TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/13 B270/98

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Veröffentlicht am 13.06.1998
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art20 Abs2
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art133 Z4
RundfunkG §29 Abs5
AVG §69 Abs4

Leitsatz

Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag; Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Rundfunkkommission

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 20.500,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer erachtete im Zusammenhang mit der Aussendung eines ihn betreffenden Beitrages in der täglichen (regionalen) Nachrichtensendung "Salzburg heute" am 14. Mai 1996 um 19.00 Uhr das Objektivitätsgebot durch eine "unfaire, einseitige und teilweise falsche" Darstellung des Sachverhaltes als verletzt. Nachdem seine Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG) an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) mit Bescheid vom 1. August 1996 als unbegründet abgewiesen worden war (die gegen diesen abweislichen Bescheid beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde ist zu B3998/96 protokolliert), stellte der Beschwerdeführer am 1. April 1997 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor der RFK mit der Begründung, durch die Zeugenaussage eines der Redakteure in einem nachfolgenden Zivilverfahren seien neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen, die im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht werden konnten und die in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt anderslautenden Bescheid herbeizuführen geeignet seien.

Die RFK wies diesen Antrag mit der Begründung als unzulässig zurück, gemäß §29 Abs5 RFG unterlägen Entscheidungen der RFK keiner Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Aus dieser Formulierung sei eindeutig der Wille des Gesetzgebers zu erschließen, daß die Kommission in letzter Instanz entscheide und (ordentliche und außerordentliche) Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung nicht zulässig seien. Darüber hinaus sei der Antrag auch sachlich unbegründet, weil die Aussage des damals die Sendung gestaltenden Redakteurs in einem späteren Zivilverfahren auch sachlich keinesweges geeignet sei, einen Wiederaufnahmegrund nach §69 Abs1 Z2 AVG zu bilden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und/oder die Verletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

4. Der Intendant des Landesstudios Salzburg sowie der Chefredakteur und ein gestaltender Redakteur des Landesstudios Salzburg brachten eine gemeinsame Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

5. Wegen der allgemeinen Bedeutung der Sache wurde auch dem Bundeskanzleramt/Verfassungsdienst die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Mit Note vom 6. Mai 1998 verwies dieses auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 3506/1956 und die Literatur; mit dieser im Einklang stehe auch die bekämpfte Entscheidung der RFK.

Es könnten jedoch folgende Gründe gegen die herrschende Auffassung ins Treffen geführt werden:

"Art133 Z4 B-VG-Behörden kommt aufgrund ihrer rechtlichen Stellung eine dem VwGH ähnliche Position zu. Schon das Gesetz über die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, RGBl. Nr. 36/1876, sah eine Ausnahme der Zuständigkeit des VwGH bezüglich Entscheidungen, welche von einer aus Verwaltungsbeamten und Richtern zusammengesetzten Instanz geschöpft worden sind, vor, da die 'hohe richterliche Stellung der entscheidenden Behörde solche Garantien richtiger Entscheidung darbietet, wie sie selbst von einem Verwaltungsgerichtshof nicht stärker geboten werden können' (vgl. Pann, Die Verwaltungs-Justiz in Österreich mit Bedachtnahme auf die auswärtige Gesetzgebung (1876), 19). Sinn von Art133 Z4 und Art20 Abs2 B-VG ist es somit, die 'Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag' als gerichtsähnliche Einrichtungen nicht der Verwaltung zu unterstellen, weshalb ein weiterer Rechtsmittelzug ausgeschlossen wird. Aus der historischen Entwicklung heraus betrachtet, stehen Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag somit gewissermaßen als Surrogate des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfügung.

Schon unter diesem Gesichtspunkt wäre nur schwer einzusehen, daß Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag ihre Entscheidungen nicht im Wege der Wiederaufnahme neu aufrollen dürften, wohl aber der Verwaltungsgerichtshof gemäß §45 VwGG. Eine Bestätigung dieser Auffassung findet sich auch in der Wendung in Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG, wonach Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag 'in oberster Instanz' eingesetzt werden. Daraus kann geschlossen werden, daß diesen auch die Befugnis zur 'Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg' in jenem Umfang, wie obersten Organen sonst auch, zukommt. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, die Anwendung bestimmter Regelungen des AVG durch 'Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag' auszuschließen. Dies bedeutet, daß etwa die Abänderung eines Bescheides gemäß §68 Abs2 AVG durch eine 'sachlich in Betracht kommende Oberbehörde' hier nicht in Frage kommt. Hingegen wäre es sehr wohl zulässig, daß 'Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag' eine Wiederaufnahme von Verfahren vornehmen, die sie selbst mit Bescheid abgeschlossen haben. Gegen diese Auffassung spricht auch nicht unbedingt die Formulierung 'Abänderung im Verwaltungswege' in Art133 Z4 B-VG, weil damit offenbar nur zum Ausdruck gebracht werden soll, daß eine Aufhebung und Abänderung durch eine andere Verwaltungsbehörde ausgeschlossen sein soll. Der Zweck dieser Passage liegt nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst darin, die Entscheidungen dieser gerichtsähnlichen Kollegialbehörden vor jedem Einfluß anderer Kollegialbehörden zu sichern."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993 uvam.).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet; der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid aus folgenden Erwägungen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt:

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).

Die belangte Behörde hat die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens im wesentlichen damit begründet, daß die Entscheidungen der RFK gemäß §29 Abs5 RFG keiner Dnderung oder Aufhebung im Verwaltungswege unterlägen und somit auch eine Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig sei.

Gemäß ArtII Abs2 litC Z. 38 EGVG ist das AVG auf das behördliche Verfahren der RFK anzuwenden. §30 Abs1 RFG engt als lex specialis diese Anordnung insofern ein, als das AVG 1991 auf das Verfahren vor der RFK nur anzuwenden ist, soweit im RFG nichts anderes bestimmt ist.

§29 Abs5 RFG lautet:

"(5) Die Entscheidungen der Kommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg."

Der Bundesgesetzgeber hat sich mit dieser Formulierung in §29 Abs5 RFG an jener des Bundesverfassungsgesetzgebers in Art20 Abs2 und Art133 Z. 4 B-VG ("wenn ... Bescheide ... nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen ...") orientiert. In seinem Erkenntnis VfSlg. 13709/1994 hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß diese Formulierung nicht in einer dem Art18 B-VG zuwiderlaufenden Weise unbestimmt sei.

Zu seinem Inhalt aber nahm der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 3506/1959 Stellung:

"Der Verfassungsgerichtshof ist der Meinung, daß in der Wendung 'wenn .... die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen' auch der Ausschluß eines weiteren administrativen Rechtszuges verfügt worden ist.

Die Überschrift des 2. Abschnittes des IV. Teiles des AVG. 1950 lautet: 'Sonstige Abänderung von Bescheiden' und die des §68 'Abänderung und Behebung von Amts wegen', was zu einem Oberbegriff 'Abänderung (Aufhebung) von Bescheiden' führt, unter welchen auch die Abänderung (Behebung) von Bescheiden in einem durch Berufung ausgelösten Überprüfungsverfahren fällt. Der Ausdruck 'Abänderung' bezieht sich demnach nicht nur auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß §68 Abs2, 3 und 4 AVG., des weiteren nicht nur auf das Recht der Behörde zur Selbstaufhebung und Selbstabänderung von Bescheiden nach der gleichen Gesetzesstelle, wodurch die materielle Rechtskraft der Bescheide dieser Verwaltungsbehörden in einer ihrem Charakter als gerichtsähnliche Institutionen entsprechenden Weise gegenüber Bescheiden anderer Verwaltungsbehörden erweitert wird, sondern auch auf die Abänderung (Behebung) im Instanzenzug. Der Umstand, daß das Bundes-Verfassungsgesetz die Voraussetzung verlangt, daß die Bescheide nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen, widerspricht keineswegs der getroffenen rechtlichen Feststellung. Hätte der Verfassungsgesetzgeber nur die Anwendung des §68 AVG. ausschließen wollen, so hätte dies in erkennbarer Weise zum Ausdruck gebracht werden müssen, etwa durch die Worte, daß die Bescheide nicht von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden dürfen. Der 'Verwaltungsweg', von dem das Bundes-Verfassungsgesetz spricht, geht über den Inhalt des §68 AVG. hinaus. Dieser weite Ausdruck stellt die Unveränderlichkeit der Bescheide dieser Kollegialbehörden gegenüber allen im Verwaltungsverfahren denkbaren Möglichkeiten, eingeschlossen ein Berufungsverfahren, sicher.

Für diese Auslegung spricht auch der Schlußsatz des Art133 Ziff. 4 B.-VG. Nach ihm kann das die Einrichtung einer Kollegialbehörde regelnde Bundes- oder Landesgesetz 'ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen' die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für zulässig erklären. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Erschöpfung des Instanzenzuges voraus (Art131 Abs1 B.-VG.). Wenn nun das Bundes-Verfassungsgesetz dem Gesetzgeber die Vollmacht gibt, anzuordnen, daß gegen einen Bescheid einer Kollegialbehörde, der nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege unterliegt, der Verwaltungsgerichtshof angerufen werden kann, so läßt dies nur den Schluß zu, daß der Verfassungsgesetzgeber diese Bestimmung als eine auch den Instanzenzug beendende Vorschrift betrachtet."

Dieses Erkenntnis ist vor dem Hintergrund des damals zu erledigenden Falles zu sehen, in dem die Frage nach der Zulässigkeit des Ausschlusses eines weiteren administrativen Rechtszuges im Berufungsverfahren zu klären war. Diese Ausführungen sind insofern einschränkend zu sehen, als die Wiederaufnahme des Verfahrens im Verfahren vor Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag durch diese Kollegialorgane selbst schon aus Sicht der Bundesverfassung für zulässig zu erachten ist. Eine die systematischen Zusammenhänge und Wertungen berücksichtigende Interpretation führt zu einem solchen Auslegungsergebnis:

Von der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit waren bereits gemäß §3 lith, zweiter Fall, des Gesetzes vom 22. Oktober 1875 betreffend die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, RGBl. 1876/36, Entscheidungen, welche von einer aus Verwaltungsbeamten und Richtern zusammengesetzten Instanz geschöpft worden waren, ausgeschlossen. Im B-VG 1920, StGBl. 1920/450 bzw. BGBl. 1920/1, lautete der Art131. B-VG:

"Artikel 131.

Von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind ausgeschlossen die Angelegenheiten:

1.

die zur Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes gehören;

2.

über die den ordentlichen Gerichten die Entscheidung zusteht;

              3.              über die eine Kollegialbehörde zu entscheiden oder zu verfügen hat, der in erster oder höherer Instanz wenigstens ein Richter angehört."

Durch ArtI, §31 B-VGNov. 1925, BGBl. 1925/268, hätte der Abschnitt "A. Verwaltungsgerichtshof" des sechsten Hauptstückes eine völlig neue Fassung erhalten sollen. Gemäß ArtII der genannten B-VGNov. sollten diese Bestimmungen erst gleichzeitig mit dem gemäß Art136 B-VG zu erlassenden Bundesgesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Organisation des Verwaltungsgerichtshofes in Kraft treten. Da dieses Gesetz tatsächlich nicht bis 1930 erlassen wurde, erlangte die neue Fassung des genannten Abschnittes niemals Wirksamkeit.

Durch die B-VGNov. 1929, BGBl. 1929/392, wurde den Art129 bis 136 B-VG eine neue Fassung gegeben, die gemäß ArtII, §22 Abs1 Übergangsgesetz 1929 am 1. Jänner 1930 in Wirksamkeit traten.

Art129 Abs5 B-VG in der Fassung der B-VGNov. 1929 lautete:

"(5) Ausgeschlossen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind:

1. die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören;

2. die Disziplinarangelegenheiten der Angestellten des Bundes, der Länder, der Bezirke oder der Gemeinden;

3.

die Angelegenheiten des Patentwesens;

4.

die Angelegenheiten, über die in oberster Instanz die Entscheidung einer Kollegialbehörde zusteht, wenn nach dem die Einrichtung dieser Behörde regelnden Bundes- oder Landesgesetz unter den Mitgliedern sich wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und nicht, ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt ist."

Seit Bestehen des Verwaltungsgerichtshofes waren also von seiner Zuständigkeit Angelegenheiten, in denen eine sogenannte "Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag" entscheidet, ausgeschlossen. Die Begründung für diese Ausnahme erblickte man in der Mitwirkung von Richtern an der Entscheidungsfindung sowie darin, daß die "hohe richterliche Stellung der entscheidenden Behörde solche Garantien richtiger Entscheidung darbietet, wie sie selbst von einem Verwaltungsgerichtshof nicht stärker geboten werden können" (vgl. die RV und den Bericht der Kommission des Herrenhauses zum Gesetz über die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes Blg. zu den Sten. Prot. des Herrenhauses 148 und 197, VII. Session; Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (1977), 17).

Wie dargestellt, hat der Bundesverfassungsgesetzgeber erst mit der B-VGNov. 1929 die Einrichtung dieser Kollegialbehörden und die Qualität ihrer Entscheidungen verfassungsgesetzlich näher umschrieben. Den Materialien zur letztlich nicht in Kraft getretenen B-VGNov. 1925 und jenen zur B-VGNov. 1929 ist nicht zu entnehmen, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber auch die Wiederaufnahme des Verfahrens im Verfahren vor einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag mit der gewählten Formulierung in Art129 Abs5 B-VG idF der B-VGNov. 1929 unterbinden wollte.

Bereits vor Erlassung des AVG und unter Abgehen von seiner früheren Rechtsprechung hatte der Verwaltungsgerichtshof im Administrativverfahren - trotz einer fehlenden gesetzlichen Grundlage - grundsätzlich einen Rechtsanspruch der Partei auf Wiederaufnahme des Verfahrens bejaht (vgl. Tezner, Das österreichische Administrativverfahren (1922), 484 f und die dort angeführte Judikatur; ident auch die 2. Aufl. (1925)).

Der Verfassungsgerichtshof hat denn auch bereits wiederholt über Beschwerden im Zusammenhang mit Anträgen über Wiederaufnahme des Verfahrens vor einer Art133 Z4-Behörde entschieden, ohne die grundsätzliche Zulässigkeit der Entscheidung der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag über solche Anträge zu verneinen (s. VfSlg. 9069/1981, 11951/1989, 13414/1993).

Da die Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens jener Instanz obliegt, die zuletzt in der Sache entschieden hat (vgl. §69 Abs4 AVG, wonach die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zusteht, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein Unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem), ist es ausgeschlossen, daß eine andere Behörde als die Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag selbst Einfluß auf die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die dadurch erforderlich werdende neue Entscheidung in der Sache selbst erlangt. Die Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag bleibt in jeder Beziehung die oberste entscheidungsbefugte Behörde. Bedenken im Hinblick auf Art20 Abs2 B-VG bestehen insofern nicht.

Daraus folgt, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch vor der Rundfunkkommission als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag zulässig ist. Die belangte Behörde hat, indem sie diesen Umstand verkannt und den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zurückgewiesen hat, sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß die RFK in ihrer Begründung auch noch inhaltliche Ausführungen zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens in den angefochtenen Bescheid aufgenommen hat. Denn der Spruch des Bescheides lautet eindeutig auf Zurückweisung des Antrages als unzulässig; auch die Begründung geht vornehmlich in diese Richtung.

Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.

III. 1. Die Kostenentscheidung

stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist eine Eingabegebühr gemäß §17 a VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. I 88/1997 in der Höhe von S 2.500,-- und Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Kollegialbehörde, Verwaltungsverfahren, Wiederaufnahme, Rundfunk, Beschwerdeverfahren (Rundfunk), Rundfunkkommission

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B270.1998

Dokumentnummer

JFT_10019387_98B00270_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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