TE OGH 2010/10/15 16R180/10y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2010
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss als Vorsitzenden, den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Sonntag und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Fabian in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, *****, vertreten durch Mag. Thomas Stenitzer, Mag. Kurt Schick, Rechtsanwälte in Laa a.d. Thaya, wider die beklagte Partei ***** C*****, *****, vertreten durch Mag. Bernhard Schuller, Rechtsanwalt in Mistelbach, dieser vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 44.359,20 s.A., über den Rekurs der klagenden Partei gegen die im Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 5.8.2010, GZ 5 Cg 72/07x-79 enthaltene Kostenentscheidung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung abgeändert, sodass sie wie folgt lautet:

„6. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 23.709,62 (hierin enthalten USt EUR 3.771,05, Barauslagen EUR 1.083,30) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 109,14 (hierin enthalten USt EUR 18,19) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten restlichen Werklohn für die Errichtung eines Einfamilienhauses. Die Beklagte bestritt und wendete Mängel sowie eine Gegenforderung ein.

Mit Beschluss vom 16.5.2008 (ON 15) bestellte das Erstgericht Ing. C***** zum Sachverständigen mit dem Auftrag, Befund und Gutachten unter anderem über das Vorliegen der behaupteten Mängel zu erstatten. In dem Beschluss wurde angeführt, der Termin für die Befundaufnahme möge den Parteienvertretern rechtzeitig bekanntgegeben werden.

Die Befundaufnahme fand am 18.6.2008 im Beisein der Parteienvertreter statt und dauerte 7/2 Sekunden (Vermerk des Sachverständigen auf dem Fax Beilage ./47, vorgelegt von der Beklagten mit der Rekursbeantwortung ON 82).

Mit Beschluss vom 1.10.2008 (ON 28) beauftragte das Erstgericht den selben Sachverständigen mit allfälliger ergänzender Befundaufnahme und Gutachtenserstattung zu von den Parteien erhobenen Fragen und neu behaupteten Mängeln in den Schriftsätzen ON 22 und ON 26.

Der Sachverständige erstattete dazu sein Ergänzungsgutachten ON 33, eine neuerliche Befundaufnahme führte er nicht durch (ON 33 und 34).

In der Verhandlung vom 30.4.2009 beauftragte das Erstgericht den Sachverständigen mit der ergänzenden Befundaufnahme und Gutachtenserstattung zu weiteren Fragen. Eine Aufforderung des Erstgerichtes an den Sachverständigen, die Parteienvertreter vom Termin der Befundaufnahme zu verständigen, findet sich in diesem Verhandlungsprotokoll nicht (S 11f in ON 43 = Band I, AS 379f).

Der Sachverständige erstattete sein Ergänzungsgutachten mit ON 45 nach Durchführung einer Befundaufnahme am 20.5.2009 im Beisein der Parteienvertreter.

Die Klägerin verzeichnete vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung am 15.4.2010 in ihrer Kostennote für die Befundaufnahme vom 18.6.2008 EUR 2.201,50 zuzüglich 100% Einheitssatz nach TP 3A für 9/2 Stunden. Für die Befundaufnahme vom 20.5.2009 verzeichnete die Klägerin in ihrer Kostennote EUR 1.100,70 zuzüglich 100% Einheitssatz gemäß TP 3A für 3/2 Stunden.

In ihren Einwendungen zur Kostennote der Klägerin führte die Beklagte aus, eine ausdrückliche Anordnung der Beiziehung der Parteienvertreter durch das Gericht liege hinsichtlich beider Termine nicht vor, hilfsweise wurde ausgeführt, dass die Befundaufnahme vom 18.6.2008 bloß 5/2 Stunden gedauert habe.

Mit in der Hauptsache rechtskräftigem Urteil vom 5.8.2010 gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von EUR 31.016,60 s.A. statt und wies das Mehrbegehren ab. Mit der angefochtenen Kostenentscheidung verpflichtete es die Beklagte, der Klägerin EUR 21.279,94 an Kosten zu ersetzen. Das Erstgericht begründete diese Kostenentscheidung hinsichtlich der im Rekursverfahren allein strittigen Kosten der beiden Befundaufnahmen dahin, dass diese Positionen zu entfallen hätten, weil das Gericht die Anwesenheit der Parteienvertreter bei der Befundaufnahme nicht ausdrücklich angeordnet habe (S 40 der UA).

