer Erschöpfungszustand.

Stellungnahme:

Aufgrund der vorliegenden erhobenen Befunde sowie des klinischen Untersuchungsganges ist festzuhalten, dass sämtliche Tätigkeiten, die mit langem Stehen, Gehen, Heben, Tragen und Manipulieren von Lasten verbunden sind, auch Arbeiten in Feuchtigkeit und Nässe, weiters in Fehlhaltung wie gebückt, gehockt, etc. als nicht zumutbar eingestuft werden müssen.

Ebenso längeres Verharren unter statischer Belastung - d.h. langes Stehen, Sitzen ist aufgrund der Veränderungen im Bewegungs- und Stützapparat nicht zumutbar.

Vor allem aufgrund der Veränderungen im HWS - Bereich sind auch Arbeiten in Kopfhöhe bzw. über Kopf wie z.B. berufstyp. das Schreiben auf der Tafel problematisch.

Aufgrund der Häufigkeit der durchgeführten Kuraufenthalte bzw. des im wesentlichen nur kurzfristig anhaltenden Erfolges (Anmerkung: Im Abschnitt 'Vorerkrankungen' wird auf Kuraufenthalte in den Jahren 1988, 1990, 2x 1991, 1993, 1996 und 1998 sowie auf eine Krankenstandshäufigkeit und -dauer in den letzten beiden Jahren mit steigender Tendenz hingewiesen) sowie der geschilderten Symptome und des psych. Erschöpfungszustandes ist auch weiterhin mit einer erhöhten und steigenden Krankenstandshäufung und -dauer zu rechnen.

Während im Hals-, Nacken-, Brustbereich die entsprechenden vorhandenen Veränderungen mit den empfundenen Beschwerdesymptomen sehr gut korrelieren (Anmerkung: Im Abschnitt 'Anamnese' wird auf die laut Angaben der Beschwerdeführerin bestehenden langjährigen Schmerzen vor allem im Bereich der Wirbelsäule, die Anlaufbeschwerden bzw. morgendlichen Beschwerden, das Betreiben regelmäßiger Heilgymnastik, um die Steifheit und Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates halbwegs in den Griff zu bekommen, das nicht mehr richtige Seitwärtsdrehen des Kopfes auf beiden Seiten sowie die Verursachung von Schmerzen durch längeres Sitzen und Stehen sowie körperliche Anstrengungen z.B. im Turn- und Bewegungsunterricht verwiesen) und auch objektiv nachvollziehbar sind, ist im Lendenbeckenbereich eine Diskrepanz zwischen den vorhandenen Veränderungen mäßigen Ausmasses und den empfundenen, zum Teil heftigen beeinträchtigenden Beschwerden gegeben.

Inwieweit hier die gynäkolog. Voroperation (Anmerkung: Zustand nach abd. Hysterektomie und Ovarektomie rechts 1991) eine Rolle spielen, muss aus meiner Sicht offen gelassen werden. Ich würde empfehlen, ein gynäkolog. Gutachten sowie ein neurolog. Gutachten ergänzend einzuholen."

Das vom LSR eingeholte Gutachten der Amtsärztin Dr. W. von der Landessanitätsdirektion vom 1. Februar 2000, das auf einer amtsärztlichen Untersuchung sowie einer Reihe von Befunden (darunter auch dem obzitierten von Dr. E) beruht, erstellte folgende Diagnose:

"Chronifiziertes depressives Erschöpfungssyndrom (in ständiger fachärztlicher Behandlung); weites chronisch rezidivierendes oberes und unteres Cervicalsyndrom mit höhergradiger neuroforamin. Stenose C5,C6 bds.,

Discusprolaps paramedian rechts C6/C7 Chron.Lumbalsyndrom auf Basis Degeneration und Discopathie L

1/L2, L 5/S1 sowie Discusprotrusion L1/L2, L2/L3

Zustand nach gyn. Totaloperation

Psychovegetativer Erschöpfungszustand

Stimmbandödem, funktionelle Stimmstörung (Internusschwäche)."

