TE OGH 2010/9/28 14Os126/10a

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Veröffentlicht am 28.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichly als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mihai C***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Juni 2010, GZ 39 Hv 41/10s-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mihai C***** abweichend von der wegen §§ 146, 147 Abs 1 Z 3 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB erhobenen Anklage des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er am 3. Juli 2009 in Alland Sorin B***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig eine fremde bewegliche Sache in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert, und zwar 5.600 Euro Bargeld, weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

Den tatsächlichen Bezugspunkt der Subsumtionsrüge (Z 10) bildet die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Gerade daran orientiert sich die eine Unterstellung des festgestellten Sachverhalts unter §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und 3 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB anstrebende Rüge nicht, indem sie die Konstatierungen der Tatrichter übergeht, Sorin B***** habe dem (durch Vorgabe, Polizeibeamter zu sein, entsprechende Berechtigung vortäuschenden) Angeklagten das Geld nach dessen Aufforderung zur Durchführung einer „Falschgeldkontrolle“ in der Erwartung übergeben, dieser werde es nach einer in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs durch „Durchblättern“ zu erfolgenden Kontrolle wieder zurückgeben, und der Angeklagte habe das Geldbündel entgegengenommen, kurz durchgeblättert und sei dann mit dem Geld davongerannt (US 3).

Dass ab dem Zeitpunkt der Geldübergabe eine „die Annahme einer Mitgewahrsame indizierende effektuierbare Zugriffsmöglichkeit des Opfers“ nicht bestanden habe, wird ohne Auseinandersetzung mit diesen Feststellungen lediglich behauptet. Die Rüge gelangt somit insgesamt nicht prozessförmig zur Darstellung.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass für die Abgrenzung der Tatbestände des Betrugs und des Diebstahls essentiell ist, ob die Schädigung fremden Vermögens durch eine Handlung des Getäuschten herbeigeführt wird oder ob sich die Sache, deren Zueignung dem Täter zur Last liegt, im Tatzeitpunkt (noch) im Gewahrsam eines anderen befunden hat. Nur in diesem Fall ist die Sachwegnahme regelmäßig als Diebstahl - und nicht als Betrug - zu beurteilen. Der Gewahrsamsbegriff knüpft als faktisch-normativer Begriff an die mit Herrschaftswillen verbundene tatsächliche Sachherrschaft an. Dieses Verhältnis erfordert keine greifbare Nähe zur Sache. Vielmehr reicht auch jede Form eines sogenannten gelockerten Gewahrsams im Sinn einer sozialen Zuordnung eines Gegenstands zu einer Person. Die im Gewahrsam befindliche Sache muss auch bei fehlender körperlicher Anwesenheit des Gewahrsamsträgers diesem kraft sozialer Zuschreibungsmomente zuordenbar sein. Wesentliches (eher eng zu fassendes) Kriterium ist die potentielle Überwachung durch die übergeordneten Gewahrsam ausübende Person. Diese Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit im Sinn der sozialen Zuschreibung darf sich für den unmittelbaren Sachinhaber nicht bloß als abstrakt-theoretische Variante darstellen. Umgekehrt ist aber eine permanente tatsächliche Kontrolle ebensowenig geboten, um sich schon bestehenden Mitgewahrsam zu erhalten. Es genügt insoweit eine rasch realisierbare Nachschau durch die übergeordneten Gewahrsam ausübende Person. Dass jemand anderer noch näher an der Sache ist und diese unmittelbar in Händen hält, vermag den bisherigen Gewahrsam nicht eo ipso aufzuheben (vgl zum Ganzen: 14 Os 123/07f mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war auf Basis der Urteilsfeststellungen ein solcher gelockerter Gewahrsam gegeben, weil der Geschädigte dem Angeklagten das Geld lediglich zur Durchführung einer Kontrolle in seiner unmittelbaren Nähe und zur anschließenden (unmittelbar darauf folgenden) Rückgabe ausfolgte. Demnach führte die Täuschung nur zu einer Gewahrsamslockerung, der Gewahrsamsbruch wurde erst durch eine nachfolgende Handlung bewirkt. Die eigenmächtige, wenn auch durch ein Täuschungsverhalten erleichterte Begründung von Alleingewahrsam an der Sache stellt aber Diebstahl und nicht Betrug dar, sodass das Erstgericht den Sachverhalt rechtsrichtig als („listig vorbereiteten“ oder „listig verdeckten“) Diebstahl qualifizierte (RIS-Justiz RS0093746 [T1]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0140OS00126.10A.0928.000

Im RIS seit

10.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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