TE OGH 2010/7/26 4R108/10d

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Veröffentlicht am 26.07.2010
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B e s c h l u s s

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Zimmermann und den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Huber als weitere Mitglieder des Senates in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Agnes G*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Richard K*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer, Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen (ausgedehnt und eingeschränkt) EUR 34.014,41 s.A., über den Rekurs des Beklagten (Rekursinteresse: EUR 16.707,01) gegen die im (End-)Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.4.2010, 17 Cg 148/09w-100, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

              

Spruch

Der Rekurs wird z u r ü c k g e w i e s e n .

              Die Parteien haben die Kosten ihrer im Rekursverfahren erstatteten Schriftsätze jeweils selbst zu tragen.

              Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Mit dem ausschließlich im Kostenpunkt angefochtenen Urteil (richtig: Endurteil - ein Teilbetrag von EUR 3.675,76 s.A. wurde bereits mit Urteil des Erstgerichtes vom 7.8.2006, 8 Cg 238/03f-35, rechtskräftig zugesprochen) sprach das Erstgericht der Klägerin gegenüber dem Beklagten weitere EUR 26.680,87 s.A. aus dem Titel des Schadenersatzes wegen einer nicht lege artis erfolgten Zahnbehandlung zu und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 7.333,54 s.A. ab. Gleichzeitig verpflichtete es den Beklagten zum Kostenersatz gegenüber der Klägerin im Umfang von EUR 38.730,58. Es stützte seine Kostenentscheidung auf die Bestimmungen der §§ 41, 43 (gemeint: Abs 1 und Abs 2) und 54 Abs 1a ZPO und führte dazu aus, dass aufgrund der Klagsausdehnungen und -einschränkungen sieben Phasen zu bilden gewesen seien. In der ersten Phase habe die Klägerin mit 90 %, in der dritten bis fünften Phase mit 94 %, in der sechsten Phase mit 93 % und in der siebten Phase bei Bildung eines fiktiven Streitwertes von EUR 28.274,42 aufgrund des vom Sachverständigen und richterlichen Ermessen abhängigen Schmerzengeldzuspruches mit 94 % obsiegt. In der zweiten Phase ab 15.1.2004 bis 19.4.2005 habe die Klägerin zu 84 % obsiegt. Hinsichtlich der anderen Phasen schulde der Beklagte der Klägerin somit vollen Kostenersatz, bei der letzten Phase ab 4.2.2010 auf Basis des fiktiven Streitwertes. Das eingeschränkte Feststellungsbegehren der Klägerin sei ihr nicht als Unterliegen anzulasten, weil sie bis zum Zeitpunkt der Klagseinschränkung das Klagebegehren nicht beziffern habe können und daher mit ihrem Feststellungsbegehren obsiegt hätte. Hingegen wirke sich die Einschränkung um EUR 2.967,58 (später ausgedehnt EUR 4.784,44) an Kosten der außergerichtlichen Bemühungen des Klagsvertreters auf den Erfolg der Klägerin aus, weil diese Kosten nicht als Nebenkosten, sondern als Teil der Hauptforderung geltend gemacht worden seien.

Da die Klägerin dem Beklagten am Schluss der mündlichen Verhandlung das Kostenverzeichnis ausgehändigt und der Beklagte dazu keine begründeten Einwendungen erhoben habe, seien die Ansätze des Kostenverzeichnisses einschließlich der verzeichneten vorprozessualen Kosten diesem Urteil zugrundezulegen. Feststellungen zur Beurteilung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der vorprozessualen Kosten hätten daher unterbleiben können. Die Kosten der zweiten Phase beliefen sich auf EUR 2.560,05, davon seien der Klägerin 68 %, also EUR 1.742,81 zu ersetzen. Die Kosten der letzten Phase auf Basis des Streitwertes von EUR 28.274,42 beliefen sich auf EUR 893,70. Damit belaufe sich der der Klägerin zustehende Kostenersatz auf EUR 38.730,58.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der fristgerechte Rekurs des Beklagten, der im Antrag mündet, in Stattgebung seines Rekurses die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Kostenersatzverpflichtung des Beklagten auf EUR 22.023,57 herabgesetzt werde.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs des Beklagten kostenpflichtig abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Im vorliegenden Verfahren ist der Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 4.2.2010 erfolgt. Es ist daher § 54 Abs 1a ZPO idF BGBl I 2009/52 anzuwenden. Nach dieser Bestimmung ist das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen, der dazu binnen einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen kann. Soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, hat das Gericht diese [gemeint offenbar: verzeichnete Kosten] seiner Entscheidung zugrundezulegen.

