TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/24 2000/08/0160

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Veröffentlicht am 24.01.2001
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Index

000
14/02 Gerichtsorganisation
62 Arbeitsmarktverwaltung
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht
68/02 Sonstiges Sozialrecht

Norm

AlVG 1977 §20
AlVG 1977 §21
ArbeitsmarktpolitikG 1996 Art2
ASGG §65 Abs1 Z6
StruktAnpG 1996 Art29 Z3
SUG 1974 Art4 Abs3 idF 1996/153
SUG 1974 §5 Abs7
SUG 1974 §8 idF 1996/201

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der K in Wien, vertreten durch Dr. Marlene Klein, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Quellenstraße 137/2/5/34, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. August 2000, Zl. LGSW/Abt. 10- AlV/1218/56/2000-3102, betreffend Höhe der Sonderunterstützung (Anspruch auf Familienzuschlag), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 13. November 1995 die Gewährung einer Sonderunterstützung sowie eines Familienzuschlages für ihren damals noch studierenden, am 19. Jänner 1970 geborenen Sohn. Das Einkommen des Ehegatten der Beschwerdeführerin wurde auf dem Antragsformular mit 0,-- „laut Vorakt“ angegeben, wobei aus dem Vorakt zu entnehmen ist, dass sich der Ehegatte im Konkurs befunden hat. Die Sonderunterstützung wurde in der Folge ohne Bedachtnahme auf den Familienzuschlag angewiesen, ein Bescheid darüber wurde jedoch nicht erlassen. Mit Eingabe vom 25. Februar 1998 beantragte die Beschwerdeführerin zu dem ihr gewährten „Arbeitslosengeld“ die Nachzahlung des Differenzbetrages „zwischen dem ausbezahlten und dem ihr unter Berücksichtigung einer Unterhaltspflicht meinem Sohn ... gegenüber zustehenden Betrag, und zwar im Zeitraum vom 4.5.1995 bis Dezember 1997“.

Auf Grund vorgelegter Einkommensteuerbescheide des Ehegatten für das Jahr 1994 (Gesamtbetrag der Einkünfte S 600.000,--, davon Einkünfte aus selbstständiger Arbeit S 150.000,--, aus Vermietung und Verpachtung S 450.000,-- sowie für das Jahr 1995 (in der Form der Arbeitnehmerveranlagung) mit Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit von S 27.143,-- und weiterer Unterlagen betreffend den Bezug der Familienbeihilfe für den Sohn) erließ die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarkservice den Bescheid vom 25. Jänner 2000, worin „auf Grund ihrer telefonischen Anfrage“ festgestellt wird, dass der Beschwerdeführerin der Familienzuschlag für den Sohn für die Zeit vom 5. November 1995 bis 4. Februar 1996 gemäß § 20 Abs. 2 und 5 AlVG gebühre. In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde erster Instanz nach Zitierung der von ihr angewendeten Gesetzesbestimmungen aus, dass auf Grund des Einkommensteuerbescheides des Ehegatten von 1993 für den Zeitraum vom 5. November 1995 bis 4. Februar 1996 ein Familienzuschlag in voller Höhe gebühre. Da der Einkommensteuerbescheid 1994 vom 5. Februar 1996 ein Einkommen von S 598.362,-- aufweise, gelange ab 5. Februar 1996 kein Familienzuschlag mehr zur Auszahlung.

Gegen diesen Bescheid (der Sache nach gemeint: gegen den im Spruch nicht gesondert hervorgehobenen, implizit jedoch der Begründung zu entnehmenden, abweislichen Teil dieses Bescheides bezüglich des Anspruchs auf Familienzuschlag ab 5. Februar 1996) erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Im Berufungsverfahren forderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 1996 des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom zuständigen Finanzamt an. Dieser (gemäß § 200 Abs. 1 BAO als vorläufiger Bescheid erlassene) Einkommensteuerbescheid weist Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von S 206.917,-- und ein steuerpflichtiges Einkommen von insgesamt S 205.279,-- aus.

Gestützt auf diesen Einkommensteuerbescheid erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, worin sie der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte. Nach der wesentlichen Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, dass eine Prüfung anhand des Einkommensteuerbescheides 1996 ergebe, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin ein Einkommen von S 205.279,-- „dem Grunde nach“ zuzurechnen sei, sodass „der Einwand des Konkurses in den Hintergrund tritt und der Höhe nach, dass ein Anspruch auf einen Familienzuschlag nicht gegeben ist“.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid, dessen Spruch - ungeachtet seiner dem Antrag auf Familienzuschlag für den Zeitraum vom 5. November 1995 bis 4. Februar 1996 stattgebenden Formulierung - in Verbindung mit der Begründung (implizit) als Abweisung der Gewährung des Familienzuschlages zur Sonderunterstützung ab 5. Februar 1996 gedeutet wurde, bestätigt und die gegen diese Abweisung erhobene Berufung der Beschwerdeführerin unter Zitierung (u.a.) des § 5 des Sonderunterstützungsgesetzes und § 20 AlVG abgewiesen. Strittig ist daher nur, ob der Beschwerdeführerin ab 5. Februar 1996 (bis zum Ende des Anspruchs auf Sonderunterstützung) ein Familienzuschlag zusteht.

