TE Vfgh Erkenntnis 2007/10/12 G50/07

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Veröffentlicht am 12.10.2007
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Tir TourismusG 2006 §8 Abs3

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags eines Rechtsanwaltesauf Aufhebung einer Bestimmung des Tiroler Tourismusgesetzes 2006betreffend die Vertretung von Mitgliedern in der Vollversammlungeines Tourismusverbandes durch berufsmäßige Parteienvertreter; keineBeschränkung der Berufsausübungsfreiheit; weiter rechtspolitischerGestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung vonVorschriften über die Willensbildung von Kollegialorganen vonKörperschaften öffentlichen Rechts

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt; gestützt auf Art140 B-VG begehrt er, §8 Abs3 des Gesetzes vom 15. Dezember 2005 zur Förderung des Tourismus in Tirol (Tiroler Tourismusgesetz 2006), LGBl. 19/2006, als verfassungswidrig aufzuheben und ihm den Ersatz der angefallenen Kosten zuzusprechen.

2. Die §§7 und 8 des Tiroler Tourismusgesetzes 2006, LGBl. 19, (§7 in der Fassung LGBl. 28/2007), lauten wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Vollversammlung

§7

Zusammensetzung, Stimmrecht

(1) Die Vollversammlung besteht aus sämtlichen Mitgliedern des Tourismusverbandes.

(2) Zur Ermittlung des Stimmrechts in der Vollversammlung sind die Pflichtmitglieder nach der Höhe der Summe ihrer Pflichtbeiträge an den Tourismusverband nach §35 Abs6 und ihrer Beiträge an den Tiroler Tourismusförderungsfonds nach §45 Abs1 fallend, bei gleicher Höhe dieser Summe alphabetisch, zu reihen und in dieser Reihung derart in drei Stimmgruppen zu unterteilen, dass auf jede Stimmgruppe ein Drittel der Gesamtsumme entfällt. Lässt sich die Drittelsumme nur so ermitteln, dass die Summe der Beiträge eines Mitgliedes auf zwei Stimmgruppen aufzuteilen wäre, so ist dieses Mitglied der Stimmgruppe mit der niedrigeren Anzahl an Mitgliedern zuzuzählen.

(3) Verfügt bei der Bildung der Stimmgruppen nach Abs2 die erste Stimmgruppe nicht über so viele wählbare Mitglieder, wie die doppelte Anzahl der auf diese Stimmgruppe entfallenden Mitglieder des Aufsichtsrates beträgt, so ist diese Stimmgruppe aus den in der fallenden Reihung nächstfolgenden Mitgliedern auf die erforderliche Anzahl zu ergänzen. In diesem Fall sind die zweite und die dritte Stimmgruppe so zu bilden, dass auf jede Stimmgruppe die Hälfte der um die Summe der Beiträge der ergänzten ersten Stimmgruppe verminderten Gesamtsumme der Beiträge entfällt. Abs2 zweiter Satz ist anzuwenden.

(4) Auf jedes Mitglied der nach Abs2 oder 3 gebildeten dritten Stimmgruppe entfällt eine Stimme. Auf jedes Mitglied der zweiten und der ersten Stimmgruppe entfallen so viele Stimmen wie die Anzahl der Mitglieder der betreffenden Stimmgruppe in der Anzahl der Mitglieder der dritten Stimmgruppe ganzzahlig enthalten ist.

(5) Freiwillige Mitglieder üben ihr Stimmrecht unter Zugrundelegung der Leistung des Mindestbeitrages nach §35 Abs6 in der dritten Stimmgruppe aus.

(6) Das Stimmrecht ist für jede Vollversammlung, in der Mitglieder des Aufsichtsrates zu wählen sind, vom Amt der Landesregierung nach der Höhe der dieser Vollversammlung zuletzt vorausgegangenen Vorschreibung der Pflichtbeiträge und der Beiträge zum Tiroler Tourismusförderungsfonds zu berechnen. Das Ergebnis der Stimmenberechnung ist in einer Stimmgruppenliste festzuhalten. Diese ist, ohne Angabe der Beitragshöhe der einzelnen Mitglieder und innerhalb der drei Stimmgruppen alphabetisch gereiht, dem Tourismusverband so rechtzeitig zu übermitteln, dass sie den Wahlen zugrunde gelegt werden kann.