Nach dem gemäß § 215 Abs 1 ZPO vollen Beweis über den Verlauf und den Inhalt der Verhandlung machenden Protokoll über die letzte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 4.2.2010 haben die Vertreter der Parteien bei Schluss der Verhandlung nicht nur dem Gericht gegenüber, sondern auch dem Gegner gegenüber jeweils ein Kostenverzeichnis gelegt. Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin hat die Beklagte nach dem Akteninhalt weder in dieser Tagsatzung noch binnen der in § 54 Abs 1a ZPO vorgesehenen Notfrist erhoben. Das Erstgericht hatte daher im Hinblick darauf, dass durch die Einführung des § 54 Abs 1a ZPO die Dispositionsmaxime auf den Kostenersatzanspruch ausgedehnt wurde, davon auszugehen, dass der Beklagte einer entsprechenden, also (voll)inhaltlichen Berücksichtigung der von der Klägerin verzeichneten Kosten im Rahmen der Kostenentscheidung nicht entgegentritt, und diese seiner Kostenentscheidung ungeprüft zugrundezulegen (vgl Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten, ÖJZ 2009/80; Fucik, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86; Woller, Budgetbegleitgesetz 2009, ecolex 2009, 567; 7 Rs 145/09h OLG Wien; vgl auch 113 BlgNr XXIV GP 31). Der gegenteilig vertretenen Meinung (vgl Mayr, Zivilverfahrensrechtliche Neuerungen des Budgetbegleitgesetzes 2009, ecolex 2009, 562, und Salficky, Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009, 473) ist nicht zu folgen, weil wie ausgeführt und nicht zuletzt auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, der Gesetzgeber nunmehr die Dispositionsmaxime über das bisherige Prinzip der (amtswegigen) Überprüfung der verzeichneten Kosten stellt. Es wird damit nunmehr auch in diesem Bereich den Parteien überlassen, durch prozessuale Handlungen oder Unterlassungen - ähnlich wie bei einer Außerstreitstellung bzw bei Fehlen einer substantiierten Bestreitung - jenen Rahmen zu definieren, in dem eine Überprüfung der vom Prozessgegner verzeichneten Kosten durch das Gericht stattzufinden hat.

Soweit Mayr (aaO) dagegen ins Treffen führt, dass die nunmehr vom Gesetz vorgeschriebene Vorgehensweise im Endeffekt darauf hinauslaufe, dass die Höhe des Kostenersatzes gar nicht mehr vom Gericht entschieden, sondern von den Parteien(vertretern) bestimmt werde, was den (von Mayr nicht näher definierten) Grundprinzipien des österreichischen Kostenrechts und dem unverändert beibehaltenen § 21 RATG widerspreche, ist ihm entgegen zu halten, dass eine Erweiterung der Dispositionsmaxime im streitigen Zivilprozess von der Hauptsache auf die Verfahrenskosten keineswegs als so systeminkonform erscheint, dass bei einer Auslegung der Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO von deren klaren Wortlaut der Bestimmung, nämlich der Anordnung, dass das unwidersprochen gebliebene Kostenverzeichnis der Entscheidung des Gerichts zugrundezulegen ist, abzugehen wäre. Wenn aber vom Gesetzgeber angeordnet wird, dass die Kostenentscheidung, also der Zuspruch von Kosten an eine der Parteien, auf der Grundlage des vorliegenden Kostenverzeichnisses zu erfolgen hat, so ergibt sich daraus eindeutig, dass keine weitere Kompetenz des Gerichtes zur Überprüfung dieser Grundlage mehr besteht. Dieser Ansicht widerspricht auch § 21 Abs 1 erster Satz RATG nicht, weil diese Bestimmung lediglich aussagt, dass die richterliche Befugnis, die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen zu prüfen, durch das RATG unberührt bleibt. Die nunmehr angeordnete Ausweitung der Dispositionsmaxime auf das Kostenersatzrecht wurde vom Gesetzgeber aber nicht im Rahmen des RATG, sondern systemkonform im Rahmen der ZPO geregelt. Der ins Treffen geführte Widerspruch liegt damit in Wahrheit nicht vor, bezieht sich § 21 RATG doch nur auf die Bestimmungen dieses Gesetzes und im Übrigen auch nur auf die Überprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen Leistungen. Eine Überprüfungsmöglichkeit der verzeichneten Kosten in Bezug auf eine offenkundige oder gerichtsbekannte Unrichtigkeit wurde vom Gesetzgeber - anders als etwa in § 396 Abs 1 ZPO - gerade nicht vorgesehen. Aber selbst wenn man zwischen der mit BBG 2009 eingeführten Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO einerseits sowie der Bestimmung des § 21 RATG andererseits einen unlösbaren Widerspruch erblicken würde, so müsste man davon ausgehen, dass die zeitlich weit später eingeführte Bestimmung des § 54 Abs 1a ZPO die ältere Bestimmung des § 21 Abs 1 erster Satz RATG materiell derogiert hätte.