Diese Zustände wurden wie folgt beurteilt:

"Aufgrund der ho. amtsärztlichen Untersuchung sowie der beigebrachten Befunde besteht bei Obgenannter eine chronische Erschöpfungsdepression, die schulische Alltagbelastung kann aufgrund des nicht vorhandenen Erholungswertes zu Hause (stark pflegebedürftige Tochter) nicht mehr kompensiert werden, weshalb sich das Krankheitsbild bereits chronifiziert hat. Die bereits genannten Beschwerden seitens der Wirbelsäule (wie im orthopädischen Befund festgestellt) und andererseits eine chronische Heiserkeit aufgrund einer Internussschwäche und Stimmbandödems, sind zusätzliche Faktoren, die sich auf die bereits bestehende Depression negativ auswirken.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass Obgenannte aufgrund der Summe ihrer Beschwerden für ihre Tätigkeit als Sonderschuloberlehrerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geeignet ist. Für leichtere administrative Tätigkeiten, wobei keine schweren Gegenstände gehoben oder getragen werden müssen, bzw. auch kein zeitlicher Leistungsdruck dahinter steht, ist Obgenannte jedoch geeignet."

Nach Abfertigung des Ruhestandsversetzungsbescheides des LSR vom 15. Februar 2000 brachte der LSR der Beschwerdeführerin eine Ablichtung des amtsärztlichen Gutachtens vom 1. Februar 2000 mit dem Bemerken zur Kenntnis, aus diesem Gutachten gehe hervor, dass bei der Beschwerdeführerin eine Anrechnung von Dienstjahren nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) nicht gerechtfertigt sei.

Die Beschwerdeführerin gab dazu eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2000 sprach der LSR aus, dass aus Anlass der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin keine Zurechnung eines Zeitraumes (nach § 9 Abs. 1 PG) zu ihrer ruhegenussfähigen "Bundesdienstzeit" stattfinde. Die Dienstbehörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung (soweit dies noch von Interesse ist) im Wesentlichen damit, der Begriff der "Dienstunfähigkeit" nach § 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984 und der Begriff der "Erwerbsfähigkeit" im Sinn des § 9 Abs. 1 PG dürften nicht miteinander verwechselt werden. Im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG habe die Behörde auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt sei. Bejahendenfalls habe sie sodann die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt noch auszuüben vermöge, zugemutet werden könnten. Ob dem Beamten eine solche ihm zumutbare Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei, tatsächlich vermittelt werden könne, sei für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 1994, 93/12/0150). Anders als bei § 12 Abs. 3 LDG 1984 (Vorhandensein eines Ersatzarbeitsplatzes) sei bei der Beurteilung nach § 9 Abs. 1 PG auf eine fiktive Erwerbsmöglichkeit abzustellen. Aufgrund des eingeholten amtsärztlichen Gutachtens, das unter Einbeziehung mehrerer Facharztgutachten erstellt worden sei, stehe schlüssig fest, dass die Beschwerdeführerin an einer Erschöpfungsdepression leide. Bedingt durch das Zusammenkommen ihrer Tätigkeit als Sonderschullehrerin, bei der die Beschwerdeführerin eine schwierige "Schulklientel" betreuen müsse, und ihrer Situation als Alleinerzieherin einer behinderten Tochter habe sich das Krankheitsbild bereits chronifiziert. Beschwerden seitens der Wirbelsäule (wird an Hand des Amtssachverständigengutachtens näher ausgeführt) sowie eine chronische Heiserkeit aufgrund einer Internussschwäche und eines Stimmbandödems wirkten sich auf die bereits bestehende Depression negativ aus. Aufgrund dieses Gesundheitszustandes könne die Beschwerdeführerin ihre dienstlichen Aufgaben als Sonderschullehrerin nicht mehr erfüllen. Es sei ihr allerdings möglich, leichtere Verwaltungsarbeiten, bei denen die zusätzliche Belastung eines Zusammenarbeitens mit einer schwierigen "Schulklientel" wegfalle, und bei denen sie wechselnde Körperhaltungen einnehmen könne und keine schweren Gegenstände heben und tragen müsse, auszuüben. So wäre die Beschwerdeführerin z. B. in der Lage, eine Tätigkeit als Bibliothekarin auszuüben. Eine derartige Tätigkeit sei einer Lehrerin sozial zumutbar (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, 88/12/0022).

