TE OGH 2010/7/6 1Ob115/10h

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Veröffentlicht am 06.07.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Babette S*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 13.205,02 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. Jänner 2010, GZ 5 R 185/09d-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 30. September 2009, GZ 6 Cg 60/08g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 755,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des Verfahrens ursprünglich zwei Ersatzansprüche waren, die die Klägerin aus ihrer Ansicht nach unrichtigen Entscheidungen in zwei verschiedenen Gerichtsverfahren abgeleitet hatte. In Ansehung der Forderung über 930,55 EUR sA hat bereits das Rekursgericht die (unzulässige) Revision zurückgewiesen, wobei der Zurückweisungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen ist. Gegenstand dieser Entscheidung ist daher nur mehr die aus dem zweiten Prozess (im Folgenden: Anlassverfahren) abgeleitete Forderung über 13.205,02 EUR sA.

Eine GmbH führte im Auftrag einer Stadtgemeinde Kanalbauarbeiten an einer Straße durch, die an eine Stützmauer angrenzt, die zu einer im Eigentum der Klägerin stehenden Liegenschaft gehört. Nachdem die Klägerin behauptet hatte, dass durch die Kanalbauarbeiten an der Stützmauer und dem darauf befindlichen Holzlattenzaun ein Schaden entstanden sei, bezahlte die Bauherrenhaftpflichtversicherung der Stadtgemeinde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Ersatzbetrag von 2.050,80 EUR (inklusive Vertretungskosten der Klägerin). Nachdem die GmbH gegenüber der Versicherung die Schadensverursachung bestritten hatte, wurde sie von dieser klageweise über 2.050,80 EUR sA in Anspruch genommen. Die Versicherung verkündete der nunmehrigen Klägerin den Streit und kündigte Regressansprüche für den Fall ihres Unterliegens an; sollte sich die Einwendung der GmbH als zutreffend erweisen, hätte die Klägerin die Versicherung über die Schadensverursachung in Irrtum geführt und hätte aus dem Titel des Schadenersatzes sowohl den erhaltenen Betrag zurückzuzahlen als auch den Prozesskostenschaden der Versicherung zu ersetzen. Die Klägerin trat diesem Verfahren als Nebenintervenientin bei, ohne ihr rechtliches Interesse näher zu begründen. Das Klagebegehren der Versicherung wurde abgewiesen, nachdem festgestellt worden war, dass die GmbH keine Beschädigungen an der Einfriedung verursacht hätte.

Im Anlassverfahren begehrte die Versicherung von der Klägerin nun die Rückzahlung des erhaltenen Betrags von 2.050,80 EUR sowie den Ersatz der im ersten Prozess angefallenen Verfahrenskosten, insgesamt 5.576,68 EUR. Die Klägerin habe die Entschädigungsleistung zu Unrecht bezogen und sei auch bereichert. Die Versicherung sei von ihr in Irrtum geführt worden. Die Klägerin wandte dagegen im Wesentlichen ein, zwischen ihr und der Versicherung sei ein Vergleich zustandegekommen, der jede Irrtumsanfechtung ausschließe. Die Versicherung habe sich um die Klärung der Schadensverursachung nicht gekümmert; sie habe keinerlei Unterstützung der Klägerin angefordert und dieser verspätet den Streit verkündet. Eine Haftung für Prozesskosten des Vorverfahrens könne allenfalls für notwendige Kosten bestehen, wobei es Sache der Versicherung gewesen wäre, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Diese Klage war erfolgreich. Die mit ihr befassten Gerichte gingen von einer Bindung an die im Vorverfahren getroffene Feststellung über die mangelnde Schadensveranlassung durch die GmbH aus. Ohne die falschen Angaben des Ehegatten der Klägerin, die sie sich zuzurechnen habe, wäre die Versicherung keinem Irrtum unterlegen und hätte keine Schadenersatzzahlung geleistet. Die Frage, ob auch die Kosten des Vorverfahrens ersatzfähige Kosten darstellen, relevierte die (nunmehrige) Klägerin in ihrer Berufung, die schließlich auch keinen Erfolg hatte, nicht. Die Revision wurde vom Berufungsgericht - auch nach einem Antrag gemäß § 508 ZPO - nicht zugelassen.

Die Klägerin begehrte nun aus dem Titel der Amtshaftung den Ersatz der ihr im Anlassverfahren auferlegten Zahlungen sowie ihrer eigenen Prozesskosten. Die Entscheidung des Berufungsgerichts sei unrichtig und unvertretbar gewesen.