2. Vor Behandlung der eigentlichen Sachfrage sei vorausgeschickt, dass die Beschwerdeführerin, die nach der Lage der Verwaltungsakten seit 4. Mai 1995 im Bezug von Arbeitslosengeld gestanden ist, am 11. November 1995 das 54. Lebensjahr vollendete und seit 13. November 1995 im Bezug der Sonderunterstützung (an Stelle des Arbeitslosengeldes) auf Grund § 1 Abs. 1 Z. 2 SUG, BGBl. Nr. 642/1973 (im Zeitpunkt des Anfalls der Leistung in der Fassung des BGBl. Nr. 314/1994), stand. Der Bezug endete nach der Aktenlage am 30. November 1996 (Beginn des Anspruchs auf vorzeitige Alterspension nach dem ASVG am 1. Dezember 1996).

2.1. Gemäß § 5 Abs. 7 SUG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 412/1990 fanden für die Bemessung der Sonderunterstützung die Bestimmungen der §§ 20 und 21 AlVG 1977 sinngemäß Anwendung. Hiezu gebührte gemäß dem zweiten Satz des § 5 Abs. 7 SUG ein Zuschlag in der Höhe von 25 v.H. des Grundbetrages i. S. des § 21 Abs. 3 AlVG. Gemäß § 5 Abs. 8 SUG durfte die Höhe der Sonderunterstützung das Ausmaß einer Pension aus einem der dort bezeichneten Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit einschließlich allfälliger Kinderzuschüsse nicht übersteigen.

Mit Art. 2 des Arbeitsmarktpolitikgesetzes 1996, BGBl. Nr. 153/1996, wurde (u.a.) die „Alters-“ Sonderunterstützung gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 SUG (als „Vorstufe“ zur vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit nach § 253a ASVG in der damaligen Fassung) mit Ablauf des 31. März 1996 aufgehoben, jedoch in Art. IV Abs. 3 zweiter Satz SUG i.d.F. der genannten Novelle ausgesprochen, dass § 1 Abs. 1 Z. 2 und § 5 Abs. 7 bis 10 SUG für Ansprüche, deren Anfallstag vor dem 1. April 1996 liegt, weiter anzuwenden sind. Um einen solchen Anspruch handelt es sich im Beschwerdefall.

2.2. § 8 SUG lautete in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 wie folgt:

„Verfahren

§ 8. (1) Über Anträge auf Zuerkennung der Sonderunterstützung entscheidet das nach dem Wohnsitz, mangels eines solchen das nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragstellers zuständige Arbeitsamt. Bei Streit über den Anspruch auf Sonderunterstützung oder ihre Höhe sind die Bestimmungen über das Verfahren in Leistungssachen nach dem siebenten Teil Abschnitt II des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des Versicherungsträgers das Arbeitsamt, das den Bescheid erlassen hat oder zu erlassen hätte.

(2) Ist auf Grund internationaler Verträge bei einem Wohnsitz im Ausland der Bezug von Sonderunterstützung im Inland zulässig, so ist das Arbeitsamt zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war. Dies gilt auch für die Geltendmachung des Anspruches, die Einhaltung der Kontrollmeldungen und die Erfüllung der Meldepflicht. Für die Krankenversicherung des Leistungsbeziehers (§ 7 Abs. 1 Z 1) ist die Gebietskrankenkasse nach dem Sitz des Arbeitsamtes zuständig.“

2.2.1. Die durch Art. 29 Z. 4 des AMS-Begleitgesetzes BGBl. Nr. 314/1994 intendierte Änderung dieser Bestimmung dahin, dass die Sonderunterstützung auch im erstinstanzlichen Verfahren in das System des Leistungsverfahrens der gesetzlichen Pensionsversicherung übergeleitet werden sollte, war gemäß Art. V Abs. 5 SUG i.d.F. der genannten Novelle an die Erlassung einer Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales gekoppelt, die aber nie erlassen wurde.

2.2.2. In Art. 29 Z. 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wurde § 8 dahin geändert, dass (entsprechend der nunmehr eingeschränkten Geltung der Sonderunterstützung) über Anträge auf Sonderunterstützung nunmehr die Versicherungsanstalt des österreichischem Bergbaues zu entscheiden hat.