In ihrer Berufung rügte die Beschwerdeführerin (soweit dies im Beschwerdefall noch von Interesse ist), die Behörde habe nur unvollständig und unter Nichtbeachtung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprüft, ob die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 PG gegeben seien. Nach Darstellung dieser Judikatur verwies die Beschwerdeführerin darauf, es sei ihr weder auf Grund ihres Gesundheitszustandes noch sozial zumutbar, einem Erwerb nachzugehen. Nach den im Ruhestandsversetzungsverfahren eingeholten Gutachten, auf die sie verweise, könne sie keine Tätigkeit ausüben, die mit körperlicher Belastung verbunden sei. Ausdrücklich seien aus medizinischen Gründen "Arbeiten über Kopf" sowie "Arbeiten unter Zeitdruck" ausgeschlossen worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sie die Behörde ohne Berücksichtigung dieser medizinischen Sachverhalte und ohne Einholung eines berufskundlichen Gutachtens beispielhaft auf den Beruf einer Bibliothekarin verweise. Inhaltlich sei der Beruf einer Bibliothekarin nämlich sehr wohl von Tätigkeiten bestimmt, die gewisse körperliche Fähigkeiten voraussetzten (über die sie nicht mehr verfüge). So sei insbesondere das Tragen und Einordnen (Arbeiten über Kopf) von Büchern genannt; des Weiteren sei diese Tätigkeit auch von der Notwendigkeit einer gewissen Expeditivität gekennzeichnet (z.B. bei der Ausfolgung von Büchern). Als Beweis beantragte die Beschwerdeführerin die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens. Bei der Beurteilung der sozialen Zumutbarkeit hätte die Behörde unter Zugrundelegung der vollständig festgestellten medizinischen Tatsachen sowie der berufskundlichen Erhebungen in Ansehung ihrer Person von Art. 3 EMRK (Achtung der Menschenwürde) ausgehen müssen. Jemandem, der wie die Beschwerdeführerin Jahrzehnte im öffentlichen Interesse hochqualifizierte Arbeit mit jungen Menschen aus oft schwierigsten Verhältnissen engagiert geleistet habe, könne eine Hilfsarbeit - und sei sie auch im Bibliotheksbereich - nicht zugemutet werden. Dies wäre geradezu eine Verletzung der Menschenwürde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Juni 2000 wies die belangte Behörde (ohne weiteres Ermittlungsverfahren) die Berufung ab. Die nach § 9 Abs. 1 PG strittige Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden sei, setze die Einholung von Sachverständigengutachten voraus. Nach Auffassung der belangten Behörde habe sich die beigezogene medizinische Amtssachverständige in ihrem Gutachten vom 1. Februar 2000, auf das sich die Dienstbehörde erster Instanz gestützt habe, unter Heranziehung sämtlicher aktenkundiger Vorbefunde und einer Untersuchung sehr ausführlich mit dem Leidenszustand der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt. Dabei sei nicht nur die Frage geprüft worden, ob sie noch zur Ausübung des Lehrberufes fähig sei, sondern auch, welche Betätigungen sie noch zu verrichten im Stande sei. Somit sei durch die Amtssachverständigen zugleich auch die von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gewünschte berufskundliche Beurteilung erfolgt. Auf Grund der in diesem Gutachten getroffenen Feststellungen (wird näher ausgeführt) sei die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nicht mehr für ihre Tätigkeit als Lehrerin geeignet. Hingegen sei sie jedoch in medizinischer Hinsicht sehr wohl noch für leichtere administrative Tätigkeiten ohne zeitlichen Leistungsdruck geeignet. Die belangte Behörde erachte dieses Sachverständigengutachten als entsprechend begründet und schlüssig. Aus ihm ergebe sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung trotz ihrer bestehenden Leiden zu einer Erwerbsfähigkeit außerhalb des Lehrberufes fähig gewesen sei. Dies vorallem deshalb, weil die bei ihr bestehenden Leiden (Erschöpfungsdepression, chronische Heiserkeit) speziell im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit im Lehrberuf stünden bzw. dadurch sogar bedingt worden seien. Ihre Eignung für andere Tätigkeiten, bei denen die für den Lehrberuf speziellen Tätigkeiten nicht in diesem Ausmaß erforderlich seien, sei hingegen anders zu beurteilen. Für leichte administrative Tätigkeit habe sich nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung und dem erstellten Gutachten vom 1. Februar 2000 keine Einschränkung ergeben. Nach Auffassung der belangten Behörde sei daher die Einsatzfähigkeit der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die übrigen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung jedenfalls gegeben. Die medizinisch zu beurteilenden Tatsachen seien hinreichend abgeklärt worden, sodass sich die Einholung weiterer Sachverständigengutachten erübrigt habe.