Die Beklagte erachtete die Entscheidungen im Anlassverfahren für zutreffend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe in ihrer Berufung im Anlassverfahren die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass das Berufungsgericht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung ungeprüft zu Grunde zu legen gehabt hätte. Die Rechtsansicht im Anlassverfahren über die Möglichkeit einer Irrtumsanfechtung stelle keine unvertretbare Rechtsansicht dar, weil ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage - nämlich die Verursachung der Schäden durch die GmbH - vorliege. Zutreffend habe das Berufungsgericht im Anlassverfahren eine Bindung an die Feststellungen im ersten Prozess angenommen. Dass die notwendigen Kosten grundsätzlich einen ersatzfähigen Schaden darstellten, habe die Klägerin im Anlassverfahren in erster Instanz selbst eingestanden. Da sie zur Ersatzpflicht der Kosten des Vorverfahrens in ihrer Berufung keine Rechtsmittelausführungen erstattet habe, habe das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung in diese Richtung nicht prüfen können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Die Bindungswirkung sei zutreffend bejaht worden, habe doch auch der Nebenintervenient im Folgeprozess jene Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gegen sich gelten zu lassen, die maßgeblich für die Entscheidung im Vorverfahren waren und die die Rechtsposition des Nebenintervenienten belasten. Ein Vergleich sei anfechtbar, wenn beide Parteien einem für den Vergleichsabschluss ursächlichen wesentlichen Geschäftsirrtum hinsichtlich einer Grundlage des Vergleichs unterlegen seien. Die Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung seien auch deshalb in vertretbarer Weise als gegeben angenommen worden, weil für den Irrtum der Versicherung nicht nur der Inhalt des von ihr eingeholten Gutachtens, sondern auch die Angaben des Ehegatten der Klägerin ausschlaggebend gewesen seien. Der Irrtum sei daher durch dessen wahrheitswidrige Angabe über die Schadensverursachung entscheidend veranlasst und die Versicherung dadurch zum Abschluss eines Vergleichs bewogen worden. Richtig sei zwar, dass die der Klägerin zuzurechnenden unrichtigen Angaben gegenüber der Versicherung nicht zwangsläufig dazu führen, dass ihr die gesamten Kosten des von der Versicherung verlorenen Vorprozesses als ersatzfähiger Folgeschaden aufzuerlegen wären; gegebenenfalls käme auch ein Mitverschulden der Versicherung in Betracht. Dass die Prozesskosten der Versicherung im Vorverfahren im Anlassverfahren zur Gänze als Folgeschaden der Prozessveranlassung durch die dortige Beklagte (nun: Klägerin) angesehen wurden, sei in vertretbarer Erledigung der dortigen Berufung der Klägerin erfolgt, in der zum den Kostenschaden betreffenden Teilbegehren sowohl eine ausdrückliche Rüge von fehlenden Feststellungen als auch die einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterblieben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Klägerin erweist sich als unzulässig, weil darin nicht aufgezeigt wird, inwieweit das Berufungsgericht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unrichtig gelöst hätte.

Davon, dass die Rechtsprechung eine Bindung des „Streitverkündeten“ an das Verfahrensergebnis nur sehr restriktiv annehmen würde, kann entgegen der Auffassung des Revisionswerbers keine Rede sein. Vielmehr wird grundsätzlich eine weitgehende Bindung des beigetretenen Nebenintervenienten sowie desjenigen angenommen, der trotz Streitverkündung dem Prozess nicht beitritt (vgl dazu nur die Judikaturnachweise bei Fucik in Rechberger³ § 21 ZPO Rz 3). Es obliegt daher sehr wohl dem Nebenintervenienten, sich aktiv am Prozessgeschehen zu beteiligen, wenn er eine ungünstige Entscheidung - etwa auch aufgrund unzweckmäßiger Prozessführung durch die Hauptpartei - vermeiden will.

Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die beschlussmäßige Entscheidung über die Zulässigkeit ihrer Nebenintervention erst nach der Urteilsverkündung ergangen ist, zeigt sie keinen Umstand auf, der einer Bindung entgegenstünde, kann der Nebenintervenient doch ab dem Zeitpunkt seines Beitritts - bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Zurückweisung - wirksam Prozessvorbringen erstatten und Beweisanträge stellen. Eine Beschlussfassung über die Zulässigkeit der Nebenintervention ist auch nur im Falle eines Zurückweisungsantrags einer Partei erforderlich (EvBl 1973/235 ua). Dass ihr etwa der Streit so spät verkündet wurde, dass sie nicht mehr in der Lage gewesen wäre, sich am Verfahren in zweckdienlicher Weise zu beteiligen, behauptet die Revisionswerberin ebensowenig wie einen Gerichtsfehler, der ihr rechtliches Gehör eingeschränkt hätte.

Wenn die Revisionswerberin weiter ausführt, Anbote einer Versicherung zur Schadensregulierung seien als Vergleich zu werten und ein solcher könne eben „im Irrtum“ nicht angefochten werden, liege es doch in der Natur des Vergleichs, dass ein strittiges Rechtsverhältnis damit bereinigt wird, setzt sie sich mit den Ausführungen der Vorinstanzen nicht auseinander, die die Auffassung vertreten haben, die Klägerin habe durch ihr zurechenbare Personen einen Irrtum über eine wesentliche Vergleichsgrundlage veranlasst, wobei bei einem Irrtum über die Vergleichsgrundlage eine Irrtumsanfechtung durchaus in Betracht komme. Dass allenfalls zusätzlich auch ein missverständliches Gutachten des von der Versicherung beauftragten Sachverständigen für die Auszahlung eines Entschädigungsbetrags maßgeblich gewesen ist, mag durchaus sein, doch ändert dies nichts daran, dass es ohne die tatsachenwidrigen Behauptungen über eine Schadensverursachung durch die GmbH zum maßgeblichen Irrtum nicht gekommen wäre. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Äußerungen des Sachverständigen durchaus auch so verstanden werden können, dass er die Richtigkeit der Behauptungen über die Schadensverursachung unüberprüft als richtig unterstellt und auf deren Basis eine Schadenssumme errechnet hat.

Zu dem der Versicherung im Anlassverfahren zuerkannten Ersatz ihres Kostenschadens führt die Revisionswerberin nichts aus.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hingewiesen, sodass sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme im Sinne des § 41 Abs 1 ZPO darstellt.

Schlagworte

Gruppe: Amtshaftungsrecht,

Textnummer

E94649

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00115.10H.0706.000

Im RIS seit

03.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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