2.2.3. Art. V Abs. 5 SUG in der vorbezeichneten Fassung wurde durch Art. 29 Z. 12 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, in der Weise geändert, dass materiell die sich auf § 8 SUG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 beziehende Bestimmung aufgehoben und durch eine andere Übergangsvorschrift ersetzt wurde. Diese lautete:

„(5) Die §§ 2 und 7 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 314/1994 treten mit 1. Mai 1996 in Kraft. § 11 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 25/1994 tritt mit Ablauf des 30. April 1996 außer Kraft. Vom 1. Juli 1994 bis zu diesem Zeitpunkt sind die §§ 2, 7 Abs. 2, 8, 10 erster Satz und 11 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 25/1994 mit der Maßgabe weiterhin anzuwenden, dass ab 1. Juli 1994 die Aufgaben und Befugnisse des Arbeitsamtes der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice obliegen.''

2.3. Es wurde also mit Ablauf des 30. April 1996 die Verfahrensvorschrift des § 8 SUG dahin geändert, dass die Zuständigkeit der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung für Ansprüche nach dem SUG weggefallen und an ihre Stelle die Zuständigkeit der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues getreten ist.

2.3.1. Damit wollte der Gesetzgeber aber offenbar nur die (Fach)Zuständigkeit zur Entscheidung über die Sonderunterstützung im noch verbliebenen Anwendungsumfang (nämlich nur mehr bezogen auf Personen in knappschaftlichen Betrieben) auf die genannte Versicherungsanstalt übertragen.

2.3.2. Hingegen betreffen Streitigkeiten über jene Ansprüche, für welche nach der Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 3 zweiter Satz SUG in der Fassung des Art. 2 des Arbeitsmarktpolitikgesetzes 1996, BGBl. Nr. 153/1996, die früheren (materiellrechtlichen) Bestimmungen weiterhin gelten (und hinsichtlich derer daher auch nach dem 30. April 1996 noch Verfahren geführt werden können) gerade nicht den Personenkreis der bei der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaues Versicherten. Es kann daher dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, mit der Neuregelung des § 8 SUG auch diese Fälle der genannten Versicherungsanstalt zur Entscheidung in erster Instanz übertragen zu haben.

2.3.3. Es liegt vielmehr die Annahme näher, dass der Gesetzgeber aus welchen Gründen immer von der Annahme ausgegangen ist, eine verfahrensrechtliche Übergangsbestimmung sei entbehrlich. Es bestehen jedenfalls keine Bedenken dagegen, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice für die Bemessung der Sonderunterstützung in den genannten Übergangsfällen auf Grund der §§ 20 und 21 AlVG im Hinblick auf die im AlVG selbst geregelte (wenn auch nicht ausdrücklich auch auf Fälle der Bemessung der Sonderunterstützung bezogene) Behördenzuständigkeit als weiterhin zuständig zu erachten. Die regionale Geschäftsstelle des AMS hat daher vorliegendenfalls ihre Zuständigkeit im Ergebnis zurecht (wenn auch, ohne sich mit dieser Frage ausdrücklich zu befassen) bejaht.

3. Eine davon zu unterscheidende Frage ist jene nach dem Rechtsweg: Gemäß § 65 Abs. 1 Z. 6 ASGG sind Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, Sozialrechtssachen.

3.1. Nach dem klaren Wortlaut des (weiterhin anzuwendenden) § 5 Abs. 7 SUG ist die Anwendung des § 20 AlVG (d.h. einschließlich der in dieser Bestimmung geregelten Familienzuschläge) Teil der „Bemessung der Sonderunterstützung“. Besteht daher Streit über die Höhe der Familienzuschläge, so handelt es sich nicht etwa um eine vom Anspruch auf Sonderunterstützung zu unterscheidende Rechtssache, sondern um einen Streit über die Höhe der Sonderunterstützung. Ein solcher Streit wird aber - nach Vorliegen eines Bescheides - in § 65 Abs. 1 Z. 6 ASGG ausdrücklich den Arbeits- und Sozialgerichten zugewiesen.

3. 2. Im vorliegenden Fall hat die erstinstanzliche Behörde - im Lichte des eingangs dargelegten Verständnisses ihres Spruchs - den Anspruch auf Familienzuschlag für den Zeitraum ab 5. Februar 1996 abgelehnt. Schon seit 13. November 1995 stand die Beschwerdeführerin aber im Bezug der Sonderunterstützung, weshalb (nur) ein Streit über die Höhe der Sonderunterstützung vorliegt, zu dessen Entscheidung die belangte Behörde nach dem Gesagten - ungeachtet der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Bescheid (die jedoch einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen könnte) - aber nicht zuständig gewesen ist.

4. In amtswegiger Wahrnehmung der dem angefochtenen Bescheid somit anhaftenden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, 24. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000080160.X00

Im RIS seit

01.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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