Zumutbar sei die Verweisungstätigkeit, die die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht noch ausüben könne, dann, wenn sie ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und Fortbildung des Beamten annähernd gleichkomme und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden könne. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei, tatsächlich vermittelt werden könne, sei für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbstätigkeit hingegen ohne Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof habe mehrfach ausgeführt, dass die beispielsweise angenommene Tätigkeit der Bibliothekarin auch für eine Lehrerin als sozial zumutbar zu werten sei. Gleiches werde wohl auch für administrative Tätigkeiten in einem dem Lehrberuf verwandten Bereich (Landesschulrat, Jugendwohlfahrt) angenommen werden können.

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehe somit auch der Einwand der Beschwerdeführerin ins Leere, dass es sich dabei um bloße Hilfstätigkeiten und somit um eine Verletzung ihrer Menschenwürde handle.

Nach Auffassung der belangten Behörde sei auf Grund der schlüssigen und begründeten Ausführungen im medizinischen bzw. berufskundlichen Gutachten vom 1. Februar 2000 die Beschwerdeführerin nach ihrer körperlichen und geistigen Verfassung abstrakt gesehen zu einer sonstigen Erwerbstätigkeit durchaus noch befähigt und hätte im maßgeblichen Beurteilungszeitraum unter Bedachtnahme auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt den beispielsweise angenommenen und als zumutbar erachteten Beruf einer Bibliothekarin oder Verwaltungsbeamtin ausüben können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2  VwGG gebildeten Senat erwogen:

I. Rechtslage

              1.              Die Beschwerdeführerin gehört zu dem in § 1 des Landeslehrer -Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984), BGBl. Nr. 302, genannten Personenkreis.

Nach § 12 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Der Landeslehrer ist nach Abs. 3 dieser Bestimmung dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Gemäß § 106 Abs.1 Z. 2 LDG 1984 gilt für das Besoldungs- und Pensionsrecht unter Bedachtnahme auf Abs. 2, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen anderes bestimmt ist (dies ist aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht der Fall), das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340.

Die nach Abs. 1 für Landeslehrer und ihre Hinterbliebenen für anwendbar erklärten Vorschriften sind in ihrer jeweils geltenden Fassung (einschließlich der in den Novellen zu diesen Vorschriften sonst enthaltenen Bestimmungen, soweit sich diese auf die in Abs. 1 genannten Rechtsbereiche beziehen) nach § 106 Abs. 2 leg. cit. mit der Maßgabe anzuwenden, dass 1. anstelle des Dienstverhältnisses zum Bund das Dienstverhältnis zu dem betreffenden Land tritt und sich nach Z. 3 die Zuständigkeit bezüglich der Diensthoheit nach § 2 richtet.

Nach § 2 LDG 1984 sind Dienstbehörden (einschließlich der Leistungsfeststellungs- und Disziplinarbehörden) im Sinne dieses Bundesgesetzes jene Behörden, die zur Ausübung der Diensthoheit über die im § 1 genannten Personen hinsichtlich der einzelnen dienstbehördlichen Aufgaben durch die gemäß Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG erlassenen Landesgesetze berufen sind.