Die Klägerin bekämpft diese Kostenentscheidung insoweit, als ihr nicht weitere EUR 3.170,11 zugesprochen worden seien (40% der verzeichneten Kosten für die beiden Befundaufnahmen) und beantragte eine Abänderung der Kostenentscheidung in diesem Umfang.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin führt zusammengefasst aus, die Kosten für die Befundaufnahme nach TP 3A III RATG gebührten jedenfalls immer dann, wenn in dem dem Sachverständigen durch das Gericht übermittelten Beschluss hinsichtlich der Bestellung und dem Gutachtensauftrag auch ein Hinweis auf die Beiziehung der Parteienvertreter enthalten sei, und sei es auch nur mit einem Hinweis auf Bekanntgabe des Termins für die Befundaufnahme.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

TP 3A Abschnitt III RATG idF EO-Novelle 2005 und des BRÄG 2008 sieht vor, dass für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung gebührt, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichtes erfolgt.

Zu dieser Regelung über den Kommissionstarif führt Obermaier (Kostenhandbuch Rz 602) aus, schon nach der Wortinterpretation sei das Vorliegen eines gerichtlichen Auftrages an den Sachverständigen, die Parteienvertreter beizuziehen, anspruchsbegründend. Es sei eine tarifliche Unterscheidung in Befundaufnahmen, bei denen die Anwesenheit der Parteienvertreter auch nach Ansicht des Gerichtes erforderlich sei und in solche, auf die das nicht zutreffe, sehr wohl sinnvoll. An Befundaufnahmen wie etwa der ärztlichen Untersuchung des Verletzten durch den unfallchirurigischen Sachverständigen hätten die Parteienvertreter auch schon bisher nicht teilgenommen. Sei die Beiziehung der Parteienvertreter zur Befundaufnahme sinnvoll, insbesondere weil dadurch auch ein Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes und/oder zur vollständigen Beachtung des in Frage kommenden Verfahrensstoffes durch den nicht immer rechtskundigen Sachverständigen zu erwarten sei, so sei es zweckmäßig, dem Sachverständigen auch deren Beiziehung aufzutragen. Im anderen Fall sei ihnen vom Sachverständigen die Teilnahme, wenn überhaupt, nur freizustellen, wonach hier das Honorar nach TP 7 Abs 2 RAG gebühre.

Obermaier befasste sich noch ausführlicher mit dieser Frage in RZ 2008/222 [223]: Im zivilgerichtlichen Verfahren hätten die Parteien bzw Vertreter schon zur Wahrung des rechtlichen Gehörs einen Anspruch auf Beteiligung an der Befundaufnahme. Der Sachverständige habe sie demgemäß von Zeit und Ort zu informieren und ihre Beteiligung zuzulassen, er habe die Befundaufnahme aber auch dann durchzuführen, wenn sich die Parteien aus welchen Gründen immer, trotz ordnungsgemäßer Verständigung an ihr nicht beteiligten; ihr Ausbleiben hindere seine Befundaufnahme nicht. Das aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgende Recht zur Teilnahme sei jedoch nicht anspruchsbegründend; bei einer solchen Interpretation wäre die Anspruchsvoraussetzung über „gerichtlichen Auftrag“ völlig sinnentleert. Die honrorarechtliche Differenzierung zwischen TP 3A III und TP 7 (RAT) gründe vielmehr darauf, dass das Gericht die tatsächliche Teilnahme der Parteien, sohin ihre aktive Mitwirkung an der Befundaufnahme, aus anderen, zusätzlichen Gründen als zur Einräumung des rechtlichen Gehörs als sachlich erforderlich ansehe, weshalb es dem Sachverständigen auftrage, hiezu die Parteien beizuziehen. Das höhere Honorar nach TP 3A (RAT) solle nur unter dieser Voraussetzung zustehen. Solle also der Sachverständige die Befundaufnahme über – nunmehr ausdrücklichen – gerichtlichen Auftrag nur unter Beiziehung und somit in Anwesenheit der Parteien durchführen, so gebühre das höhere Honorar nach TP 3A III RAT. Sei nach dem Inhalt des Gutachtensauftrages oder nach den Verfahrensvorschriften nur das rechtliche Gehör zu wahren, die Befundaufnahme jedoch auch im Falle des Ausbleibens einer Partei durchzuführen, so gebühre das Honorar nach TP 7 RATG. Durch die Novelle der TP 3A III (RAT) sei diese Abgrenzung nochmals betont und verstärkt worden, es bestehe damit kein Interpretationsspielraum, die nur zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebotene Verständigung der Parteienvertreter vom Termin einem gerichtlichen oder gesetzlichen Auftrag zu ihrer Beiziehung gleichzusetzen. Anspruchsbegründend sei ausschließlich der ausdrückliche gerichtliche Auftrag, die Befundaufnahme nur in Anwesenheit der Parteien(vertreter) durchzuführen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (MietSlg 59.555 noch zur Rechtslage vor dem BRÄG 2008) und das Oberlandesgericht (OLG) Wien (11 R 158/09z, 2 R 131/09p und 13 R 92/09h) ließen hingegen den Auftrag an den Sachverständigen, die Parteienvertreter von einer allfälligen Befundaufnahme rechtzeitig zu verständigen, für die Honorierung nach TP 3A III RAT genügen. Ergehe der Auftrag an den Sachverständigen, den Parteien Gelegenheit zur Teilnahme an der Befundaufnahme zu geben, so gebe das Gericht damit zu erkennen, dass es die Beiziehung der Parteien für notwendig erachte. Der Auftrag der Verständigung sei ein ausdrücklicher Auftrag.

