TE OGH 2010/7/29 4Nc11/10w

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Veröffentlicht am 29.07.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Mag. Gerd Egner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, wegen 100 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung über die beim Bezirksgericht Voitsberg zu 3 C 166/10m anhängigen Klage wird das Bezirksgericht Voitsberg als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung:

Die Klägerin mit Wohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Voitsberg begehrt mit ihrer bei diesem Gericht eingebrachten Klage von der Beklagten, einer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die Rückzahlung einer im Rahmen einer Werbeveranstaltung geleisteten Anzahlung auf einen Kaufvertrag, den sie widerrufen habe. Die Klägerin bringt vor, es liege für sie ein Verbrauchergeschäft vor, weshalb sie den Gerichtsstand nach Art 14 EuGVÜ/LGVÜ in Anspruch nehme. Da diese Bestimmung nur die internationale, nicht aber eine örtliche Zuständigkeit festlege, werde an den Obersten Gerichtshof der Antrag auf Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts (§ 28 Abs 1 Z 1 JN), im Besonderen des Bezirksgerichts Voitsberg, gestellt, in dessen Sprengel die Klägerin ihren Aufenthaltsort habe.

Das Bezirksgericht Voitsberg hat den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Ordinationsantrag vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist ausgehend von den maßgeblichen Angaben der Antragstellerin berechtigt.

1. Gemäß § 28 JN hat der Oberste Gerichtshof ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, wenn für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind und wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Abs 1 Z 1) oder wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Abs 1 Z 2) oder wenn die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Abs 1 Z 3).

2. Die Antragstellerin leitet die inländische Gerichtsbarkeit daraus ab, dass es sich um eine Verbrauchersache handle. Gemäß Art 13 Z 3 LGVÜ bestimmt sich für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, die Zuständigkeit, unbeschadet des Art 4 und des Art 5 Nr 5 nach dem vierten Abschnitt des Übereinkommens, wenn dieser Vertrag die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, sofern dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist oder der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat.

3. Die Sonderregelung der Art 13 ff LGVÜ ist von dem Bestreben getragen, den Verbraucher als den wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu schützen, weshalb diesem daher der Entschluss zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte nicht dadurch erschwert werden darf, dass er bei dem Gericht des Staats klagen muss, in dessen Hoheitsgebiet sein Vertragspartner seine Niederlassung hat. Diese Bestimmung beruft nicht örtlich bestimmte, sondern allgemein „die Gerichte“ des Vertragsstaats, in denen die Partei ihren Wohnsitz hat, regelt somit nur die internationale und nicht die örtliche Zuständigkeit. Ist daher die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) nach dem Übereinkommen von Lugano zu bejahen, wird darin die örtliche Zuständigkeit jedoch nicht geregelt, findet das innerstaatliche Recht ergänzend Anwendung. Liegt nach innerstaatlichem Recht kein die örtliche Zuständigkeit begründender Sachverhalt vor, ist auf Antrag eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 1 JN vorzunehmen (vgl 4 Nc 11/09v mwN).

4. Das Vorbringen der Antragstellerin ist offenbar dahin zu verstehen, dass die Antragstellerin die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen im Rahmen einer Werbeveranstaltung im Inland vorgenommen hat; andernfalls wäre ihre Berufung auf den Gerichtsstand des Art 14 LGVÜ nämlich unschlüssig. Nach diesem Verständnis sind die Voraussetzungen nach Art 13 Z 3 lit a und b LGVÜ erfüllt. Zweifel an der Verbrauchereigenschaft der Antragstellerin und der Zuordnung des abgeschlossenen Geschäfts zu ihrer Privatsphäre bestehen nach dem Vorbringen nicht.

5. Welches Gericht ordiniert wird, bleibt dem Obersten Gerichtshof überlassen; dabei sind Kriterien der Sach- und Parteinähe bzw der Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen (Matscher in Fasching/Konecny² I § 28 JN Rz 176). Entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin erweist sich das von ihr bezeichnete Gericht als zweckmäßig, sodass das Bezirksgericht Voitsberg als örtlich zuständiges Gericht für die dort anhängig gemachte Klage auf Rückzahlung einer im Rahmen einer Werbeveranstaltung geleisteten Anzahlung auf einen Kaufvertrag zu bestimmen war.

Textnummer

E94728

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040NC00011.10W.0729.000

Im RIS seit

11.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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