              2.              Im Beschwerdefall ist dies das Oberösterreichische Landeslehrer- Diensthoheitsgesetz 1986, LGBl. Nr. 18 (Oö. LDHG 1986).

Nach § 6 Abs.1 leg. cit. obliegt dem Landesschulrat die Durchführung aller jener dienstrechtlichen Maßnahmen, welche nicht nach den Bestimmungen dieses Gesetzes von anderen Behörden zu treffen sind. Da die Angelegenheiten nach § 9 Abs. 1 PG keiner anderen Behörde zugewiesen sind, ist in Oberösterreich für Landeslehrer der LSR als Dienstbehörde erster Instanz zuständig. Nach § 8 Abs. 2 Oö. LDHG 1986 entscheidet nämlich über Berufungen gegen Bescheide des Landesschulrates die Landesregierung.

              3.              Im Beschwerdefall ist auf Grund des maßgebenden Zeitpunktes der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG) in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, anzuwenden. Diese Bestimmung lautet unter Berücksichtigung der sich aus dem LDG 1984 und dem Oö LDHG 1986 ergebenden Modifikationen (der Originalwortlaut wurde in Klammer gesetzt):

"(1) Ist der Landeslehrer (Beamte) ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm die zuständige Dienstbehörde (die oberste Dienstbehörde) aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenussfähigen Landesdienstzeit (Bundesdienstzeit) zuzurechnen."

II. Beschwerdeausführungen

1.1. Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich in ihrem Fall mit dem Tatbestand des zumutbaren Erwerbs nach § 9 Abs. 1 PG auseinander zusetzen. Nach der Rechtsprechung seien Feststellungen sowohl zur medizinischen Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten als auch zu den gegebenen Erfordernissen des Verweisungsberufes erforderlich. Der Verwaltungsgerichthof erachte für die Lösung dieser Fragen neben der Einholung eines medizinischen Gutachtens auch die Einholung eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens für erforderlich. Für den Verweisungsberuf der Bibliothekarin sei z.B. "Genauigkeit und Ausdauer" unabdingbare Voraussetzung (vgl. Berufsbild Bibliothekarin auf http://www.ams.or.at, Suchfrage Bibliothekar). Vorausgesetzt würden auch bestimmte körperliche Fähigkeiten werden, die bei ihr auf Grund der medizinischen Gutachten nicht mehr gegeben seien. Dadurch, dass die belangte Behörde hinsichtlich der spezifischen für den Verweisungsberuf geforderten Voraussetzungen keine Feststellungen getroffen habe, habe sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Die Behörde habe es ferner in Unkenntnis der Rechtslage verabsäumt, bei Beurteilung der sozialen Zumutbarkeit die Menschenwürde im Sinne des Art. 3 EMRK zu beachten, von der offenbar auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgehe (wird näher ausgeführt). Es treffe auch nicht zu, dass die medizinische Amtssachverständige mit der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin noch leichte administrative Tätigkeiten ausüben könne, eine berufskundliche Beurteilung abgegeben habe. Die belangte Behörde hätte vielmehr ein solches berufskundliches Gutachten zu den von der Beschwerdeführerin noch auszuübenden Verweisungsberufen einholen müssen: nur ein solches Gutachten könne klären, welche Tätigkeiten die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Leiden noch ausüben könne.

1.2. Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 PG die Auffassung, dass die Behörde die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage (vgl. z.B. Erkenntnis vom 20. September 1988, 88/12/0022), ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen hat (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 22. Juni 1987, 87/12/0033, und vom 29. Februar 1988, 87/12/0170); hiebei hat sie zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können; letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1987, 86/12/0115, vom 18. Jänner 1988, 87/12/0123, und vom 20. September 1988, 86/12/0114, 88/12/0021 und 88/12/0022, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen). Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 20. September 1988, 88/12/0022, vom 23. April 1990, 89/12/0103, vom 25. März 1998, 97/12/0349 uva.).