Das Erstgericht hat daher seiner Kostenentscheidung zutreffend das vollkommen unbeeinsprucht gebliebene Kostenverzeichnis der Klägerin zugrundegelegt.

Den Rekursausführungen ist - in Ergänzung zu den obigen Ausführungen - noch Folgendes entgegen zu halten:

Von begründeten Einwendungen seitens des Beklagten gegen die von der Klägerin geltend gemachten vorprozessualen Kosten kann keine Rede sein. Die Klägerin hat in ihrer Klage am Ende von Punkt 2. vorgebracht, dass die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen Kosten des KV vom 17.5.2002 bis 25.7.2002 als vorprozessuale Kosten im Wege des Kostenverzeichnisses geltend gemacht werden. Dazu hat der Beklagte in der Klagebeantwortung erwidert, dass „etwa geltend gemachte vorprozessuale Kosten als nicht gerechtfertigt bestritten werden“. Diese Ausführungen stellen allerdings keinerlei Einwendungen gegen konkret geltend gemachte Kosten der Klägerin dar, geschweige denn „begründete“, sondern vielmehr lediglich eine unsubstantiierte pauschale Bestreitung.

Der Umstand, dass für die Kostenentscheidung mehrere Prozessphasen zu bilden sind, bedeutet keinesfalls, dass deshalb das Kostenverzeichnis einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen ist, vielmehr obliegt es dem Gericht bei einem nicht gänzlichen Obsiegen einer Partei und somit einer Anwendung der Bestimmung des § 43 (Abs 1 und/oder Abs 2) ZPO, dass unter Zugrundelegung der verzeichneten Kosten eine Quotierung durchzuführen ist (§ 43 Abs 1 ZPO) oder auf Basis der verzeichneten Leistungen bei einer niedereren Bemessungsgrundlage die entsprechenden Ansätze heranzuziehen sind (§ 43 Abs 2 ZPO), weil nur dazu der Prozessgegner im Rahmen seiner Einwendungen mangels Kenntnis der Entscheidung in der Hauptsache noch gar nicht Stellung nehmen könnte.

Der Rekurswerber wendet sich in seinem Rekurs weder dagegen, dass der Klägerin in den Prozessabschnitten 1 und 3 bis 7 voller und in der Prozessphase 2 Kostenersatz im Umfang von 68 % zusteht. Er wendet sich auch nicht dagegen, dass in der siebten Prozessphase von einem fiktiven Streitwert von EUR 28.274,42 auszugehen ist. Schließlich rügt er auch nicht, dass das von der Klägerin erhobene Feststellungsbegehren bis zu dessen Fallenlassen berechtigt war und sie daher auch diesbezüglich als obsiegend anzusehen ist.

Wenn der Beklagte nunmehr im Rekurs geltend macht, die ersten drei Positionen im Kostenverzeichnis der Klägerin betreffend das vorgelagerte Verfahren bei der Schiedsstelle der Ärztekammer seien doppelt verrechnet worden, weiters seien alle vorprozessual erbrachten Leistungen mit dem Einheitssatz für die Klage abgegolten und zahlreiche, von der Klägerin im Laufe des Verfahrens erstatteten Schriftsätze seien nicht oder nur nach TP 1/TP 2 zu entlohnen, für die im ersten Rechtsgang erstattete Berufung vom 19.9.2006 und die erstattete Berufungsbeantwortung vom 27.10.2006 seien die Kosten jeweils auf einer zu hohen Bemessungsgrundlage verzeichnet, so verstößt er gegen das nach einhelliger Ansicht auch im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot (Kodek in Rechberger³ § 526 Rz 3 mwN).

Einer Partei, die keine Einwendungen erhoben hat, fehlt infolge der dadurch vom Gesetz unterstellten Zustimmung bei Vorliegen einer dem Kostenverzeichnis entsprechenden Kostenentscheidung des Erstgerichtes die Beschwer (siehe Höllwerth aaO), wobei nach ständiger Rechtsprechung bei Fehlen eines Beschwerdeinteresses der Rekurs zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0006880). Der Rekurs des Beklagten war daher einerseits wegen ausschließlich gegen das Neuerungsverbot verstoßender Ausführungen und andererseits wegen fehlender Beschwer zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO. Nicht nur dem Beklagten steht für seinen unzulässigen Rekurs kein Kostenersatz zu, auch die Klägerin hat keinen Kostenersatzanspruch für ihre Rekursbeantwortung, weil sie auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Beklagten nicht hingewiesen hat (vgl RIS-Justiz RS0035962; 2 Ob 55/09s ua).

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ist in § 528 Abs 2 Z 3 ZPO normiert.

Oberlandesgericht Innsbruck

Abt. 4, am 26. Juli 2010

Textnummer

EI0000186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2010:00400R00108.10D.0726.000

Im RIS seit

08.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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