TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/16 99/19/0067

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Veröffentlicht am 16.02.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs5;
FrG 1997 §19;
FrG 1997 §20 Abs1;
FrG 1997 §21 Abs3;
FrG 1997 §8;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des am 31. März 1988 geborenen G G in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Frysak, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Wagramer Straße 81/2/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1999, Zl. 301.061/7- III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 17. Dezember 1997 (bei der Niederlassungsbehörde erster Instanz eingelangt am 16. Jänner 1998), die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich lebenden Tante, die laut dem dem Antrag angeschlossenen Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 9. Jänner 1996 zu seinem Vormund bestellt worden war und die sich nach den weiteren Antragsunterlagen vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich auf Dauer niedergelassen hatte.

Dieser nunmehr als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Mai 1998 gemäß § 18 Abs. 1 iVm § 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 15. Februar 1999 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 21 Abs. 1 bis 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, aus § 21 Abs. 1 bis 3 FrG 1997 gehe eindeutig hervor, dass der Familiennachzug ausschließlich auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder beschränkt sei, der Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit dem Vormund" sei nicht vorgesehen, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 21 FrG 1997 abzuweisen sei, da im gegenständlichen Fall eine Zweckverfehlung vorliege. Mit Schreiben vom 19.Jänner 1999 sei dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers zum diesbezüglichen Sachverhalt die Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt worden, und dieser hätte vorgebracht, dass "Ihre Mutter nicht in der Lage ist, für Sie zu sorgen".

Bei Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK habe die belangte Behörde sehr wohl berücksichtigt, dass durch den Aufenthalt des Vormundes des Beschwerdeführers in Österreich unabsprechbare familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden. Dennoch könne unter den gegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, da nach der vorstehenden Abwägung die belangte Behörde zur Ansicht gelangt sei, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele höher zu werten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, zumal im gegenständlichen Fall eine Zweckverfehlung vorliege, desweiteren der Beschwerdeführer bislang in seinem Heimatstaat aufhältig gewesen sei und daher keinerlei soziale Integration in Österreich vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer verfügte weder nach der Aktenlage noch nach seinem Vorbringen jemals über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag daher zutreffend als solchen auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels, näherhin einer Erstniederlassungsbewilligung.

Die belangte Behörde stützt ihre abweisende Entscheidung auf § 21 Abs. 3 FrG 1997. Diese Bestimmung sieht vor, dass der Familiennachzug Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassen haben, auf die Ehegatten und die Kinder vor Vollendung des 14. Lebensjahres beschränkt ist. Der Beschwerdeführer hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, der im Gesetz genannte Familiennachzug dürfe nicht eng und restriktiv auf Ehegatten und deren minderjährige Kinder beschränkt werden. Durch die Übertragung der Vormundschaft auf seine Tante, der auch die ihn treffende Obsorge zukomme, habe diese die Stellung seiner nächsten Angehörigen, "quasi die 'Mutter-Statt' für ihn eingenommen, sonst hätte das zuständige Pflegschaftsgericht auch nicht der Übertragung der Vormundschaft aus den im Pflegschaftsbeschluss genannten Gründen zugestimmt".

Der Beschwerdeführer geht dabei implizit davon aus, dass seine Tante als Vormund einem leiblichen Elternteil im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG 1997 gleichzustellen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 98/19/0234, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, darlegte, ist ein Vormund nicht einem leiblichen Elternteil im Sinn des § 20 Abs. 1 FrG 1997 gleichzustellen. Dass der Beschwerdeführer Neffe einer nach dem Akteninhalt bereits vor dem 1. Jänner 1998 auf Dauer niedergelassenen Fremden ist, führte demnach zu Recht nicht zur Anwendung des § 21 Abs. 3 FrG 1997 auf ihn.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Die belangte Behörde wäre nämlich - das Fehlen eines Versagungsgrundes vorausgesetzt - verpflichtet gewesen, im Wege einer Ermessensentscheidung die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 17. Dezember 1997 ins Treffen geführten Gründe (Anwesenheit seiner Tante als Vormund im Bundesgebiet) einem zu ihrer Verwirklichung tauglichen Aufenthaltszweck (hier: des privaten Aufenthaltes) zu subsumieren. Die im Beschwerdefall erkennbar unrichtige Benennung des angestrebten Aufenthaltszweckes der für (minderjährige) Kinder gar nicht in Frage kommenden Familiengemeinschaft mit ihrem Vormund bzw. ihrer Tante, also eine bloße Fehlbezeichnung des Aufenthaltszweckes, hinderte die Behandlung des Antrages des Beschwerdeführers im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgesetzten Quote nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1999, Zl. 99/19/0162, mwN).

Die belangte Behörde war daher gehalten, in Anwendung der §§ 8 und 19 FrG 1997 eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen der Quote für Private eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen war.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Abwägung im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 2 MRK ist keine solche Ermessensentscheidung. Insbesondere wäre auch der für das Überwiegen der öffentlichen Interessen ins Treffen geführte Grund der "Zweckverfehlung" unzutreffend, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet im Rahmen der gemäß § 19 Abs. 5 FrG 1997 festgelegten Quote Berücksichtigung finden könnten (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1999).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 2001

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999190067.X00

Im RIS seit

07.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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