Zutreffend hat schon die Dienstbehörde erster Instanz darauf hingewiesen, dass der für die Ruhestandsversetzung maßgebende Begriff der Dienstunfähigkeit (hier: nach § 12 Abs. 3 LDG 1984) auf die dienstlichen Aufgaben bzw. die Frage der Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes bezogen ist. Dem entgegen ist der Begriff der Erwerbsfähigkeit (nach § 9 Abs. 1 PG) wesentlich umfassender. Er bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Betrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen (d.h., dass es nicht maßgebend ist, ob dem Beamten beispielsweise eine solche Tätigkeit konkret vermittelt werden kann). Es kommt aber bei der Erwerbsfähigkeit im Sinn des § 9 Abs. 1 PG - wie oben ausgeführt - darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten vorliegt und diese Tätigkeiten zumutbar sind.

Es handelt sich also beim Ruhestandsversetzungsverfahren (hier: nach § 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984) einerseits und dem Zurechnungsverfahren nach § 9 Abs. 1 PG um zwei verschiedene Verfahren. Aus der Tatsache der erfolgten Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit allein ergibt sich noch nicht, dass eine Unfähigkeit zu einem zumutbaren Erwerb im Sinn des § 9 Abs. 1 PG im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung vorlag (vgl. z.B. das hg Erkenntnis vom 24. November 1982, 82/09/0151). Dessen ungeachtet sind die im Ruhestandsversetzungsverfahren (zur Klärung der Frage der Dienstunfähigkeit) eingeholten Gutachten in das Ermittlungsverfahren der Behörde im Zurechnungsverfahren zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 9 Abs. 1 PG miteinzubeziehen und dort zu mitzuberücksichtigen, zumal sie im Regelfall umfassende Aussagen über den Gesundheitszustand des Beamten im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung enthalten oder sich solche wenigstens ableiten lassen. Zu beachten ist aber, dass im Ruhestandsversetzungsverfahren medizinische Gutachten primär medizinische Aussagen zur Klärung des dort maßgeblichen Rechtsbegriffes der Dienstunfähigkeit (also im Beschwerdefall in Bezug auf die Anforderungen des Arbeitsplatzes eines Landeslehrers bzw. eines geeigneten Ersatzarbeitplatzes nach § 12 Abs. 3 LDG 1984) enthalten und es daher durchaus möglich sein kann, dass sie unter diesem Gesichtspunkt als nicht erheblich eingestufte Leidenszustände entweder gar nicht festhalten oder deren Auswirkungen wegen der ihnen zugeordneten untergeordneten Bedeutung für die Dienstunfähigkeit (und damit das Ruhestandsversetzungsverfahren) nicht näher untersuchen. In solchen Fällen kann sich im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG der Bedarf ergeben, die bisher (im Ruhestandsversetzungsverfahren) eingeholten medizinischen Gutachten auch aus medizinischer Sicht zu ergänzen.

Im Beschwerdefall hat die medizinische Amtssachverständige Dr. W. in ihrem Gutachten umfassend den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin (unter Heranziehung aller bekannten Befunde) erhoben und auch eine dementsprechende Diagnose gestellt. Die aus medizinischer Sicht erfolgte Beurteilung ist zwar zunächst erkennbar vom Anforderungsprofil des Lehrberufes geprägt, wobei die chronische Erschöpfungsdepression der Beschwerdeführerin für die Bejahung ihrer Dienstunfähigkeit aus medizinischer Sicht im Vordergrund steht und die übrigen Leidenszustände "nur" als Zusatzfaktoren gewertet werden. Dennoch lässt die abschließende Feststellung (Eignung der Beschwerdeführerin für leichte administrative Tätigkeiten ohne Heben oder Tragen schwerer Gegenstände und ohne zeitlichem Leistungsdruck) nicht zwingend den Schluss zu, dass damit nur eine Aussage über die medizinische "Restarbeitsfähigkeit" für einen tauglichen Ersatzarbeitsplatz im Sinne des § 12 Abs. 3 LDG 1984 getroffen wurde, zumal die Verwendung bei einer Dienststelle der Verwaltung (im Sinne des § 22 LDG 1984) keinen tauglichen Ersatzarbeitplatz im Sinn des § 12 Abs. 3 LDG 1984 darstellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, 98/12/0160). Vor dem Hintergrund der umfassenden Diagnose stellt diese Feststellung vielmehr eine medizinische Aussage zur "Restarbeitsfähigkeit" der Beschwerdeführerin schlechthin dar, die im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG verwertet werden konnte.