(7) Der Obmann hat die Stimmgruppenliste unverzüglich eine Woche zur allgemeinen Einsicht am Sitz des Tourismusverbandes aufzulegen. Der Beginn und das Ende der Einsichtnahmefrist und die für die Einsichtnahme bestimmte Zeit sind an der Amtstafel jener Gemeinden, auf deren Gebiet sich der Tourismusverband erstreckt, anzuschlagen. Der Bürgermeister hat auf Ersuchen des Obmanns den Anschlag an der Amtstafel zu veranlassen. Wegen der Nichtaufnahme eines vermeintlichen Mitgliedes oder wegen der Aufnahme eines vermeintlichen Nichtmitgliedes des Tourismusverbandes steht dem vermeintlichen Mitglied bzw. Nichtmitglied sowie dem Obmann des Tourismusverbandes bis zum Ablauf der Auflagefrist das Einspruchsrecht zu. Das Einspruchsrecht steht auch jedem aufgenommenen Mitglied wegen seiner Zuordnung zu einer Stimmgruppe zu. Der Einspruch ist beim Amt der Landesregierung einzubringen. Über den Einspruch ist innerhalb eines Monats mit Bescheid zu entscheiden. Über eine gegen den Bescheid des Amtes der Landesregierung eingebrachte Berufung hat die Berufungskommission nach §38 Abs3 innerhalb von drei Monaten zu entscheiden.

(8) Die Stimmgruppenliste bildet die Grundlage für alle Abstimmungen in der Vollversammlung während einer Funktionsperiode des Aufsichtsrates. Der Obmann hat Personen, die während dieser Zeit Mitglieder eines Tourismusverbandes werden, auf Antrag unverzüglich in die Stimmgruppenliste aufzunehmen. Solche Mitglieder sind in die dritte Stimmgruppe in der Reihenfolge des Beginns ihrer Mitgliedschaft nach den jeweils an letzter Stelle eingereihten Mitgliedern einzuordnen. Ein Pflichtmitglied kann vor dem Ablauf der Funktionsperiode des Aufsichtsrates jeweils binnen einem Monat nach der Zustellung der Beitragsvorschreibung nach §36 seine Zuordnung in eine andere Stimmgruppe beantragen. Das Amt der Landesregierung hat diesem Antrag zu entsprechen, wenn der Antragsteller aufgrund seines Beitrages in eine andere Stimmgruppe als bisher eingereiht werden müsste. Die Zuordnung der übrigen Pflichtmitglieder zur jeweiligen Stimmgruppe bleibt davon unberührt. Eine dadurch allenfalls bewirkte Veränderung des Stimmgewichts nach Abs4 hat das Amt der Landesregierung jedoch unverzüglich dem Tourismusverband bekannt zu geben. Der Obmann hat Personen, deren Mitgliedschaft erloschen ist, unverzüglich aus der Stimmgruppenliste zu streichen. Die Aufnahme und die Streichung eines Mitgliedes sind unverzüglich dem Amt der Landesregierung mitzuteilen.

§8

Ausübung des Stimmrechts

(1) Eigenberechtigte natürliche Personen haben ihr Stimmrecht persönlich oder durch einen schriftlich Bevollmächtigten auszuüben.

(2) Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften haben ihr Stimmrecht durch vertretungsbefugte Organe oder durch einen von diesen schriftlich Bevollmächtigten auszuüben. Sind mehrere Personen vertretungsbefugt, so ist zur Ausübung des Stimmrechts ein gemeinsamer Vertreter zu bestellen. Personengemeinschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig sind, haben ihr Stimmrecht durch einen schriftlich Bevollmächtigten auszuüben.

(3) Ein Bevollmächtigter darf nur ein Mitglied vertreten. Berufsmäßige Parteienvertreter dürfen höchstens fünf Mitglieder vertreten."

Mit Beschluss vom 6. Juni 2006, G126/05, hatte der Gerichtshof den Antrag des nunmehrigen Antragstellers auf Aufhebung der Vorgängerbestimmung des §8 Abs3 Tiroler Tourismusgesetz 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die angefochtene Bestimmung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten und daher die Betroffenheit zu verneinen sei.

3.1. Der Antragsteller begründet seine Antragslegitimation wie folgt:

Die Bestimmung des §8 Abs3 Tiroler Tourismusgesetz 2006 sei für den Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Die angefochtene Bestimmung greife unmittelbar, tatsächlich und nachteilig in seine Rechtssphäre ein, indem sie es ihm als berufsmäßigem Parteienvertreter ausdrücklich verwehre, mehr als fünf Mitglieder der gleichen Stimmgruppe eines Tourismusverbandes im Rahmen einer Vollversammlung zu vertreten. Im Fall der Vollversammlung des Tourismusverbandes Seefeld am 14. Dezember 2006 sei es dem Antragsteller als berufsmäßigem Parteienvertreter daher nicht möglich gewesen, im Namen und Auftrag von mehr als fünf Mitgliedern einer Stimmgruppe das Stimmrecht auszuüben, obwohl er dazu bevollmächtigt und beauftragt gewesen sei. Ein zumutbarer anderer Weg, die Bedenken an den Gerichtshof heranzutragen, stehe dem Antragsteller nicht zur Verfügung.

3.2. Zur Begründetheit des Antrages wird vorgebracht, dass §8 Abs3 Tiroler Tourismusgesetz 2006 gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verstoße, da diese Bestimmung eine Beschränkung der Berufsausübung berufsmäßiger Parteienvertreter - zu denen insbesondere Rechtsanwälte zählten - vorsehe. Nach Ansicht des Antragstellers ist diese Beschränkung weder im öffentlichen Interesse gelegen noch sachlich gerechtfertigt. Es liege - unter Beachtung der Standesregeln - in der persönlichen Verantwortung des Rechtsanwaltes, bei Vertretung mehrerer Mitglieder eines Tourismusverbandes Interessenkollisionen zu vermeiden und im Vorfeld von Vollversammlungen mit seinen Mandanten das Stimmverhalten abzuklären und dann dementsprechend auszuüben.

Es sei nicht ungewöhnlich, dass ein und derselbe Anwalt Mandanten mit widerstreitenden Interessen vertrete und das Stimmrecht unterschiedlich ausübe, ohne dass der Anwalt in einen Interessenkonflikt gerate oder die Abstimmung verfälscht würde. Ein Interessenkonflikt könne auch schon bei der Vertretung von zwei Personen entstehen.

4.1. Die Tiroler Landesregierung erstattete fristgerecht eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages unter Verweis auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bestreitet. Der Antragsteller habe die Aktualität des Eingriffs nicht hinreichend dargelegt; dazu führt die Landesregierung wörtlich aus:

"Unter Punkt 1 des Antrages schildert der Antragsteller, dass es ihm im Rahmen der Vollversammlung des TVB Seefeld am 14. Dezember 2006, und zuvor bereits am 28. Juli 2005, verwehrt worden sei, als berufsmäßiger Parteienvertreter das Stimmrecht von mehr als fünf Mitgliedern der Vollversammlung auszuüben, und er legt dabei selbst dar, dass es sich bei den 68 bzw. 67 zu vertretenden Mitgliedern der Vollversammlung um Mandanten seines Anwaltskollegen Dr. W W handelte und er selbst nur als dessen Substitut aufgrund einer Subvollmacht in Erscheinung trat. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Substitutionsverhältnisses verweist er allgemein darauf, dass er seinen Anwaltskollegen Dr. W W regelmäßig, insbesondere im Rahmen von Vollversammlungen des TVB Seefeld, aufgrund einer (Sub-)Vollmacht vertrete, ohne dies allerdings in irgendeiner Form zu belegen. Die Tatsache allein, dass der Antragsteller für seinen Anwaltskollegen bereits im Rahmen von zwei Vollversammlungen des TVB Seefeld als Substitut eingeschritten ist, legt nicht zwingend den Schluss nahe, dass er dies auch in Hinkunft tun werde, und vermag daher seine aktuelle Betroffenheit nicht hinreichend zu belegen, zumal dieses Einschreiten evidentermaßen lediglich der Vorbereitung des vorliegenden Individualantrages diente, andernfalls der Umstand, dass der Antragsteller als Substitut seines Anwaltskollegen die Vertretung der Interessen von mehr als fünf Mitgliedern der Vollversammlung des TVB Seefeld übernommen hat, obwohl ihm eine solche aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage nicht möglich war, bedenklich schiene. Auch die dem Antrag beigeschlossene Subvollmacht vom 14. Dezember 2006 scheint nicht geeignet zu sein, diesen Nachweis zu erbringen, da es sich hierbei offensichtlich um keine Vollmacht handelt, die ein auf Dauer angelegtes (Sub-)Bevollmächtigungsverhältnis belegen könnte. Da diese Vollmacht der Tiroler Landesregierung aber nicht vorliegt, kann auf diesen Umstand nur verwiesen werden, ohne dass dieser im Detail dargelegt werden kann. Auch unter Punkt 2 legt der Antragsteller lediglich eine potentielle Betroffenheit durch die angefochtene Bestimmung dar, indem er festhält, dass es ihm im Fall der Vertretung von mehr als fünf Mitgliedern eines Tourismusverbandes nicht möglich sei, seinen Pflichten gegenüber allen Vollmacht gebenden Mitgliedern eines Tourismusverbandes ohne Einschränkung nachzukommen. Der Antragsteller behauptet aber nicht, dass ihm von mehr als fünf Mitgliedern eines Tourismusverbandes Vollmacht zur Vertretung in der Vollversammlung erteilt wurde, bei anderer Rechtslage erteilt worden wäre oder erteilt werden wird.

Da dem Antrag somit kein konkreter Anhaltspunkt für eine Anwendung der angefochtenen Bestimmung zu entnehmen ist, ist die Antragslegitimation aufgrund dieser Erwägungen zu verneinen (vgl. dazu auch Rohregger in: Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG, Rz 176 zu Art140)."

4.2. In der Sache liegt nach Ansicht der Tiroler Landesregierung keine Verletzung von Art6 StGG vor. Dazu führt sie wörtlich aus:

"Die mit dem gegenständlichen Antrag angefochtene Bestimmung geht im Wesentlichen auf die Novelle LGBl. Nr. 106/2001 zum Tiroler Tourismusgesetz 1991 zurück. Bis zum In-Kraft-Treten dieser Novelle zum Tiroler Tourismusgesetz 1991 wurde bei der Regelung der Vertretung der Mitglieder in der Vollversammlung nicht zwischen 'privaten' Bevollmächtigten und berufsmäßigen Parteienvertretern unterschieden. Für beide Gruppen galt bis dahin, dass jeweils nur ein Mitglied eines Tourismusverbandes in der Vollversammlung vertreten werden durfte. Wie sich insbesondere auch aus dem Allgemeinen Teil der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle LGBl. Nr. 106/2001 ergibt, war der Landesgesetzgeber bei der Schaffung der angefochtenen Bestimmung bestrebt, die damals bestandene restriktive Vertretungsmöglichkeit bei der Ausübung des Stimmrechtes in der Vollversammlung maßvoll zu lockern. Der Landesgesetzgeber wollte mit der angefochtenen Bestimmung somit eben keine Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit der berufsmäßigen Parteienvertreter in der Vollversammlung schaffen, sondern diese vielmehr erweitern.

Im Rahmen der Übernahme dieser Regelung in das Tiroler Tourismusgesetz 2006 wurde, dieser Intention folgend, die Vertretungsmöglichkeit der berufsmäßigen Parteienvertreter in der Vollversammlung neuerlich erweitert, indem das Erfordernis, dass die zu vertretenden Mitglieder der Vollversammlung derselben Stimmgruppe angehören müssen, beseitigt wurde. Der Eigenverantwortlichkeit der berufsmäßigen Parteienvertreter bei der Wahrung der, allenfalls widerstreitenden, Interessen ihrer Mandanten wurde dabei besondere Bedeutung beigemessen.

Nach §1 Abs2 des Tiroler Tourismusgesetzes 2006 sind Tourismusverbände Körperschaften des öffentlichen Rechtes, denen nach §3 Abs1 leg.cit. die Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen und regionalen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine ökonomischen, sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen obliegen. Nach §10 leg.cit. kommen der Vollversammlung als Organ des Tourismusverbandes wesentliche Aufgaben, wie insbesondere die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates, zu. In Anbetracht der Tatsache, dass die Vollversammlung aus sämtlichen Mitgliedern des regionalen Tourismusverbandes besteht (z.B. TVB Seefeld ca. 1600 Mitglieder) und die Durchführung einer Sitzung der Vollversammlung daher schon aufgrund der großen Mitgliederzahl mit Schwierigkeiten verbunden ist, ist eine effiziente Abwicklung der Beratungen und der Beschlussfassung von besonderer Bedeutung und im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung durch die Tourismusverbände im öffentlichen Interesse gelegen. Eine Regelung, wonach es berufsmäßigen Parteienvertretern offen stünde, beliebig viele Mitglieder in der Vollversammlung zu vertreten, würde daher dem Interesse an einem möglichst flüssigen und störungsfreien Sitzungsverlauf und einer fehlerfreien Ermittlung von Abstimmungsergebnissen jedenfalls zuwider laufen. In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass sich Mitglieder von Tourismusverbänden in der Vollversammlung nicht regelmäßig durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten lassen, sondern meist nur in einzelnen Fällen, in denen die Interessen der einzelnen Mitglieder im besonderen Maß berührt sind. Das jeweilige Stimmverhalten der vertretenen Mitglieder in der Vollversammlung könnte aber sicherlich nicht in allen Fällen vorab abgeklärt werden, da dieses auch vielfach vom Verlauf der Beratungen und Diskussionen vor der Abstimmung abhängig ist und die für das Stimmverhalten notwendigen Informationen oft erst in der Sitzung erlangt werden können. Die Annahme, dass dem jeweiligen Mandanten die neu erlangten Informationen noch vor der Abstimmung auf telefonischem Weg mitgeteilt werden müssen, um das Stimmverhalten abzusprechen, und es dadurch zu Verzögerungen kommen kann, basiert auf den Erfahrungen in der Praxis. Eine Beschränkung der Anzahl der Vertretenen je Vertreter ist somit jedenfalls erforderlich und auch ein geeignetes Mittel, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Der Landesgesetzgeber war bei der Schaffung der Regelung aber auch bestrebt, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Mitglieder der Tourismusverbände bzw. den Interessen der berufsmäßigen Parteienvertreter einerseits und dem Interesse an einem reibungslosen und störungsfreien Ablauf der Sitzungen der Vollversammlung und damit an der Schaffung einer effizienten Verwaltungsstruktur andererseits zu finden. Eine Beschränkung der Anzahl der Mitglieder, die durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten werden können, auf höchstens fünf Mitglieder ist auch nicht unverhältnismäßig und berücksichtigt die Interessen der berufsmäßigen Parteienvertreter sowie der Mitglieder der Vollversammlung in ausreichendem Maß. Im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung ist die Regelung somit im öffentlichen Interesse geboten, geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen. Eine Verletzung des Grundrechtes liegt daher nach Ansicht der Tiroler Landesregierung nicht vor."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

2. Die bekämpfte Bestimmung schließt es aus, dass berufsmäßige Parteienvertreter mehr als fünf Mitglieder eines Tourismusverbandes bei der Ausübung ihres Stimmrechtes vertreten. Entgegen den Ausführungen der Landesregierung liegen nach Ansicht des Gerichtshofes genügend Anhaltspunkte vor, um eine aktuelle Betroffenheit des Antragstellers zu bejahen, zumal er bereits (zumindest) einmal von der angefochtenen Vorschrift betroffen war. Nach dem Antragsvorbringen und den Umständen des Falles kann es überdies als sehr wahrscheinlich angesehen werden, dass der Antragsteller auch künftig die Absicht hat, im Rahmen der Vollversammlungen von Tourismusverbänden deren Mitglieder als Mandanten (direkt oder in einem Substitutionsverhältnis) zu vertreten. Die angefochtene Vorschrift berührt den antragstellenden Rechtsanwalt daher unmittelbar und aktuell in seiner Rechtssphäre (vgl. etwa VfSlg. 11.853/1988, 12.379/1990 und 17.773/2006). Auch steht und stand ihm kein anderer (zumutbarer) Weg zur Verfügung, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Der Antrag ist daher zulässig.

III. In der Sache:

1. Nach dem Tiroler Fremdenverkehrsgesetz in seiner Stammfassung, LGBl. 8/1963, konnten Bevollmächtigte jeweils nur ein Mitglied vertreten, ohne dass berufsmäßige Parteienvertreter gesondert Erwähnung fanden. Mit LGBl. 16/1991 wurden die Vertretungsmöglichkeiten insofern eingeschränkt, als nunmehr lediglich die engsten Familienangehörigen oder aber berufsmäßige Parteienvertreter (schriftlich) bevollmächtigt werden durften. Die Möglichkeit, von einer schriftlichen Vollmacht abzusehen, sofern ein dem Ausschuss bekanntes Familienmitglied vertrat, wurde entfernt. Begründend führen die Materialien dazu aus, dass in der Praxis immer wieder Unregelmäßigkeiten aufgetreten seien, Vollmachten manipuliert bzw. Vollmachten zur Verbesserung der Aussichten einer Interessentengruppe regelrecht gesammelt worden seien; die Einschränkungen wurden also in Hinblick darauf für notwendig erachtet, dass bei Abstimmungen der wahre Wille der Mitglieder zum Ausdruck kommen sollte (vgl. RV 3 BlgTirLT, 2. Sitzung, 4. Tagung, 11. GP, 31). Mit LGBl. 106/2001 wurde die Vertretungsmöglichkeit für berufsmäßige Parteienvertreter auf fünf Mitglieder der gleichen Stimmgruppe ausgedehnt, um die restriktiven Vertretungsmöglichkeiten maßvoll zu lockern und Härten in der Praxis zu vermeiden (vgl. RV 9 BlgTirLT, 20. Sitzung, 13. GP, 7). Im Zuge der Erlassung des Tiroler Tourismusgesetzes 2006, LGBl. 19, blieb die Beschränkung der Vertretungsbefugnis hinsichtlich der Anzahl der Vertretenen aufrecht; die Einschränkung, dass die Vertretenen derselben Stimmgruppe angehören müssen, entfiel jedoch unter Hinweis darauf, dass Rechtsanwälte sich hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Vertretung von mehreren Mitgliedern der Vollversammlung im Hinblick auf etwaige Interessenkollisionen an ihrem Disziplinarrecht zu orientieren haben (vgl. RV 3 BlgTirLT, 17. Sitzung, 14. GP, 50).

2. Die angefochtene Regelung wird vom Antragsteller als Beschränkung der Berufsausübung berufsmäßiger Parteienvertreter gedeutet. Damit übersieht er, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Vorschriften über die Willensbildung von Kollegialorganen von Körperschaften öffentlichen Rechts, wie etwa der Vollversammlung der Tourismusverbände nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006, ein erheblicher rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen steht. Es könnte ihm von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er davon ausginge, dass bei Tourismusverbänden die Willensbildung in der Vollversammlung nur dann in zufrieden stellender Weise gesichert ist, wenn die Mitglieder grundsätzlich persönlich anwesend sind, so dass der Austausch von Argumenten in der Beratung und im Vorfeld von Abstimmungen in unmittelbarer Form möglich ist. Der Gesetzgeber dürfte daher aus solchen Überlegungen heraus (und die Materialien dürften in diesem Sinne zu verstehen sein) durchaus auch eine restriktive, "vertretungsfeindliche" Regelung schaffen. Wenn der Tiroler Tourismusgesetzgeber Derartiges tut (§8 Abs3, 1. Satz leg.cit.), jedoch auf der anderen Seite berufsmäßigen Parteienvertretern eine Ausnahme zugesteht, dann liegt nicht eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit solcher Parteienvertreter vor, sondern eine Regelung, die offenbar die Professionalität berufsmäßiger Parteienvertreter als sachlichen Grund für eine privilegierende Vertretungsregelung anerkennt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Vorgangsweise hegt der Gerichtshof nicht.

3. Der Antrag, §8 Abs3 Tiroler Tourismusgesetz 2006 als verfassungswidrig aufzuheben, war daher abzuweisen.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, VfGH / Individualantrag, Körperschaften öffentlichenRechts, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufsausübungsfreiheit,Rechtsanwälte, Vertreter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:G50.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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