TE OGH 2010/12/16 13Os131/10d

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Veröffentlicht am 16.12.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jahn als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz N***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Juni 2010, GZ 10 Hv 167/09a-183, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Johann B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann B***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von der Jahresmitte 2007 bis zum Jahresende 2008 gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verantwortliche der F***** GmbH unter Benützung von Versicherungsanträgen, in denen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller überhöht ausgewiesen waren, durch die wahrheitswidrige Behauptung, von der F***** GmbH an ihn bezahlte Provisionsvorschüsse würden von den Versicherungsnehmern rückerstattet werden, zur Leistung solcher Vorschüsse verleitet, wodurch das genannte Unternehmen mit rund 866.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann B***** geht fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) ermöglicht die Urteilsanfechtung nach Maßgabe folgender Kriterien:

Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall ist gegeben, wenn - nach Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof, also aus objektiver Sicht - nicht für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten, mithin sowohl für den Beschwerdeführer als auch das Rechtsmittelgericht, unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt worden oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist.

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil genau dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ.

Widersprüchlich sind zwei Aussagen, wenn sie nach den Denkgesetzen nicht nebeneinander bestehen können. Im Sinn der Z 5 dritter Fall können die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen, die zu den getroffenen Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen sowie die Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen zueinander im Widerspruch stehen.

Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht.

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419, 421, 437 f, 444, 467).

Da sich die Beschwerde nicht an diesen Anfechtungskategorien orientiert, sich vielmehr darin erschöpft, der tatrichterlichen Beweiswürdigung (US 29 bis 40) eigene Beweiswerterwägungen entgegenzustellen, entzieht sie sich einer meritorischen Erledigung.

Gegenstand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Dem gegenständlichen Schuldspruch liegen - zusammengefasst dargestellt - die Feststellungen zugrunde, der Beschwerdeführer habe die F***** GmbH dadurch mit rund 866.000 Euro am Vermögen geschädigt (US 25 f), dass er deren Verantwortliche - durch eingehend dargelegte Erklärungen (US 15, 17 bis 20, 22) - über die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Provisionsvorschüssen täuschte, wobei sowohl die Täuschung und die Vermögensschädigung als auch die eigene unrechtmäßige Bereicherung von seinem Vorsatz umfasst waren (US 15, 16, 20, 26 f) und er überdies in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung qualifizierten Betrugs eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 21).

Indem die Beschwerde diese Feststellungsbasis verlässt und unsubstantiiert behauptet, der Beschwerdeführer sei subjektiv „von der Finanzierbarkeit des Systems“ ausgegangen und habe den Verantwortlichen der F***** GmbH die Provisionsvorschüsse nicht betrügerisch herausgelockt, sondern einen Rechtsanspruch darauf gehabt, verfehlt sie erneut den gesetzlichen Bezugspunkt.

Mit dem Ansatz, der Beschwerdeführer sei einem „Verbotsirrtum“ unterlegen, wird der Schuldausschließungsgrund des Rechtsirrtums (§ 9 StGB) angesprochen (vgl Höpfel in WK2 Rz 3 und 5 bis 7; Steininger SbgK § 9 Rz 28 bis 32) und solcherart der Sache nach der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO herangezogen. Dessen prozessordnungskonforme Darstellung verlangt aber die deutliche und bestimmte Bezeichnung des einen - den genannten Ausnahmesatz betreffenden - diesbezüglichen Feststellungsmangel indizierenden, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Sachverhaltssubstrats (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601, 602), welchem Erfordernis die Beschwerde mit dem Hinweis auf die angebliche „Komplexität und Kompliziertheit der vorliegenden Situation“ nicht entspricht.

Soweit das diesbezügliche Vorbringen als Bestreitung des Vorsatzes zu verstehen ist (Z 9 lit a), wird abermals nicht an den gegenteiligen Urteilskonstatierungen festgehalten.

Die - im Übrigen argumentationslos vorgetragenen - Einwände der Sanktionsrüge (Z 11), vom eingetretenen Schaden (ca 866.000 Euro) seien rund 249.000 Euro „abzuziehen“ und sei „auch jener Betrag zu berücksichtigten, welcher als Sicherheit von der F***** GmbH zurückbehalten wurde“, lassen keinen Bezug zum herangezogenen Nichtigkeitsgrund erkennen.

Mit der sinngemäßen Forderung, dem Beschwerdeführer die Milderungsgründe des § 34 Abs 1 Z 7 und 11 StGB zugute zu halten, wird der Sache nach ein Berufungsvorbringen erstattet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Dabei wird zu beachten sein, dass die Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) gemäß § 495 Abs 2 StPO jenem Gericht zukommt, dessen Urteil die bedingte Nachsicht enthält (RIS-Justiz RS0111521; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 7).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96046

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00131.10D.1216.000

Im RIS seit

04.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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