Zutreffend hat aber die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass darin keine berufskundliche Aussage liegt. Aufgabe des berufskundlichen Sachverständigen ist es - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - grundsätzlich nach den Vorgaben über die aus medizinischer Sicht beurteilte "Restarbeitsfähigkeit" jene Verweisungsberufe zu benennen, die auf Grund ihres Anforderungsprofiles vom Beamten (hier: Landeslehrer) auf Grund seiner physischen und psychischen Beschaffenheit noch wahrgenommen werden können, wobei dies auch die Beurteilung einzelner Zumutbarkeitskriterien (wie z.B. der sozialen Geltung) umfasst. Dabei können sich allenfalls Rückfragen an den medizinischen Sachverständigen ergeben, wenn die aus medizinischer Sicht getroffenen Feststellungen zur "Restarbeitsfähigkeit" in Bezug auf das Anforderungsprofil in Betracht gezogener Verweisungsberufe nicht ausreichen (wie z. B. was die Aussage, dass keine "schweren Gegenstände" gehoben oder getragen werden dürfen, konkret bedeutet). Die Beschwerdeführerin hat bereits im Verwaltungsverfahren in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass sie auf Grund bei ihr festgestellter Leidenszustände im Bewegungsapparat bzw. psychischer Beeinträchtigungen die an eine Bibliothekarin (Verweisungsberuf) gestellten Anforderungen nicht erfüllen könne. Dieses Vorbringen kann nicht von vornherein als untauglich abgetan werden; vielmehr wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, durch einen berufskundigen Sachverständigen, allenfalls nach weiteren Ergänzungen aus medizinischer Sicht, die Berechtigung dieses Einwandes zu klären. Damit ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (ohne vorherige Befassung der Beschwerdeführerin) nunmehr auch eine Verweisung auf "administrative Tätigkeiten in einem dem Lehrberuf verwandten Bereich (Landesschulrat, Jugendwohlfahrt)" für zumutbar erachtet. Gegen diese Verweisung bestehen grundsätzlich keine Bedenken, auch wenn die Ausübung eines solchen Berufes die Begründung eines Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft erforderlich macht. Da es auf eine abstrakte Betrachtung ankommt, spielt der Umstand, dass niemand einen Rechtsanspruch auf die Begründung eines solchen Dienstverhältnisses hat, in diesem Zusammenhang keine Rolle. Im Beschwerdefall kommt der genannte Verweisungsberuf - wie oben unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, 98/12/0160, dargelegt wurde - auch nicht für einen tauglichen Ersatzarbeitsplatz im Sinne des § 12 Abs. 3 LDG 1984 in Betracht, so dass auch keine Abgrenzungsprobleme bestehen. Mangels einer näheren Darstellung des Anforderungsprofiles jener Verweisungstätigkeiten entzieht sich diese vage Umschreibung der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof aber keine Bedenken, den Beruf der Bibliothekarin für eine Landeslehrerin im Sinne des § 1 LDG 1984 als (sozial) zumutbar im Sinne des § 9 Abs. 1 PG anzusehen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 20.September 1988, 88/12/0022 und vom 25. Jänner 1995, 94/12/0142). Die auf Art. 3 EMRK gestützten Einwendungen der Beschwerdeführerin - nach dieser Bestimmung darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden - gehen schon deshalb ins Leere, weil diese Bestimmung im Allgemeinen gegen die unverhältnismäßige Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (insbesondere bei exekutivem Einschreiten) sowie unter bestimmten Voraussetzungen einen Fremden gegen die Ausweisung schützt (vgl. dazu Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht, 9. Auflage, Rz 1392).

Aus den oben genannten Gründen war der angefochtene Bescheid jedoch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften nach § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000120211.X00

Im RIS seit

01.03.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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