Gegenteilig entschied das OLG Wien zu 4 R 177/08s (noch zur Rechtslage vor dem BRÄG 2008). Das Ersuchen des Gerichtes an den Sachverständigen, die Parteienvertreter rechtzeitig von der Befundaufnahme zu verständigen, tue lediglich dem Erfordernis Genüge, die Anwesenheit der Parteien im Hinblick auf die Wahrung ihres rechtlichen Gehörs zu ermöglichen.

Der Rekurssenat schließt sich der überwiegenden Entscheidungslinie des OLG Wien an. Selbst Obermaier, der eine restriktive Interpretation der zitierten Bestimmung verficht, differenziert nach der Sinnhaftigkeit der Beiziehung der Parteienvertreter zur Befundaufnahme. Gerade in einem komplizierten Bauprozess wie dem vorliegenden ist es zur vollständigen Beachtung des Verfahrensstoffes sinnvoll, dass die Parteienvertreter bei der Befundaufnahme durch den Sachverständigen intervenieren. Der zitierte Beisatz im Beschluss des Erstgerichtes ON 15 betreffend die in der Folge am 18.6.2008 durchgeführte Befundaufnahme ist vor diesem Hintergrund entgegen der Auffassung des Erstgerichtes als ein derartiger ausdrücklicher Auftrag zu verstehen.

Für diese Befundaufnahme hat die Klägerin daher grundsätzlich Anspruch auf Entlohnung nach TP 3A III RAT, allerdings nicht für 9/2 Stunden, sondern für die nach Auskunft des Sachverständigen tatsächliche Dauer der Befundaufnahme von 7/2, das sind EUR 1.834,55 zuzüglich 100% Einheitssatz, zusammen EUR 3.699,10 ohne USt. Die Heranziehung des doppelten Einheitssatzes wurde von der Beklagten in ihren Einwendungen nicht bemängelt, sondern im Gegenteil bekräftigt.

Hinsichtlich der weiteren Befundaufnahme am 20.5.2009 lag allerdings kein Auftrag des Gerichtes zur Beiziehung der Parteienvertreter vor, wie oben dargestellt. Daraus folgt jedoch nicht eine gänzliche Nichthonorierung der Intervention durch die Klagevertreter, sondern – wie dargelegt – eine Honorierung nach TP 7/2 RATG. Für 3/2 Stunden ergeben sich EUR 928,50 zuzüglich 50% Einheitssatz, zusammen EUR 1.392,75 ohne USt.

Insgesamt hat die Rekurswerberin daher gemäß ihrer 70%igen Obsiegensquote Anspruch auf 40% der Interventionskosten für die beiden Befundaufnahmen von EUR 5.061,85, das sind EUR 2.024,74 zuzüglich 20% USt, insgesamt EUR 2.429,68.

Dem Rekurs war daher teilweise Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung entsprechend abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO sowie 11 RATG: Die Klägerin ist mit ihrem Kostenrekurs mit rund 77% durchgedrungen, sie hat daher Anspruch auf Ersatz von 44% der Rekurskosten.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Textnummer

EW0000494

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2010:01600R00180.10Y.1015.000

Im RIS seit

14.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten